Seit Kurzem rollt der Ball wieder in der Schweizer Super-League. Neben einem Bier gehört auch die Wurst für den Fan zum Stadionbesuch. Im Wankdorf ist dies die YB-Wurst, seit dieser Saison gibt es davon auch eine vegane Version. Diese stammt vom Start-up Outlawz Food. «Mit dieser Zusammenarbeit erfüllt sich ein Kindertraum – und es ist eine schöne PR-Geschichte», sagt Kevin Schmid, CEO und Gründer von Outlawz Food. Mengenmässig wird das für das Thuner Unternehmen weniger ins Gewicht fallen. Er rechnet damit, dass 10 bis 20% der im Stadion verkauften Würste – rund 10’000 – vegan sein dürften. Vor dem Gespräch mit schweizeraktien.net war der Firmengründer mehrere Tage am Gurtenfestival tätig. Outlawz Food betrieb den grössten Foodstand des Festivals und habe unter anderem etwa 13’000 Outlawz-Kebabs verkauft. «Es ist wichtig für uns, bekannt und nahe bei unserer Zielgruppe zu sein», sagt Schmid.
Das Start-up produziert täglich eine bis zwei Tonnen Fertigprodukte. Damit stösst Outlawz an die Grenzen am bisherigen Produktionsstandort in Thun. Deshalb sei man auf der Suche nach einem neuen Produktionsstandort. Dieser sollte im Umkreis von rund 30 km von Bern gelegen sein, denn «man wolle die eigenen Wurzeln nicht verlieren». Outlawz Food sucht vorzugsweise einen Rohbau oder eine alte Lebensmittelfabrik mit 1500 bis 2000 m2 Fläche. Am neuen Standort soll es auch zu einer Konzentration kommen. Heute befinden sich die Büros in Bern und das Lager in Deisswil. Das Unternehmen ist aus einem Foodtruck entstanden, und ein solcher wird auch heute wieder betrieben.
Früher Maggi, heute Fleischersatz
Einer der bekanntesten Schweizer Anbieter von Fleischprodukten auf pflanzlicher Basis ist Planted aus Kemptthal. In Teilen der ehemaligen Maggi-Fabrik produziert das Unternehmen pro Stunde rund 1,5 Tonnen Fleischersatz. Planted kombiniert dabei Extrusionstechnologie und Fermentation. Die Extrusionstechnologie wird in der Lebensmittelindustrie seit über 50 Jahren zur Herstellung von Snacks, Cerealien oder Nudeln eingesetzt. Sie ermöglicht es, pflanzliche Proteine, die auf mikroskopischer Ebene kugelförmig sind, in eine faserige, längliche Form wie tierische Muskelfasern zu bringen. Die Fermentation etwa bei Bier oder Sauerkraut führt dank Mikroben wie Pilzen oder Bakterien zu besserem Geschmack und Textur. Dadurch kann Planted nach eigenen Angaben grössere, komplexere, saftigere und zartere Teilstücke erzeugen und wichtige Mikronährstoffe wie Vitamin B12 hinzufügen.
In der Fabrikationsanlagen in Kemptthal ging es Maggi einst darum, die Ernährung der Arbeiterfamilien zu verbessern. Planted geht es gemäss Christoph Jenny, Mitgründer und Mitglied der Geschäftsleitung, um eine «bessere Alternative zum tierischen Protein». Wir werden gemäss Jenny nicht darum herumkommen, nachhaltiger zu leben. Planted hat Vertretungen in Deutschland, Österreich, Grossbritannen, Italien und den Benelux-Staaten gegründet. Die Produktion befindet sich aber noch ausschliesslich in der Schweiz. Die Gesellschaft beschäftig über 200 Angestellte, davon mehr als 65 in Forschung und Entwicklung. In Kemptthal wird gemeinsam mit der vegetarischen Restaurantkette Hiltl ein Restaurant betrieben, das auch für Anlässe gemietet werden kann.
Wir essen noch nicht nachhaltig
«Unsere Lebensmittelproduktion ist nicht nachhaltig und nicht gesund», sagt auch Christina Senn Jakobsen, Managing Director von Swiss Food and Nutrition Valley (SFNV). Die im Jahr 2020 gegründete Swiss Food and Nutrition Valley ist ein Verein mit 11 Mitarbeitenden, der das Ziel hat, den Schweizer Pioniergeist wieder in die Lebensmittelherstellung zu holen und diese weiterzubringen. «Die grosse Frage ist, wie bereit ist die Schweiz, mit neuer Technologie Lebensmittel zu produzieren, wie parat sind Konsumenten, Hersteller, Vertrieb und die Forschung – etwa an Universitäten», fragt die SFNV-Managerin. Themen, die ihren Verein beschäftigen, sind etwa Fleischersatz, Preciscion Fermentation und Zelltechnologie.
Der SFNV umfasst 120 Partner, darunter neun Grossunternehmen aber auch viele Start-ups. Partner sind neben den Kantonen Waadtland, Fribourg, Zürich und Schaffhausen auch Swiss Global Enterprises und Hochschulen wie die ETH und EPFL. Unternehmen, die Mitglieder werden wollen, müssten über einen Handelsregistereintrag verfügen und mehr sein als eine Vertriebsorganisation – also etwa in Forschung oder Produktion tätig sein.
Mit dem US-Hype gegründet
Die Fleischersatz-Industrie in der Schweiz ist noch jung. Planted wurde 2019 gegründet, als in den USA gerade ein Riesenhype um den Börsengang von Beyond Meat stattfand. «Wir wollten neben nachhaltigem Essen auch eines ohne Zusatzstoffe anbieten. Das war ein wichtiger Treiber für die Gründung», sagt Jenny. Die Produkte von Planted umfassen wenige natürliche Inhaltsstoffe: Erbsen, Wasser und Gewürze – teilweise wird das Angebot vormariniert. Das Unternehmen konzentrierte sich ursprünglich auf Hühner- und Schweinefleischersatz auf Erbsenbasis. Neu auf dem Markt sind Kebab und Bratwurst, die Produktnamen seien an die Verwendung angelehnt, sagt Jenny «und es ist nicht so, dass wir Kalbfleisch nicht könnten».
Zu den Abnehmern zählen die Grossverteiler Coop und Migros, zahlreiche Gastronomiegruppen wie SV Group oder die SBB. Das Unternehmen konzentriere sich auf hochwertige Produkte, aber nicht auf eine Premiumstrategie. Der potenzielle Markt sei nach wie vor gross, denn es gebe viele Detailisten und Gastrobetriebe, die noch kein alternatives Fleisch im Angebot hätten.
Die Flaschenhälse, die das Wachstum beeinträchtigen, änderten ständig. Dieses Jahr seien auf einmal mehr Bratwürste nachgefragt worden, als das Unternehmen liefern konnte, führt Jenny aus. Das Angebot mit mehr Protein, aber weniger Salz und Fett sei gut angekommen. Während der Pandemie seien dagegen die Kapazitäten von Mühlen und im Transport eingeschränkt gewesen, das habe sich wieder verbessert. Es gebe auch gesetzliche Regelungen, die das Unternehmen behindern. Lange mussten Gelberbsen importiert werden, weil Schweizer Bauern keine Subventionen erhalten, wenn sie diese Feldfrucht für den menschlichen Verzehr und nicht für Tiere anbauen. Das sei aber mittlerweile korrigiert worden.
Gewisse gesetzliche Rahmenbedingungen erachtet Outlawz nicht unbedingt als fair. Bei der Produktebezeichnung gebe es immer wieder Probleme, sagt Schmid. Zudem sei Rindfleisch immer Rindfleisch, egal, von wo vom Rind es stamme. Sie müssten dagegen Weizenmehl, Weizenprotein und alle anderen Bestandteile des Weizens deklarieren, deshalb sei auch die Liste der Inhaltsstoffe bei veganem Fleischersatz so lange.
Erbsen oder Weizen?
Während Planted sich auf Erbsen, Hafer und das Restprodukt der Sonnenblumenverarbeitung konzentriert, setzt Outlawz auf Weizen. «Weizen hat für uns zu wenig Proteine», sagt Christoph Jenny. Dieser Aussage widerspricht Outlwawz-CEO Schmid: «Weizen hat nicht weniger Protein. Unser Geschnetzeltes hat mehr Proteine als Konkurrenzprodukte aus Erbsen». Ein grosser Vorteil von Erbsen-basierten Produkten sei, dass sie glutenfrei seien. Weizen sei aber nachhaltiger, da er aus der Schweiz stamme. Zudem verbinde er sich einfach mit anderen Inhaltsstoffen, was in der Herstellung weniger Technologie und Herstellungsschritte benötige.
Outlawz Food setzt nicht auf den Ersatz von ganzen Fleischstücken. «Die Zeit ist noch nicht reif für ein veganes Filet», glaubt Schmid. Der Markt mit veganem Fleischersatz stehe erst am Anfang. Outlawz wolle gute Produkte mit vertretbaren Rohstoffen anbieten. Das Angebot werde über die Jahre verbessert. Vom Speck sei jetzt gerade eine überarbeitete zweite Version lanciert worden. Outlawz hat Speck, Wurst, alle Arten von Aufschnitt aus dem Charcuteriebereich und Kebab im Angebot. Neu sind eine Fertig-Bolognese und Stroganoff hinzugekommen. Hier funktioniert das Unternehmen gleich wie die Fleischindustrie. Die Abfälle aus der Herstellung werden in weiteren Produkten verwendet. Die Reste der Schinkentranchenherstellung werden für Würste verwendet, dort entstehen wiederum Brosamen für kleine Würfel, was einen wesentlichen Teil in der Nachhaltigkeitsstrategie von Outlawz Food ausmacht. Lebensmittel sollen ganzheitlich verwertet werden und nicht gegen Ende der Wertschöpfungskette durchs Raster fallen.
Das Motto lautet nicht «vegan gegen Fleisch»
Die Industrievertreter sehen sich nicht in einem Kampf gegen den Fleischkonsum. Die Umstellung gehe nicht von heute auf morgen, sagt Planted-Mitgründer Jenny. «Essen ist kulturell verankert, ein Wandel der Gewohnheiten braucht Zeit.» Der Fleischverbrauch lag hierzulande im Jahr 2022 bei 452’200 Tonnen, das sind 0,7% weniger als im Vorjahr. Weil jedoch die Schweizer Bevölkerung um deutlich mehr als 100’000 Personen zugenommen hat, ist der Pro-Kopf-Konsum stärker gesunken und liegt auf 50,8 kg, im Jahr davor betrug dieser Wert noch 51,8 kg.
Fleischproteine werden gemäss Senn Jakobsen noch über viele Jahre Teil unserer Ernährung sein, doch die Herstellung müsse nachhaltiger werden. «Es muss nicht jeder Veganer werden», ergänzt sie. Es wäre ein grosser Fortschritt, wenn der Fleischkonsum pro Kopf auf 20 kg sinken und dieser biologisch und lokal angebaut würde. Wichtig sei auch die Aufklärung, etwa «wie ersetzt man das Vitamin B12 vom Fleischkonsum, denn sonst fühlt man sich oft müde». Man müsse den Verbrauchern bewusst machen, welche Riesenauswahl an Gemüsen, Hülsenfrüchten, Nüssen und Pilze es gebe. «Es sei aufwendiger, Flexitarier aufzuklären als Veganer», sagt Senn Jakobsen. Schwierig sei auch, dass «die gleiche Regierung, die Fleischwerbung unterstützt, uns auch rät, weniger Fleisch zu essen».
Auf die Frage, wieso die veganen Proteinprodukte immer Fleischgerichte imitierten, antwortet Schmid: «Es gibt noch keine Namen für vegane Produkte. Bohnentranche rot, die als Specktranche dient, würde wohl niemand kaufen. Das Essverhalten hat sich über Jahrhunderte gebildet. Wir sind uns an den Menuaufbau – Fleisch, Gemüsebeilage, Stärke – gewohnt».
Die Zukunft ist noch ungeschrieben
Von den vielen Anbietern von alternativen Fleischprodukten hat sich noch keiner durchgesetzt. «Interessant wird es für die Branche, wenn wir mit Fleischprodukten Preisparität erreichen oder günstiger werden», so Jenny. Mit der Fleischwirtschaft sei die Zusammenarbeit gut, aber natürlich gebe es von Lobbyseite her «politischen und philosophischen Gegendruck».
Vom kurzen Höhenflug und dramatischen Absturz der amerikanischen Beyond Meat lassen sich die Schweizer Start-ups nicht verunsichern. Outlawz ist gemäss CEO genau das Gegenteil des US-Unternehmens. Man blase den Business-Case nicht unnötig auf, sondern wolle Kunden, Zulieferern und dem eigenen Personal ein Umfeld bieten. Outlawz beschäftigt 20 Mitarbeitende, und laufend werden neue eingestellt. Man beschränke sich aber auf vier bis fünf pro Jahr, damit sich der Geist des Unternehmens nicht verändere. Alle Neuen werden sorgfältig eingearbeitet und integriert. «Sonst entsteht Trägheit», meint Schmid. Man wolle ein KMU und kein Start-up aufbauen. Es gehe nicht darum, Marketing und Sales ohne Ende zu pushen und zehn Jahre ohne Gewinn «Umsatz zu bolzen». «Wir wollen ein Fundament mit stabilen Strukturen», sagt Schmid. Dafür habe das Jungunternehmen bereits ein ERP-System und zahlreiche Zertifizierungen.
«Der Wechsel von Fleisch zu pflanzenbasiertem Protein ist nicht bloss ein Hype – es ist ein grundlegender Trend», sagt der Planted-Mitgründer. Viele Konsumenten seien mit dem aktuellen Ernährungsangebot nicht zufrieden, sie möchten bewusster Leben, weniger Tierleid verursachen, sich aber auch keine Gedanken über ellenlange Listen mit Zusatzstoffen beim Essen machen. Die Produkte von Beyond Meat basierten dagegen auf einer Technologie aus den 70er-Jahren und hätten viele Zusatzstoffe enthalten, erklärt Jenny. Die US-Firma sei auch zu früh an die Börse gegangen, mit roten Zahlen und negativer Marge. Ein Börsengang sei für Planted noch in weiter Ferne. Die Produktmarge sei zwar positiv, das Unternehmen schreibt aber wie alle Konkurrenten rote Zahlen.
Expansion braucht Geld
Die Jungunternehmen sind für das weitere Wachstum deshalb auf Geldgeber angewiesen. Planted hat gemäss Jenny guten Zugang zu Kapital. Sie würden neues aufnehmen, wenn es wegen der Lancierung von neuen Produkten oder neuen Märkte gebraucht würde. Die vier Gründer sind weiterhin alle an Bord. Geld hat das Unternehmen auch von Venture-Capital-Gesellschaften erhalten. Das Unternehmen beteiligt sich an öffentlichen Forschungsprojekten, erhält das Geld dafür aber wiederum von der Innovationsagentur Innosuisse. Diese habe die Rolle des wegfallenden EU-Programms Horizon übernommen.
Für den anstehenden Ausbau wäre bei Outlwaz Food eine weitere Finanzierungsrunde fällig. Momentan sind 70% des Unternehmens in Besitz der Gründer. In einer Pre-Seed-round haben sich auch Risikokapitalgeber am Unternehmen beteiligt. Als grössten Konkurrenten bezeichnet Schmid die Bündner Greenmountain, die zur Liechtensteiner Hilcona gehört. Dieses Unternehmen sei Outlawz am ähnlichsten. Es habe aber Platz für mehrere Anbieter und Branchen. Es ist gemäss Schmid schwierig, das eigene Marktpotenzial abzuschätzen, wenn man mit grossen Anbietern wie Planted und Nestlé konkurriere.
Outlawz Food arbeitet mit Aktionariat zusammen und hat das Eigenkapital tokenisert. Dabei geht es vor allem um den direkten Kontakt mit den Inhabern. Sonst entwickelt man sich gemäss Schmid in einer Bubble und wird betriebsblind. Es sei wichtig, Leute von aussen mit einzubeziehen, die ein ehrliches Interesse an der Firma hätten – auch finanziell. Bisher hätten sie nicht so viele Personen erreicht, wie sie sich das vorgestellt hätten. Durch die Tokensierung hätten sie aber ehrliches Feedback und Fragen erhalten. Die Finanzierung und die nächste Kapitalerhöhung wird Outlawz aber traditionell und nicht über die Blockchain durchführen.
Weitere Unternehmen aus der alternativen Lebensmittelindustrie:
Nicht nur aus Pflanzen kann man Fleischalternativen gewinnen. Mirai Foods ist es gelungen, in nur kurzer Zeit ein Filet Mignon im Labor zu züchten. In einem speziell entwickelten Bioreaktor entstehen im Labor des 2019 Unternehmens aus Wädenswil aus nachgebildeten Muskelfasern die gewünschten Fleischstücke.
Yumame Foods, gegründet 2021, nutzt das Verfahren der Fermentation, um aus Pilzen eine nachhaltige Proteinquelle zu schaffen. Das Verfahren befindet sich noch in der Entwicklung: Wie das Produkt genau aussehen und schmecken wird, ist noch nicht bekannt.
Lesen Sie auch den Beitrag von schweizeraktien.net zum Thema «Bio Revolution», die u.a. ebenfalls im Bereich Nahrungsmittel zur Anwendung kommt.