Fast jeden Tag berichtet in den letzten Wochen eine Bank über sprudelnde Zinserträge im 1. Halbjahr 2023. Auch die WIR Bank Genossenschaft erzielte bis Ende Juni ein Plus von 29,5% beim Zins- und Diskontertrag. Doch anders als bei den meisten Instituten schlägt sich der kräftig gestiegene Zinsertrag nicht in der gesamten Erfolgsrechnung positiv nieder. Denn die Genossenschaftsbank hat schon früh die Zinsen auf Spargelder erhöht. Die Folge: Der Zinsaufwand explodierte förmlich, sodass unter dem Strich ein geringerer Netto-Erfolg aus dem Zinsengeschäft übrig blieb. Auch der Reingewinn lag mit 11 Mio. CHF um einen Drittel unter dem Vorjahreswert.
Bis zu 1,8% auf dem Sparkonto
Bruno Stiegeler, CEO der Bank WIR, begründet das im Vergleich mit anderen Banken schwache Zinsergebnis damit, dass seine Bank den Kundinnen und Kunden rasch bessere Konditionen eingeräumt habe: «Im Gegensatz zur gängigen Praxis in der Finanzbranche haben wir die Zinserhöhungsschritte der Schweizerischen Nationalbank fürs Sparen und Vorsorgen konsequent weitergegeben und wenden gleichzeitig auf der Kreditseite bei den Geldmarkthypotheken – ebenfalls entgegen dem «Mainstream» – einen sehr kundenfreundlichen und transparenten Zinsmechanismus an.», so Stiegeler in einer Medienmitteilung. Als Beispiel wird das Sparkonto Plus genannt, das eine Verzinsung von hohen 1,8% für Neugelder bis 500’000 CHF bietet. Der Zinsaufwand erhöhte sich insgesamt um 11.9 Mio. CHF auf 15.6 Mio. CHF. Bei einem Zinsertrag von 46.5 Mio. CHF (+ 29,5%) verblieb trotz marginaler Wertberichtigungen von 189’000 CHF ein Netto-Zinserfolg, der mit 31.9 Mio. CHF um 3,4% unter dem Vorjahreswert lag.
Ein negatives Vorzeichnen hatte auch mit minus 1,0% der Erfolg aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft. Obwohl die Erträge aus dem Wertschriften- und Anlagegeschäft um 17,2% auf 2.7 Mio. CHF zulegten, konnten diese den Rückgang beim Verrechnungsgeschäft mit der eigenen Währung WIR um 12,9% auf 4.1 Mio. CHF nicht kompensieren. Das Geschäft mit WIR oder CHW ist schon länger das Sorgenkind der Genossenschaftsbank. Erfreulich ist hingegen die Entwicklung bei der digitalen Wertschriften-Vorsorgelösung VIAC, die per Ende Juni 82’700 Kundinnen und Kunden zählte. Die verwalteten Vermögen von VIAC liegen mittlerweile bei 2.6 Mrd. CHF. Das Handelsgeschäft warf im 1. Halbjahr 2023 wieder einen Gewinn von 2.3 Mio. CHF ab, nach einem Verlust von 16.5 Mio. CHF im Vorjahr. Der sukzessive Abbau der Handelspositionen, mit dem im vergangenen Jahr begonnen wurde, sei nun abgeschlossen, so CFO Mathias Thurneysen. Nun werde das Ergebnis berechenbarer.
Bilanzsumme steigt auf 6.3 Mrd. CHF
Dank der guten Zinskonditionen auf der Passivseite erhöhten sich die Kundengelder auf 4.39 Mrd. CHF, was einem Plus von 3,4% entspricht. Auffällig ist auch hier, dass die Kundengelder in Schweizerfranken (CHF) mit 4,3% stärker wuchsen als die CHW. Diese mussten wiederum einen Rückgang von 3,8% hinnehmen. Ähnlich sieht es auf der Aktivseite der Bilanz aus. Die Hypothekarforderungen in CHF legten um 4,4% zu, während die WIR Hypotheken nochmals weniger gefragt waren (- 2,4%). Die übrigen Ausleihungen gingen um 0,6% zurück, wobei auch hier die CHW-Forderungen (-4,7%) für den Rückgang verantwortlich waren. Gesamthaft legte die Bilanzsumme jedoch um 4,2% auf 6.30 Mrd. CHF zu.
Kräftiger Anstieg beim Geschäftsaufwand
Doch das Wachstum der Bank kostet auch. In der Medienmitteilung zum Semesterabschluss schreibt die Bank, dass sie die VIAC-Plattform um das Angebot mit freiem Wertschriftensparen erweitern wolle. Dies zeige sich im 9,1% höheren Sachaufwand. Als weitere Gründe nennt Stiegeler die innovativen Entwicklungen rund ums Thema Komplementärwährung, die konsequente IT-Modernisierung sowie den erstmaligen Auftritt als Premium Partner an der Tour de Suisse. Der Sachaufwand stieg um 15,1% auf 15.0 Mio. CHF; der Personalaufwand fiel aufgrund einer 2,5%igen Lohnerhöhung zum Jahresbeginn mit 17.5 Mio. CHF um 4,4% höher aus. Der Geschäftserfolg erreichte 9.3 Mio. CHF. Dies nach einem Verlust von 5.5 Mio. CHF im Vorjahressemester. Die Auflösung von Reserven für allgemeine Bankrisiken fiel mit 3 Mio. CHF wesentlich geringer als im Vorjahr aus (17.5 Mio. CHF), sodass unter dem Strich nur ein Gewinn von 11.0 Mio. CHF verblieb.
Für das 2. Halbjahr geht die Bank WIR gemäss der Medienmitteilung von einem stärkeren Zinsengeschäft aus. Es wird ein weiterhin anspruchsvolles Umfeld und ein gesundes Wachstum prognostiziert.
Fazit
Mit Blick auf den Semesterabschluss der WIR Bank wird deutlich, dass für die Genossenschaftsbank das Kundeninteresse stärker im Fokus steht als der kurzfristige Gewinn. Auch nutzt sie geschickt das aktuelle Zinsumfeld, um mit attraktiven Konditionen neue Kunden zu gewinnen. Dieses Wachstum schlägt sich natürlich in der Erfolgsrechnung negativ nieder. Statt sprudelnder Gewinne im Zinsengeschäft muss die Bank im Kerngeschäft sogar einen Ertragsrückgang hinnehmen. Angesichts des anspruchsvoller werdenden Umfelds am Immobilienmarkt und damit für Hypothekarfinanzierungen muss die Bank jedoch aufpassen, dass sie die Risiken im Griff hat.
Sehr erfreulich ist die positive Entwicklung bei der Beteiligung VIAC. Hier zeigt sich, dass die Bank WIR schon frühzeitig klug gehandelt hat, um die Chancen der Digitalisierung durch Kooperationen mit Start-ups zu nutzen. Allerdings ist dies auch notwendig, denn die Volumen und Erträge im Geschäft mit der eigenen Komplementärwährung CHW schrumpfen seit Jahren. Es wäre wünschenswert, wenn die Genossenschaftsbank diesen negativen Trend nicht nur stoppen, sondern umkehren könnte.
Der Kurs des auf OTC-X gehandelten Stammanteils hat sich seit Jahresbeginn leicht auf zuletzt 478 CHF erhöht. Bei einer gleichbleibenden Dividende von 10.75 CHF je Anteilsschein beträgt die Rendite 2,3%. Dies ist zwar nicht üppig, sollte den Kurs aber nach unten absichern. Kann allerdings der Rückgang im Zinsengeschäft im 2. Halbjahr nicht gestoppt werden, sind auch rückläufige Kurse nicht auszuschliessen.