Die Lieferkettenproblematik ist nicht verschwunden, aber die Lage verbessert sich. Das ist einer der Gründe für den Umsatzanstieg um 5,4% auf 814.6 Mio. CHF. Die Frankenstärke hat das höhere Wachstum in Lokalwährungen um 3,6% gemindert. Dennoch kletterte das Nettoergebnis deutlich von 21.6 Mio. CHF im ersten Halbjahr 2022 auf nun 41.3 Mio. CHF.
In die Schlagzeilen brachte Bobst ein Cyber-Angriff im April, der jedoch schnell abgewehrt werden konnte. Der Effekt auf die Zahlen war zwar negativ, positiv ist jedoch zu bewerten, dass Bobst offensichtlich gut vorbereitet war und die schädlichen Effekte zu minimieren verstand. Der Markt wandelt sich, und dazu zählen auch neue Gefahren wie die inzwischen häufiger vorkommenden Cyber-Attacken.
Marktbedingungen im ersten Halbjahr 2023 verbessert
Im ersten Halbjahr 2022 waren teilweise, wie in China, noch Lockdown-Bestimmungen und Reisebeschränkungen wirksam, dieses Jahr jedoch nicht mehr. Dadurch konnte der hohe Auftragsbestand besser abgearbeitet werden, was laut Medienmitteilung von Bobst der Hauptgrund für den Umsatzanstieg ist. Einer höheren Anzahl von installierten Maschinen und Serviceeinsätzen stehen jedoch höhere Kosten für Materialien, Komponenten und Energie gegenüber. Durch Preiserhöhungen im Vorjahr haben sich die Margen dennoch verbessert, was sich im markant höheren EBIT niederschlägt. Der Zuwachs beträgt 18.2 Mio. CHF auf 46.8 Mio. CHF. Das Nettoergebnis fiel mit 41.3 Mio. CHF nach 21.6 Mio. CHF im Vorjahreszeitraum ebenfalls überzeugend aus.
Auslastung und Effizienz
Einen wesentlichen Anteil an den verbesserten Margen hatte aber auch, dass die in den beiden Vorjahren neu eingestellten Techniker und Mitarbeitenden für die technische Unterstützung sehr viel besser ausgelastet waren, insbesondere im Aussendienst. Dies erhöhte die Kostendeckungsbeiträge. Fehlende Teile erhöhten jedoch den Aufwand und führten zu Ineffizienzen und Nacharbeiten. Die Beschaffungssituation ist immer noch herausfordernd. Bei einer fortgesetzten Normalisierung in der Lieferkette, sowohl bei Materialien wie bei Komponenten, sind weitere Effizienzsteigerungen absehbar. Erneute Störungen hätten jedoch den gegenteiligen Effekt.
Umsatz- und EBIT-Entwicklung
In beiden Divisionen nahmen zwar die Nettoerlöse zu, doch die EBIT-Beiträge unterscheiden sich stark. Im Geschäftsbereich Printing & Converting erreichte das Umsatzwachstum 6,9% auf 498.9 Mio. CHF, im Geschäftsbereich Services & Performance 3,3% auf 315.7 Mio. CHF. Hier schlägt sich die höhere Zahl von neu installierten Maschinen nieder. Beim EBIT ist das Bild anders. Im Geschäftsbereich Printing & Converting verbesserte sich der EBIT-Beitrag um 5.9 Mio. CHF auf -3.8 Mio. CHF. Das EBIT im Geschäftsbereich Services & Performance stieg kräftiger um 12.3 Mio. CHF auf 51.9 Mio. CHF.
Der Weg in die Kreislaufwirtschaft als Chance
Laut Medienmitteilung blieb der Auftragsbestand des Geschäftsbereiches Printing & Converting zwar auf hohem Niveau, ermässigte sich jedoch um 7% gegenüber dem Stand vom 30.06.2022. Die Nachfragetrends werden von E-Commerce, Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit bestimmt. Die daraus erwachsenden Marktchancen nutzt Bobst. Was trotz hoher Sammelquoten der Wiederverwendung im Sinne der Kreislaufwirtschaft generell entgegensteht, sind die unterschiedlichen Arten von Plastik sowie die in der Praxis vielen Kombinationslösungen. Solche Materialien lassen sich kaum trennen und sind deshalb nicht in Kreisläufen recyclierbar. Bobst bietet nun Mono-Materialien und tatsächlich recyclingfähige neue Verbundstoffe für flexible Verpackungen, Barriere-Folien und Papier an. In Italien wurde Dücker Robotics übernommen, was zu noch besseren Automatisierungslösungen für die Kunden führt und die Abfallmengen reduziert.
Aktuelle Industrietrends
Der Markt ist einerseits davon bestimmt, dass die Markenhersteller ihre Lieferketten regionalisieren, um makroökonomische Risiken zu reduzieren, andererseits schreitet die Konsolidierung der Branche voran. Neue Fabriken auf der «grünen Wiese» sind von der vertikalen Integration der Papier- und Folienhersteller in die Prozesse der Verpackungsindustrie geprägt.
Hohes langfristiges Potenzial durch Konnektivität
Im Geschäftsbereich Service & Performance wird der Geschäftsgang vor allem von der Konnektivität und dem Customer Relationship Management bestimmt. Während neue Maschinen nur mit Service-Vertrag verkauft werden, müssen ältere Modelle nach spätestens 40 Jahren erneuert werden. Über 30’000 Maschinen sind weltweit im Einsatz, von denen nur die jüngsten 10’000 tauglich für die Konnektivität mit der Cloud sind. Anfang Jahr waren 4’100 Maschinen über Bobst Connect Cloud gesteuert. Ziele sind die Entwicklung innovativer Retrofits und Upgrades, die auch die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Kunden unterstützen sollen.
Ausblick
Der vom Unternehmen gegebene Ausblick geht von einer Fortsetzung des etwas gebremsten Trendwachstums für das Gesamtjahr und darüber hinaus aus. Unverändert zur Guidance vom Februar werden ein gleichbleibender Gruppenumsatz von 1.8 Mrd. CHF für 2023 sowie eine leicht unter dem Vorjahreswert von 7,7% liegende EBIT-Marge erwartet. Zu den Risiken zählen weitere Verwerfungen an den Devisenmärkten, Störungen der Lieferketten, Kostensteigerungen für Rohstoffe und Energie sowie die steigenden Personalkosten. Mittel- bis langfristig sollen die EBIT-Marge bei 8% liegen sowie eine Rendite auf das eingesetzte Kapital (ROCE) in Höhe von 20% erzielt werden.
Fazit
Die Zahlen des ersten Semesters bestätigen die Guidance. Trotz zunehmender Gegenwinde wie die Frankenstärke und die gestörten Lieferketten blieben Umsatz und Gewinn auf hohem Niveau. Der Auftragseingang hat sich allerdings abgeschwächt. Die Bilanzstärke hat durch die hohen Dividenden- und Sonderdividendenausschüttungen in 2022 und 2023 verloren. Die Eigenkapitalquote zum 30.06.2023 ist auf 22,1% zurückgegangen. Dies ist jedoch nicht kritisch zu sehen. Der Hauptgrund sind die erfolgten üppigen Ausschüttungen, die dem Hauptaktionär zur Reduzierung der Verschuldung im Rahmen des Kaufangebots dienen. Die veränderte Dividend Policy sieht vor, dass zukünftig mindestens 50% des Jahresgewinns zur Ausschüttung an die Aktionäre kommen. Die KGV-Bewertung ist zwar optisch noch günstiger geworden, doch neue Wachstumsfantasie ist gegenwärtig noch nicht zu erkennen.
Die Bobst-Aktie wird auf OTC-X gehandelt. Der letztbezahlte Kurs lag bei 70 CHF.