Immobilienanlagen im Fokus: Boom bei Zweitwohnungen ohne Ende?

Einwohnerinnen und Einwohner in Tourismusregionen werden abgedrängt

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Zweitwohnungen in den Bergen sind nach wie vor beliebt und haben in den vergangenen Jahren zu einem Bauboom in den touristischen Regionen geführt. Bild: stock.adobe.com

Wohl kaum eine Branche in der Schweiz erlitt durch die Covid-Pandemie derart schmerzhafte Einbussen wie der einheimische Tourismus. Die Krise traf ein Geschäftsfeld, das schon vor Covid mit genügend Problemen zu kämpfen hatte. Der fehlende oder wenige Schnee im Winter beraubt einige Destinationen ihrer sogenannten Unique Selling Proposition (USP). Dazu gesellt sich die starke Inlandswährung oder die veränderten Bedürfnisse der Touristen. Wandertouren genügen nicht und sind zudem sehr anstrengend für Gäste ohne die nötige Fitness. Bei diesen Ansprüchen müssen manche Hotels um ihre Auslastung bangen. Da kommt die Energiekrise ja gerade zur rechten Zeit. In einer Umfrage des Branchenverbands Hotelleriesuisse gaben letztes Jahr die Hälfte der Betriebe an, wegen den hohen Energiekosten in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten zu sein. Bei einer Verdreifachung des Strompreises hätten sie ihre Türen schliessen müssen.

Es geht wieder aufwärts in den Bergen

Der Wendepunkt war 2022. In diesem Jahr registrierte die Hotellerie in der Schweiz 38.2 Mio. Logiernächte. Gegenüber 2021 entspricht dies einem Anstieg um 29,4%. Nach zwei stark von Covid-19 geprägten Jahren erreichte die Nachfrage wieder den Stand von vor der Pandemie: Sie übertraf das Ergebnis von 2017, blieb allerdings noch leicht hinter dem Niveau von 2018 (-1,5%) und 2019 (-3,3%) zurück. Interessanterweise hat dieser Aufschwung auch nicht vor dem Klassiker des Schweizer Bergtourismus Halt gemacht: der Ferienwohnung. Diese Feriendomizile, die auch unter dem technischen Namen «Zweitwohnungen» laufen – waren gerade in der Pandemiezeit sehr begehrt.

Laut der UBS-Studie «Alpine Property Focus 2021» stiegen die Ferienwohnungspreise 2020 in den untersuchten Schweizer Destinationen im Vorjahresvergleich um fast 4%, was dem stärksten Anstieg seit 2012 entsprach. Aufgrund der pandemiebedingten Reisebeschränkungen verbrachten 2020 insgesamt mehr Schweizerinnen und Schweizer ihre Ferien im Inland als in den Vorjahren. Hiesige Ferienorte gewannen sehr stark an Attraktivität, wodurch manche Haushalte den Reiz einer möglichen Ferienwohnung im Eigentum entdeckten. Dieser Run auf Ferienwohnungen ist auch dieses Jahr ungebrochen. Die Preise für Ferienwohnungen lagen laut der diesjährigen UBS-Studie im Durchschnitt aller analysierten Destinationen per 1. Quartal 2023 rund 7% über den Vorjahreswerten.

Der mittlere Kaufpreis für eine Ferienwohnung stieg seit 2019 von 750’000 CHF auf aktuell rund 1 Mio. CHF. Im damaligen Negativzinsumfeld waren solch hohe Kaufpreise noch zu verschmerzen, als die Hypothekarzinsen und die Opportunitätskosten für Eigenmittel beim Erwerb einer Wohnung knapp 1% des Kaufpreises betrugen. Doch mittlerweile liegen diese rund dreimal höher. So sind die Gesamtkosten bei Erwerb einer Wohnung (inklusive Ausgaben für Eigenmietwert und Unterhalt) von etwa 25’000 auf fast 50’000 CHF jährlich gestiegen.

Ein Gesetz mit Schlupflöchern

Hinter diesem Aufschwung verbirgt sich allerdings ein massives Problem, mit dem die Tourismuskantone zu kämpfen haben. Nachdem die Stimmbürger die Zweitwohnungsinitiative 2012 angenommen hatten, wurden Ferienwohnungen zu einem raren Gut. In den bekannten Feriendestinationen, die ihren vom Gesetz erlaubten Anteil von 20% bereits überschritten hatten, trocknete der Markt für Zweitwohnungen völlig aus. Stattdessen wurden die Gemeinden erfinderisch beim Aufspüren von Gesetzeslücken. So ist zum Beispiel die Umwandlung einer Erst- in eine Zweitwohnung möglich. Somit hat der Bestand an Zweitwohnungen in den Tourismusdestinationen seit Anfang 2020 plötzlich um 2% zugenommen.

Die Schattenseite liegt auf der Hand. Wo die Erstwohnungen fehlen, wandern die Einwohner ab. Schlagzeilen machte im letzten Jahr die Engadiner Gemeinde Celerina. Rund 20 Bewohner einer Wohnüberbauung mussten letztes Jahr eine neue Bleibe suchen, denn aus ihren früheren Wohnungen sollten Zweitwohnungssitze im Luxussegment werden. Theoretisch könnten die Mieter in der Umgebung eine neue Wohnung suchen, doch in unmittelbarer Nähe befinden sich nur die Luxusdestinationen St. Moritz und Pontresina.

Ein schwacher Trost mag sein, dass seit dem Herbst 2022 dem Preisboom langsam die Luft ausgeht. Im Berner Oberland sind die Preise sogar leicht rückläufig. «In den nächsten Quartalen dürften sich die Preisanstiege auf dem Ferienwohnungsmarkt weiter abschwächen», sagt Maciej Skoczek. Er ist Autor der UBS-Studie «Alpine Property Focus 2023». Laut Skoczek zeichnet sich eine Periode stagnierender Preise ab, wie zwischen 2014 und 2019. Es gäbe drei Gründe, die gegen eine Fortsetzung des bisherigen Preisbooms bei Ferienwohnungen sprächen. Erstens würden die erhöhten Nutzungskosten aufgrund der seit letztem Jahr gestiegenen Zinsen vermehrt entscheidungsrelevant. Zweitens falle der «Lockdown-Käufer», der Zuflucht in der Bergwelt suche, weg. Und drittens würden mehr Erst- in Zweitwohnungen umgewandelt, sodass sich der Ferienwohnungsbestand vergrössere.

Änderungen im Zweitwohnungsgesetz

Was vom Boom bleibt, sind sehr teure Zweitwohnungen und Tourismusgemeinden, die zur hübschen Kulisse verkommen, wenn die eigenen Einwohner abgedrängt werden. Beim Bundesrat ist letztere Botschaft angekommen. Er schlägt just diese Woche Änderungen zum Zweitwohnungsgesetz vor, die auf die «sehr angespannte» Wohnungssituation der lokalen Bevölkerung Rücksicht nehmen will und in diesem Rahmen bestimmen, dass zusätzliche Wohnungen, die bei der Vergrösserung von Zweitwohnungen entstehen, nur als Erstwohnungen genutzt werden dürfen.

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