Nach turbulenten Jahren ist der Edelmetallverarbeiter Cendres+Métaux wieder in ruhigere Fahrwasser gekommen. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres legten die Umsätze weiter zu auf 61.1 Mio. CHF. Auch Akquisitionen tätigte das Bieler Unternehmen wieder. Im Interview mit schweizeraktien.net erklärt CEO Philipp von Büren, wie das Unternehmen auf den Fachkräftemangel reagiert hat, spricht über weitere Wachstumspläne und das Nachhaltigkeitsprogramm.
Herr von Büren, noch im zweiten Quartal 2022 sagten Sie: «Wir haben die Aufträge und die Maschinen, aber zu wenig Leute, um die Aufträge abarbeiten zu können.» Seit Anfang 2022 hat sich die Zahl der Mitarbeitenden, exklusive der Akquisitionen, um rund 7-8% erhöht. Was ist Ihr Erfolgsrezept für die erfolgreiche Akquise von Fachkräften?
Philipp von Büren: Wir haben stark in unsere Attraktivität als Arbeitgeber investiert. Konkret haben wir in einer Umfrage das Feedback unserer Mitarbeitenden eingeholt und setzen die daraus abgeleiteten Massnahmen konsequent um. Deshalb sind wir nun auch mit dem Qualitätslabel «Great Place to Work» zertifiziert. In dem Zusammenhang schulen wir auch laufend unser Kader und verbessern unsere Kommunikation auf allen Ebenen. Wir haben gemerkt, dass wir durch Mund-zu-Mund-Werbung am meisten neue Mitarbeitende gewinnen konnten. Also kommunizieren wir, wie interessant die Arbeit bei uns ist, welch renommierte Marken wir zu unseren Kunden und Partnern zählen, dass wir viel Abwechslung am Arbeitsplatz bieten.
Alle internen Massnahmen bündeln wir unter dem Motto «Tous Ensemble». Dabei ist die Ausbildung von Lernenden auch ein wichtiger Bestandteil, den wir weiter ausbauen wollen. Ja, wir erachten auch die Erwachsenenbildung als zunehmend wichtig und arbeiten an einem entsprechenden Ausbildungsprogramm, um auch Quereinsteiger in unseren Tätigkeiten ausbilden zu können.
Wie wichtig ist dabei die Höhe des Lohns? Wie wollen Sie angesichts der strukturellen Knappheit von Fachkräften zukünftig mit den sich abzeichnenden Lohnsteigerungen umgehen?
Die Höhe des Lohns ist zweifellos ein wichtiger Faktor für die Attraktivität eines Arbeitgebers. Wir verstehen, dass eine angemessene Vergütung die Anerkennung der Leistungen und den Wert, den unsere Mitarbeitenden für das Unternehmen bringen, widerspiegelt. So zahlen wir marktgerechte Löhne und sind Teil des GAV der Uhrenindustrie mit zusätzlichen Benefits. Jedoch hängen wir als Unterlieferant auch von den Preisen ab, welche unsere Kunden zu zahlen bereit sind. Das bedeutet, dass die Konkurrenz vom Ausland im Nicht-Uhrenbereich entsprechend hoch ist. Durch Automatisierungen und Standardisierungen versuchen wir weitere Kapazitäten zu schaffen, um Wachstum zu generieren. Wir werden in Zukunft aber auch noch mehr Flexibilität und Agilität zeigen müssen.
Was differenziert Cendres+Métaux von vergleichbaren Arbeitgebern aus Sicht der erfolgreichen Bewerber?
Die Unabhängigkeit, unser Verantwortungsbewusstsein und die Stabilität des Unternehmens. Eine interessante und vielseitige Arbeit, vielfältige und renommierte Kunden, faszinierende und komplexe Produkte, Möglichkeit, mit der Unternehmensgruppe zu wachsen und Chancen, innerhalb des Konzerns andere Fähigkeiten zu erlernen, neue Tätigkeiten und/oder zusätzliche Verantwortung zu übernehmen.
Sie waren in den vergangenen Jahren nach einer kurzen Pause wieder sehr aktiv bei der Akquisition von Unternehmen, die teils Arrondierungskäufe in angestammten Geschäftsbereichen darstellen, zuletzt aber mit der R. Schlierholz AG einer erklärten Diversifikationsstrategie folgen. Sind weitere Akquisitionen zu erwarten?
Grundsätzlich arbeiten wir weiter an der Erhöhung der Profitabilität und der Rentabilität der Gruppe. Die Eigenkapitalrentabilität ist noch zu tief und wird über die nächsten Jahre weiter erhöht. Jede Akquisition soll Synergien bringen und muss in die Cendres+Métaux Gruppe passen. Wir haben sehr viel Wissen und «Savoir-faire» im Bereich der mikromechanischen Bearbeitung von Metallteilen und deren Oberflächenveredlung in der Gruppe. Dieses Know-how gilt es innerhalb der Gruppe auszutauschen, um mit Innovationen und Verbesserungen weiterhin führend zu bleiben und auch Fuss in neuen Branchen zu fassen. Als einer der wenigen unabhängigen Firmen in der Auftragsfertigung mit starkem und stabilem Aktionariat sind wir für unsere Kunden ein verlässlicher und meist strategischer Partner. Das macht uns auch attraktiv für Firmen, welche eine Nachfolgelösung suchen. Wir sind daher bereit, noch weitere Akquisitionen zu tätigen. Gleichzeitig sind wir sehr darauf bedacht, eine gute Balance zwischen Wachstum, Akquisitionen, Risikomanagement und Integration zu finden.
Wo wollen Sie mit dem Unternehmen in 3-5 Jahren stehen?
Als Gruppe möchten wir weiterwachsen. Dies kann durch organisches, aber auch durch akquisitorisches Wachstum passieren. Bei den Akquisitionen schauen wir uns nicht nur Firmen in der Schweiz an, sondern vor allem im Nicht-Uhrenbereich auch im benachbarten Ausland.
Ihre Vorgänger in der Geschäftsleitung haben über Jahre hinweg zahlreiche Unternehmen zugekauft und ambitionierte Pläne für Eigenentwicklungen verfolgt – mit gemischten Ergebnissen. Der Aktienkurs steht u.a. deshalb heute nicht höher als 2004 oder 2019. Was machen Sie bei der Expansion durch Akquisitionen anders und, hoffentlich, besser?
Wir investieren in gut etablierte Firmen und in Bereiche, die wir im Management kennen. Die akquirierten Firmen weisen alle Synergien mit Cendres+Métaux auf. Auch befolgen wir einen klaren Integrationsplan. In der Mehrheit der Akquisitionen haben wir zudem über eine längere Phase die Firma, das Management und die Kultur kennengelernt und uns untereinander ausgetauscht. Dies reduziert das Risiko, dass eine Akquisition der Gruppe schadet. Grundsätzlich haben wir mit rund 330 Aktionären ein starkes und stabiles Aktionariat. Im Jahr 2022 wurden nur rund 2% der Aktien gehandelt. Nach Jahren ohne Dividende haben wir nun in den letzten beiden Jahren wieder eine Dividende ausgeschüttet, dies stützt auch das Interesse an der Aktie.
Welche Ausschüttungspolitik verfolgt Ihr Verwaltungsrat?
Es wurde bisher keine konkrete Ausschüttungspolitik definiert. Wenn wir jedoch einen operativen Gewinn erwirtschaften, werden wir auch eine Ausschüttung in einem ähnlichen Rahmen wie in den Vorjahren vornehmen.
Der Medtech-Bereich hat nach Ihren eigenen Worten jahrelang kein positives Ergebnis erzielt. Die italienische Tochter wurde in einem MBO an das Management verkauft, für die beiden anderen Auslandstöchter suchen Sie «alternative Vertriebsformen». Mit 10 Mio. CHF Jahresumsatz ist Cendres+Métaux ein zwar geschätzter, aber doch kleiner Player ohne «economies of scale» und mit beschränktem Vertriebspotenzial. Wie sieht die mittel- bis langfristige Strategie aus?
Wir unterscheiden in Auftragsfertigung Medtech, welche in den letzten Jahren gewachsen ist und in welche wir stark investieren. In diesem Bereich haben wir einige interessante Kundenprojekte. Hier dauert es aber auch 2 – 4 Jahre, bis ein Projekt durchstartet. Daher ist es wichtig, dass die Pipeline gefüllt ist und wir die Kapazitäten und die Kompetenz zur Verfügung stellen. Medtech hat sich sehr positiv entwickelt seit Beginn des Jahres.
Sie sprechen den Bereich Dental Brand an. Das ist die Eigenmarke von Cendres+Métaux im Dental-Bereich, bei dem wir direkt an Zahnlabore und Zahnärzte verkaufen. Auch wenn der Umsatz im Vergleich zur Auftragsfertigung kleiner ist, ist der Bereich dennoch wichtig, und Cendres+Métaux hat einen starken Markenwert, den wir weiter fördern. Grundsätzlich wollen wir kurzfristig die Umsätze halten. Auch haben wir kleinere Entwicklungsprojekte mit grossem Potenzial, die nächstes Jahr auf den Markt kommen werden. Wir investieren weiter in unsere Kernkompetenz im Bereich Konstruktionselemente, mit welchem wir weiterwachsen werden. Zusätzlich zeigt der etwas neuere Bereich «Keramik/Ästhetik» gutes Wachstum und Marktpotenzial auf globaler Ebene. Wir sind mit unserer eigenen Dentalmarke ein Nischenplayer mit einer hohen technischen Service-Leistung.
Nicht-edle Materialien lösen den herkömmlichen Zahnersatz aus edelmetallhaltigen Legierungen und gebrannter Keramik zunehmend ab, ganz unabhängig von den Preisschwankungen von Gold. Wie sieht Ihre Counter-Strategy aus?
Es gilt zu unterscheiden zwischen der Auftragsfertigung CMO Dental und dem Bereich Dental Brand, also der Eigenmarke von CM. Im Bereich der Auftragsfertigung werden sich die Edelmetall-Abutments auf tiefem Niveau stabilisieren und bleiben eine Nische. Mehrheitlich werden diese durch unsere Titan-Implantate und andere Dentalprodukte substituiert.
Im Bereich Dental Brand sehen wir eine weitere Reduktion bei den Edelmetall-Legierungen, den sogenannten «Goldkronen». Dieser Umsatz ist aber bereits heute tief im Vergleich zu früher. Hier kompensieren wir durch die erwähnten neuen Projekte in unserer Kernkompetenz und im Bereich Keramik und Ästhetik.
Bitte erläutern Sie noch die Gründe für die Auflösung von Rückstellungen in der Höhe von doch sehr beachtlichen 87.3 Mio. CHF im vorigen Geschäftsjahr. Die Bilanz und der Buchwert der Aktie haben sich dadurch substanziell verbessert.
Dies hängt hauptsächlich mit der Auflösung von vor langer Zeit gebildeten Rückstellungen in Höhe von 87’350’000 CHF zusammen. Diese Rückstellungen wurden für wirtschaftliche und konjunkturelle Risiken gebildet. Diese Auflösung hat keine steuerliche Auswirkung, da diese Rückstellung bereits versteuert wurde. Die Auflösung hat auch keinen Einfluss auf die liquiden Mittel (Cashflow). Deshalb hat sich das Eigenkapital dadurch auf 133 Mio. CHF erhöht.
Bestehen diese «wirtschaftlichen und konjunkturellen Risiken» denn heute nicht mehr?
Wie schon erwähnt, wurden diese Rückstellungen vor sehr langer Zeit gebildet, vermutlich in den siebziger Jahren. Sie sind daher aus heutiger Sicht nicht mehr betriebswirtschaftlich notwendig.
Durch die Verarbeitung von Edelmetallen wie Gold haben Sie eine besondere Verantwortung, insbesondere, was die Lieferkette betrifft. Wie stellen Sie sicher, dass ihre verarbeiteten Metalle «sauber» sind?
Grundsätzlich gilt: Wir beziehen kein Gold direkt aus Minen. Unser Edelmetallgeschäft besteht zu einem Grossteil aus recycliertem Material aus edelmetallhaltigen Spänen der Industrie. Auch unterstehen wir dem Geldwäschereigesetz und dem Edelmetallkontrollgesetz. Zusätzlich sind wir RJC COP/COC zertifiziert und wenden unsere Richtlinie «Politik zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht (due diligence) in der Lieferkette» an. Wir schulen unsere Mitarbeitenden und setzten uns im Werkplatz Schweiz aktiv für mehr Transparenz in der Lieferkette ein und dafür, dass «saubere» Metalle verarbeitet werden.
Sie nehmen am Programm Swiss Triple Impact teil, um die soziale und ökologische Wirkung des Unternehmens zu verbessern. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt, und wie gehen Sie konkret vor?
In der Tat, wir haben 4 Ziele entsprechend den für uns wichtigsten vier Verantwortungsbereichen definiert. Hinter jeder Zielsetzung stecken verschiedene Massnahmen, die in einem gemeinsamen Aktionsplan zusammengefasst sind und an welchem wir nun Stück für Stück arbeiten.
Zu den vier Zielen gehören die «Verantwortung gegenüber der Umwelt und den natürlichen Ressourcen». Hier wollen wir bis 2027 unsere Produktionsmaterialien proportional zum gesamten Produktionsvolumen um 10%, verglichen zu 2021, reduzieren. Ein weiteres Ziel ist die «Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitenden und dem Arbeitsmarkt». Dies möchten wir erreichen, indem wir bis 2025 unsere Mitarbeiterzufriedenheit am Arbeitsplatz auf 80% erhöhen und zudem weiterhin ein «Great Place To Work» zertifiziertes Unternehmen sind. Das dritte Ziel ist unsere «Verantwortung gegenüber dem Klimawandel». Bis 2030 wollen wir klimaneutral in den Scopes 1 & 2 werden und uns in der Science Based Targets Initiative verpflichten. Viertes Ziel ist unsere «Verantwortung gegenüber unseren Kunden für eine transparente und verantwortungsvolle Lieferkette». Dieses umfasst, dass sich bis 2027 unsere Hauptlieferanten (nach Ausgaben) an unseren Verhaltenskodex halten.
Die Erreichung der 17 Zielsetzungen für eine nachhaltige Entwicklung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir sind überzeugt, mit unseren ambitionierten und konkreten Zielsetzungen einen wichtigen Beitrag zur Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu leisten.
In einigen europäischen Volkswirtschaften, insbesondere in Deutschland, trübt sich das konjunkturelle Klima ein. Es wird mit einer Rezession gerechnet. Welchen Ausblick geben Sie für Cendres+Métaux für das laufende Geschäftsjahr?
Wie wir in unserem Semesterbericht geschrieben haben, erwarten wir, dass wir das Wachstum von rund 16% im 1. Halbjahr 2023 in die zweite Jahreshälfte mitnehmen können. Die Schweizer Uhrenexporte bleiben auf einem hohen Rekordniveau. Zudem arbeiten wir weiter an einer Verbesserung der Profitabilität. Daher sehen wir keinen Grund, unsere Aussagen zu revidieren.
Wir danken Ihnen für die interessanten Einblicke.
Mitarbeit: Karim Serrar
Die Aktien der Cendres+Métaux Holding SA werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden 5’600 CHF für eine Aktie bezahlt.