An den Börsen läuft es weiter so lala. Die Kraft für einen Aufschwung fehlt, das anziehende Zinsniveau dämpft die Fantasie, und die Konjunktur schwächelt. Ein guter Zeitpunkt, um Börsengewinne glattzustellen, Aktien mit sich verschlechternden Gewinnperspektiven abzustossen und neue sich bietende Chancen wahrzunehmen.
Das Spannende an der Börse ist, dass sich Trends zwar einerseits scheinbar endlos fortsetzen können, doch andererseits können sie auch schnell gebrochen werden. Nach der langen Phase mit tiefen Zinsen und ausufernden Anleihekaufprogrammen der Notenbanken kam es inzwischen zur Gezeitenwende. Die Inflation machte und macht weiterhin Zinserhöhungen notwendig, und aus QE ist nun QT – quantitative Straffung – geworden.
Trügerische Sicherheit?
In buchstäblich allen relevanten Ländern sind die Renditen seit Anfang Jahr deutlich angestiegen, nur in der Schweiz ist die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihen um 0.5 Prozentpunkte auf zuletzt unter 1% zurückgegangen. Das ist für Investoren in Schweizer Aktien aber kein Grund, sich zurückzulehnen. Die Trends von der Wall Street und den anderen europäischen und asiatischen Weltbörsen schwappen immer über. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass 70% oder mehr der hochkapitalisierten Aktien in Zürich, Frankfurt, Paris von angelsächsischen institutionellen Anlegern gehalten und gehandelt werden.
Zinsanstieg und QT
Aufgrund des erhöhten und tendenziell steigenden Zinsniveaus und der nachlassenden Gewinndynamik sowie der konjunkturellen Abschwächung, erscheinen Aktien zu hoch bewertet. Für 1-jährige US-Treasury Bills gibt es eine Verzinsung von immerhin 5,4% p.a., für 3-jährige von 4,6%. Zeitweilig lagen auch die Renditen der 5-jährigen US-Notes bei über 5%. Das ist eine starke und wenn nicht «risikolose», so doch risikoarme Konkurrenz für Aktien. Noch stärker zu Buche schlägt jedoch, dass die Fed und andere Notenbanken nicht mehr Staatsanleihen kaufen oder die Tilgungserlöse reinvestieren, sondern angefangen haben, ihre Bestände verkaufen. Die Notenbanken hatten jahrelang 30%, zeitweilig deutlich mehr, der Neuemissionen von Staatstiteln erworben.
Vorsicht statt Nachsicht
September und Oktober sind an der Börse oft die kritischen Monate im Jahresverlauf. Rein statistisch begründete Wahrscheinlichkeiten allein sind jedoch kein ausreichender Grund für eine Portfolio-Bereinigung. Die zuvor geschilderte Grosswetterlage und etliche Marktsignale sprechen jedoch für eine Korrektur, nicht zuletzt der gerade neu aufkeimende Optimismus institutioneller Investoren. Auch die Ermüdungserscheinungen bei der Leit-Aktie der Hausse, Nvidia, signalisieren eine Trendwende.
Aktien im Wettbewerb mit anderen Anlageformen
Die Favoritenliste ist aber kein Portfolio, sondern eine Liste mit aussichtsreichen Aktien. Unabhängig von der Entwicklung der Zahlen auf Unternehmensebene sind auch Bewertungsveränderungen und die Preiswürdigkeit anderer Anlagen für die weiteren Aussichten ins Kalkül zu ziehen. Höhere Zinsen bedeuten höhere Diskontierungssätze zukünftiger Cashflows, was bedeutet, dass 1 USD geschätzter Gewinn in 2027 heute weniger wert ist als vor einigen Monaten.
Gewinnrealisierung
Die höheren Kurse von CPH, SKAN und SSE Holding machen diese Aktien daher anfällig für Gewinnmitnahmen, weswegen sie nun nicht mehr auf der Favoritenliste vertreten sein werden. Bei Bossard und Komax zeigen sich erste Zeichen dafür, dass die wirtschaftliche Schwäche wie in China und Deutschland zu Bremsspuren führen wird. Die Aktien sind damit ebenfalls anfällig für weitere Korrekturen. Und auch bei der Rapid Holding wird der Ausblick von aufziehenden Wolken überschattet. Trotz der strukturellen Wachstumsdynamik ist bei allen drei Unternehmen auch die zyklische Komponente zu berücksichtigen. Bossard, Komax und Rapid Holding werden vorsichtshalber für den Moment ebenfalls von der Favoritenliste gestrichen.
Neu auf der Favoritenliste: Weleda PS
Dass es auch in einem riskanter werdenden Aktienmarkt Chancen gibt, zeigt Weleda. Der Weleda PS war jahrelang auf der Favoritenliste von schweizeraktien.net, wurde jedoch vergangenen September bei den ersten Anzeichen von Abschwächung beim Kurs von 4400 CHF von der Liste genommen. Inzwischen ist viel passiert. Ein heftiger Verlust führte zur Streichung der Dividende und der üppigen jährlichen Spenden an die Anthroposophische Gesellschaft, den Hauptaktionär der Weleda AG.
Trendwende-Signal für Weleda PS
So weit, so schlecht. Das zeigte sich auch am Kursverlauf des Weleda-PS, der im Tief bis auf 3400 CHF absackte. Doch Ende August kam eine Meldung, die sogar von der Bild-Zeitung aufgenommen wurde: die deutsche Star-Managern Tina Müller, mit Stationen u.a. bei Henkel, Opel und Douglas, wird neue CEO von Weleda! Diese Personalie mit Weleda als Objekt eines zukünftigen Transformationsprojektes und, weitergedacht, einem Revirement der Eigentümerstruktur könnte der Stoff sein, aus dem Anlegerträume gemacht sind. Die Kapitalisierung der PS beträgt lächerlich niedrige 66 Mio. CHF. Der Anteil am Gesamtkapital der AG ist beträchtlich. Tina Müller hat sich einen Namen gemacht, weil sie über Vorstellungskraft verfügt und das Können, Transformationen erfolgreich und kreativ zu gestalten.
Natura – eine Inspiration für Wertschaffung
Ein wesentlicher Wettbewerber von Weleda, vor allem in Nord- und Südamerika, ist das brasilianische Kosmetik-Unternehmen Natura & Co., 1969 gegründet. Schon seit 1983 sind die Produkte nachfüllbar! 2004 folgte der Börsengang in Sao Paolo, 2020 folgte ein ADR-Programm an der NYSE. Nach den Übernahmen von «The Body Shop» und «Avon» ist Natura heute der viertgrösste Kosmetikkonzern weltweit. Der Umsatz liegt beim etwa Zwanzigfachen von Weleda. Die Market Cap liegt aktuell bei 4.4 Mrd. USD, lag aber auch schon deutlich über 10 Mrd. USD.
Performance
Der Nasdaq-Index liegt Ende August trotz des steigenden Zinsniveaus um 34% über dem Stand Anfang Jahr. Der S&P 500 hat 17,6% zugelegt, der EuroStoxx 600 gewann 7,8% und der Schweizer SME-Index SPIEXX 5,8%. Die vier kotierten Aktien, die nun von der Favoritenliste genommen werden, erzielten im Jahresverlauf eine durchschnittliche Performance von 6,6%. Einzig Barry Callebaut, der schlechteste Performer, bleibt auf der Liste, da das weitere Rückschlagpotenzial begrenzt scheint.
Die Aktien von Rapid Holding und SSE Holding brachten seit Anfang Jahr eine durchschnittliche Performance von 8,3%. Der OTC-X Liquidity Index fiel dagegen um 1,2%. Wird Cendres+Métaux ausser Betracht gelassen, da erst einen Monat auf der Liste, errechnet sich für die vier ausserbörslich gehandelten Aktien eine Performance von durchschnittlich 4%. Von den sechs Aktien, die nun nicht mehr auf der Liste sind, verzeichneten fünf eine positive Wertentwicklung in 2023.