ESG-Reporting: EU und Schweiz im Vergleich

Seit 2022 ist die EU-Taxonomie Verordnung in Kraft

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Aktuell gelten unterschiedliche Richtlinien für das ESG-Reporting in der EU und der Schweiz. Bilderquelle: Outflow Designs via Canva.com

Den Begriff «ESG» gibt es schon seit 2004, er beschreibt drei Ebenen der nachhaltigen Unternehmensführung. In den vergangenen Jahren wurden in der EU immer wieder neue Regelungen erarbeitet, um die ESG-Kritierien klarer darzustellen und sogenanntes Greenwashing zu verhindern.

Die neusten Vorschriften betreffen insbesondere das ESG-Reporting. Die Schweiz erlässt in der Regel ähnliche Richtlinien wie die EU oder übernimmt diese direkt.

Aktuell gelten in der EU und der Schweiz allerdings unterschiedliche Vorschriften für das ESG-Reporting. Wie sieht die Rechtslage heute aus, und welche Unternehmen müssen sich auf eine Reportingpflicht einstellen?

Der «Green Deal» und das Pariser Klimaabkommen haben den Grundstein gelegt

Der sogenannte «Green Deal» wurde 2019 in der EU geschlossen. Dieser setzt sich eine Klimaneutralität bis 2050 zum Ziel. Bereits bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um 55% gesenkt werden.

Die Schweiz hat sich durch die Ratifikation des Pariser Klimaabkommens ebenfalls zu einer Reduktion der CO2-Emissionen um 50% gegenüber 1990 verpflichtet.

Zur Unterstützung dieser Ziele wurden nun insbesondere auf EU-Ebene einige ergänzende Vorschriften zum ESG-Reporting erlassen.

EU-Taxonomie als neue Grundlage für das ESG-Reporting

Die Abkürzung «ESG» ist inzwischen den meisten Anlegerinnen und Anlegern, ebenso wie vielen Unternehmen, ein Begriff. Diese steht für Environment, Social and Governance – also Umwelt, Soziales und Corporate Governance (übersetzt «Grundsätze bei der Unternehmensführung»). Heute wird ESG hauptsächlich verwendet, um nachhaltig wirtschaftende Unternehmen und damit auch deren Aktien kennzeichnen zu können.

In den letzten Jahren ist aber vermehrt Kritik laut geworden, dass gewisse Unternehmen ihre Situation schönreden würden. Inzwischen ist auch sogenanntes Greenwashing zu einem echten Problem geworden. Deshalb sind klare Vorgaben für das ESG-Reporting besonders wichtig. Aus diesem Grund hat die EU die Regeln dafür mehrfach verschärft und ergänzt.

So trat am 1. Januar 2022 die EU-Taxonomie Verordnung in Kraft, welche die Grundlagen für eine EU-weit geltende Klassifizierung von umweltfreundlichen oder «grünen» Wirtschaftstätigkeiten bildet. Damit soll mehr Transparenz geschaffen werden.

Gemäss der neuen Taxonomie sind seit Anfang 2022 sämtliche grossen Unternehmen wie Banken, Versicherungsgesellschaften oder andere Publikumsgesellschaften des öffentlichen Interesses berichterstattungspflichtig.

Übersicht über das Legal Framework der EU-Kommission. Quelle: esgvolution.com

Für welche Unternehmen gilt die Reporting-Pflicht in der EU?

Die EU-Taxonomie sieht vor, dass Unternehmen, die Finanzprodukte in der EU vertreiben, und grosse Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden der Reporting-Pflicht unterstehen.

Neben der EU-Taxonomie gelten auf EU-Ebene unterschiedliche Regelungen für Finanzdienstleister und die Offenlegung nicht finanzieller Informationen für Unternehmen jeglicher Art, welche diese erweitern.

Seit Anfang 2022 gilt die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), welche EU-Finanzinstituten die Pflicht auferlegt, Angaben bezüglich der Gewichtung der ESG-Faktoren für ihre Produkte zu machen. Zudem muss die gesamte Lieferkette im Reporting abgebildet werden. 

Weiterhin wurde inzwischen die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verabschiedet. Diese löst die zuvor geltende NFRD (Richtlinie über die Offenlegung nicht finanzieller Informationen) ab, welche eine Berichterstattungspflicht nur für grosse, kapitalmarktorientierte Unternehmen ab 500 Mitarbeitern vorsah.

Die CSRD schreibt vor, dass auch zahlreiche kleine und mittelgrosse kapitalmarktorientierte Unternehmen ab 2026 ebenfalls der Reporting-Pflicht unterstehen. Ab dann müssen sämtliche Unternehmen, die mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllen, der Berichterstattungspflicht nachkommen: Mehr als 250 Mitarbeitende; Umsatz von mehr als 40 Mio. Euro oder Bilanzsumme von mehr als 20 Mio Euro. Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) konkretisieren die Offenlegungspflichten nach CSRD.

Insgesamt sollen die EU-Taxonomie und die CSRD zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass Unternehmen umfassendere und standardisierte Informationen über ihre Nachhaltigkeitsleistung bereitstellen und gleichzeitig sicherstellen, dass diese Informationen im Einklang mit den EU-Standards für Nachhaltigkeit stehen.

ESG-Reporting in der Schweiz

Am 1. Januar 2023 sind die neuen Artikel 964a bis 964c OR in Kraft getreten. Diese setzen eine Verordnung zur Berichterstattung über nichtfinanzielle Belange des Bundesrates um, welcher dieser als Gegenvorschlag zur Konzerninitiative erlassen hat.

Die neuen Artikel legen fest, dass «grosse» Unternehmen jährlich einen Bericht über nichtfinanzielle Themen herausgeben müssen. «Gross» heisst in diesem Zusammenhang insbesondere Unternehmen, die im öffentlichen Interesse stehen, mehr als 500 Vollzeitstellen anbieten und eine jährliche Bilanzsumme von 20 Mio. CHF oder einen jährlichen Umsatzerlös von 40 Mio. CHF in zwei aufeinanderfolgenden Jahren überschreiten.

Neben Umweltbelangen muss der Bericht auch Rechenschaft über soziale Aspekte, Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung der Korruption ablegen. Ein solcher Bericht muss jeweils vom Verwaltungsrat und der Generalversammlung genehmigt werden. Folglich müssen die ersten Berichte bis im Frühjahr 2024 bereit sein. Der Bericht muss online zugänglich und während zehn Jahren verfügbar sein.

Für alle Unternehmen mit Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der Schweiz, die Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthaltende Mineralien oder Metalle aus Konflikt- oder Hochrisikogebieten, sogenannte Konfliktmineralien, importieren oder verarbeiten, wurden zudem neue Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten eingeführt. Dasselbe gilt, wenn Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen anbieten, bei denen der begründete Verdacht besteht, dass sie unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder erbracht wurden.

Mit der Änderung des Obligationenrechts wurde auch der neue Artikel 325ter ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Mit Busse bis zu 100’000 CHF wird bestraft, wer vorsätzlich in den Berichten über nichtfinanzielle Belange oder im Bericht über die Sorgfaltspflichten bezüglich Konfliktmineralien und Kinderarbeit falsche Angaben macht oder die Berichterstattungspflicht unterlässt. Fahrlässiges Handeln wird mit Busse bis 50’000 CHF bestraft.

Wie und wann sind die EU Regeln für Schweizer KMU anwendbar?

Die EU-Richtlinien gelten bereits heute zum Teil auch für Schweizer Unternehmen. Die EU-Taxonomie gilt nämlich für sämtliche Unternehmen, die Finanzprodukte an Kunden aus der EU anbieten.

Inwiefern Schweizer Unternehmen ansonsten auch noch von den EU-Richtlinien betroffen sein könnten, ist aktuell noch nicht klar. Da solche in der Regel aber über kurz oder lang meistens auch in der Schweiz übernommen oder eingeführt werden, empfiehlt es sich auch für Schweizer Unternehmen, schon jetzt die EU-Regeln zu befolgen.

Aktuell ist zwar keine Übernahme der EU-Taxonomie geplant, das bestätigt auch Dr. Martin Eckert, Legal Partner bei MME. Trotzdem dürfte der Druck auf kleine und mittelgrosse Schweizer Unternehmen zunehmend steigen. Faktisch müssten sich somit auch Schweizer Firmen beim ESG-Reporting an die EU-Regeln halten, um für Anlegerinnen und Anleger, Lieferanten oder Kunden weiterhin interessant zu bleiben.

Auch kleinere Schweizer Unternehmen sollten sich vorbereiten

Aktuell sind in der Schweiz nur Unternehmen, welche die oben erwähnten Kriterien erfüllen, von den neuen Reporting-Regeln betroffen. Dr. Martin Eckert geht allerdings davon aus, dass die Schweiz bald mit ähnlichen Vorschriften wie die EU nachziehen wird. So prüfe der Bundesrat aktuell, ob und wie die Vorgaben aus der CSRD auch in der Schweiz übernommen werden könnten.

Nicht berichterstattungspflichtige Unternehmen tun daher gut daran, sich bereits auf eine allfällige Pflicht vorzubereiten. Dr. Eckert empfiehlt grundsätzlich jedem mittelgrossen Unternehmen, bereits jetzt freiwillig einen solchen Bericht zu erstellen. Denn dies kann relativ aufwendig sein, da sich das Unternehmen zuerst einmal aus strategischer Sicht mit dem ESG auseinandersetzen muss. Als Nächstes stellt sich die Frage, welche Standards für die Berichterstattung verwendet werden sollen. Und zu guter Letzt ist auch das Zusammentragen der benötigten Daten ein aufwendiger Prozess.

Ein ESG-Bericht fördert zudem nicht nur die Transparenz, was sowohl bei Kunden als auch bei Anlegern gerne gesehen wird. Weiterhin ermöglicht ein solcher gemäss Eckert auch, Risiken oder Ineffizienzen aufzudecken und Prozesse innerhalb des Unternehmens zu optimieren.

Selbst ohne Pflicht können ESG-Berichte also einen positiven Effekt auf Unternehmen haben. Und wer bereits jetzt mit Reportings beginnt, ist auf eine allfällige Berichterstattungspflicht oder auf entsprechende Abfragen aus der EU-Lieferkette eines Unternehmens bestens vorbereitet.

Hinweis in eigener Sache: schweizeraktien.net führt am 17. Novemver 2023 den nächsten Workshop ESG-Reporting durch. Im Fokus steht das EU-Regelwerk und deren Folgen für Schweizer KMU. Weitere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit finden Sie hier.

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