Viel war schon über die Ausgliederung der Generika- und Biosimilars-Sparte angekündigt und geschrieben worden, jetzt kommt die Spin-off-Transaktion – und damit ein Neuzugang für die SIX. Für fünf Novartis Aktien bekommen die Aktionäre eine Sandoz-Aktie zugeteilt. Was tun? Die Alcon-Abspaltung hat sich überraschend positiv entwickelt. Winkt bei Sandoz ebenfalls eine gute Performance?
Ein direkter Vergleich zu Alcon ist nicht angebracht. Gleich ist lediglich die Art der Transaktion und die Intention von Novartis. In der Welt der Healthcare-Unternehmen haben sich über die vergangenen drei, vier Jahrzehnte mehrere Paradigmenwechsel vollzogen. Generell geht der Trend hin zu «Pure Plays» in bestimmten vielversprechenden Indikationsgebieten wie Onkologie, Zentrales Nervensystem, Neurologie oder Stoffwechsel, und weiterhin dazu, sich von peripheren und für die Kernaktivität unpassenden Unternehmensteilen zu trennen.
Wertsteigerung durch Konzentration auf das Arzneimittelgeschäft
Ziel ist es, zu einem puren forschenden Arzneimittelunternehmen zu werden, weshalb OTC-Sparten wie bei Johnson & Johnson zuletzt verselbständigt oder verkauft werden. In der Theorie profitieren die abgespaltenen Unternehmenseinheiten auch selbst von dem mit der eigenständigen Börsenkotierung verbundenen geschärften Profil und werden wie Alcon im Bereich Augenheilkunde und jetzt Sandoz im Bereich Generika/Biosimilars ebenfalls zu Pure Plays.
Novartis Konzentrationsprozess abgeschlossen
Aus Sicht von Novartis ist mit der von der a.o. GV beschlossenen Abspaltung von Sandoz die Bereinigung der Aktivitäten beendet. Was bleibt, ist, wie beabsichtigt, ein lupenreines forschendes Arzneimittelunternehmen mit höheren Umsatz- und Gewinnwachstumsraten sowie deutlich höheren Gewinnmargen. Das ist, so die Beobachtung an der Börse, der beste Weg, um eine angemessene Bewertung zu erreichen. Manche Big-Pharma-Unternehmen haben eine niedrige KGV-Bewertung, weil Wachstum und Margen nicht überzeugend sind und auch die jeweilige Perspektive nicht besser wird. Andere kommen auf eine hohe KGV-Bewertung, weil sie die Investoren von ihrer Ertragskraft, ihrer Innovationsfähigkeit und ihrer vielversprechenden Pipeline neuer Arzneimittel überzeugen konnten.
Ready for Take-off?
Novartis steht jetzt am Scheideweg. Da die Pipeline prall gefüllt ist mit innovativen Therapeutika, könnte nun die Wachstumsbeschleunigung und Margenausweitung kommen, auf die der CEO Vas Narasimhan so lange hingearbeitet hat. Die Aktie von Novartis weist, dem Wachstumsprofil der jüngeren Vergangenheit folgend, eine allenfalls durchschnittliche Bewertung auf. Das zeigt sich u.a. in der Dividendenrendite von 3,5% und einer für die Branche unterdurchschnittlichen KGV-Bewertung. Schneller wachsende Vertreter im Pharma-Universum mit potenziellen Multimilliarden-Umsatzkandidaten in der Pipeline können auf sehr viel bessere Bewertungskennzahlen kommen. Bei Eli Lilly liegt die Dividendenrendite bei 0,8% und das KGV bei über 80. Das ist zwar eine Ausnahme, aber dennoch ein Massstab für Novartis.
Magere 25 Jahres Bilanz der Novartis-Aktie
Die Novartis-Aktie, eines der drei Schwergewichte an der SIX, hat zwar immer wieder Rückschläge zu verkraften gehabt, hat sich aber dennoch auf Kurse nahe 93 CHF vorgearbeitet, was nur wenig unter dem absoluten Hoch von 2020 bei 96 CHF liegt. Gut möglich, wenn nicht sogar sehr wahrscheinlich, ist, dass die Abspaltung von Sandoz als Initialzündung dazu führt, dass die Aktie in neues Rekordterrain vorstösst. Wenn der News-Flow stimmt, ist der Weg nach oben offen. Die historische Performance ist nicht gerade umwerfend. In den letzten 25 Jahren hat Novartis gerade einmal von 50 CHF auf nun 92 CHF zugelegt. Die Aktie von Pfizer stieg im selben Zeitraum von 24 USD auf aktuell 34 USD, die von Lilly von 65 USD auf 576 USD.
Die Geburt der Generika-Industrie
Wie sehen die Perspektiven für die verselbständigte Sandoz aus? Lohnt es sich, die Aktien zu halten? Der 335 Seiten umfassende Listing Prospectus kann hier abgerufen werden. Vieles sieht vordergründig gut aus. Das beginnt bei dem traditionsreichen Namen, der nach der Fusion von Sandoz und Ciba-Geigy 1996 verschwand und dann 2003 für die Generika-Aktivitäten reanimiert wurde. Die Marke hat Wert. Vor 30 Jahren waren Generika, zumindest am Kapitalmarkt, neu. Ihr Charme bestand darin, dass teure Marken-Medikamente ihren Patentschutz verlieren und Nachahmerpräparate mit der identischen chemischen Formel günstig zu produzieren und trotz günstiger Verkaufspreise sehr profitabel wären. Ein Vorreiter war die israelische Teva Pharmaceuticals, die auch in New York gehandelt wird. Novartis erwarb Hexal und rückte schnell zum Marktführer auf.
Intensiver Preis- und Verdrängungs-Wettbewerb
Nicht so klar war den Playern damals, dass sich der Wettbewerb äusserst brutal entwickeln sollte. Dazu kamen kostendämpfende Massnahmen in den Gesundheitssystemen, die auch Generika-Hersteller treffen sollten. Innerhalb kürzester Zeit avancierten insbesondere Indien, aber auch China, zu den Kostenführern und sicherten sich deutlich höhere Marktanteile. Unter den globalen Top 10 und Top 20 finden sich zahlreiche indische Unternehmen wie Lupin Pharma, Dr. Reddy´s Labs, Sain Medicaments, Aurobindo Pharma und an der Spitze Sun Pharma. Die meisten sind in der indischen Pharma-Hochburg Hyderabad domiziliert.
Die Biosimilars Revolution
Zwischenzeitlich hat die biotechnologische Revolution aber auch den Markt der Nachahmerprodukte erreicht. Das Zauberwort heisst Biosimilars. Die sollen biotechnologisch gewonnene Arzneimittel nach abgelaufenem Patentschutz ersetzen. Es ist das dasselbe Prinzip – und in der längerfristigen Betrachtung wohl ähnlichen Konsolidierungskräften unterworfen. Einstweilen aber überwiegen die Aussichten auf kommerzielle Erfolge. Sandoz ist auch hier gut positioniert. Vom Umsatz entfallen schon 20% auf Biosimilars. Acht Biosimilars werden bereits vertrieben, fünf weitere sollen innerhalb der kommenden zwei Jahre auf den Markt kommen.
Top-Ranking für Sandoz
Mit einem Jahresumsatz von 9,1 Mrd. USD ist Sandoz weltweit im Ranking auf einer Top-Position. Je nach Zählweise folgen Teva Pharmaceuticals, die indische Sun Pharmaceuticals sowie die US-amerikanische Viatris, die aus der Fusion von Mylan Labs und der Generika-Sparte von Pfizer unter dem Namen der einst übernommenen Upjohn hervorgegangen ist. Der Name Viatris stammt übrigens von den ehemaligen Pharma-Aktivitäten der deutschen Degussa, die von Mylan Labs übernommen worden war. Wettbewerber im Bereich der Biosimilars sind u.a. Amgen, Boehringer Ingelheim und Teva. Die um Sondereffekte bereinigte EBITDA-Marge von Sandoz beträgt 21,3% und soll vor allem mit Hilfe der Biosimilars auf 24% bis 26% gesteigert werden.
Kurs-Historie der Peer-Group
Die Betrachtung der Kursverläufe der Peer-Group ist allerdings weit weniger ermutigend als die allgemeinen Einschätzungen zu den Geschäftsperspektiven der Generika- und Biosimilars-Hersteller erwarten lassen. Der Chart von Teva zeigt die Evolution an der Börse. Von unter 10 US-Cents 1984 stieg die Aktie bis auf 66 USD in 2015. Dann jedoch crashte die Aktie bis 2019 auf 7 USD – und hat sich zwischenzeitlich gerade auf 10.50 USD erholt. Die Market Cap entspricht mit 11.8 Mrd. USD nur noch einem Bruchteil der einstigen Grösse. Bei Viatris zeigt sich ein ähnliches Bild. Nach einem sensationellen Anstieg bis 2015 auf über 70 USD liegt der Kurs nun unter 10 USD. Die Market Cap beträgt ebenfalls 11.8 Mrd. USD.
Fazit
Im Raum steht eine Bewertung von Sandoz um die 20 Mrd. CHF. Doch ist ein KUV von über 2 gerechtfertigt, wenn Viatris beispielsweise nur auf 0.7 kommt? Und Teva nur auf 0.2? Auch wenn durch den Ablauf des Patentschutzes für einige Biotech-Blockbuster und die Einführung neuer Biosimilars ein Schub zu erwarten ist und auch die Margen bei den Biosimilars höher als im herkömmlichen Generika-Segment sind, die mittel- bis längerfristigen Perspektiven im Nachahmer-Segment sind von Kostendruck und scharfem Wettbewerb gekennzeichnet.
Bestimmt ist der ambitionierte Sandoz-CEO davon überzeugt, eine Erfolgsgeschichte zu schreiben, und auch die Voraussetzungen hierfür sind durch die gute Marktstellung bestens, doch andererseits hat eben der Markt immer recht. Die Kursverläufe der Peer-Unternehmen wie Teva und Viatris sind wenig geeignet, Vertrauen zu inspirieren. Möglich ist sogar ein anfängliches Absacken des Sandoz Kurses, da die Aktie in den wichtigsten Indizes nicht repräsentiert wird und schon deshalb die heute so mächtigen passiv gemanagten Index-Fonds und -ETFs verkaufen müssen. Insofern macht es sowohl auf kurze wie auf lange Sicht Sinn, sich von Sandoz zu trennen und den Erlös in die mehr versprechende und weniger absturzgefährdete Novartis zu reinvestieren.
[…] Novartis: Was tun mit der Sandoz-Abspaltung? […]
Dass Teva Mia in der US Opioidkrise als Strafe bezahlt, ist sicherlich ein Grund für die Kursentwicklung. Ob der Teva-Kurs als Blueprint für Sandoz taugt?
Guter Punkt. Teva wurde in der Angelegenheit jedoch erst 2021 angeklagt und hat sich 2022 ohne Schuldeingeständnis zur Zahlung von 4.2 Mrd. USD über 13 Jahre bereit erklärt. Der Kursverfall hat jedoch bereits 2015 begonnen. Der Kurs lag 2021/2022 bei unter 10 USD. Die Umsätze sind allein in den letzten 5 Jahren um rund 20% gesunken. Der Kursverfall ist ähnlich dem von Viatris, die von der Opioid-Problematik nicht betroffen ist. Die Hauptverantwortlichen für die Krise sind aber nicht bei Teva oder Allergan zu finden, sondern bei der Sackler Familie und ihrem Pharma-Unternehmen Purdue Pharma sowie Mallinckrodt Pharma, CVS, Walmart und J&J und nicht zuletzt McKinsey, die die Sackler Familie beraten hatten. Purdue Pharma musste Insolvenz anmelden.