Er ist angetreten, um «das Haus in Ordnung zu bringen». Im September 2020 übernahm Omar El Hamamsy den CEO-Posten von Orascom. Der ehemalige McKinsey-Berater deutet im Gespräch an, dass Orascom früher zu stark vom charismatischen Samih Sawiris geprägt war und zu wenig prozessorientiert geführt wurde, obwohl es sich bei Orascom um einen internationalen Konzern handelt, der auf drei Kontinenten aktiv ist.
Die wichtigsten Prioritäten des neuen Geschäftsführers sind, die Profitabilität zu erhöhen, die Unternehmensstrategie zu schärfen und die Verschuldung zu reduzieren. Auf die Frage, wieso er trotz dieser Ziele darauf verzichte, eine Prognose für das laufende Jahr zu machen, antwortet El Hamamsy: «Seit ich CEO bin, mussten wir aufgrund von unerwarteten Krisen darauf verzichten.» Zuerst beeinträchtigte die Covid-Pandemie das Geschäft, darauf folgte der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine, und im vergangenen Jahr haben Umwälzungen in unserem grössten Markt das Resultat belastet – konkret die Abwertung der Landeswährung in Ägypten.»
Immobilien, Hotels und Infrastruktur
Das Unternehmen habe jedoch in den vergangenen Monaten die Fähigkeit, Voraussagen zu treffen, verbessert und werde bald wieder Prognosen machen. Und dies, obwohl es eine Anzahl geopolitischer, ökonomischer Unsicherheiten gebe. Die grösste Unsicherheit stecke im globalen Zinserhöhungszyklus und der Frage, wann dieser endet und wie dadurch das Wirtschaftswachstum tangiert wird.
Die Tätigkeit des an der Schweizer Börse kotierten Unternehmens ist in drei Bereiche aufgeteilt. «Real Estate» verkauft Ferien- und Wohnimmobilien in den unternehmenseigenen Resorts, im Hotelleriebereich werden 33 Hotels mit über 7100 Zimmern betrieben. Das dritte Geschäftsfeld konzentriert sich darauf, aus dem Betrieb der Resorts einen regelmässigen Einkommensstrom zu generieren, durch Einnahmen aus Golfplätzen, Häfen, Einkaufszentren, Schulen, Spitälern oder Flughäfen. Jeder Geschäftsbereich wird von der wirtschaftlichen Entwicklung unterschiedlich beeinflusst. Insgesamt ist Orascom mit 14 Resorts, in zehn Destinationen in sieben verschiedenen Ländern, drei in Europa und sieben im Nahen Osten und Asien, aktiv. Die einzelnen Standorte sind wiederum individuellen Entwicklungen ausgesetzt.
Perfekter Sturm in Ägypten
In den vergangenen Quartalen erlebte Ägypten den «perfekten Sturm», sagt der CEO. Das Land wurde stark von Covid betroffen, da es vom Tourismus abhängig ist. Ebenso hefig war der Rückschlag durch den Ukraine-Krieg, weil das Land am Nil von Getreideeinfuhren aus Russland und der Ukraine abhängig ist. Die Wirtschaft hat in den vergangenen eineinhalb Jahren kontraktiert, die Inflation war hoch, und die Währung wurde deutlich abgewertet. «Dies hat unser Immobiliengeschäft im Land negativ und die Hotellerie positiv beeinflusst, da Reisen nach Ägypten durch die Abwertung günstiger wurden», sagt der CEO. Der Verkauf von Immobilien war im Land generell unter Druck, Orascom habe es aber trotzdem geschafft, das Geschäft zu steigern, so El Hamamsy: «In Ägypten wächst unser Immobiliengeschäft aktuell mit 60% im Jahr. In Schweizer Franken kommen wir da auf ein Wachstum von mehr oder weniger null, wegen der erwähnten Abwertung des ägyptischen Pfunds.»
«In den vergangenen Quartalen hat Ägypten den ‹perfekten Sturm› erlebt»
«Unsere Gäste im Tourismus stammen vor allem aus Westeuropa und hier vor allem aus den Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz. Darum hängt unser Geschäft stark mit der makroökonomischen Entwicklung in diesen Regionen zusammen.» Das Hotelgeschäft dürfte für das ganze Unternehmen dieses Jahr gemäss El Hamamsy das beste Resultat in der 34-jährigen Geschichte ausweisen.
«In den vergangenen drei Jahren habe ich einen systematischen Ansatz für die Einnahmengenerierung in allen drei Geschäftsbereichen eingeführt», begründet El Hamamsy die Erhöhung der Immobilienpreise im Land am Nil und in anderen Destinationen. In den vergangenen dreissig Jahren sei Orascom ein familiengetriebenes Unternehmen gewesen, das die Marktsystematik nur teilweise genutzt habe. Es gab viele Einzelinitiativen, die teilweise unreif anmuteten. Etwa den Vorstoss in die Golfregion oder die Erschliessung des US-Touristenmarktes. «Jetzt gibt es eine einheitliche Stossrichtung, und alle zehn Märkte haben klare Zielvorgaben. Und diese Zieldefinierung hat es uns ermöglicht, die Immobilienpreise markant zu erhöhen», so der CEO. Das werde sich im Geschäftsresultat zeigen, da die Kosten über die drei vergangenen Jahre nicht im gleichen Ausmass stiegen wie die Verkaufspreise.
Rote Zahlen beendet
«Als ich vor drei Jahren begann, expandierte das Geschäftsvolumen mit einer bescheidenen Rate. In den zehn Jahren, bevor ich begann, wies Orascom in jedem Jahr rote Zahlen aus. Es wurde kein Cashflow generiert», so El Hamamsy. Sein erstes Ziel sei es gewesen, die Gesellschaft profitabel zu machen. Das erreichten Orascom im ersten Jahr. 2021 fiel ein Gewinn von 10 Mio. Fr. an und im Folgejahr 54 Mio. Der nächste Schritt sei, freien Cashflow zu erzielen und an die Aktionäre weiterzugeben. Es werde noch ein, zwei Jahre dauern, bis den Aktionären eine Dividende ausgeschüttet werde könne.
Welche stillen Reserven im Landbestand des Unternehmens schlummern, verdeutlicht ein Landverkauf im Jahr 2023. In El Gouna verkaufte das Unternehmen 45’000 m2 Land und erhielt dafür 11 Mio. CHF. Das war das 55-fache des Buchwertes. Der gesamte Landbestand ist über 2000 Mal grösser als dieses verkaufte Stück, wird in der Bilanz aber mit lediglich 400 Mio. CHF geführt. Offensichtliche stille Reserven, wie etwa auf dem Landbestand, will der CEO zukünftig besser kommunizieren. «Der Immobiliendienstleister CBRE hat bereits vor ein paar Jahren allein die Landreserve in El Gouna mit 2,3 Mrd. CHF bewertet», fügt El Hamamsy an.
«Wir können nicht alles allein»
Auf dem verkauften Grundstück wird ein Unternehmen eine Schule und Unterkünfte erstellen. «Das ist eigentlich ein weiterer, ein vierter Geschäftsbereich für uns», sagt der CEO. Hier werde nicht mit eigenen Anlagen ein regelmässiger Einkommensstrom erzielt, sondern ein Drittunternehmen tue dies. Wenn man Städte baue, wie Orascom, müsse man auch die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stellen: Spitäler, Schulen, Museen, Sicherheit etc. Und das könne nicht ein Unternehmen allein.
Ein Beispiel für diese Art von Entwicklung ist der Einstieg von Vail Resorts in Andermatt. «Wir verkauften der Gesellschaft die Installationen und die Tätigkeiten auf dem Berg. Wir behielten aber einen Minderheitenanteil von 49%. So erzielten wir einmalige und wiederkehrende Einkünfte», erklärt der Orascom-Manager. Diese Kooperation bringe zahlreiche Synergien. Die US-Gesellschaft kenne sich in der Entwicklung des Wintersports besser aus. Zudem werde sie US-Touristen nach Andermatt bringen. Das Resort Andermatt und die Hotels The Chedi und Radisson Blu gehören Orascom Development und Samih Sawiris, der heute keine finanzielle Verbindung mehr zu Orascom hat, aber 51% an der Betreibergesellschaft Andermatt Swiss Alps besitzt.
Gewinn interessierte Samih Sawiris nicht
Der neue CEO will auch den Umfang des geografischen Engagements reduzieren. «Samih (Sawiris) hat einen sehr langfristigen Blick auf die Entwicklung von Orascom – also mehrere Jahrzehnte. Deshalb fügte er dem Portfolio grosse Landreserven zu. Er hat auch mehrmals angedeutet, dass ihn kurzfristiger Gewinn wenig interessiert.» Orascom betreibt bisher 14 Destination. Für vier hat der CEO einen Stopp verordnet. Auch die zehn Destinationen will er auf «eine kleinere, besser überblickbare Zahl bringen». Der Verkauf des Resorts O West in Ägypten scheiterte dieses Jahr im letzten Moment. Einige Projekte seien aber «no Brainer» und offensichtlich gesetzt: Dazu gehörten die drei wichtigsten El Gouna, Andermatt und Lustica Bay in Montenegro.
Er könne nicht jedes Mal, wenn irgendwo Gewinn anfalle, diesen in ein neues Projekt pumpen. Das sei auch nicht im Interesse der Aktionäre. «Müssen wir Badeorte, Häfen, Einkaufszentren, Schulen, Golfplätze und Skiresorts selbst designen, bauen und betreiben?», fragt El Hamamsy rhetorisch. Nein, sie müssten die Mittel dort einsetzen, wo sie die höchsten Einnahmen erzielen können.
Politisches Risiko abgelten
Zahlreiche Länder, etwa Ägypten und Montenegro, sind punkto politischer Stabilität nicht gerade Musterschüler. Wie geht Orascom mit diesem Risiko um? «Erstens bauen wir einen engen Kontakt zur Politik, der Region, Organisationen und der Bevölkerung auf. Wir haben überall diesbezüglich einen guten Track record», sagt der Orascom Manager. Zweitens werde darauf geschaut, dass die Rendite, die auf dem investierten Kapital erzielt wird, risikoadjustiert sei. Der Andermatt CEO müsse eine tiefere Rendite liefern als jener in Montenegro und dieser eine tiefere als jener in Ägypten. «Unter diesem Gesichtspunkt allozieren wir auch unsere Mittel».
Angesprochen, wieso es in den vergangenen Jahren eher ruhig geworden sei um Orascom, antwortet der CEO: «Samih Sawiris war eine sehr öffentliche und bekannte Person». Ende 2021 übergab Samih die 76,4 Prozent-Beteiligung an Orascom und das Amt des Verwaltungsratspräsidenten an seinen Sohn, Naguib Sawiris. Dieser habe sich entschieden, mehr im Hintergrund zu bleiben. Dadurch entstand eine gewisse Lücke in der medialen Aufmerksamkeit, weil auch das Management noch nicht bereit war, breit zu kommunizieren.
Den Dialog mit Aktionären suchen
«Naguib hat erkannt, dass Orascom zu gross war für die Management-Art, die sein Vater bevorzugte. Darum hat er ein international erfahrenes Management angeheuert», sagt El Hamamsy. «Unser Geschäftsmodell ist komplex, das ist mit ein Grund, warum der Aktienkurs so gedrückt ist.» Er habe den Aktionären keine Geschichte präsentieren wollen, bevor er einen Track record habe, auf den er sich stützen könne. Jetzt sei es aber soweit. «Wir werden in den kommenden Monaten den Dialog mit den Anlegern intensivieren, einen ersten Schritt haben wir an der diesjährigen Anlegerkonferenz Investora bereits gemacht.»
«Unser Geschäftsmodell ist komplex»
Doch gibt es in Zukunft überhaupt noch Orascom-Aktionäre? Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug, das zur Hochschule Luzern gehört, hat eine Studie durchgeführt und 15 Unternehmen eruiert, die nur einen beschränkten Nutzen aus der Kotierung an der SIX ziehen – darunter auch Orascom. Wird sich das Unternehmen also bald von der Schweizer Börse verabschieden? Dazu meint der CEO: «Der Verwaltungsrat ist stets dabei, strategische Entwicklungen zu prüfen. Es könnten aber auch neue Investoren Interesse am Unternehmen, das sehr tief bewertet ist, bekunden. «Es ist eine gute Chance, in Orascom zu investieren. Das bedeutet auch, dass wir die Kotierung in der Schweiz beibehalten», so der CEO.
Dubai als Vorbild
Doch bisher gab es wenig Gründe für Aktionäre, sich in Orascom zu engagieren. Die Titel, die im Mai 2008 zu einem Emissionspreis von 152 CHF an der SIX kotiert wurden, sind seit dem Amtsantritt des neuen CEO von über 10 auf 5.70 CHF gefallen. Doch das soll sich gemäss CEO ändern: «Mein weitaus wichtigstes Ziel ist es, den Return für die Aktionäre zu steigern – dies auch im eigenen Interesse –, da meine Kompensation grösstenteils an den Aktienkurs gebunden ist.»
Auf die Frage, an welchem Unternehmen er sich messe, wer die Peer-Group sei, antwortet El Hamamsy: «Das ist die erste Frage, die ich mir auch gestellt habe, als ich den Job übernahm.» Schnell habe er gemerkt, dass dies nicht so einfach sei. Es gibt keine vergleichbaren kotierten Unternehmen. Er denke als Analogie eher an Stadtstaaten in Entwicklungsländern. Dubai sei dabei ein guter Vergleich, auch wenn es ganz eine andere Grössenordnung sei.
«Es gibt keine vergleichbaren kotierten Unternehmen»
Die Stadt sei relativ unabhängig und in eine grössere Föderation eingebettet. Auch Orascom erwerbe grosse Grundstücke und habe die Freiheit, diese selbst einzuzonen und Flughäfen, Spitäler etc. zu planen. Dubai müsse die Infrastruktur stellen, Strassen, Energie, Entsalzungsanlagen, Security etc. stellen, das mache Orascom auch. Wie Dubai versuche auch sein Unternehmen mit Attraktionen Einwohner und Touristen anzuziehen. Die einzelnen Resorts von Orascom würden zudem ständig mit allen übrigen Tourismusanbietern, -destinationen und Hotels verglichen. «In jedem Bereich wollen wir im obersten Zehntel rangiert sein», so El Hamamsy.