Im dritten Quartal stiegen die IPO-Erlöse in Amerika um 238% auf 8.6 Mrd. USD. In Asien-Pazifik dagegen fielen die Emissionserträge um 41% auf 20.6 Mrd. USD. Damit hat sich die lange bestehende Tendenz des Ausbaus des Asien-Pazifik-Anteils an den globalen Erlösen erstmals wieder umgekehrt, zumindest kurzfristig.
In der EMEIA-Region, also Europa, Mittlerer Osten, Indien und Afrika, sanken die Emissionserlöse um 37% auf 9.2 Mrd. USD. Global fielen die Erlöse um 27% auf 38.4 Mrd. USD. Nach Anzahl der IPOs betrachtet ergibt sich ein etwas anderes Bild. Insgesamt gingen 350 Unternehmen an die Börse, 6% weniger als im Vorjahresquartal, so der Quartalsbericht zum IPO-Markt von EY.
Globales Emissionsvolumen sinkt um 32%
Ähnlich ist das Bild in der Betrachtung der ersten neun Monate des Jahres. Die weltweiten IPO-Erlöse fielen um 32%, stiegen jedoch in Amerika um 159% und fielen in Asien-Pazifik um 41%, in der EMEIA-Region um 44%. Doch der Blick auf die Marktanteile der einzelnen Börsenplätze zeigt ein immer noch hohes Gewicht der fernöstlichen Börsen. Die vier chinesischen Börsen stehen in den ersten drei Quartalen 2023 allein für 48% des Emissionsvolumens. NYSE und Nasdaq kommen auf 18%. Danach folgen Indien und Abu Dhabi mit je 4% und Indonesien und Japan mit je 3%. Saudi-Arabien, Türkei und Rumänien kommen auf 2%, alle anderen Börsen zusammengenommen auf 13%. Nach Anzahl der IPOs sind auch Südkorea mit 45 Börsengängen und Thailand mit 26 in den Top 12 vertreten.
Trenddivergenzen
Insgesamt zeigt sich einmal mehr, dass steigende Zinsen nicht gut für Neuemissionen sind, weil die Investoren zurückhaltender und wählerischer werden. Die Vorlieben ändern sich rapide. SPACs sind genauso «out» wie Unicorns. Einige Trends aber sind intakt geblieben. So steigt die Anzahl der Cross-Border IPOs stark. Beispiele sind die insgesamt sechs chinesischen Zweitlistings an der SIX oder das IPO der deutschen Birkenstock in den USA, wo dieses Jahr bereits 49 Cross-Border IPOs stattfanden, darunter Emittenten aus Malaysia, Japan und Südkorea.
Emerging Markets sind dominierend
Ein Langfristtrend ist der stetig wachsende Anteil der Emerging Markets an den globalen Emissionserlösen. In den ersten drei Quartalen 2023 beträgt ihr Primärmarktanteil 77% nach Anzahl und 75% nach Volumen. Noch 2014 lagen die Vergleichswerte bei 46% respektive 40%. Laut EY stammen sieben der neun Mega-IPOs im laufenden Jahr aus Emerging Markets.
Technologie bleibt Top-Sektor
Unverändert ist Technologie der Sektor, der an der Spitze steht. 200 IPOs erzielten Erlöse von 29.3 Mrd. USD. Die Anzahl ging zwar im Vorjahresvergleich um 9% zurück, doch das Emissionsvolumen erhöhte sich um 9%. Es folgt mit 195 IPOs und Erlösen von 20.5 Mrd. USD der Industrie-Sektor. Hier fielen die Erlöse um 22%. Alle Sektoren verzeichneten Rückgänge nach Volumen ausser Technologie und Konsum, wo die Erlöse um 95% auf 12.4 Mrd. USD stiegen.
Aftermarket-Performance verbessert
Eine bemerkenswerte Beobachtung am Markt betrifft die Aftermarket-Performance der IPOs 2023 im Vergleich zur Vorjahresperiode. Nur 36% der Energie-IPOs der ersten drei Quartale 2022 stehen bis Mitte September 2023 über ihrem Zuteilungspreis, jedoch 68% der Börsengänge des Sektors in 2023. Im Healthcare- und Life-Sciences-Sektor sind die Vergleichszahlen ähnlich mit 30% respektive 59%. Einzig im Konsum-Sektor fällt die Differenz mit 51% vs. 53% gering aus. Daraus lässt sich folgern, dass einerseits das Pricing der IPOs das veränderte Zinsumfeld stärker reflektiert und andererseits, dass sich die Qualität der Debütanten verbessert hat.
Spin-outs und Privatisierungen
Tatsächlich hat sich das Profil der Börsenkandidaten gewandelt. Weniger gefragt sind Concept-IPOs oder generell Aktien von Unternehmen, die (noch) keine Gewinne erwirtschaften. Gefragt sind dagegen Privatisierungen von Staatskonzernen oder Spin-outs profitabler Aktivitäten von grossen Konzernen wie die OTC-Sparte von Johnson & Johnson, die seit einigen Monaten als Kenvue die Kursliste verlängert. Die Performance lässt in diesem Fall allerdings zu wünschen übrig. Das Minus liegt bei über 20%, die Market Cap erreicht aber immer noch beachtliche 38.8 Mrd. USD.
Italien und Deutschland
In Italien fanden mehrere IPOs statt, darunter Lottomatica, Eurogroup Laminations und Ferretti. In Deutschland lief der ThyssenKrupp Spin-out Nucera zunächst gut, doch zwischenzeitlich hat die Aktie ordentlich Federn lassen müssen. Zuletzt gelang trotz widrigem Börsenumfeld das Börsendebüt von Schott Pharma. Das Unternehmen stellt Glasverpackungen für injizierbare Medikamente her und profitiert von dem Hype um neue Adipositas-, Diabetes- und Abnehmmittel. Renk war ein weiterer Kandidat, der jedoch am 5. Oktober wenige Stunden vor der Erstnotiz den Börsengang absagte. Renk stellt Getriebe für Panzer und Schiffe her und passt damit in den Zeitgeist. Bei Schott Pharma wurde aber nur eine Minderheitsbeteiligung an die Börse gebracht, und der gesamte Erlös floss den Hauptaktionären zu, also keine Wachstumsfinanzierung. Und so hätte es auch bei Renk ausgesehen.
Schwergewicht ARM
Eine Ausnahme stellt das IPO von ARM dar. Die IPO-Bewertung lag bei 54 Mrd. USD. Platziert wurden allerdings nur rund 10% der Aktien – und der Emissionserlös von 5 Mrd. USD floss vollständig dem Hauptaktionär Softbank zu. Das Unternehmen ist «hip», weil es die Chips für Smartphones designt und von jedem verkauften Gerät profitiert. Dazu kommen weitere Anwendungen wie in Rechenzentren. ARM war bereits bis 2016 börsenkotiert und wurde damals von Softbank für 32 Mrd. USD gekauft und von der Börse genommen. Die aktuelle Market Cap erreicht 52 Mrd. USD.
Schweizer SPAC VT5 findet Übernahmeziel
Am Schweizer Primärmarkt blieb es abgesehen von den sechs chinesischen Listings dieses Jahr ruhig. Es gab auch keine klare Ankündigung eines Börsengangs. Die einzige Bereicherung des Kurszettels der letzten Monate stellt der Spin-off von Sandoz dar. Aus Banker- und Beraterkreisen heisst es zwar, dass etliche Kandidaten bereit sind und nur auf bessere Kapitalmarktbedingungen warten, doch können diese ihre Absichten auch ändern, wie es in einem Umfeld steigender Zinsen und konjunktureller Bremsstreifen durchaus zu erwarten ist. Der Fall Renk zeigt wie opportunistisch die Entscheidung fallen. Kurz vor Ablauf der 24-Monats-Frist meldete die erste und einzige Schweizer SPAC-Gesellschaft VT5 Anfang Oktober, dass nun mit der R&S Group ein Übernahmeziel gefunden wurde.
Private-to-Public via SPAC
Das Unternehmen sitzt in Sissach (BL) und ist als Spezialist für Mid-Market-Transformatoren für die Energieerzeugung und -distribution ein Global Player. Produktionsstätten bestehen in der Schweiz, Italien, Polen und im Mittleren Osten. Der aktuelle Eigentümer ist ein Private Equity Fonds mit Sitz in der Schweiz. Die Transaktion soll bis Ende Jahr abgeschlossen werden. Die VT5-Aktionäre müssen mit einer Kapitalerhöhung rechnen, um den Kaufpreis stemmen zu können.