VT5 Acquisition: Ist die R&S Group ein guter Deal?

Nach der Kapitalerhöhung ist der Namenswechsel für den 13. Dezember geplant

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Das im Jahr 1919 gegründete Unternehmen R&S Rauscher & Stoecklin ist ein etablierter Hersteller von Transformatoren und anderen elektrotechnischen Produkten. Bildquelle: the-rsgroup.com

Fast 24 Monate nach dem IPO der ersten und bislang einzigen SPAC-Gesellschaft an der SIX findet nun, gerade noch auf der Zielgerade, doch noch eine Übernahme statt. Der Hersteller und Distributor von Transformatoren mittlerer Grösse für die Energiewirtschaft, R&S International Holding AG mit Sitz in Sissach, zeigt ein vielversprechendes Wachstumsprofil. Lohnt sich ein Investment, nachdem beim SPAC VT5 nun die Katze aus dem Sack ist?

Chart VT6
Kursentwicklung der Aktie von VT5 seit dem IPO. Chart: six-group.com

Als die Aktie von VT5 am 15. Dezember 2021 erstmals an der SIX gehandelt wurde, ging kurz danach ein sensationelles Jahr für die SPAC-Industrie zu Ende. 613 SPACs gingen 2021 allein in den USA an die Börse. Mit den Erlösen von 162.5 Mrd. USD gingen sie auf die Suche nach Übernahmekandidaten. Die Blase ist zwischenzeitlich geplatzt. 2023 fanden in den USA gerade noch 26 SPAC-Emissionen statt, die 3.3 Mrd. USD einsammelten. Zusammengefasst fanden laut spacanalytics 651 Akquisitionen im Volumen von 158.2 Mrd. USD statt. Inzwischen wurden aber auch 405 SPACs liquidiert und hatten 109 Mrd. USD an ihre Investoren zurückzahlen müssen. Was genau ein SPAC ist, wurde auf schweizeraktien.net bereits im Februar 2021 dargestellt.

Timing-Aspekte

Die SPAC-Aktivitäten ausserhalb der USA blieben begrenzt. Bis der regulatorische Rahmen geschaffen worden war, hatte der Boom seinen Höhepunkt erreicht oder sogar überschritten. So auch in der Schweiz. Zu den Grundregeln bei SPAC-Emissionen zählt, dass ein Deal innerhalb von in der Regel 24 Monaten stattfinden muss – oder das Kapital ist zurückzuzahlen. Das drohte auch VT5. Im Oktober wurde jedoch die Absicht der Übernahme von R&S International Holding publik gemacht und die Frist deshalb verlängert. Am 8. November wurde VT5 konkreter.

Aus VT5 wird R&S Group

Der Kaufpreis soll 274 Mio. CHF betragen. Eingesammelt hatte VT5 im Jahr 2021 rund 200 Mio. CHF. Durch Zinseinnahmen sind daraus 202 Mio. CHF geworden. Um den Kaufpreis stemmen zu können, muss also VT5 eine Kapitalerhöhung durchführen. Die Aktionäre sind nicht zur Teilnahme verpflichtet. Vielmehr erhalten sie die Möglichkeit, ihre Aktien zurück an die Gesellschaft zu verkaufen. Hierfür ist die sogenannte «Redemption Period» von 23. November bis 6. Dezember vorgesehen. VT5 wird dann diese Aktien sowie weitere neue Aktien ausgeben. Die «Public Offer» folgt vom 7. Dezember bis zum 8. Dezember. In der Bookbuilding-Phase wird dann der genaue Ausgabepreis bestimmt. Er soll zwischen 10 CHF und 10.50 CHF liegen. Der Buchwert zum 30. September lag bei 10.02 CHF je Aktie.

Zukünftiges Aktionariat

Am 11. Dezember findet die a.o. GV von VT5 statt. Traktanden sind die Wahl zweier neuer Verwaltungsräte, der Namenswechsel zu R&S Group Holding AG sowie die Kapitalerhöhung. Geht alles gut über die Bühne, wird die Aktie nach dem sogenannte De-SPACing am 13. Dezember erstmals unter dem neuen Namen gehandelt. Es zeichnet sich ab, dass es dann vier Gruppen von Aktionären geben wird: 17,7% werden bei den VT5-Gründern und Veraison liegen, weitere 10,6% beim Basler Private Equity Investor CGS Management. Auf die bestehenden VT5-Aktionäre entfallen 42,2% und auf neue Investoren 29,4%. Der Free Float liegt somit bei 71,6%. Altaktionäre, Management, Verwaltungsräte und das Unternehmen selbst unterwerfen sich einer Lock-up-Verpflichtung von 12 Monaten. Verkaufende Investoren sind der Private Equity-Fonds CGS III von CGS Management sowie Marc Aeschlimann, der CEO der Schaffner Holding, und Marcus Jauslin.

Finanz-Eckdaten

In der in Auftrag gegebenen «Fairness Opinion» kommt KPMG in einer DCF-basierten Berechnung auf eine Bewertungsbandbreite von 400 – 448 Mio. CHF. Demgegenüber erscheint der vereinbarte Kaufpreis von 274 Mio. CHF relativ attraktiv. In den ersten neun Monaten 2023 wurde ein Umsatz von 162.3 Mio. CHF verzeichnet. Das repräsentiert einen Anstieg zur Vorjahresperiode von 49%. Das EBITDA wird mit 30.3 Mio. CHF angegeben, eine Marge von 18,7%. Der Auftragsbestand belief sich auf komfortable 193.8 Mio. CHF. Per 30. September 2023 liegt die Liquidität bei 14.2 Mio. CHF. Für die kommenden Jahre wird ein organisches Wachstum von 8-10% p.a. angestrebt und eine EBIT-Marge im zweistelligen Prozentbereich. Die Dividend Policy sieht 50% des Free Cash-Flow als Dividendenausschüttung vor, allerdings erstmals für das Geschäftsjahr 2024.

Auftragslage und Umsatzentwicklung von R&S in den letzten 12 Monaten. Quelle: R&S Investor presentation, November 2023

Gesunde Basis für Expansion

Das Unternehmen beschäftigt 700+ Mitarbeitende und verfügt über sechs Produktionsstandorte in der Schweiz, Italien und Polen sowie zwei Niederlassungen, darunter eine in Abu Dhabi. 120 Länder werden insgesamt bearbeitet. Die Kernkompetenz sind Transformatoren mittlerer Grösse für die Energiewirtschaft. In den Nischenmärkten bekleidet die R&S Group in den bearbeiteten Ländern eine führende Position mit Marktanteilen zwischen 30% und 65%. Bedient werden aber auch viele andere Länder. Ein Vorteil ist die nahezu universelle Einsetzbarkeit für erneuerbare Energien, fossile Brennstoffe und Nuklearenergie. Ziele der R&S Group sind, Energieverluste für die Kunden zu minimieren, die Prozesse effizient zu gestalten und eine hohe Zuverlässigkeit der Distributionsnetze herzustellen. Dies hilft den Energieversorgern, mit den Herausforderungen der Energie-Wende, den regulatorischen Anforderungen und den absehbaren Nachfragesteigerungen fertig zu werden.

Quelle: R&S Investor presentation, November 2023

Struktureller Aufwind

Der Investment Case ist überzeugend. Je nach Szenario wird die Nachfrage nach Elektrizität bis 2050 um 80% bis 150% zunehmen. Wind- und Solarenergie werden sukzessive fossile Brennstoffe ersetzen, dazu treten neue Quellen der Nachfrage wie E-Mobility und Rechenzentren. Während in den entwickelten Ländern Digitalisierung, Energie-Wende und neue Anwendungen die Treiber der Nachfrage sind, geht es in den Emerging Markets vorrangig darum, die Energie-Infrastruktur auszubauen, um das Wachstum zu fördern und die wachsende Nachfrage von Industrie und Verbrauchern zu befriedigen.

Mega-Trends beflügeln Nachfrage

Diese Trends lassen sich am besten in den Schlagwörtern Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Modernisierung zusammenfassen. Für die Verteilung des Stroms braucht es entsprechende Netze und deshalb Transformatoren für unterschiedliche Aufgaben. Als agiles KMU fertigt das Unternehmen kundenspezifische Transformatoren für unterschiedlichste Anwendungen, was einen Wettbewerbsvorteil gegenüber grossen Industriekonzernen darstellt. Auf der Liste der Referenzen von R&S Group finden sich zahlreiche Beispiele. Zu den Kunden zählen die Stadtwerke Winterthur, die Schweizer Salinen AG, Fussball-Stadien in Katar, der spanische Versorger Iberdrola, E.ON, uvm. Unter anderem wurden der Brenner Tunnel sowie der in ein Solarkraftwerk umgewandelte Muttsee-Damm mit Komponenten ausgestattet. Eine Stärke sind Flughäfen. 25 zählen zu den Kunden. Weitere Schwerpunkte sind Industrieunternehmen wie Tesla und Ferrari sowie Datenzentren und Forschungsinstitute wie CERN. Viele neue Märkte wie Bulgarien, Estland, Tschechien und Dubai zeigen, dass das internationale Potenzial bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist.

Starker langfristiger Rückenwind für steigende Stromnachfrage. Quelle: R&S Investor presentation, November 2023 

Investment-Kriterien erfüllt

Die Investment-Kriterien, die VT5 beim IPO vor zwei Jahren artikuliert hatte , werden von der Zielgesellschaft R&S Group erfüllt, teilweise sogar übererfüllt. Die R&S Group ist profitabel, weist ein attraktives Wachstumsprofil auf und verfügt über eine skalierbare und starke Marktstellung. Die weiteren Cash-Flows sind nicht zuletzt wegen der bereits abgesteckten gesetzlichen Rahmenbedingung und der absehbar steigenden Nachfrage nach ihren Produkten und Services gut prognostizierbar. Beispielsweise sind heute schon 30% der europäischen Elektrizitätsnetze mindestens 40 Jahre alt. Bis 2030 werden es 50% sein. Der Modernisierungsbedarf ist enorm. Die EU fördert die Erneuerung der Netze mit zweistelligen Milliarden-Euro-Beträgen aus verschiedenen Fonds. In den USA sind 70% der Netze mindestens 25 Jahre alt. Transformatoren müssen typischerweise nach 30 Jahre Betriebsdauer ausgetauscht werden, da die Fehler- und Ausfallquote danach rapide ansteigt. Die Netze sollen aber widerstandsfähiger und zuverlässiger werden, schon um mit Risiken wie Wetter- und Klimaextremen sowie Cybersecurity Threats besser zurechtzukommen.

Wettbewerb

Die Märkte sind fragmentiert. Im Hochvolt-Bereich sind internationale Konzerne wie Siemens Energy, GE, Toshiba, Hitachi, Mitsubishi, Hyundai und Schneider Electric aktiv. Im mittleren und niederen Volt-Bereich sind viele Player tätig, jedoch meist lokal oder regional. Die KMU sind, wie R&S Group bisher, nicht allgemein bekannt und meist nicht börsenkotiert. Während die Multis standardisierte grosse Volumina und lange Vorlaufzeiten benötigen, zeichnen sich die KMU in ihren Nischen durch Kundennähe, schnelle Reaktionszeiten und hohe Anpassung an sich verändernde Bedingungen aus. Die R&S Group sticht durch eine 10-jährige Garantie auf ihre Produkte im Wettbewerb deutlich hervor.

Nachhaltigkeit

Nicht nur die Produkte und Services von R&S Group dienen der Energieeffizienz und Dekarbonisierung und damit der Erreichung der Klimaziele, sondern auch die eigenen Geschäftsprozesse sind davon gekennzeichnet. So wird mit ThyssenKrupp kooperiert. Der Stahl kommt mit signifikant weniger Emissionen aus als herkömmlich produzierter. Viele Produkte werden auch mit recyclierten Materialien hergestellt, bei Metallen mit teilweise bis zu 80%. Gegenüber Vorläuferprodukten von vor 30 Jahren werden durch Optimierung heute bis zu 25% Energie eingespart. Auch Langlebigkeit und Kreislaufwirtschaft tragen zu einem starken Nachhaltigkeitsprofil von R&S Group bei. Ein Nachhaltigkeitsbericht mit Zielen, Massnahmen und erzielten Fortschritten fehlt jedoch bislang.

Fazit

Der Deal von VT5 besticht durch seine Swissness. Die Zielgesellschaft ist ein Schweizer «Hidden Champion», der in den bearbeiteten Nischenmärkten durch hohe Innovationskraft, starke Marktanteile und eine gute Profitabilität überzeugen kann. Die säkularen Trends sprechen auf Jahrzehnte hinaus durch den Erneuerungs- und Ausbauprozess bei den Elektrizitätsnetzen für starken Rückenwind. Die Branche ist durch die regionale Fragmentierung auch reif für eine Konsolidierung. M&A Transaktionen liegen in der Luft. R&S Group zieht auch Akquisitionen in Betracht. Den allgemeinen Risiken wie Teuerung bei Rohstoffen, Konjunkturdämpfung und geopolitischen Verwerfungen ist das Unternehmen dennoch ausgesetzt. Unternehmensspezifische Risiken sind jedoch auf den ersten Blick nicht erkennbar. Die Kapitalerhöhung sollte gelingen, auch in dem aktuell schwierigen Umfeld. Die Initiatoren haben ja immer darauf hingewiesen, dass sie «Skin in the game» haben. Also werden sie ihre Haut nicht verlieren wollen.

Wie die Performance der Aktie ausfallen wird, bleibt offen. Das Profil ist dem von Accelleron, dem Spin-off von ABB, nicht unähnlich. Prognostizierbare Cash-Flows, eine hohe Marge und ein Produkt, das Emissionen vermindert. Doch ob die Anleger das gleich erkennen oder erst in Monaten, ist eine andere Frage. Immerhin handelt es sich um ein weiteres Micro-Cap, von denen mehrere derzeit von der Börse verschwinden – Schaffner Holding, Datacolor, Von Roll. Accelleron wurde am Aktienmarkt zuerst ignoriert und erst später entdeckt. Die Frage der Akzeptanz ist vielschichtig. Im Gegensatz zum IPO gelten Transparenzrichtlinien beim Going Public via SPAC nur sehr vermindert. Zwar liegen die Zahlen der letzten Jahre nun offen, doch zur gründlichen Prüfung und «Due Diligence» in eigener Sache haben interessierte Investoren nur wenig Zeit. Die Chancen stehen aber gut, dass R&S Group zu der Minderheit von Börsengängen via SPAC gehört, die eine positive Performance verzeichnen.

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Nach Redaktionsschluss wurde bekannt, dass der Sponsor Veraison, wenig überraschend, für die Transaktion stimmen wird. Gleichzeitig wurde angekündigt, dass Veraison 1.88 Mio. Aktien aus «internen Portfoliogründen» bei der Redemption andienen wird. Dies sei konsistent mit den Erwartungen von VT5.

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