Immobilien Schweiz: Insel der Glückseligen

Immobilienberatungsunternehmen IAZI erwartet eine sanfte Landung

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Donato Scognamiglio war 20 Jahre lang CEO des Immobilienberatungsunternehmens IAZI. Im Sommer wechselte er in den Verwaltungsrat. Er ist weiterhin das Gesicht und Sprachrohr des IAZI gegenüber der Öffentlichkeit. Bild: zVg.

Unter 90 Minuten macht es Donato Scognamiglio, der langjährige CEO des Immobilienunternehmens IAZI, der im Sommer das operative Geschäft an seinen Nachfolger übergeben hat und jetzt als VR-Präsident amtet, bei seinen Pressekonferenzen nicht. An die 50 Powerpoint-Folien wollen erläutert sein – und Scognamiglio ist ein Meister der differenzierten Erläuterungen. Vielleicht starten deshalb seine Pressekonferenzen morgens um 8 Uhr, damit genug Tagesrest bleibt, um seine Botschaften an die Journalistinnen und Journalisten und damit hinaus in die Welt zu bringen.

Weiter steigende Immobilienpreise

Scognamiglio schiebt dem Publikum immer aufs Neue in seinem spritzigen Berndeutsch seine fundierten Analysen unter. So auch jetzt: Beim Blick auf die Immobiliensituation in der Schweiz 2023 nahm er die demografische Situation in der Schweiz näher unter die Lupe. Denn das sei einer der Hauptgründe, warum man hierzulande von einer «Insel der Glückseligen» sprechen könne.

Während die Immobilien-Preise in Europa in den letzten zwölf Monaten in vielen Ländern gegen unten korrigierten (z.B. Eurozone -1,8%, Deutschland sogar -9,9%), stiegen sie in der Schweiz um 4,9%. Laut IAZI stütze die wachsende Nachfrage den Markt. Sie speise sich durch die Bevölkerungsentwicklung, die in der Schweiz seit dem Jahr 2000 um 23% zugenommen hat. Zum Vergleich: Österreich +13,8%, Frankreich +12,4%, EU +4,6%, Italien +3,4% und Deutschland +2,7%.

Ansässige werden durch die hohen Immobilienpreise in die Peripherie verdrängt. Quelle: iazi.ch

Verdrängung der einheimischen Bevölkerung

Das Bevölkerungswachstum werde insbesondere durch die Zuwanderung Hochqualifizierter um die 30 gespeist, von denen 81% aus Europa stammen, 39% davon mit Hochschulabschluss (die Schweizer kommen im Durchschnitt auf 35% höhere schulische Abschlüsse). Was wiederum eine Verdrängung der einheimischen Bevölkerung zur Folge habe, die es sich zum grossen Teil schlicht nicht mehr leisten könne, in der Stadt Zürich ein Einfamilienhaus zum aktuellen Durchschnittspreis von 3.2 Mio. CHF zu erwerben, gibt Scognamiglio zu bedenken. Denn das erfordert ein Einkommen von 525’000 CHF pro Jahr. Auch andere Schweizer Ballungszentren bzw. Städte wie Genf, Basel, Lausanne und Bern weisen Preise für ein Musterhaus zwischen 2.9 und 1.9 Mio. CHF aus. 

Kein Verkaufsdruck für Eigenheimbesitzer

Kein Lichterlöschen – der Druck zur Veräusserung von Immobilien sei gering, so das IAZI. Bild: iazi.ch

«Eine Insel der Glückseligen» also für diejenigen 40% der hier Lebenden, die bereits Wohneigentum besitzen und aufgrund der wirtschaftlichen Rahmendaten auch nicht gezwungen sind zu verkaufen. Der Druck zur Veräusserung sei gering, weil die Leitzinsen im Vergleich zur Eurozone, zu UK und zu den USA nach wie vor mit 1.75% recht niedrig seien. Und das wirkt sich natürlich direkt auf die Hypothekarzinsen aus. Die Haushalte könnten die dennoch gestiegenen Hypo-Zinsen gut verkraften, setzen die Banken doch bei der Tragbarkeitsberechnung einen Zins von 5% an. Zur Zeit bewegen sich die Hypo-Zinsen deutlich unter 5% und liegen je nach Anbieter und Laufzeit zwischen 2% und 3%.

Der Zins für die Hypothek sei wie der Sprit fürs Auto. Bei einem starken Anstieg der Zinsen werde der Sprit teurer, dann kauften Interessenten kleinere Häuser, wie sie auch kleinere Autos kaufen würden, wenn das Benzin teurer wird, so die Analogie des IAZI-Chefs.

Superzyklus steigender Preise geht in sanfte Landung über

Scognamiglio geht davon aus, dass die Bewertungen in naher Zukunft leicht korrigieren werden. Im Bereich von privatem Wohneigentum dürfte der Superzyklus der steigenden Preise langsam in eine sanfte Landung übergehen. Die Anzeichen einer Abkühlung verfestigten sich. So sei die Anzahl der Freihandtransaktionen seit 2021 stetig gesunken, während die Anzahl Neugeschäfte für Hypothekarkredite seit 2021 um rund ein Viertel zurückgegangen sei.

Mieten steigen

Nicht nur der Eigenheimkäufer, sondern auch Mieter auf Wohnungssuche sind mit steigenden Preisen konfrontiert. Das gilt auch für die Bestandsmieten, die ebenfalls nach Jahren des sinkenden Anstiegs jetzt wieder stärker zulegen. Das Mietwohnungsangebot geht zurück, der Leerstand ohne Wohneigentum liegt 2023 bei 1,6%. Wer sucht, der hat die höchsten Chancen im Mittelland und in der Ostschweiz, schreibt das IAZI. Dort sind die Wohnungen auch bezahlbar, während man in Zürich oder Genf für eine 110 m2 Wohnung zwischen 3’800 und 4’000 CHF pro Monat hinlegen muss.

Immobilien-Anlagen

«Heute muss man sein Geld nicht mehr in Immobilien anlegen», sagt Scognamiglio. Die paradiesischen Zeiten, in denen wegen der Tiefstzins-Umgebung ein Eldorado im Betongold herrschte, sind vorbei. Dennoch hätten sich Immobilien-Aktien wie auch die Schweiz-Anleihen in 2023 mit +4% im Vergleich zu Aktien (-2%) oder Immo-Fonds (-5%) gut gehalten.

Fazit

Die wirtschaftlichen Rahmendaten für den Immobilienmarkt in der Schweiz stimmen. Die Teuerung hat man im Griff, auch wenn es keine Sicherheit gibt, wie sich die Inflation entwickeln wird. Die Schweizer Wirtschaft wächst, wenn auch mit 1,3 % in den letzten 12 Monaten moderat. Eine Arbeitslosenquote von 2% bedeutet praktisch Vollbeschäftigung. Dennoch sorgen sich die Schweizer. Der Index der Konsumentenstimmung ist praktisch auf einem Tiefpunkt; so schlecht wie seit der Energiekrise 2022 war die Stimmung in den letzten 15 Jahren nicht mehr. Migration, Krankenkassenprämien, steigende Mieten, Krieg und Klima – die Stimmung im Land ist schlechter, als die Zahlen es vermuten lassen würden.

Scognamiglio aber ist zuversichtlich, was den Immomarkt anbelangt. Zuversichtlicher als auch schon, als er vor einer Überhitzung auf dem Markt warnte. Davon ist zur Zeit nichts zu hören.

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