Rochus Kobler, CEO Phoenix Mecano: «2023 bringt voraussichtlich das beste EBIT der letzten 20 Jahre»

Gewinnsteigerungen und Aktienrückkaufprogramm schieben Kursentwicklung an

0
532
Rochus Kobler, Dr. oec. HSG, Dipl.-Ing. ETH/MSc, Jg. 1969, war von 2010 bis Mai 2016 COO und ist seit Juni 2016 CEO der Phoenix Mecano-Gruppe. Bild: zVg

Die Aktie von Phoenix Mecano hat zwischen Juli und Oktober eine lange Bodenbildung durchlaufen, doch seitdem zieht der Kurs an und hat gerade die 400 CHF-Marke nach oben durchbrochen. Eine positive Gewinnentwicklung, die Veräusserung von Randaktivitäten sowie ein Aktienrückkaufprogramm entfalten ihre Wirkung. schweizeraktien.net hat bei CEO Rochus Kobler nachgefragt. Der sieht Phoenix Mecano auf gutem Kurs, erläutert wirksame Sonderfaktoren und Mega-Trends. Anlässlich des bevorstehenden 50-jährigen Jubiläums der Unternehmensgruppe will der agile CEO mit seinem Team die Basis für weitere 50 erfolgreiche Jahre legen. 

Chart Phoenix Mecano
Kursverlauf der Aktie von Phoenix Mecano während der letzten 6 Monate. Chart: six-group.com

Herr Kobler, im Halbjahresbericht zum 30. Juni zeigt Phoenix Mecano wiederum ein stark gestiegenes Ergebnis. Der Periodengewinn nahm um beachtliche 19,4% zu. Gleichzeitig bewegte sich der gemeldete Umsatz kaum, gab sogar in der Bilanzierungswährung Euro leicht nach. Organisch und um Wechselkurse bereinigt wurde jedoch ein Wachstum von 4,6% erzielt. Bitte führen Sie die Leser kurz und sachkundig durch das Zahlenwerk.

In unseren Industrieaktivitäten trägt unsere Wachstumsstrategie Früchte. Wir sind den Investitionszyklen heute weniger ausgesetzt als in der Vergangenheit, weil wir uns auf Anwendungsgebiete fokussieren, welche von langfristigen Megatrends angetrieben werden. Zudem hat Phoenix Mecano den Schritt vom Komponenten-Lieferanten zum Modul- und System-Anbieter mit Beratungskompetenz gemacht. So blieb der konsolidierte Bruttoumsatz von Phoenix Mecano im ersten Halbjahr trotz einer sich abkühlenden Industriekonjunktur und einigen Veräusserungen stabil. Organisch konnten wir sogar weiterwachsen. Auch das Ergebnis konnten wir gegenüber dem schon hohen Vorjahresniveau weiter steigern. Wichtiger als der Vorjahresvergleich scheint mir aber der Trend, den wir bestätigen: Wir befinden uns auf Kurs, unsere kommunizierten Mittelfristziele bezüglich Profitabilität von 8-12% EBIT-Marge auf Stufe Gruppe zu erreichen.

Es gab auch ein Restatement bei einer der US-Töchter. Wie wirkte sich das auf die relevanten Zahlen aus und was genau war der Grund?

Der Grund für das Restatement im vergangenen Jahr (2022) waren Unregelmässigkeiten bei der Verbuchung von Umsätzen, Materialaufwendungen, Forderungen, Verbindlichkeiten und Abgrenzungen bei einer US-Tochtergesellschaft. Diese Vorgänge fanden zu einem guten Teil in früheren Jahren statt, deshalb wurden die Vorjahreszahlen mittels eines Restatements korrigiert. Dies führte im letzten Jahr, im Geschäftsjahr 2022, zu einer Entlastung des Betriebsergebnisses im 1. Halbjahr in Höhe von 4.7 Mio. Euro und des Periodenergebnisses um 4.1 Mio. Euro. Wichtig ist zu erkennen, dass jegliche Zahlen, die wir im laufenden Jahr berichten, die reine operative Leistung der Phoenix Mecano-Gruppe darstellen, ohne jegliche Einmaleffekte.

Sie haben sich auch von Einheiten getrennt. Was ist der Hintergrund für diese Entscheidungen?

Wir haben in diesem Jahr den Geschäftsbereich Rugged Computing aus der Sparte Industrial Components komplett veräussert. Wir wollen uns in dieser Sparte in Zukunft noch stärker auf die wachstumsträchtigen Kernbereiche Automatisierungstechnik und elektrotechnische Komponenten fokussieren. Zudem hatten diese beiden Bereiche Schwierigkeiten, unsere Profitabilitätsziele auf dem eingesetzten Kapital von 15% ROCE nachhaltig zu erwirtschaften, weil die entsprechenden Geschäftsmodelle viel gebundenes Kapital und hohe Investitionen beanspruchen. Der Zeitpunkt war ideal, diese Geschäftsteile zu einem guten Preis zu verkaufen und sie in gute Hände zu geben.

Phoenix-Mecano ist geografisch breit diversifiziert. Sie sind nahe bei den Kunden, was ein Wettbewerbsvorteil ist. In den letzten drei Jahren gab es jedoch Verwerfungen in den Lieferketten und beim Transport. Zuletzt kam es auch zu einer geopolitischen Polarisierung, was wiederum zu Handelshemmnissen wie Zöllen und Exportbeschränkungen sowie Re-Shoring führt. Und es wurden Preissteigerungen ausgelöst. Wie waren und sind Sie davon betroffen, wie sieht Ihre Anpassung an die veränderten Bedingungen aus?

Die Lieferengpässe und exorbitanten Frachtkosten vom letzten Jahr haben sich mittlerweile weitgehend normalisiert. Die Preise sind teilweise sogar auf das Niveau von vor der Corona-Krise zurückgekehrt. In anderen Fällen konnten und können wir dank unserer starken Marktstellungen die gestiegenen Kosten an unsere Kunden bereits im Angebotsprozess weitergeben. Die Zölle und geopolitischen Spannungen stellen für uns aus rein geschäftlicher Perspektive keine unüberwindbaren Herausforderungen dar. Wir stellen uns diesen und profitieren dabei von unserem globalen Netzwerk von Kompetenzzentren und Vertriebseinheiten. Wir verfügen über Produktionskapazitäten an verschiedenen Standorten, sodass wir flexibel auf solche Gegebenheiten oder Verschiebungen von Nachfrage reagieren können. Das stellt in vielen Bereichen einen Wettbewerbsvorteil dar.

Die Devisenmärkte führen ja ihr eigenes Leben, werden von unterschiedlichsten Faktoren bewegt und sind wegen der schieren Grösse kaum manipulierbar. Sie bilanzieren in Euro, die Aktie wird in CHF gehandelt, und Sie haben in ihrem globalen Geschäft wohl noch mit etlichen anderen Währungen zu tun. Wie navigieren Sie hier zum Wohle der Aktionäre?

Wir betreiben natürliches Hedging, indem wir versuchen, sowohl Einnahmen als auch Ausgaben in der gleichen Währung zu erzielen. Zum Beispiel fallen 44% unserer Einnahmen und ein substanzieller Teil der Ausgaben in Euro an. Aber auch in USD und chinesischen Yuan erzielen wir sowohl Einnahmen als auch Ausgaben, und wir versuchen, durch operative Massnahmen die Einnahmen- und Ausgabenströme anzugleichen. Wenn wir in einer Währung stark exponiert sind, sichern wir uns gegen Währungsschwankungen ab.

Die Auftragseingänge im ersten Semester waren leicht rückläufig. Wie stellt sich die Situation bis November dar? Was erwarten Sie für 2024 und 2025?

Bei den Industrieaktivitäten sind die Auftragseingänge im dritten Quartal von einem sehr hohen Niveau zurückgekommen, während die DewertOkin Technology Group den Turnaround geschafft hat und die Auftragseingänge von tiefem Niveau aus wieder stiegen. Wir erwarten, dass dieser gegenläufige Trend vorderhand anhält, und rechnen trotz Devestitionen insgesamt mit stabilen Erträgen.

Die Mega-Trends wie Digitalisierung, Automatisierung und Dekarbonisierung bringen für Phoenix-Mecano Opportunitäten, die offensichtlich gut genutzt werden. Welche Rolle für die Nachfrage der kommenden Jahre spielen der Vormarsch von Elektrifizierung, Robotik, IoT, Wasserstoff und weiteren von Technologie- und Nachhaltigkeitsbestrebungen getriebenen Anwendungen?

Die genannten Megatrends spielen für unsere Gruppe eine sehr wichtige Rolle. Unsere Produkte kommen zum Beispiel in Windkraftanlagen, Photovoltaiksystemen, intelligenten Stromnetzen, Reinräumen für die Halbleiterfertigung und in der Peripherie von industriellen Automatisierungslösungen zum Einsatz. Aus all diesen Bereichen spüren wir in den letzten Jahren eine starke Nachfrage. Und mit dem demografischen Wandel kommt ein weiterer struktureller Treiber für Pflege- und Komfortmöbel hinzu, von dem unsere Sparte DewertOkin Technology Group direkt profitiert. Hier finden sich im Bereich von Smart Home und in der Digitalisierung des Gesundheitswesens Anwendungsgebiete für unsere Antriebslösungen der Zukunft.

Sie sagen, dass das Unternehmen als Marktführer in Nischenmärkten weiterhin gute Wachstumsperspektiven hat und dass Sie zweistellige prozentuale Verbesserungen beim EBIT anstreben? Können Sie diese Aussage für unsere Leser bitte etwas präzisieren?

Unser Ziel als Gruppe ist es, in ausgewählten Nischen und in spezifischen industriellen Anwendungsgebieten führend zu sein. Diese von uns avisierten globalen Nischen zeichnen sich durch hohe Wachstumsraten, Profitabilität und ebenso hohe Eintrittshürden aus. Diese Wachstumsstrategie zahlt sich langfristig aus. Für das Geschäftsjahr 2023 erwarten wir im fortgeführten Geschäft ohne Einmalaufwendungen und -erträge eine Steigerung des Betriebsergebnisses. Damit werden wir voraussichtlich das beste Betriebsergebnis der letzten 20 Jahre erzielen.

Die Nettoverschuldung wurde in den 12 Monaten bis 30. Juni 2023 auf 55.8 Mio. Euro praktisch halbiert. Wollen Sie ganz schuldenfrei werden? Und wenn ja, warum?

Die Reduzierung der Nettoverschuldung ist das Resultat unserer robusten Cashflow-Generierung und der Erlöse aus den Veräusserungen. Unser Ziel ist eine solide Bilanz, und wir wollen die Verschuldung auf einem vernünftigen Mass halten. Deshalb haben wir ein Aktienrückkaufprogramm lanciert, um die nicht unmittelbar benötigten Mittel an die Aktionäre zurückzuführen.

Bei Investitionsentscheidungen folgen Sie dem EVA-Modell. Der Economic Value Added errechnet sich aus dem Ergebnis abzüglich der Kapitalkosten. Viele Publikumsgesellschaften befassen sich damit nicht, zumindest nicht erkennbar. Trotz der Zinssteigerungen ist aber Fremdkapital immer noch billiger als Eigenkapital. Wie lösen Sie den scheinbaren Widerspruch auf?

Für uns stellt das keinen Widerspruch dar. Wir wenden intern ein vereinfachtes EVA-Modell an und orientieren uns dabei an unseren Kapitalkosten (WACC). Diese Gesamtkapitalkosten setzen sich bekanntlich aus beiden Komponenten, Eigenkapital- und Fremdkapitalkosten, zusammen. Unser WACC ist in den Jahren der Tiefzinsphase teilweise deutlich unter 10% vor Steuern gesunken. Trotzdem haben wir unsere interne minimale Zielrendite (Hurdlerate) vor Steuern von 15% auf investiertes Kapital nie nach unten angepasst. Das Resultat lässt sich sehen, wir erreichen diese Zielrendite auf Gruppenstufe dieses Jahr.

Nach der EVA-Philosophie ist nur das ein wirklich erwirtschafteter Gewinn, was nach Kapitalkosten übrigbleibt. In der erweiterten Betrachtung entstehen Kurssteigerungen respektive ein Anstieg der Marktkapitalisierung durch Erzielung solcher ökonomischen Gewinne, was dann zum MVA oder Market Value Added führt. Legendäre CEOs wie Jack Welch bei General Electric wurden daran gemessen. Ist das der Pfad, dem Sie folgen?

Wie erwähnt, wir erreichen eine höhere Rentabilität des gesamten eingesetzten Kapitals, als uns dieses kostet (ROCE > WACC vor Steuern). Wir generieren also einen Mehrwert (EVA) für unsere Investoren. Wir erreichen auch eine höhere Rentabilität des Eigenkapitals als dessen modellierte Kosten. Diese Überrendite führt zu einer Marktkapitalisierung, welche über dem Wert des reinen Eigenkapitals zu liegen kommt. Dieser Mehrwert entspricht dann dem „Market Value Added“, welches Sie ansprechen. Das stellt aber nur eine Momentaufnahme dar, denn in die Marktkapitalisierung fliessen stets auch Wachstumsperspektiven ein, indem zukünftige Gewinne und Gewinnsteigerungen kapitalisiert werden. Daraus leiten sich die bekannten P/E Multiples o.ä. Finanzmarktkennzahlen ab. Wir sind eines der wenigen Unternehmen, bei welchem die aktuelle Marktkapitalisierung unter dem Wert der kapitalisierten real erwirtschafteten Gewinne liegt. Entweder wird unser Leistungsausweis noch nicht erkannt oder der Markt traut uns kein profitables Wachstum zu. Wir können letztlich aber nicht beeinflussen, wie der Markt rechnet.

Sie haben ein Aktienrückkaufprogramm beschlossen und am 27. Oktober begonnen. Was sind die Motive hierfür?

Dank unserer soliden Cashflow- und Ertragssituation und die durch Devestitionen zusätzlich erzeugte Liquidität können wir im Sinne der langfristig orientierten Ausschüttungspolitik nicht unmittelbar benötigte Mittel an die Aktionäre zurückführen. Die Investitionsfähigkeit und die zukünftigen Dividendenausschüttungen der Gruppe bleiben dabei sichergestellt.

Bis 2030 wollen Sie den CO2-Ausstoss halbieren, bis 2050 ganz eliminieren. Sie setzen u.a. auf PV-Anlagen für die Energieerzeugung. Wie steht es um die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte? Sehen oder prüfen Sie Alternativen aus nachwachsenden Rohstoffen für Plastik, z.B. Naturharze oder Biopolymere?

Wir haben uns hohe Ziele gesteckt. Um diese zu erreichen, priorisieren wir in einem ersten Schritt jene Projekte mit dem schnellsten und höchsten positiven Effekt zur Reduktion unseres CO2-Ausstosses. Dabei stehen die genannten PV-Anlagen im Vordergrund. Wir haben zahlreiche weitere Potenziale identifiziert und entsprechende Verbesserungs-Initiativen lanciert. Das Ziel ist stets die Verbesserung unseres CO2-Fussabdrucks zusammen mit einem möglichst hohen positiven Ergebnisbeitrag, bzw. Bottom-Line-Effekt. Die Elektrifizierung unserer kleinen Fahrzeugflotte spielt eine Nebenrolle. Aber wir haben in diesem Jahr auch erste elektrische Geschäftsfahrzeuge in Betrieb genommen, und die Rückmeldungen sind positiv.

Wenn Sie eine persönliche Frage erlauben, was hat Sie persönlich motiviert, CEO bei Phoenix-Mecano zu werden, und welche langfristigen Ziele haben Sie sich gesetzt?

Ich bin nun schon seit mehr als 12 Jahren bei der Phoenix-Mecano-Gruppe tätig. Ich bin als COO eingestiegen und heute CEO. Diese Aufgabe erfüllt mich persönlich sehr. Ich möchte mit meinem Team bei der Phoenix-Mecano-Gruppe nachhaltig erfolgreich sein, das heisst für unsere Investoren Mehrwert schaffen und unseren Mitarbeitenden attraktive und erfüllende Arbeitsinhalte bieten. Die Phoenix-Mecano-Gruppe feiert demnächst ihr 50-jähriges Bestehen – wir wollen gemeinsam die Basis für weitere 50 erfolgreiche Jahre legen.

Was können Sie zum Aktionariat, dem Anteil institutioneller Investoren, der geografischen Verteilung und wesentlichen Veränderungen sagen?

Wir haben mit der Gründerfamilie Goldkamp einen starken Ankeraktionär, der gut ein Drittel der Aktien hält und für Stabilität sorgt. Knapp ein weiteres Drittel der Aktien befindet sich im Besitz von grösseren institutionellen Investoren aus der Schweiz und den USA, und der Rest verteilt sich auf Einzelinvestoren, vor allem aus der Schweiz und aus Deutschland.

Vielen Dank für die informativen und erhellenden Antworten, Herr Kobler.

Kommentar verfassen