Tokenisierung: Die Grossbanken kommen – spaltet sich der Markt?

Tokensierung von Vermögenswerten verspricht auf den ersten Blick viele Vorteile

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Jetzt nutzen auch Grossbanken die Blockchain für den Handel von Vermögenswerten. Bringt das den Umschwung? Bild: stock.adobe.com

Die Tokeniserung von Firmenanteilen verspricht viele Probleme von KMU zu lösen. Mit dem Siegeszug der Kryptowährungen haben in der Schweiz Dienstleister begonnen, Unternehmensanteile zu digitalisieren und auf der Blockchain zu speichern. Die Tokenisierung erscheint vor allem für die Finanzierung von Start-ups und Investitionen in KMU-Anteile, die nicht öffentlich gehandelt werden, attraktiv zu sein. Bisher war der Privatanleger von Investitionen in Start-ups ausgeschlossen, die Mindesteinlage beträgt meist gegen 100’000 CHF, und das Geld ist über viele Jahre gebunden. Die digitale Kapitalaufnahme bietet für kleine Unternehmen zahlreiche Vorteile, etwa in der Administration der Aktionäre, und der teure IPO-Prozess entfällt.

Dienstleister wie Daura und Aktionariat haben damit begonnen, ihren Kunden die Tokenisierung von Unternehmensanteilen anzubieten. Das Geschäft zeigt ein beachtliches Wachstum, der grosse Durchbruch bleibt jedoch aus. Neue Dienstleister haben zudem damit angefangen, andere wenig liquide Assets auf die Blockchain zu bringen. Ein Pionier der Tokenisierung ist die Sygnum Bank. Die Kryptobank, die einen Primär- und Sekundärmarkt sowie Verwahrungslösungen für ihre Kunden anbietet, hat nebst der Fremd- und Eigenkapital-Tokenisierung auch Vermögenswerte wie Kunst und Weine tokenisiert. Im Dezember 2020 war Sygnum die erste Bank weltweit, die ihre Aktien tokenisierte. 2021 emittierte das Institut unter dem neuen Schweizer DLT-Gesetz die ersten tokenisierten Assets, im Oktobter 2023 lanciert das Institut den ersten Private-Debt-Token.

Alles Wertvolle gebündelt

Im vergangenen Jahr habe die Adoption von Blockchain und Tokenisierung stark zugenommen, sagt Jürg Schneider, Sprecher der Schweizer Börse SIX, die auch die digitale Börse SDX betreibt. Zahlreiche Banken haben Tokenisierungsdienste eingeführt, und Finanzmarktinfrastrukturanbieter (FMI) wie die SDX bieten die multilaterale, neutrale Emission, den Handel und die Abwicklung von Anleihen und anderen Finanzinstrumenten an, die entweder nativ auf der Blockchain ausgegeben oder tokenisiert wurden. Im Jahr 2023 wurde auch die erste Abwicklung digitale Notenbankwährung unter FMI (wCBDC) auf SDX in Schweizer Franken durchgeführt. Ein digitaler Franken zur Abrechnung von «Blockchain-Transaktionen» ist ein wichtiger Baustein einer digitalisierten Handelsstruktur.

«Die grösste Errungenschaft der Tokenisierung ist die Entfernung von Handels- und Abwicklungssilos. Blockchain und Tokenisierung bieten die Perspektive einer digitalen Asset-agnostischen gemeinsamen Handels-, Abwicklungs- und Vermögensverwaltungsinfrastruktur, in der alles Wertvolle, von Bargeld bis zu Wertpapieren, von Gold bis zu Sammlerstücken, miteinander ausgetauscht, gebündelt und als Sicherheit eingesetzt werden kann», ergänzt der SIX-Sprecher. Fraktionierung, erhöhte Effizienz und Transparenz sind weitere Blockchain-Merkmale, die die Art und Weise, wie Wert gehandelt, abgewickelt und gehalten wird, weiter verbessern werden.

Der umgekehrte Weg boomt

Doch es bleibt ein Nischengeschäft. «In Sachen Tokensierung werden erste Testballons fliegen gelassen. Die Reaktion darauf ist nicht berauschend. Viel mehr Aufmerksamkeit erhalten aktuell Projekte, die Krypto-Assets in die traditionelle Bankenwelt bringen», sagt Thomas Ankenbrand, Leiter Kompetenzzentrum Investments an der Hochschule Luzern (HSLU) mit dem Kerngebiet Fintech. Ankenbrand arbeitet jeweils an der jährlichen Fintech- und Krypto-Asset-Studie der Hochschule mit. Im Moment mache gerade der umgekehrte Weg grosse Schlagzeilen, sagt Ankenbrand. «Bitcoin-ETFs haben in den USA den Zulassungsentscheid erhalten – Krypto-Assets werden also mit traditionellen Finanzinstrumenten abgebildet.»

Die Finanzwelt wird sich gemäss Ankenbrand mit der Tokenisierung in drei Schichten aufteilen. Die erste Ebene wird das bisherige Finanzsystem sein, das auf traditionelle Vermögenswerte und Systeme aufbaut. Auf der zweiten Ebene werden tokenisierte Vermögenswerte über die Blockchain gehandelt. Der Handel und die Administration werden aber von Kryptodienstleistern wie etwa Amina, Sygnum oder Bitcoin Suisse übernommen. Auf der dritten Eben verwalten die Investoren ihre Assets im eigenen Wallet, der Handel findet dezentral über autonome Organisationen statt. Zentrale Börsen und Intermediäre werden in diesem Bereich obsolet.

«Die Tokenisierung bietet Firmen – und deren Investoren – eine Alternative für die Kapitalbeschaffung an. Es hängt stark vom Einzelfall und vom Emittenten ab, welche Art von Kapitalaufnahme gewählt wird», erklärt Ankenbrand. Ob etwa eine Anleihe, eine Aktie, ein Crowdfunding oder die Tokenisierung zum Einsatz kommt.

Kommt der «ChatGPT-Moment?»

«Es kann durchaus sein, dass die Tokenisierung einen ChatGPT-Moment wie die Künstliche Intelligenz (AI) braucht, um ein Mainstream-Thema zu werden. Nur muss man sich dann in Erinnerung rufen, dass AI seit 70 Jahren in der Technologie-Branche existiert», erklärt der Dozent der HSLU. Der Fortschritt in der Tokenisierung erfolge zyklisch und sei immer noch an die Entwicklung des Bitcoins und andere Kryptowährungen gebunden. Aber auch im sogenannten Kryptowinter ging die Aktivität gemäss Ankenbrand nicht auf null zurück.

Im vergangenen Jahr sind RWA (Real World Assets) auf der Blockchain auf einmal bei zahlreichen grossen US-Finanzinstituten ein Thema geworden. Die amerikanischen Banken sprechen von einem Multibillionen-Markt – traditionelle Vermögenswerte wie Aktien, Anleihen, Immobilien und Finanzprodukte, die digital auf der Blockchain zu neuem Leben erweckt werden. Und es werden die grossen Zahlen herumgereicht.

Citicorp erklärt die Tokenisierung von RWA zum wichtigsten Katalysator für die Einführung von Kryptowährungen. In einem Bericht prognostizierte die US-Bank, dass bis 2030 1900 Mrd. USD an Nicht-Finanzschulden, 1500 Mrd. USD an Immobilienfonds, 700 Mrd. USD an privatem Beteiligungskapital, 1000 Mrd. USD an Wertpapierfinanzierungen und die gleiche Summe Handelsfinanzierungsvolumina tokenisiert werden könnten. Diese Schätzung erscheint aber fast konservativ im Vergleich zur Boston Consulting Group, die bis 2030 eine Bewertung von fast 16’000 Mrd. USD erwartet – dies im Vergleich zur gesamten aktuellen Marktkapitalisierung der Kryptoindustrie (inklusive Kryptowährungen) von 1000 Mrd. USD.

Demokratisierung von Finanzprodukten

Bank of America hob in ihrem Bericht als einen der Hauptvorteile der Tokenisierung die Fraktionalisierung hervor – die Tokenisierung ermögliche eine Aufteilung von Vermögenswerten, was zu einer Demokratisierung von mehr Finanzprodukten führe. Ankenbrand weist darauf hin, dass es hier bereits Lösungen gebe: «Ein Fonds ist nichts anderes als Fraktionalisierung, und es gibt noch weitere Finanzinstrumente, die das anbieten, etwa Strukturierte Produkte.» Weiteres Potenzial der Tokenisierung liegt etwa in der Bereitstellung von Liquidität für gering gehandelte Vermögenswerte. Derzeit sind die meisten bestehenden Vermögenswerte illiquide, was bedeutet, dass Anleger sie nicht handeln können. Man denke an Immobilien, Private Equity, Kunst usw. Die Illiquiditätskosten sind erheblich. Untersuchungen zufolge beläuft sich der Illiquiditätsabschlag auf 30% des Werts dieser Vermögenswerte.

«Natürlich hilft es der Glaubwürdigkeit tokenisierter Vermögenswerte, wenn etablierte Grössen der Finanzindustrie ins Thema einsteigen. Ich gehe davon aus, dass in Zukunft ein Grossteil der Finanztransaktionen auf Blockchains abgewickelt wird», sagt Nicola Plain, CEO von Aktionariat. Die Effizienzgewinne seien einfach zu verlockend, um das Thema ignorieren zu können.

Wenn nun die US-Banken auf diesen Zug aufspringen, ist dann der Zug für die kleinen Schweizer Anbieter abgefahren? Die Schweizer Finanzinstitute halten sich bisher im Kryptobereich stark zurück. Zudem stellt sich die Frage, ob es zu einer Zweiteilung des Marktes kommt: in die Tokenisierung für kleine und grosskapitalisierte Werte, in marktgängige und bisher nicht kotierte und OTC-Werte?

«Die Risiken liegen eher in der Fragmentierung der Liquidität auf den zahlreichen «Inseln der Tokenisierung», die von Banken angeboten werden, sagt Jürg Schneider. Die Liquiditätsspaltung zwischen tokenisierten Vermögenswerten und traditionellen Finanzinstrumenten stelle zwar ein potenzielles Problem dar, würde jedoch bereits durch Infrastrukturen wie SDX gelöst, die Brücken zwischen den traditionellen und digitalen Börsen und Depotbanken errichtet hätten, um allen Investoren Zugang zu allen Vermögenswerten, ob digital oder nicht, zu ermöglichen.

Nischenprodukt mit Potenzial

«Bis dato ist Tokenisierung ein Nischenprodukt, und das wird sich auch nicht von heute auf morgen ändern. Das Marktpotenzial ist enorm, und es hat sicherlich noch Platz für die Grossen aus den traditionellen Finanzmärkten», sagt Fatmire Bekiri, Head of Tokenisation bei Sygnum. Das Institut verspüre ein grosses Interesse von traditionellen Marktteilnehmern an der Arbeit von Sygnum, und der Austausch sei im Vergleich zu früher intensiver. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass es für die Massenadoption förderlich ist, wenn traditionelle Marktteilnehmer aktiver in Erscheinung treten.

«Da sie bereits einen grossen Teil des Marktes in der traditionellen Finanzwelt beherrschen, sind sie dadurch volumenmässig und dank ihrer Reichweite enorm wichtig für die Entwicklung», sagt Bekiri. Mit dem Eintritt von eher traditionelleren Finanzinstituten könne schon davon gesprochen werden, dass sich die Tokenisierung in Richtung Mainstream bewege, aber bis «wir komplett da sind, wird es sicher noch etwas Zeit in Anspruch nehmen».

Jetzt ist es so, dass mittelgrosse Schweizer Finanzinstitute und amerikanische Grossbanken unterschiedliche Strategien verfolgen, verschieden Produkte entwickeln und nur teilweise die gleiche Zielgruppe ansprechen. Besteht die Gefahr, dass der Markt sich spaltet und damit auch die angestrebte universelle Kompatibilität verlorengeht? «Wie in anderen Bereichen wird der Markt entscheiden, ob es ökonomisch effizient ist, eine Segmentierung vorzunehmen oder nicht», antwortet die Sygnum-Expertin. Es ist denkbar, dass sich bestimmte Anbieter auf gewisse Segmente fokussieren werden, aufgrund ihrer Expertise oder ihres Marktzugangs.

Effizienz der Blockchain siegt

Der CEO von Aktionariat geht nicht von einer Spaltung aus. Die Effizienzen würden sich in allen Assetklassen bemerkbar machen. «Es wird kaum Gründe geben, Finanztransaktionen nicht auf einer Blockchain abzuwickeln. Für mich stellt sich viel mehr die Frage, wem diese Effizienzgewinne am Ende zugutekommen werden», sagt Plain. Werden etablierte Finanzinstitute heute bereits bestehende Transaktionen untereinander auf einer Blockchain abwickeln und die Effizienzgewinne einbehalten oder in Folge eines Preiskampfes an die Endkunden weitergeben? Profitiert die breite Öffentlichkeit von der Demokratisierung bislang exklusiver Assetklassen oder wird der Regulator dies zum Wohle des Anlegerschutzes verhindern?

Je nachdem, welche Werte tokenisiert würden, sind gemäss Bekiri andere Anforderungen wichtig, sei es aus rechtlicher oder technischer Sicht. «Es kann sinnvoll sein, dass zwischen dem Eigenkapital eines KMU und einem Kunstwerk differenziert wird», so die Tokenisierungs-Spezialistin. Bei Aktien eines KMU sind beispielsweise Offenlegungspflichten relevant oder die Handhabung von regelmässigen Dividendenzahlungen, wohingegen ein Kunstobjekt beispielsweise nicht in erster Linie einen Betriebszweck hat oder Cashflow generiert, sondern der Wert vielmehr von anderen Faktoren getrieben wird. Letztendlich müsse Sygnum als Dienstleister die Bedürfnisse der Kunden kennen, und wenn sich zeigen sollte, dass der Kunde für alle Assetklassen nur einen Anbieter präferiert, dann sei es die Aufgabe des Instituts, bereit zu sein.

Alles im gleichen Korb – respektive Wallet?

Wie der Dozent der HSLU eingangs erwähnt hat, wird der Kunde entscheiden, welchen Grad von «digitalisierten Vermögenswerten» er auswählt. Im Extremfall wird der Kunde tokenisiert Kunst, Wein, Private Equity, Aktien, KMU-Beteiligungen, Anleihen und Edelmetalle im gleichen privaten Wallet lagern.

Ein Wallet für alle Vermögenswerte ist für Nicola Plain nicht einfach zu erreichen und mittelfristig nur möglich, wenn sich die Menschen entweder für Self Custody oder für einen einzigen Finanzdienstleister entscheiden würden. «Soweit ich weiss, gibt es heute noch keine konkreten Ideen, wie sich das technisch umsetzen liesse», fügte der Aktionariats-CEO an. Es stellte sich die grundlegende Frage, wer wann die Verfügungsmacht über ein Wallet oder einzelne Assets darin habe und wie diese Berechtigungen vergeben werden. Im Self Custody Umfeld wird das mit sogenannten «Permits» gelöst. Die Bank brauche es da aber nicht mehr; sie wäre dort noch mittels «Account Abstraction» als Recovery Instanz denkbar.

«Im Zentrum steht die Frage, wie der Kunde seine Vermögenswerte verwahren möchte», sagt Fatmire Bekiri. Da gebe es unterschiedliche Präferenzen und Möglichkeiten. Im Vordergrund stehen stets die Sicherheit und der Zugang. Als lizenzierte Schweizer Bank bietet Sygnum den Kunden in einer proprietären Verwahrungslösung segregierte Wallets an, das heisst, alle tokenisierten Vermögenswerte werden separat pro Kunde verwahrt.

Auswahl der Blockchain

Es dürfte aber der naive Traum von einer einfachen, effizienten Welt sein, dass alle Transaktionen auf der gleichen öffentlichen Blockchain stattfinden wird und es zu grossen Effizienzgewinnen kommen wird. Die Technologie sei noch sehr jung, und es gebe einiges zu tun, unter anderem bei der Skalierbarkeit oder der Effizienz, sagt die Sygnum-Expertin. «Obwohl wir jetzt bereits sehen, dass einige Blockchains respektive Layer 2 dominanter sind als andere, wird sich die Vorherrschaft von einigen Chains wohl erst in der Zukunft entscheiden.»

Es wäre zu früh, um auf eine Karte zu setzen». Sygnum ist mit der Tokenisierung auf Ethereum gestartet und nach dem DeFi-Sommer auf Polygon umgestiegen, als die Ethereum-Gebühren (Gas Fees) in die Höhe geschossen sind. Das Ziel der Kryptobank ist es, weitere Layer hinzufügen und dem Emittenten die Freiheit zu geben, selbst zu entscheiden, auf welcher Chain die Tokenisierung stattfinden soll. Für Nicola Plain spricht aktuell mehr dafür, dass die Interoperabilität zwischen verschiedenen «Gewinner-Blockchains» derart hoch sein werde, dass es im Alltag für die Anwender gar nicht bemerkbar sei, auf welcher Chain sie agierten.

«Es wird wahrscheinlich eine Vielzahl von Blockchains geben, die durch Finanzmarktinfrastrukturanbieter oder technischere Lösungen miteinander interagieren werden», sagt der SIX-Sprecher. Interoperabilität sei nicht nur eine Frage technischer Standards, sondern auch ein Risiko- und Compliance-Bedürfnis, um sicherzustellen, dass ein Vermögenswert, der von einer Kette zur anderen wechselt, weiterhin unter Kontrolle des Emittenten bleibe und nicht in die Hände nicht autorisierter Entitäten oder Einzelpersonen gelange. Diese Interoperabilitätsaspekte werden ebenfalls untersucht. So haben im vergangenen Jahr ein Dutzend Banken und Finanzmarktinfrastrukturanbieter, darunter die SDX, mit SWIFT und Chainlink zusammengearbeitet, um technische und nicht funktionale Herausforderungen für Transaktionen über Blockchains hinweg zu identifizieren.

Werden die Börsen verschwinden?

Doch in den Augen von Krypto-Aposteln wird es zukünftig gar keine von Menschen organisierte Intermediäre mehr brauchen – auch keine Handelsplätze. DAO, dezentralisierte autonome Organisation, sollen die Handelsfunktion übernehmen. Diese Organisationen weisen weder zentrale Einheiten noch Anteilseigner auf. Der Handel findet auf Basis von programmierten, transparenten Regeln statt, und alle DAO-Transaktion werden in der Blockchain verwaltet. Damit entfällt das Risiko der Prinzipal-Agenten-Theorie, die besagt, dass ein moralisches Risiko besteht, wenn ein Agent befugt ist, im Namen anderer zu handeln.

In ferner Zukunft werden gemäss Fatmire Bekiri dezentrale autonome Organisationen sicherlich gewisse Aufgaben übernehmen. «Bis wir jedoch so weit sind, braucht es zentrale Handelsplätze und die Markteilnehmer, welche als Gatekeeper – im positiven Sinn – fungieren.» Der Handel mit Wertschriften sei beispielsweise eine regulierte Aktivität, da müsse sich noch einiges tun, bis sich autonome Organisationen dafür eignen. Es sei durchaus denkbar, dass sich eine Mischform durchsetzen werde.

«Das wird stark von den Regulatoren abhängen. In der Theorie braucht es keine zentralisierten Handelsplätze. Die Grundfunktionen der heutigen Börsen sind problemlos von dezentralen Protokollen abwickelbar, und dies in einer wesentlich effizienteren Art und Weise», sagt der Aktionariat-CEO. Aber auf die Gatekeeping-Funktion, an welcher auch eine juristische Verantwortlichkeit hänge, würden die Regulatoren wohl mittelfristig nicht verzichten wollen, fügt Plain an.

Die Schweiz ist bereits effizient

Nach Ansicht des SIX-Sprechers braucht es aber weiterhin Intermediäre, wie eben die SDX. «Finanzmarktinfrastrukturanbieter sind einzigartig positioniert, um die Rolle neutraler Dritter zu übernehmen, die eine rechtliche Grundlage für die Blockchain-basierte Finanzmarktinfrastruktur der Zukunft schaffen und deren Einrichtung durch solide Governance erleichtern», sagt Schneider. Da die Branche sich in Richtung dezentralisierter Blockchain-basierter Kapitalmärkte bewege, sind diese FMI geeignet, die Governance von Service- und Asset-Smart-Contracts, die Identifizierung und Genehmigung von Teilnehmern (KYC, Geldwäschereiprävention) sowie die Brücke zwischen traditionellen und tokenisierten Märkten zu managen.

Mit der Tokenisierung wird es eine enorme Zunahme an «investierbaren» Vermögenswerten geben. Geht dabei die Übersicht zu Marktwerten, Bewertung und Performance der vielen Token verloren? – Bereits heute ist die Transparenz bei wenig liquiden Vermögenswerten bescheiden. «Die Tokenisierung verschafft auch Transparenz, was bei Wertermittlung und Performancefragen eine enorme Verbesserung herbeiführen wird», sagt dazu die Sygnum-Expertin. Der Zugang zu Daten werde einfacher, effizienter und damit auch kostengünstiger. Datenprovider, wie wir sie aus der traditionellen Finanzwelt kennen, werden gemäss Bekiri mit grosser Wahrscheinlichkeit bestehen bleiben, und sie würden mehr Daten für gewisse Assetklassen haben, wie beispielsweise Kunst oder Private Markets offerieren.

In der Schweiz zeigen sich wenig Effizienzgewinne durch die Tokenisierung, da die Swiss Value Chain mit der Finanzplatzinfrastruktur und den Teilnehmern ein sehr leistungsfähiges System darstellt. «Aus diesem Grund wird die Tokenisierung in der Schweiz nicht die bestehenden Lösungen ablösen, sondern ergänzen. Das heisst aber nicht, dass die Schweiz nicht Pionier für Tokenisierungslösungen im globalen Kontext sein kann», erklärt Ankenbrand.

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