Aktien von Tourismus- und Bergbahnunternehmen gelten als eher konservative Papiere, oft fehlt die Fantasie, wie die Unternehmen weiter wachsen sollen. Dabei ist in den Schweizer Bergen gerade einiges los; die Bergbahnunternehmen investieren wie nie in das Erlebnis am Berg. Es steht einerseits und mit Blick auf die vorwiegend einheimische Klientel das Wintervergnügen im Fokus der Betreiber, andererseits und unter Beachtung der internationalen Besucherströme auch immer mehr der Sommer.
Der Klimawandel und die damit steigende Schneefallgrenze zwingt gerade die Betreiber von Liftanlagen und Hotels in den mittleren Lagen bis 2’000 m.ü.M., umzudenken und sich darauf einzustellen, dass es Winter wie im vergangenen Jahr gibt, in dem Schnee praktisch nicht existent war. Wo auch keine künstliche Beschneiung mehr hilft, weil die Temperaturen schlicht zu hoch sind.
In höheren Lagen, wie sie unter anderem in Wengen/Grindelwald, über dem westlichen Lauterbrunnental, über Engelberg, Zermatt oder St.Moritz zu finden sind, ist das Schneeproblem allerdings nicht virulent. Wegen der Höhe von bis über 3’000 m.ü.M. stellt die Produktion von Kunstschnee kein Problem dar, auch Snowfarming ist in dieser Höhe möglich.
Investitionen von bis zu einer Milliarde Franken
Unternehmen wie die Jungfraubahn, die Titlisbahn oder die Schilthornbahn investieren und investierten dreistellige Millionenbeträge, um die Gäste noch schneller und komfortabler in die Höhe zu transportieren. Das insbesondere auch mit Blick auf die internationalen Besucher, die sommers wie winters die Bergwelt oft in nur wenigen Tagen bereisen und auch auf dem Gipfel von Attraktionen verwöhnt werden wollen.
Dabei ist den Betreibern nur das Beste gut genug. Der Umbau der Bergstation auf dem Titlis sowie des daneben liegenden Richtstrahlturms wird von den Stararchitekten Herzog & de Meuron geplant. 120 Mio. CHF werden bis 2029 in das Generationenprojekt investiert. In ähnlicher Grössenordnung bewegt sich die Schilthornbahn bei der Erneuerung ihrer Infrastruktur. Und bereits fertig gestellt ist die V-Bahn, die von Grindelwald das Jungfraujoch in nie dagewesener Schnelle erreichbar macht. In Zermatt ist gar die Rede von 100 Investitionsprojekten mit einem Umfang von gegen 1 Mrd. CHF, die die BVZ Holding in den nächsten Jahren in den Ausbau der bestehenden Infrastruktur stecken will.
Unternehmen, Banken, Gemeinden – alle ziehen an einem Strang
Dass alle vier genannten Projekte noch vor der Pandemie geplant oder im Falle der V-Bahn während Corona realisiert wurden, zeigt, dass die katastrophalen Geschäftsjahre 2020, 2021 und mit Abstrichen 2022 die Modernisierungsbestrebungen der Bergbahnen zwar im einen oder anderen Fall etwas verzögerten, dass sich die Betreiber aber nicht von ihren ambitionierten Vorhaben abbringen liessen. Und mit ihnen auch die jeweiligen Aktionariate und die die Projekte unterstützenden Gemeinden und Banken, ohne die solche Vorhaben nicht zu stemmen wären.
Dass die Aktionärinnen und Aktionäre dabei in den vergangenen Jahren auf eine Dividende verzichten mussten und teilweise weiter verzichten müssen, ist darauf zurückzuführen, dass manches Unternehmen in den dunklen Pandemiezeiten Härtefallgelder bezog, die eine Gewinnausschüttung für drei Jahre verbietet. So manchem Unternehmen mag dies unter dem Aspekt des hohen Investitionsbedarfs gerade recht gekommen sein.
Teilweise markante Steigerungen der Aktienkurse
Ein Spiegel des erfolgreichen Schaffens am Berg sind die Aktienkurse, die in vielen Fällen markante Steigerungen zu verzeichnen hatten. Ob die an der SIX kotierten grossen drei, die Jungfraubahn, die Titlisbahn und die BVZ Holding, oder die zahlreichen kleineren Unternehmen, die auf OTC-X der BEKB gelistet sind, viele haben das fortgesetzte Vertrauen der Investoren, die den weltweiten Tourismus weiter wachsen sehen.
Dabei ist auffällig, wie schnell die Pandemie schon wieder in Vergessenheit geraten ist, nicht nur bei den Bergbahnunternehmen, sondern überhaupt in der Gesellschaft. Auf der anderen Seite war Corona ein Jahrhundert-Zwischenfall, der, so hofft man, nicht so schnell wiederkehren dürfte. Daneben gibt es natürlich auch andere potenzielle Störquellen für den Tourismus, wie z.B. der Vulkanausbruch des Eyjafjallajökull 2010, der weltweit starke Auswirkungen auf den Flugverkehr hatte. Oder geopolitische Unwägbarkeiten, die, wie im Falle Russlands, einer vermögenden und reiselustigen Klientel Trips ins westliche Ausland verunmöglichen.
Klar ist auch, dass der sehr harte Schweizer Franken auf manchen ausländischen Besucher eher abschreckend wirken kann. Aber man muss sich auch klar darüber sein: Die Mehrheit der ausländischen Schweiz-Touristen ist eher auf der wohlhabenden Seite zu Hause. Und diese schluckt auch die Preiserhöhungen, von denen die Bergbahnen im vergangenen Jahr immer wieder Gebrauch machten.
Tourismusaufkommen wird weiter steigen
Die Reiselust und damit das Touristenaufkommen wird bei zunehmendem Wohlstand weltweit weiter steigen, darin sind sich die Experten einig. Städte wie Luzern am Fuss des Pilatus und mit Sichtweite auf die Rigi oder Gemeinden wie Lauterbrunnen mögen über den Tourismusandrang stöhnen, fest steht aber, dass die Ströme an erlebnishungrigen Reisenden mit dem Geld, das sie mitbringen und vor Ort ausgeben, zum rosigen Gedeihen der Destinationen beitragen.
Trend vom Gruppenreisenden zum Individualtouristen
Noch nicht genau untersucht ist die Tatsache, wie die Nachpandemie das Reiseverhalten des Einzelnen beeinflusst. Interessant ist aber, dass z.B. am Titlis ebenso wie in der Jungfrauregion festgestellt wurde, dass im letzten Jahr der Anteil der Individualreisenden viel stärker zugenommen hat als der der Gruppenreisen. Wenn dann die Einzelmasken noch etwas länger am Ort verharren, als dass dies die Gruppenreisenden tun, würde dieses neue Reiseverhalten auch zu einer vertieften Wertschöpfung führen.
Bleiben die einheimischen Touristen, die während der Pandemie die Berge geflutet haben, trotz so mancher Einschränkung. Ihr Anteil am gesamten Besucheraufkommen ist nach Corona wieder deutlich rückläufig, auch weil Sehnsuchtsdestinationen mit Stränden und unter Palmen wieder bereisbar sind. Aber um diese Gruppe müssen sich die Bergbahnen keine wirklichen Sorgen machen, einerseits, weil die Schweizer sozusagen auf Skiern geboren sind und damit das Wintergeschäft garantieren, andererseits, weil der harte Schweizer Franken Ferien hierzulande nicht teurer macht, als sie eh schon sind.
Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die wertvollsten Bergbahnunternehmen der Schweiz, gemessen an der Marktkapitalisierung.