Für den Schweizer Tourismus wird Indien immer wichtiger. Nicht nur hat der Subkontinent China als bevölkerungsreichstes Land abgelöst, sondern er bietet auch mit einer überdurchschnittlich jungen Bevölkerung (66% sind unter 35 Jahre alt) eine hoch attraktive Zielgruppe für Tourismusanbieter hierzulande.
Ideale Gäste für die Destination Schweiz
So setzt Schweiz Tourismus nach Aussage der Mediensprecherin Liên Burkard denn auch vermehrt auf die «neuen» indischen Gäste, die sich aktivere Ferien wünschen, die über blosses Sightseeing und Fotos machen hinausgehen. Sie seien nicht nur in quantitativer Hinsicht – Indien ist das Land mit dem niedrigsten Durchschnittsalter von 27 Jahren, damit 10 Jahre jünger als andere grosse Volkswirtschaften –, sondern auch auf der Ebene des Verhaltens ideale Gäste für die Destination Schweiz.
«Es gibt auch eine wachsende Tendenz von Wiederkehrern, die zusätzlich zu den bereits in der Schweiz besuchten Zielen oder Attraktionen neue Destinationen in der Schweiz suchen. Auch in Indien wächst das Interesse an authentischen Erlebnisreisen», sagt Liên.
Noch liegt Indien in der Hotel-Logiernächtestatistik mit 603’000 Übernachtungen (LN) lediglich auf Platz 11 der Statistik des Jahres 2023.
Stetiges Wachstum der Logiernächte
In den letzten 10 Jahren (2014 verglichen mit 2023) sind die Logiernächte (LN) aus dem Markt Indien um 24,3% gewachsen. Vergleicht man die Jahre 2010 mit 2019 (Vorpandemieniveau), wuchs der Markt Indien sogar um 101,8% LN. Allerdings liegt er immer noch unter dem Vorpandemieniveau (–24% 2019 vs. 2023).
Wichtig für den Ganzjahrestourismus
Ein Blick auf die saisonale Verteilung der Gäste aus Indien zeigt, wie wichtig ein Fernmarkt wie Indien ist, um einen Ganzjahrestourismus zu fördern, also auch die Nebensaisons. Die Gäste profitieren von weniger Reisenden und meist günstigeren Preisen. Die Destinationen und Betriebe können ihre Infrastruktur länger auslasten. Zudem ist es möglich, Mitarbeitende das ganze Jahr und nicht mehr nur als Saisonniers zu beschäftigen.
Auch Kathrin Nägeli, Leiterin Corporate Communications bei den Jungfraubahnen, betont den Einfluss der Reisezeit der Inderinnen und Inder auf das Unternehmen aus dem Berner Oberland. Inzwischen kämen indische Gäste zwar das ganze Jahr über in die Schweiz. Hauptreisezeit sei aber nach wie vor ab Mitte April bis Anfang Juli. Somit trügen die Gäste aus Indien auch dazu bei, dass die Jungfraubahnen ihr Bestreben nach 12 Monaten Hochsaison verwirklichen könnten.
Bollywood auf dem Jungfraujoch
Bereits seit den späten 1990er bearbeiteten die Jungfraubahnen den indischen Markt, so Nägeli. «1997/1998 haben wir unser Vertreternetz in Asien aufgebaut. Seit 1998 haben die Jungfraubahnen einen eigenen Vertreter in Indien.» Im Jahr 2000 hätten die Jungfraubahnen zudem auf dem Jungfraujoch das indische Restaurant Bollywood eröffnet. Mit zwei Köchen aus Indien, die authentisches Essen zubereiten. Anders als zum Beispiel die japanischen Gäste möchten Inderinnen und Inder gerne essen wie zuhause, sagt Nägeli. Kulinarisch würden sie lieber keine Experimente eingehen.
Das sieht auch Damian Süess von Luzern Tourismus so. «Für indische Gäste ist das Essen sehr wichtig. Sie essen wenig Fleisch, kein Rindfleisch und nur sehr wenig Schweinefleisch, im Unterschied zu Gästen aus China beispielsweise, und daher sind vegetarische Gerichte für sie sehr wichtig. Indische Gäste mögen es zudem sehr, wenn sie auf Reisen auch indische Gerichte essen können. Zudem trinken Inderinnen und Inder gerne Tee, weshalb sie einen Wasserkocher in ihrer Unterkunft schätzen.»
Lukratives Gästesegment
Inderinnen und Inder geben pro Tag mehr aus als Gäste aus anderen Regionen, abgesehen von China. Aus dem Tourismus Monitor Schweiz 2017 (neuere Zahlen liegen nicht vor) wird ersichtlich, dass die indischen Gäste pro Tag durchschnittlich 310 CHF ausgeben, ohne Hin- und Rückreise. Der Durchschnitt über alle Märkte gesehen beträgt 165 CHF. Bei den chinesischen Gästen sind es 380 CHF, USA 280 CHF, Schweiz 140 CHF und Deutschland 130 CHF.
Mit Instagram auf Kundenfang
Die Schweiz lässt sich einiges einfallen, um das Land gegenüber Indien noch attraktiver zu machen. So hat Schweiz Tourismus den Olympiasieger und Weltmeister im Speerwerfen, Neeraj Chopra, als Botschafter gewonnen, der ein bekennender Fan der Schweiz ist. Er habe schon als Jugendlicher oft Videos von Eiger, Mönch und Jungfrau geschaut. Heute paddelt er zum Beispiel als indische Werbeikone auf dem Brienzersee.
Die Jungfraubahnen verweisen auf die Netflix-Serie von 2023 vom bekannten Regisseur Yash Chopra, dessen Reels viele Zehntausende Klicks erhalten hätten. 2011 hatten die Jungfraubahnen einen Zug der Jungfraubahn auf Yash Chopras Namen getauft. Chopra sei damals persönlich angereist, sagt Kathrin Nägeli. Und auch in der neuen Netflix-Serie über ihn kämen viele Berg- und Schneelandschaften aus der Jungfrau Region vor. «Das ist für uns wertvolle Werbung», sagt Nägeli.
Fazit
Das Schweizer Tourismusgewerbe ist sich der wachsenden Bedeutung des Marktes Indien sehr bewusst. Alles wird dafür getan, das Reiseland Schweiz kundengerecht zu verkaufen. Dazu werden Leitfäden veröffentlicht, wie man mit dem indischen Gast den Aufenthalt so angenehm wie möglich gestaltet.
Indische Werbebotschafter sollen das Bild der eh schon aus Bollywood-Filmen bekannten Alpenlandschaft zielgruppengenau unter ihren mehr als 1,4 Mrd. Landsleuten weiter verbreiten.
Die Strategie scheint aufzugehen, war doch vor Corona das Segment der indischen Gäste das mit am stärksten wachsende. Jetzt wird der Wachstumspfad wieder aufgenommen. Ob in Luzern, in Engelberg am Titlis oder in Grindelwald und dem Jungfraujoch, überall in der Schweiz setzt man darauf, dass die Besucher-Zahlen weiter anwachsen werden.
Und mit ihnen die Umsätze, die auf pro Kopf runtergerechnet zu den grössten gehören, die sich mit ausländischen Besuchern machen lassen.