Galderma: Das Eisbrecher-IPO am europäischen Primärmarkt

Skin-Health-Weltmarktführer zielt auf Netto-Emissionserlös von 2.3 Mrd. CHF ab

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Schönheits-Optimierungen im luxuriösen Wellness-Umfeld. Bild: stock.adobe.com

Der erste echte Börsengang an der SIX seit langem hat alles, was es braucht, um das Eis an den Primärmärkten nun nachhaltig zu brechen. 2023 war der schlechteste IPO-Jahrgang in Europa seit 2012! Galderma bringt mit den Gründungsaktionären Nestlé und L’Oréal die richtige DNA für die Weltmarktführerschaft im Bereich Hautgesundheit und -pflege mit. Das hohe Wachstumstempo der letzten Jahre sowie innovative Produkte und Anwendungen für Gesundheit und Schönheit begründen hohe Erwartungen an den Börsendebütanten.

Die Haut ist das grösste Organ des Menschen. Die Attraktivität eines Individuums wird ganz wesentlich von einem gesunden und schönen Hautbild geprägt. Schon in der Steinzeit wurden Pflanzenextrakte, Milch und Honig zur Reinigung und Pflege verwendet. Legendär sind die Bäder von Kleopatra in Eselsmilch. Heute ist daraus ein Skincare-Markt mit einem globalen Jahresumsatzvolumen von 87.6 Mrd. USD geworden. Das Marktwachstum wird von diversen führenden Beratungs- und Marktforschungsunternehmen bis 2027 auf rund 7% jährlich beziffert. Damit ist es das Segment im sogenannten «Self-Care» Market mit den höchsten Wachstumsraten.

Impulse durch Injectables

Der Markt umfasst verschiedene Sub-Segmente. Der Pflegebereich zeigt stetige Wachstumsraten im einstelligen Prozentbereich. Interessanter mit jährlichen Zuwachsraten, die teilweise über 20% liegen, sind innovative injizierbare Anwendungen mit ästhetisch-kosmetischem Hintergrund. Ein Beispiel sind Brustvergrösserungen ohne problematische Operation und Implantate. Ein anderes Beispiel sind Botulinum Toxin-Spritzen gegen Augen- und Wangenfalten, ebenfalls eine wirkungsvolle Behandlung, die ohne Skalpell auskommt.

Innovationen und Marge

Galderma ist in einer guten Ausgangsposition und bezeichnet sich mit einem Jahresumsatz von 4.1 Mrd. USD im Jahr 2023 als Pure-Play und Marktführer. Das trifft zwar auf einzelne Segmente nicht zu, aber übergreifend betrachtet ist Galderma auf der Spitzenposition. Das kommt auch in den starken Margen zum Ausdruck. 2023 liegt die Kern-EBITDA-Marge bei 21%, ohne die Investitionen in das selbst entwickelte innovative Medikament Nemolizumab, das sich in Phase III der klinischen Versuchsstudien befindet, wären es sogar 24,9%. Dem neuartigen flüssigen Neuromodulator wird für die Therapie von Neurodermitis und ästhetische Anwendungen ein Marktpotenzial von bis zu 20 Mrd. USD bis 2027 prognostiziert.

Gründung und Entwicklung

Das Unternehmen wurde 1981 als Joint Venture von Nestlé und L’Oréal gegründet. 1988 wurden die dermatologischen Aktivitäten von Alcon übernommen, seit 1977 im Besitz von Nestlé. Das erste selbstentwickelte Therapeutikum Differin gegen Akne kam 1995 an den Markt. Es folgten weitere internationale Akquisitionen und Einlizensierungen. 2009 wurde Azzalure am Markt lanciert, das auf Botulinum Toxin basierende Antifaltenmittel, das injiziert wird. Es ist eine Wachstumsstory mit über 1 Mrd. USD Jahresumsatz. Azzalure bekleidet global Rang 2 nach dem US-Wettbewerber AbbVie. 2011 wurde die schwedische Q-Med übernommen, die führend in der Brustvergrösserung durch Injektionen von Hyaluronsäure ist. 2014 schliesslich kaufte Nestlé den 50%-Anteil von L’Oréal und gliederte Galderma in Nestlé Skin Health ein. Doch 2019 trennte sich Nestlé wieder von Galderma. Zu einem Enterprise Value, also inklusive Verbindlichkeiten, von 10.2 Mrd. CHF übernahm der Private Equity Investor EQT unter Beteiligung der Staatsfonds von Abu Dhabi und Singapur das Unternehmen.

Die Ära 2019-2023

Seitdem wurden 770 klinische Versuchsreihen durchgeführt. Was Nestlé als Eigentümer wohl zu lange dauerte – die Etablierung mehrerer Produkt- und Technologieplattformen – wurde mit Nachdruck in den letzten Jahren umgesetzt. Das Wesentliche ist die Schaffung von vier Plattformen, die jeweils einen Umsatz von rund 1 Mrd. CHF jährlich generieren werden. Das Besondere des Marktes für Hautgesundheit und -pflege ist, dass 90% des globalen Umsatzvolumens auf Selbstzahler entfällt. Auf verschreibungspflichtige Rezepte sowie Fachärzte und -kliniken dagegen nur 10%. Getrieben ist der Markt dennoch von neuen wissenschaftlichen Forschungsergebnissen.

Umsatzverteilung und Marken

Interessant hierbei ist, dass bereits 2023 mit 58% der Grossteil der Umsätze von Galderma auf den Bereich Injectables entfällt. Dem wird ein weiterhin überdurchschnittliches Wachstum prognostiziert. Ähnlich wie bei den Adipositas- und Diabetes-Medikamenten, die zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden, weil es einfache Lösungen sind, so ist es auch, wenn es um das subjektive Schönheitsideal bei der Haut geht. Auch hier boomen die einfachen, neuen injizierbaren Lösungen, die weder Verzicht noch Schmerzen mit sich bringen.

Weitere 30% Umsatzanteil entfallen auf Hautpflege und den fachärztlichen Bereich. Mehrere Marken sind im Fachhandel bestens positioniert wie Cetaphil. In den USA empfehlen neun von zehn Dermatologen Cetaphil für sensitive Haut, die Marke ist seit 75 Jahren eingeführt und bietet heute ein breit diversifiziertes Produktportfolio, inklusive Sonnenschutz. Die verbleibenden 18% Umsatzanteil steuert die therapeutische Dermatologie bei. Hier wird auch Nemolizumab angesiedelt sein.

Distribution und Expansion

Die Vertriebskanäle sind vielfältig. Dazu zählen Apotheken, Fachärzte und -kliniken, der Direktvertrieb, Beauty Boutiquen, aber auch eine spezialisierte 850 Berater umfassende Einheit, die nur auf Injectables fokussiert ist. Galderma ist in 90 Ländern präsent und verfügt über Produktionsstätten in Frankreich, Kanada, Brasilien und Schweden. Zum Portfolio zählen bekannte und gut eingeführte Marken wie Cetaphil und der Biostimulator Sculptra. Die wichtigsten Wachstumsträger sind injizierbar und basieren auf Botulinum Toxin sowie Hyaluronsäure.

Markt und Wettbewerb

Der dermatologische Markt ist fragmentiert und in viele Subsegmente unterteilt. Die forschungsintensive Pharmakologie ist wesentlicher Impulsgeber, steht jedoch nur für einen geringen Anteil des Umsatzes. Im Gegensatz zu den meisten Industrien ist der Preis für Schönheits- und Gesundheitsprodukte elastisch. Hautcremes der gehobenen Klasse kosten schnell das Hundertfache des billigsten Produktes in der Kategorie. Die Aufenthalte in Fachkliniken verschlingen ohne Weiteres fünfstellige Beträge. Für Hautärzte sind Schönheitsbehandlungen zu einem lukrativen Erwerbsstandbein geworden, oft sogar zum Hauptumsatzträger.

Aktienkurs des Wettbewerbers L'Oreal.
Aktienkurs des Wettbewerbers L’Oréal.

Und wo die Margen hoch sind und das Wachstum überdurchschnittlich ist, ist auch der Wettbewerb intensiv. Insbesondere L’Oréal verfügt über eine starke Stellung und erzielte zuletzt in mehreren relevanten Produktkategorien höhere Zuwachsraten als Galderma. Sogar auf Konzernbasis stieg das Umsatzwachstum 2023 auf 28% an, nach 21% im Vorjahr. Das bedeutet auch, dass L’Oréal Marktanteile gewinnt, während sich Galderma näher am Marktwachstum bewegt. Im Botox-Segment ist AbbVie dominierend. Zu den namhaften Konkurrenten zählen weitere Pharma-Konzerne, darunter Sanofi.

Historische Wachstumsraten

2023 lag der Umsatz bei 4.1 Mrd. USD, ein Zuwachs von 8,5%. In Forschung & Entwicklung flossen zuletzt 7% des Umsatzes. Die vom Unternehmen bevorzugte Kenngrösse für den Gewinn ist das «Core EBITDA», das um alle Sonderfaktoren inklusive Deviseneffekte bereinigt ist und somit die operative Ertragskraft zum Ausdruck bringt. Das Kern-EBITDA erreichte im vergangenen Jahr 941.7 Mio. USD. Das jährliche Wachstum seit 2019 lag bei 11,9%. Die Marge beträgt 24,9%. Unter Berücksichtigung der hohen Aufwendungen für das vor der Zulassung stehende Nemolizumab liegt die Marge bei 21%. Insgesamt belaufen sich die Investitionen in den Produktkandidaten seit 2019 auf 637.7 Mio. USD. Weitere 250 Mio. USD sind für den Abschluss der klinischen Studien und die Markteinführung geplant. Es wird die bedeutendste Neuzulassung in der Dermatologie seit vielen Jahren, die allerdings erst für 2025 zu erwarten ist.

Erfolgsrechnung und Bilanz

Der für 2023 ausgewiesene operative Gewinn beträgt 535.7 Mio. USD. Doch die Finanzierungskosten in Höhe von 526.5 Mio. USD zehren diesen fast auf. Nach Einkommensteuer von 68.1 Mio. USD bleibt ein Jahresverlust von 57.2 Mio. USD. Die Bilanz weist ein Eigenkapital von 5.4 Mrd. USD und ein Fremdkapital von 7.1 Mrd. USD aus. Im Juni 2023 flossen Galderma bereits 1 Mrd. USD aus einem Private Placement im Kreis der Eigentümer zu. Das Zahlenwerk zeigt, dass Galderma nach einer substanziellen Kapitalinjektion eine gesündere Eigenkapitalquote haben wird und durch verminderte Zinszahlungen auch deutlich profitabel wird.

Der Börsengang

Das ist das Ziel des nun anstehenden Börsengangs. 40.4 Mio. neue Aktien in Form von Wertrechten sowie 0.3 Mio. bestehende Aktien werden zur Zeichnung zwischen 49 CHF und 53 CHF angeboten. Dazu kommen bis zu 6.1 Mio. bestehende Aktien aus der «Over Allotment Option», sollte die Nachfrage entsprechend ausfallen. Der Netto-Emissionserlös kann bis zu 2.3 Mrd. CHF reichen. Je nachdem bewegt sich der Free Float zwischen 20,8% und 22,1%. Entsprechend bleiben die Altaktionäre, vor allem EQT, mit fast 80% an Galderma beteiligt. Die Lock-up-Verpflichtung sieht 180 Tage nach dem ersten Handelstag für die verkaufenden Altaktionäre vor. Für Galderma reicht die Verpflichtung bis zum 30. September 2024. Für Mitglieder von Management und Verwaltungsrat gelten Lock-up-Sperren für 360 Tage nach der Erstnotiz.

Das beim IPO aufgenommene Kapital fliesst abgesehen von den anteiligen Erlösen der «Over Allotment»-Aktien weit überwiegend der Gesellschaft zu und soll vor allem zur Schuldenreduzierung eingesetzt werden. Die Dividend Policy sieht die zukünftige Ausschüttung von 20% des Netto-Gewinns vor.

Fazit

Ins Auge sticht bei der Erfolgsrechnung, dass Sales & Marketing mit 1.3 Mrd. USD Aufwand noch vor Cost of goods sold mit 1.2 Mrd USD rangiert. Das zeigt, dass der Wettbewerb in allen Segmenten stark zunimmt und Markenwerte aufgebaut, verteidigt und ausgebaut werden müssen, um Marktanteile zu gewinnen oder zu halten. Trotz der überzeugenden zweistelligen Wachstumsraten von Galderma liegen diese in den einzelnen Subsegmenten gerade auf der Höhe des jeweiligen Marktwachstums. Dennoch sollten die zwei bevorstehenden Marktzulassungen sowie stetige Wachstumsraten bei den etablierten Produktplattformen dazu führen, dass die vom CEO in Aussicht gestellten Wachstumsraten auf währungsbereinigter Basis auf kurze Sicht bei 7% liegen werden und in den darauffolgenden Jahren 10% bis 15% erreichen können. Dazu kann beitragen, dass der Vertrieb in Märkten wie China, Korea und Saudi-Arabien reorganisiert und in die eigenen Hände genommen wird.

Die Risiken sollten jedoch klar gesehen werden. Die namhaften Konkurrenten auf den Weltmärkten sind stark, und neue Player schiessen wie Pilze aus dem Boden. Das High-End des Marktes ist ein Luxus-Markt und bleibt deshalb von konjunkturbedingten Nachfrageschwächen weitgehend verschont. Ein evidentes Risiko besteht darin, dass die Neuzulassungen nicht erfolgen könnten, auch wenn die Wahrscheinlichkeiten eher als gering einzustufen sind. Immerhin ist der erste Zulassungsantrag für den zweiten Neuzulassungskandidaten RelabotulinumtoxinA in den USA abgewiesen worden. Der Grund waren allerdings die Herstellungsprozeduren, nicht die Wirksamkeit. In der EU könnte die Zulassung dennoch bereits 2024 oder 2025 erfolgen.

Die Aktie dürfte im gegenwärtigen Börsenklima bei den Investoren gut ankommen. Als Pure Play und Market Leader mit zweistelligen Wachstumsraten und innovativen Neuentwicklungen, die Multi-Milliarden-Märkte adressieren, werden die Anforderungen an einen vielversprechenden Börsendebütanten mehr als erfüllt. Dennoch haben sich die vielfach herumgereichten IPO-Bewertungsvorstellungen von 20 Mrd. CHF oder mehr als marktfern erwiesen. Die erwartete Market Cap wird sich bestenfalls auf 12.6 Mrd. CHF stellen. Vieleicht wurde aber auch der Enterprise Value, also inklusive Schulden, mit dem Börsenwert der Aktien verwechselt.

Weiterhin gilt es zu bedenken, dass mit den ersten Anzeichen eines neuen Konjunkturzyklus wohl davon profitierende Branchen an der Börse wieder in den Vordergrund rücken werden. Darüber hinaus sollten die Ablauffristen der Lock-up-Regelungen im Kalender markiert werden. Private Equity Fonds wollen und müssen am Ende verkaufen. Die Zeichnung der Aktie ist zu empfehlen.

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