Vor vier Jahren wechselte die Cham Group AG von der SIX in den ausserbörslichen Aktienhandel. Dies, nachdem das Papiergeschäft verkauft und sich die Unternehmung auf die Entwicklung ihres Fabrikgeländes in Cham fokussiert hatte. Mittlerweile sind auf dem 11 Hektar grossen Areal mehrere neue Wohnliegenschaften entstanden und Ende 2022 die ersten Mieterinnen und Mieter eingezogen. In den ehemaligen Papiermaschinenhallen wurden Wohnungen im Stockwerkeigentum geschaffen. Zwei weitere Wohnhochhäuser befinden sich in Bau. 2023 erzielte die Cham Group AG erstmals Mieterträge in Höhe von 7.4 Mio. CHF (+221%) und einen Nettoerlös aus dem Verkauf von Promotionsliegenschaften in Höhe von 18.7 Mio. CHF. Nach leichten Korrekturen auf der Bewertung des mittlerweile 444 Mio. CHF schweren Liegenschaftenportfolios erreichte der Jahresgewinn 15.6 Mio. CHF; als Dividende sollen 12 CHF je Aktie ausgeschüttet werden.
Im Gespräch mit schweizeraktien.net erläutert CEO Thomas Aebischer die nächsten Entwicklungsschritte, geht auf die Bedeutung von Nachhaltigkeit bei der Arealentwicklung ein und erklärt, warum die Cham Group auf Holzhybridbauweise statt auf den Bau eines reinen Holzhochhauses setzt.
Herr Aebischer, Sie sprechen in Ihrem Geschäftsbericht vom ersten «echten» Betriebsjahr des Papieri-Quartiers. Warum bezeichnen Sie 2023 als erstes «echtes» Betriebsjahr, wenn das Quartier doch erst 2035 fertig sein wird?
Dafür gibt es mehrere gute Gründe. Wir haben bis 2023 nun ein Viertel des gesamten Areals bebaut. Es ist auch das erste Geschäftsjahr, in dem die neuen Wohnungen und erste gewerblich genutzte Liegenschaften das ganze Jahr über vermietet waren. Aus Aktionärssicht ist es wichtig, dass wir nun erstmals ein volles Jahr Mieterträge generieren konnten. In den früheren Jahren handelte es sich bei den Mieteinnahmen vor allem um Erträge aus Zwischennutzungen und erste Mietzinszahlungen.
2023 sind die Erträge aus der Promotion jedoch zurückgegangen. Wie wird sich der Ertragsmix in den kommenden Jahren entwickeln?
Auch in den kommenden Jahren wird es immer wieder solche Sprünge geben, sowohl bei den Promotionserlösen als auch bei den Mieteinnahmen. Dies hängt mit dem Abschluss der jeweiligen Bauetappen zusammen. Bei der Promotion erwarten wir den nächsten Sprung im Jahr 2025, dem Ende der 2. Bauetappe. Hier rechnen wir mit Einnahmen von 115 Mio. CHF aus dem Verkauf. In der Vermietung werden wir 2025 dann Einnahmen von über 10 Mio. CHF erzielen. Ohne die Bebauung des Pavatex-Areals erwarten wir bis 2035 Mieteinnahmen von 36 Mio. CHF, beim noch zu entwickelnden Pavatex-Areal schätzen wir weitere 7 Mio. CHF, also insgesamt etwa 43 Mio. CHF an Mieteinnahmen. Die Promotionserlöse dienen auch dazu, den weiteren Baufortschritt zu finanzieren. Denn unser Ziel ist es, das gesamte Papieri-Areal ohne Kapitalerhöhung fertigstellen zu können.
Die Eigenkapitalquote ist mit 78.9% noch komfortabel. Dann dürfte sich diese durch die höhere Verschuldung in den kommenden Jahren wohl reduzieren?
Gemäss unseren Anlagerichtlinien streben wir eine Eigenkapitalquote von mindestens 40% an, die allerdings eher in Richtung 50% gehen soll. Der Verkauf von Stockwerkeigentum ist daher ein wichtiger Bestandteil unserer Finanzierung.
«Der Verkauf von Stockwerkeigentum ist ein wichtiger Bestandteil unserer Finanzierung»
Wie bestimmt die Cham Group, welcher Anteil der Objekte in den Bestand kommt und welche Objekte als Promotionsliegenschaften verkauft werden?
Dies ergibt sich aus dem Kapitalbedarf, den wir für unsere künftigen Bauetappen benötigen. In der 1. Bauetappe konnten wir 149 Mio. CHF erlösen, in der 2. Bauetappe werden es wie schon gesagt 115 Mio. CHF sein. Weitere Promotionserträge können auch bei den künftigen Bauetappen fliessen, aber nicht mehr in diesem Umfang. Das Investitionsvolumen ohne das Pavatex-Areal liegt bei 830 Mio. CHF. Wir planen derzeit allerdings, die Planung auf dem Pavatex-Areal bereits 2028/29 zu starten, sodass dieses Projekt in einem ähnlichen Zeitraum, spätestens bis 2035, mit dem Papieri-Quartier fertig wird.
Die Inflation, höhere Materialpreise und höhere Löhne haben im letzten Jahr auch zu gestiegenen Baukosten geführt. Welchen Einfluss haben diese Kosten auf Ihre Erträge?
Der Einfluss ist relativ gering. Denn den höheren Baukosten stehen auf der anderen Seite auch steigende Erträge, beispielsweise aufgrund von indexierten Mieten gegenüber.
Wie wirken sich die gestiegenen Zinsen auf die Verkäufe von Stockwerkeigentum aus?
Die Verkäufe von der 2. Bauetappe wurden 2022 erfolgreich abgeschlossen. Von daher hatten die Zinserhöhungen hier keine Auswirkungen mehr. Unabhängig davon ist ein Nachfragerückgang bei Wohneigentum im Kanton Zug – ähnlich wie in Zürich – kaum spürbar. Allein unsere eigene Datenbank umfasst mehrere Tausend Interessenten, die sich aktiv bei uns für Miete oder Kauf einer Wohnung angemeldet haben. Bevor also bei uns die Nachfrage einbricht, müsste etwas Gravierendes passieren. Einzig das Buy-to-let-Segment ist in den letzten Jahren durch die Zinserhöhungen zurückgegangen. Aber das war sowieso nie unsere Zielgruppe.
Wie sieht generell der Nutzungsmix auf dem Papieri-Areal aus?
Unsere Vorgaben aus dem Bebauungsplan sind 25% Büros und Gewerbe und 75% Wohnen, wovon wiederum 10% auf preisgünstiges Wohnen entfällt. Die 1. Bauetappe haben wir bereits in etwa diesem Mix erstellt. Allerdings wird sich mit der 3. Bauetappe der Gewerbeanteil vorübergehend erhöhen, da dies unsere grosse Gewerbeetappe sein wird.
Zurzeit ist es allgemein schwieriger, kommerzielle Mieter zu finden. Wie entwickelt sich die Situation auf dem Papieri-Areal?
Wir verspüren eine gute Nachfrage von verschiedenen Seiten. Dies mag daran liegen, dass das Quartier mit über 2’500 Bewohnerinnen und Bewohnern sowie rund 1’000 Arbeitsplätzen nach Fertigstellung für Retail, Gastronomie, medizinische Dienstleistungen und auch kleineres Gewerbe ein attraktives Umfeld bietet. So konnten wir zum Beispiel mit der Migros bereits einen grossen Detailhändler als Mieter gewinnen. Weitere substanzielle Gewerbeanteile werden aktuell durch das OYM College, ein Internat für junge Spitzensportler, und durch ein hotelähnliches Long Stay Format erfüllt.
Bereits während der Planungsphase für das Papieri-Areal haben Sie konsequent auf Nachhaltigkeit gesetzt. Was waren die Gründe?
Ziel war es, dass Nachhaltigkeit zu einem unserer USP wird. Daher haben wir Nachhaltigkeitsthemen von Anfang an in die Planungen integriert. Wie Sie heute sehen können, reden wir nicht nur über Nachhaltigkeit, wir machen es auch. Die Auszeichnung mit dem Watt d’Or ist ein Ausdruck davon. Es zeigt sich aber auch, dass ein nachhaltiges Gebäude gerade für kommerzielle Mieter ein wichtiges Argument bei den Mietverhandlungen ist. Denn aufgrund ihrer internen Nachhaltigkeitskriterien dürfen viele Firmen keine Gebäude mehr mieten, welche nicht bestimmte Standards erfüllen. Daher haben wir unseren Gewerbeneubau mit dem LEED-Gold-Standard zertifizieren lassen. Auch im Bereich der Energieversorgung zeigen die Preiserhöhungen im letzten Jahr, dass sich unsere Energiezentrale mit einem Selbstversorgungsgrad von 60% für die Mieter auszahlt. Unsere Kunden zahlen derzeit 1.5 Rappen pro kWh weniger für den Strom als beim regionalen Versorger.
«Unseren Gewerbeneubau haben wir mit dem LEED-Gold-Standard zertifizieren lassen»
Bedeutet dies, dass die Cham Group mit ihrer Energiezentrale so etwas wie ein kleiner regionaler Versorger ist, der auch auf der produzierten Energie noch Geld verdient?
Wir sind ein Energiecontractor, der Wärme, Kälte und auch Strom an die Mieter und Stockwerkeigentümer verkauft. Die Vorinvestitionen in die Energiezentrale waren allerdings sehr hoch, und eine komplexe Steuerung, wie wir sie benötigen, lässt sich nicht einfach am Markt beschaffen. Mit dem Laufwasserkraftwerk an der Lorze produzieren wir Bandenergie, über Erdsonden Wärme und Kälte. Konkret nutzen wir den Boden als Speicher, indem wir diesem im Winter Wärme entziehen und im Sommer Wärme, welche als Abfallprodukt der Kälteproduktion anfällt, wieder zuführen.Zurzeit denken wir auch in Richtung von Stromspeichern, um den Eigenverbrauch der PV-Anlagen zu erhöhen und allfällige Leistungsschwankungen auszugleichen. Die Energiezentrale ist also noch keine Quelle, um Gewinne für die Cham Group zu erwirtschaften, hat jedoch dereinst Potenzial dazu.
Wie sieht es bei den Baustoffen aus? Im Trend liegen derzeit Holzhäuser und Fassadenbegrünungen. Davon ist auf dem Papieri-Areal nichts zu sehen.
Wir setzen, soweit es möglich ist, auf Recyclingbeton. Eines der zwei Hochhäuser der 2. Bauetappe entsteht in Holzhybrid-Bauweise. Dabei sind die Deckenstruktur und Wände aus Holz, die vertikal tragenden Bauteile und der Kern aus Stahlbeton. Wir haben von einem Vollholzbau des Hochhauses abgesehen, weil es im Langzeitverhalten noch wenig Erfahrungen und somit Unsicherheiten gibt. Dieses Risiko wollten wir nicht eingehen. Ausserdem ist die Holzbauweise nicht günstiger als Beton. In der 3. Bauetappe setzen wir auch Fassadenbegrünungen ein. Allerdings werden wir die Pflanzen vom Boden nach oben ziehen und nicht auf jeder Etage Pflanzungen vornehmen, weil sich diese so leichter pflegen lassen. Denn Nachhaltigkeit hat für uns nicht nur einen ökologischen, sondern auch einen ökonomischen Aspekt.
«In der 3. Bauetappe setzen wir auch Fassadenbegrünungen ein»
In zehn Jahren wir das Papieri-Quartier zusammen mit dem Pavatex-Areal fertig entwickelt sein. Was sind die nächsten Schritte für die Cham Group?
Die Frage stellt sich vorerst nicht, denn wir sind damit beschäftigt, das Projekt in Cham zu einem attraktiven Ort zu entwickeln. Dabei sammeln wir sehr viel Erfahrungen, die sich theoretisch auch für die Entwicklung ähnlicher Areale einsetzen lassen. Es ist aber noch zu früh, hier konkrete Aussagen zu machen.
Ihre Hauptaktionärin Buru Holding gab letzte Woche bekannt, neben der bereits bestehenden Beteiligung an der Immobiliengesellschaft Ina Invest auch eine Anker-Beteiligung an der Implenia erworben zu haben. Ist das relevant für die Cham Group?
Wir sind hervorragend aufgestellt und können uns gut weiterentwickeln. Aber es schadet sicher nicht, wenn über unsere Hauptaktionärin gute Verbindungen zu diesen artverwandten Gesellschaften bestehen.
Zum Abschluss noch eine wichtige Frage für die Aktionäre: Welche Dividendenentwicklung streben Sie in den nächsten Jahren?
Wir haben kommuniziert, dass wir bis 75% des Reingewinns aus der operativen Tätigkeit ausschütten wollen. Bis zum Abschluss der Entwicklung wird es somit zu einer stufenweisen Erhöhung der Ausschüttung kommen. Unser Ziel ist es, dass die Aktie der Cham Group so schrittweise zu einem attraktiven Dividendentitel wird. Schon heute liegt die Dividendenrendite bei 2,4%. Auch das scheint angesichts der Perspektiven attraktiv.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Aktien der Cham Group werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden 500 CHF für eine Aktie bezahlt. Der NAV per Ende 2023 lag bei 512 CHF je Aktie. Hauptaktionäre sind die Buru Holding AG von VR-Präsident Philipp Buhofer (48,16%) und der frühere DKSH-Chef Jörg Wolle (5,59%).