Macro Perspective: Aktien, Bonds, Gold – wohin gehen die Märkte?

Preisentwicklungen und Markterwartungen

0
267
Der Goldmarkt glänzt im aktuellen Umfeld, das von Unsicherheiten, geopolitischen Spannungen und eskalierenden Konflikten sowie hoher und steigender Staatsverschuldung geprägt ist. Bild: stock.adobe.com/KI

«Gold ist eine Währung. Es ist immer noch – nach allen Belegen – die Premiumwährung, wobei keine Fiat-Währung, inklusive des Dollars, ihr gleichkommt.» Alan Greenspan, 1926, Ökonom, Fed Chairman von 1987-2006

Die Signale aus den Notenbanken sind bestenfalls inkonsistent. Bisher galten mehrere Zinssenkungsschritte von Fed und EZB im Jahresverlauf als «garantiert». Doch plötzlich sind auch Anhebungen wieder möglich, wenn sich die Inflationstendenzen in den USA weiter verstärken sollten.

Die Verbalinterventionen von Notenbankern, die tagtäglich diesseits und jenseits des Atlantiks erfolgen, haben vor allem einen Zweck: die Inflationserwartungen zu verankern, da diese das Verhalten der Wirtschaftssubjekte wesentlich prägen. Durch die Anpassung des Verhaltens an die Erwartungen wird auch die tatsächliche Inflationsentwicklung beeinflusst. Je nach Datenlage ist im gegebenen Umfeld wie zuletzt von Zinssenkungsschritten die Rede, oder wie nun eben in den USA von „«higher for longer». Der Grund ist, dass die jüngsten Wirtschaftsdaten keine Zuversicht bei der Fed begründen und es deshalb länger als erwartet dauern wird, diese Zuversicht zu finden, so Fed-Chairman Powell vergangene Woche. Tatsächlich bleiben die Arbeitsmärkte eng und das Wachstum robust. Trotz der jüngsten Korrektur stehen die US-Aktienindizes deutlich höher als vor einem Jahr: um 13% beim Dow-Jones, 21% beim S&P 500 und 33% beim Nasdaq.

Bondmärkte geben Takt vor

Am Anleihemarkt wird ein anderes Bild gezeichnet. Seit Anfang Jahr sind die Renditen der 10-jährigen US-Staatsanleihen von unter 4% auf fast 4,7% angestiegen. Damit ist das Hoch von Oktober 2023 bei 5% wieder in nächster Nähe. Die hohe Volatilität an den Bondmärkten überträgt sich auch auf die europäischen Märkte. Aus der EZB und den nationalen Notenbanken der EU-Länder kommen weiterhin Ankündigungen von Zinssenkungen, in der Leit-Ökonomie USA jedoch kaum noch.

Inverse Zinsstruktur

An der Börse heisst es zu Recht, dass die Aktienmärkte den Bondmärkten mit zeitlicher Verzögerung folgen. Nur ist der Transmissionsmechanismus dieses Mal scheinbar in die Länge gestreckt. Das wird in der unverändert inversen Zinsstrukturkurve sichtbar. Niemals zuvor in der Geschichte war die Zinsstruktur so lange invers geblieben – ein starkes Warnsignal für die Aktienmärkte. Dies gilt nicht nur für die USA, sondern auch für Deutschland und die Schweiz.

Das Bild des Bullenmarktes

Ein Zusammenhang mit der unendlich lang scheinenden Nullzins-Politik liegt auf der Hand. Die Liquidität ist eben immer noch hoch, sodass die Partystimmung an den Aktienmärkten anhält, wenn auch nur durch immer weniger hochkapitalisierte Aktien gestützt. Da die auch in den Indizes hoch gewichtet sind, zeigte sich dem oberflächlichen Beobachter in den vergangenen Monaten stets ein «bullishes» Bild. Zuletzt waren es fast nur noch die Mega-Caps, die den US-Markt zogen und hielten. Jetzt kam es jedoch zu einem Ausverkauf; Nvidia fiel an einem Tag um 10% und liegt aktuell immer noch deutlich unter dem Hoch von 974 USD. Entsprechend fiel die Marktkapitalisierung von 2.4 Billionen USD auf unter 2 Billionen USD. Das liegt auf einer Höhe mit der gesamten Aktienmarktkapitalisierung in China, Deutschland oder der Schweiz. 70% der US-Aktien liegen mehr als 20% unter ihren Hochs, was einen veritablen Bärenmarkt charakterisiert.

Marktstatistik nach sechs Börsensitzungen mit Verlusten

Die Kurse an den US-Börsen fielen Mitte April für sechs Börsentage in Folge. Das ist relativ selten. In einer Auswertung seit 1950 stiegen die Indizes nach einem solchen Ereignis innerhalb eines Jahres in drei Viertel der Fälle um durchschnittlich 13,4%. Diese annualisierte Performance wäre rund das Doppelte der zu erwartenden langfristigen Durchschnittsperformance. Doch die unendlich lange Phase des Quantitative Easing, kurz QE, hat eben auch lange Nachwirkungen.

QT – der lange Schatten von QE

Über Quantitative Tightening kurz QT, ist in der Finanzpresse wenig zu lesen, vielleicht weil das ein Thema ist, auf dem sich keine begeisternden und ansteckenden Börsenstories aufbauen lassen. In den USA werden dem Markt pro Monat 75 Mrd. USD an Liquidität durch Nicht-Wiederanlage fälliger Anleihen entzogen. Da sich das US-Budget stets und immer tiefer im Defizitbereich bewegt und die Staatsverschuldung bis Anfang 2025 wohl 134% des BIP erreichen wird, ist auch der Bond-Markt betroffen. Die Käufer von Staatstiteln können wählerisch sein und höhere Real-Renditen fordern.

Überangebot an den Bondmärkten

In den Euro-Ländern hat das QT nach der lang andauernden QE-Phase noch nicht einmal ernsthaft begonnen. Und trotzdem gehen die Renditen der italienischen, französischen und insbesondere der deutschen 10-jährigen Staatsanleihen tendenziell steil nach oben wie die amerikanischen. Nicht nur bei Staatsanleihen hat sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage durch den Wegfall der Notenbanken als grösste Käufer grundlegend gewandelt, dasselbe trifft auch auf Unternehmensanleihen zu. Eine Rekordsumme wird im zweiten Halbjahr fällig und will refinanziert werden. Doch die Zinsen liegen nun viel höher, was die wenigsten Emittenten glücklich machen kann. Quer durch alle Bonitätsstufen steigen die Finanzierungskosten.

Inflationsprognosen von 2%

Trotzdem bleiben die Inflationsprognosen allgemein optimistisch. Sowohl für die USA als auch Europa wird nahezu unisono mit rückläufigen Teuerungsraten gerechnet. Die USA wie der Euro-Raum sollen bis zur kommenden Jahreswende bei 2% Inflation liegen, also dem Ziel der Notenbanken. In China mit aktuell 0,1% Inflation wird dagegen ein Anstieg in Richtung 2% erwartet. Alles prima also?

Schwarze Schwäne und lineare Prognosemodelle

Der Schein kann jedoch trügen und unerfahrene Anleger leicht aufs Glatteis führen. Nichts ist einfacher, als einen Trend zu extrapolieren, beispielsweise Aktien zu empfehlen, die lange genug gut gelaufen sind. Schon schwieriger ist es, kollektive Illusionen zu hinterfragen und mögliche Abweichungen vom Goldilock-Szenario in Erwägung zu ziehen. Schwarze Schwäne und «unknown unknowns» hat es in den letzten Jahren reichlich gegeben, dennoch werden weiterhin lineare Modelle aus der Zeit vor 2020 verwendet, als alles noch einfach zu sein schien.

Zinsen von 8% oder mehr?

Da die Mehrheit der Bevölkerung und auch der Anleger lieber nichts über Risiken und Täuschungen hören und sehen will, braucht es schon herausragende Persönlichkeiten, die sich nicht scheuen, unpopuläre Wahrheiten beim Namen zu nennen. Jamie Dimon, der CEO von JPMorgan, schreibt in seinem jüngsten Brief an die Aktionäre, dass die steigenden Kosten der Aufrüstung und Kriege, der Gesundheitssysteme, der Dekarbonisierung und vor allem die ausufernden Staatsdefizite auch dazu führen können, dass das Zinsniveau auf 8% oder sogar höher steigen kann. Die Situation schätzt Dimon als die gefährlichste seit dem Zweiten Weltkrieg ein. Schwarzmaler oder Realist?

Krieg, Inflation und Engpässe

Tatsache ist, dass jeder dauerhafte Kriegszustand inflationär für die beteiligten, aber auch die indirekt betroffenen Volkswirtschaften ist. Es geht ja nicht nur um die Produktion von Panzern, Raketen und Munition, sondern auch um die sekundären Effekte. Wie soll die Energiewende im Westen mit Blick auf E-Mobility, Photovoltaik, Batterien etc. gelingen, wenn Europa bei den kritischen Mineralien keine zuverlässige und kostengünstige Versorgung erreichen kann? Die Vorkommen von Beryllium, Indium, Kobalt und 20 weiteren strategischen Mineralien in Europa sind nahe null. Stattdessen ist die Abhängigkeit von China und Russland nahezu vollständig. Sukzessive werden Exporte eingeschränkt oder verboten. Die Folge kann nur Inflation sein. Und wer auf Nuklearenergie setzen will, ist ebenfalls in einer Falle. Während die Preise aller Energieträger in den letzten 12 Monaten deutlich gefallen sind, teilweise um 50% und mehr, hat Uran um 73% zugelegt. Wenig bekannt ist, dass es nur eine kleine Anzahl an abbaufähigen Uranvorkommen in westlichen Ländern gibt, beispielsweise in Kanada, dass aber der Grossteil der globalen Uranvorkommen in Russland, Kasachstan und weiteren Ländern unter Putins Einfluss liegen.

Gold – the trend is your friend

Der Goldmarkt brilliert in einem Umfeld, das von Unsicherheiten, geopolitischen Spannungen und eskalierenden Konflikten sowie hoher und steigender Staatsverschuldung geprägt ist. Es gibt viele Theorien zu Preisveränderungen des Edelmetalls, wann und warum der Preis steigt oder fällt. An Gold scheiden sich auch die Geister. Derzeit überwiegen die positiven Prognosen, weil der Preis in den letzten 12 Monaten um 17% gestiegen ist und abgesehen von gelegentlichen Gewinnmitnahmen einen stetigen Aufwärtstrend zeigt. «The trend is your friend», so lautet das passende Motto.

Gold verspürt seit Jahren Aufwind. Grafik (in USD): finanzen.net

Kaufkrafterhaltung über Jahrtausende

Was Gold auf jeden Fall leistet, ist, die Kaufkraft langfristig zu erhalten. In der Zeit der Römer entsprach der Gegenwert einer Unze Gold 350 Laiben Brot – und die Gleichung stimmt auch heute noch. 2000 Jahre Trendpersistenz sind von keinem «Asset» zu schlagen! Das weitere Potenzial ist unbegrenzt, denn Psychologie spielt die entscheidende Rolle. Die 1970er Jahre waren das letzte Jahrzehnt, in dem exogene Schocks und Inflation die prägenden Faktoren für die Weltwirtschaft waren. Der Goldpreis stieg nach der Aufhebung des Goldstandards in den USA und dann anderen Ländern von 35 USD je Feinunze bis Ende des Jahrzehnts auf 850 USD.

Angebot und Nachfrage

Die Nachfragekräfte bestehen heute aus der Schmuckindustrie, den Notenbanken sowie Sammlern und Hortern. Die industrielle Nachfrage fällt kaum ins Gewicht. Doch während in den 1970er Jahren das meiste Gold in Südafrika, den USA und Australien abgebaut wurde, ist der Markt heute anders strukturiert. Die leicht abzubauenden Ressourcen mit hohem Gehalt sind verschwunden. Heute werden weit weniger als 1 Gramm Gold pro verarbeiteter Tonne Gestein gewonnen. Und die Kosten sind hoch. Ganze Landstriche gleichen Mondlandschaften. Zu den grössten Förderländern zählen China und Russland sowie weitere ehemalige Sowjetrepubliken. Schon seit Jahren wird das selbst geförderte Gold gebunkert und nicht an den Weltmärkten verkauft. Das scheint auch die westlichen Notenbanken dazu zu motivieren, ihre Goldbestände auszubauen. Der Markt ist nur beschränkt elastisch. Einer potenziell steil anziehenden Nachfrage von Anlegern und Notenbanken steht ein beschränktes und kaum steigerbares Angebot gegenüber.

Die Notenbanker der alten Schule wissen, was Greenspan so ausdrückte: «Eine fast hysterische Abneigung gegen den Goldstandard ist ein Thema, das Statisten aller Couleur eint. Gold und wirtschaftliche Freiheit sind untrennbar miteinander verbunden, das eine bedingt und erfordert das andere.»

Kommentar verfassen