Stefan Schulthess, SGV: «Es muss uns zukünftig noch besser gelingen, auch das Undenkbare zu denken»

Schifffahrt, Gastronomie und Hotellerie top, Schiffsbau mit Problemen

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Die SGV-Gruppe blickt auf ein finanziell gutes Gruppenergebnis im Berichtsjahr 2023 zurück. Während drei der vier operativ tätigen Unternehmen Rekordwerte auf Stufe Umsatz und Ergebnis erzielen konnten, verzeichnet die Shiptec AG für das Jahr 2023 einen Geschäftsverlust. Der konsolidierte Umsatz stieg um 1.4 Mio. CHF auf insgesamt 96 Mio. CHF an. Das Ergebnis auf Stufe EBITDA beträgt 10.1 Mio. CHF im Vergleich zu 12.5 Mio. CHF im Vorjahr. Trotz des Rekordumsatzes der SGV-Gruppe bleibt das Ergebnis aufgrund des negativen Geschäftsergebnisses der Shiptec AG hinter demjenigen des Vorjahres zurück. Im Geschäftsjahr 2023 verzeichnet die SGV-Gruppe insgesamt einen Jahresgewinn von 3.3 Mio. CHF (Vorjahr: 4 Mio. CHF).

Im Interview mit schweizeraktien.net äussert sich Stefan Schulthess, Vorsitzender der Gruppenleitung SGV Holding AG, zu der Performance der einzelnen Tochterunternehmen, zu den Gründen, die die Shiptec in raue Wasser gebracht haben und wieviel zusätzliche Mobilität im Bereich Freizeit noch tragbar und erwünscht ist.

Stefan Schulthess, Vorsitzender der Gruppenleitung SGV Holding AG, anlässlich der Generalversammlung 2023. Bild: schweizeraktien.net

Herr Schulthess, die Touristen auf Ihren Schiffen sind zurück, die Gäste fluten Ihre Restaurants. Was hat Sie im vergangenen Geschäftsjahr am meisten überrascht?

Die Tatsache, wie gross die touristische Nachfrage in- und ausländischer Gäste in Luzern ist, trotz der vielen geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten. Besonders bemerkenswert war der Anstieg amerikanischer Gäste, der sich im laufenden Jahr fortsetzt.

Die tiefen Dellen, die Corona auch in Ihrem Unternehmen geschlagen hat, scheinen wieder ausgebeult zu sein, nachdem schon das Jahr 2022 überraschend gut lief. Wo haben Sie den Rückstand zu Vor-Corona-Zeiten noch nicht aufholen können?

Die touristische Schifffahrt wie auch unsere Gastronomie und Hotellerie verzeichnen aktuell höhere Umsätze und Ergebnisse als in der Vor-Corona-Zeit. Es gibt erfreulicherweise also keinen Rückstand, den wir aufholen müssen.

Rechnen Sie mit einer Wiederbelebung des Gästesegments aus Ostasien? Inwiefern reagieren Sie auf den Trend, dass vermehrt Einzelreisen und weniger Gruppenreisen aus Fernost kommen?

Wir gehen davon aus, dass im laufenden Jahr 2024 die Fernmärkte nochmals zulegen werden. Das beinhaltet auch den asiatischen Markt. Die inländische Nachfrage wird sich gemäss unserer Einschätzung auf hohem Niveau stabilisieren. Der Trend nach mehr Kleingruppen und Einzelreisenden aus Fernost ist auch für uns kein Nachteil. Da wir keine Produkte ausschliesslich für Gruppenreisen im Angebot haben, müssen wir jetzt auch keine Anpassungen vornehmen. Kommt dazu, dass Gruppenreisen für gewisse Menschen auch in Zukunft die bevorzugte Reiseform sein dürfte.

Die inländische Nachfrage wird sich auf hohem Niveau stabilisieren

Ihre Freude über die Erfolgsgeschichte mit Passagierrekorden in 2023 auf dem Vierwaldstättersee wird getrübt durch die Turbulenzen bei Ihrer Tochter Shiptec. Sie prüfen zurzeit die Option einer aussergerichtlichen Konfliktlösung. Nehmen Sie uns doch mal mit auf den holprigen Weg, der Sie mit dem Auftraggeber in Lausanne verbindet.

Das Problem des «holprigen Weges», wie Sie es nennen, lässt sich in Kurzform so zusammenfassen: Der Auftraggeber in Lausanne hat zwei grosse Personenfähren grossmehrheitlich selbst bzw. mit Fremdfirmen geplant und spezifiziert, und Shiptec als Werft hat die beiden Schiffe dementsprechend gebaut. Und nachdem das erste Schiff fertig gebaut und dem Auftraggeber übergeben wurde, moniert dieser, dass das Schiff nicht in allen Punkten seinen Erwartungen entspricht. Es liegt auf der Hand, dass beide Seiten den Fehler beim Partner und nicht bei sich suchen. Erschwerend kommt für beide Seiten dazu, dass es sich um einen Prototyp und aufgrund der Bestellung des Auftraggebers um ein technisch hochkomplexes neues Schiff handelt.

Gibt es auf Seiten der Shiptec Fehler, die begangen wurden?

Mit den Erfahrungen in Lausanne werden wir bei einem ähnlich komplexen Projekt sicher mehr Zeit investieren, um Berechnungen, Vorgaben, Erwartungen etc. des Auftraggebers kritischer zu hinterfragen, und versuchen, uns vertraglich besser abzusichern. Auch müssen wir zukünftig den vom Kunden geplanten Einsatz eines Schiffes intensiver und kritischer hinterfragen, auch wenn das in der Regel nicht Bestandteil einer Bestellung ist.

Sie wollen zukünftig das Risiko- und Projektmanagement bei künftigen Grossprojekten verbessern. Können Sie in diesem Punkt etwas konkreter werden?

Ein Teil meiner Antwort knüpft an mein vorher Gesagtes an. Es muss uns zukünftig noch besser gelingen, auch das Undenkbare zu denken. Auch die Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zwischen uns und dem Kunden bzw. Auftraggeber muss klarer sein. Allgemein müssen wir mehr Zeit in die Vorphase, in die Planung und in den Austausch mit dem Kunden investieren. Auf der anderen Seite ist es der Shiptec bewusst, dass bei Grossprojekten wie demjenigen in Lausanne Konfliktsituationen zum Alltag gehören. Dort wo viele Menschen zusammenarbeiten, und bei Prototypen umso mehr, sind Meinungsverschiedenheiten vorprogrammiert.

Rechnen Sie auch in 2024 mit Verlusten bei Shiptec?

Da die Bauarbeiten in Lausanne noch am Laufen sind, ist eine Prognose schwierig. Shiptec rechnet – dabei ist auch eine Portion Hoffnung verbunden – mit einem knapp ausgeglichenen Ergebnis 2024.

Das laufenden Jahr nähert sich bereits der Halbzeit. Wie ist das Geschäftsjahr in den ersten fünf Monaten angelaufen?

Der Tourismus im Allgemeinen und im Speziellem in Luzern boomt, und davon profitiert auch die Schifffahrt und die Gastronomie/Hotellerie. Seitens SGV AG sind die ersten fünf Monate umsatz- und ergebnismässig noch einmal besser verlaufen als im bereits guten Vorjahr. Auch die Tavolago AG ist gut ins 2024 gestartet. Über den industriellen Schiffbau bzw. über die Shiptec AG habe ich vorher bereits gesprochen.

Haben Sie bezüglich der Frequenzen auf Ihren Schiffen und in Ihren Restaurants vor, diese beiden gut laufenden Geschäftszweige weiter auszubauen? Also zusätzliche Schiffe auf dem See, zusätzliche Restaurants auf dem Land zu bauen bzw. zu akquirieren?

Bei der Tavolago hoffen wir beim geplanten «Stadthotel Tribschen» zusammen mit dem Investor HG Commerciale auf eine baldige Baubewilligung im Herbst 2024. Das wäre bzw. wird ein wichtiger Meilenstein für die Tavolago AG sein. Bei der SGV planen wir aktuell keinen Kapazitätsausbau mit neuen Schiffen. Mit über 3 Millionen Passagierfrequenzen pro Jahr stossen wir an einzelnen Tagen im Sommer zwar an unser Grenzen. Aber das Thema eines Ausbaus unserer Schiffskapazitäten und damit unseres Angebotes müssen wir auch im Kontext zur aktuellen Diskussion über nachhaltigen Tourismus betrachten, wo nicht nur die Bevölkerung in Luzern kritisch die Frage stellt, wieviel zusätzliche Mobilität im Bereich Freizeit noch tragbar und erwünscht ist.

Herr Schulthess, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Die Aktie der SGV Holding AG ist auf OTC-X gelistet und kostete zuletzt 269 CHF. Quelle: otc-x.ch

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