Macro Perspective: TrumPutin III – Das neue Zeitalter der Imperien

Der «Trump-Trade» – Haben politische Börsen kurze Beine?

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Beim politischen Schachspiel sind strategisches Kalkül und kluge Züge entscheidend, um Machtpositionen zu sichern und Gegner auszumanövrieren. Bild: stock.adobe.com

«Noch nie waren so viele so sehr wenigen ausgeliefert.» Aldous Huxley, 1894-1963, Literat und Philosoph

In der Regel spielen Wahlen und deren Ausgang für die Börsen keine oder eine nur zeitweilige und geringe Rolle. Eine fortgesetzte Politik der Mitte bildet den Rahmen für die langen Perioden der Stabilität. Die jüngsten Wahlergebnisse in Europa zeichnen jedoch ein anderes Bild. Und die anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA werfen schon lange ihre vorauseilenden Schatten. Wo liegen die Chancen für Investoren, wo lauern die Risiken?

Kapital ist generell scheu und meidet Risiken. Es wird schnell zum Fluchtkapital, wenn sich die Bedingungen verändern, wie zuletzt bei den Europawahlen und in Frankreich. Auf den britischen Inseln wurde zwar «links» gewählt, dennoch überwiegen die positiven Einschätzungen, vielleicht einfach, weil es den Briten nach 14 Jahren Regierung durch die Tories, und insbesondere seit Boris Johnson und seinen Nachfolgern, gereicht hat. Der wirtschaftliche Niedergang, vom Brexit noch verstärkt, zeigt wenig Fortune der bisher Regierenden. Die neue Labour-Regierung dürfte selbst bei einer mittelmässigen Performance die Hoffnungen der Bevölkerung auf ein wieder funktionierendes Gesundheitssystem und andere Selbstverständlichkeiten besser erfüllen. Das könnte die Wirtschaft durchaus beleben. Ein Britisches Pfund (GBP) kaufte noch 2008 ganze 2 USD, jetzt gerade noch 1.30 USD. Die Börse ist im internationalen Vergleich ein Underperformer, und die Aktienbewertungen sind tief. Dabei ist der FTSE 100 ein irreführender Index, da internationale Aktien wie Glencore, Rio Tinto und Antofagasta hochgewichtet sind. Ein besseres Bild der britischen Wirtschaft vermittelt der FTSE 350 Index.

Unsicherheitsfaktor Frankreich

In Frankreich, einem weiteren ehemaligen «Empire», bleibt abzuwarten, wie eine handlungsfähige Regierung das Ruder herumreissen kann und wie die schwierige «Cohabitation» mit Präsident Macron aussehen wird. An der Börse sorgten die Parlamentswahlen für einen Ausverkauf von Staatstiteln und Aktien. Der französische Leitindex CAC 40 liegt zwischenzeitlich fast 10% tiefer. Der Euro schwächelt zwar zum USD, bewegt sich aber innerhalb der relativ engen Bandbreite der letzten anderthalb Jahre. Die Staatsverschuldung in Prozent des BIP dürfte dieses Jahr in Frankreich auf mehr als 113% klettern. Im Vereinigten Königreich liegt die Verschuldungsquote bei 99,8% laut aktuellen Berechnungen.

Im Schatten der Supermacht USA

Die beiden europäischen Weltmächte der vergangenen Jahrhunderte sind heute zwar Nationalstaaten, doch im vorherrschenden Selbstverständnis waren jeweils die «guten alten Zeiten» der Imperien die besten Epochen. Von den Imperien ist abgesehen von kolonialen Reststücken wie Guayana oder den Falkland Inseln nicht viel geblieben. In beiden Ländern wird der relative Abstieg im 20. Jahrhundert verkraftet und verarbeitet. Mit den USA als neuer Supermacht konnten die europäischen Verbündeten lange ganz gut leben. Das Ziel der USA der wirtschaftlichen und militärischen Integration hat ja jahrzehntelang hervorragend und zum Nutzen aller funktioniert.

Epochaler Wandel

Inzwischen ist aber eine andere Epoche angebrochen, in der zwar einerseits durch Auf- und Abspaltung immer mal wieder neue kleine Nationalstaaten entstehen, doch im grossen Bild zeichnet sich die zunehmende Dominanz einiger Länder ab, die wirtschaftlich mächtig sind, sich verbünden und jeweils durch autoritäre Systeme gekennzeichnet sind. Dazu zählen offensichtlich China und Russland, aber auch Indien und Pakistan. Zum Verbund der ehemaligen Shanghai Five, heute Shanghai Cooperation Organisation (SCO), zählen die zentralasiatischen Länder, Iran sowie seit kurzem Belarus und weiterhin als potenzielle Beitrittskandidaten u.a. Saudi-Arabien, Ägypten und die Türkei. Historische Missionen sind typische Erkennungszeichen von expansiven, repressiven und autoritären Herrschaftsstrukturen mit Hegemonialansprüchen.

Das Dilemma Europas

Hier knüpft auch Donald Trump an. Er will die USA, weltweit das erste Land in der Neuzeit mit einer demokratischen Verfassung, was das Ende des Zeitalters der Imperien einläutete, nun im Fall der Wiederwahl ebenfalls in ein Empire verwandeln. Das würde für Europa eine gravierende Änderung der gesamten Nachkriegspolitik und der Sicherheitslage bedeuten. Kein Krieg gegen Russland unter Trump! Keine Unterstützung für die Ukraine! Das Ende der NATO, zumindest unter Führung der USA.

Feste Tendenz des Dow Jones

Für die amerikanischen Wähler geht es scheinbar nicht um die nicht gehaltenen Wahlversprechen Trumps von 2016 oder die Klagen und Urteilssprüche, sondern eher darum, dass Amerika wieder «great» wird, koste es, was es wolle. Nach Trumps Äusserungen würde er als Diktator mit Putin auf Augenhöhe Politik machen. Dass beide gut miteinander können, wurde in der Vergangenheit wiederholt vor Augen geführt. Das erwünschte Wiedererstarken der USA spiegelt sich auch in der Entwicklung der Märkte wider. Der «Trump Trade» läuft auf vollen Touren. Am 16. Juli beispielsweise legte der Dow-Jones 30 um 1,8% zu, der Nasdaq 100 dagegen nur um 0,2%. Damit bestätigen sich die Trends, die sich schon vor dem Attentatsversuch auf Trump abzeichneten und danach sogar an Fahrt gewannen. Bemerkenswert ist auch, dass die europäischen Börsen trotz den Kurssprüngen in New York sowohl davor als auch danach schwach tendierten.

Überzeugende Indikatoren

Während die Hausse an der Wall Street bisher von den Tech-Titeln angeführt und getragen wurde, ist es jetzt der breite Markt, der nach oben zieht. Tech-Aktien indessen stagnieren oder verlieren sogar. Am 16. Juli gab es im Dow nur wenige Verlierer, darunter Intel und Microsoft. An der Null-Linie bewegten sich Cisco, Amazon und Apple. Hohe Gewinne verzeichneten dagegen Boeing, Caterpillar, Disney, American Express, Dow, McDonalds und IBM. Selbst im Small- und Mid-Cap-Universum ist eine Trendwende in Sicht. Der Russell 2000 Index hatte sich fast 3 Jahre lang in einer engen Bandbreite seitwärts bewegt, zuletzt jedoch einen bisher erfolgreichen Ausbruch nach oben vollzogen. In den letzten 5 Handelstagen lag die Performance bei 11,5% und damit besser als beim Large Cap Index Dow Jones. Jetzt sind die Rekordstände aus 2021 wieder fast in Griffnähe. Davon könnte auch ein kräftiger Impuls für die seit Jahren von den Investoren vernachlässigten europäischen Small- und Mid-Caps ausgehen.

Der Russell 2000 Index stieg nach fast 3 Jahren in einer engen Bandbreite markant nach oben. Chart: google.com

Starke Trendwenden und Trendbrüche

Neue Trends an den Börsen werden in aller Regel in den USA gestartet. Die letzten eindrücklichen Beispiele betreffen einerseits den KI-Impuls, der innerhalb von 1, 2 Jahren sagenhafte Vermögen vor allem für Nvidia-Aktionäre geschaffen hat, und andererseits die beispiellose Hausse bei Eli Lilly und Novo Nordisk, die aufgrund ihrer Lösungen für die Volkskrankheiten Diabetes/Adipositas/Übergewicht zu den wertvollsten Unternehmen ihrer Branche wurden – ebenfalls innerhalb kürzester Zeit. Doch die Hausse war auf die US-Börsen und auch auf zu wenige Themen und Titel konzentriert, um nachhaltig sein zu können. Das könnte sich jetzt gerade ändern. Es ist ein starkes Signal für die Börse, wenn die Mehrheit der Aktien sowohl im Large Cap- wie im Small- und Mid-Cap-Bereich so dauerhaft und kräftig ansteigt. Das zeigt Vertrauen der Investoren in die amerikanische Gesamtwirtschaft. Auf den nun scharf korrigierenden Tech-Sektor entfallen am Ende nur 7% des US-BIP, auf den Healthcare-Sektor dagegen vergleichsweise hohe 20%. Dazu kommen Industrie, Einzelhandel, Versorger und weitere Sektoren.

Chart LLY
Neue Trends liessen auch den Titel von Eli Lilly markant steigen. Chart: six-group.com

Trumps Agenda

Ob das Kalkül der Anleger, die auf den «Trump-Trade» setzen, aufgehen wird, bleibt sehr fraglich. Die Marktreaktionen ergeben kein stimmiges Bild. So stiegen zuletzt der USD und Gold – in der Regel ist die Korrelation negativ. Trump strebt einen schwächeren USD an, um die amerikanischen Produkte an den Weltmärkten attraktiver zu machen. Das Deficit-Spending dürfte sich fortsetzen, da ja Steuersenkungen und -geschenke zu erwarten sind. Da ist es nicht verwunderlich, dass Persönlichkeiten wie Elon Musk zweistellige Millionenbeträge für den Wahlkampf spenden. Musk und etliche weitere Multi-Milliardäre haben ja auch imperiale Pläne, die weit über den Planeten hinausreichen. Obwohl die US-Plutokratie schon sehr geringe Steuerzahlungen leistet, ist ein Präsident, der sie weiter senken und die Regulierung aufweichen will, offensichtlich ein guter Präsident. Dem stehen andere Milliardäre gegenüber, die beklagen, dass sie weniger Steuern als ihre Sekretärin bezahlen, wie es Warren Buffett ausdrückte.

Track Record der ersten Amtszeit

Die Folgen sind eine Staatsverschuldung von 132% des BIP, eine marode Infrastruktur und eine tief gespaltene Gesellschaft. Hätte Trump während seiner ersten Amtsperiode, wie versprochen, 1’000 Mrd. USD in Brücken, Erneuerung der Wasserversorgung etc. gesteckt, wäre die Brücke in Baltimore wohl nicht eingestürzt, und die Bleivergiftungen in etlichen Regionen wären zurückgedrängt worden. Das haben die Wähler aber scheinbar vergessen, denn ein Hurra-Patriotismus, wie ihn Trump zu entzünden vermag, ist eben nicht unbedingt rational zu fassen, sondern eher mit Massenpsychologie erklärbar.

Imperiale Träume

Die Wähler glauben daran, dass Trump den relativen Niedergang der USA umkehren kann und das Land somit zu neuer Grösse führen wird. Trump vermittelt, dass er auf Augenhöhe mit den autokratischen Herrschern in China und Russland ist – und deshalb auch ähnliche Vollmachten benötigt wie Putin und Xi Jinping, deren Herrschaftsanspruch bis zu ihrem Ableben reicht. Die Verfassungen waren entsprechend geändert worden. Das hat auch Trump vor. Doch während sowohl Putin wie auch Xi Jinping eine historische Mission verkörpern wollen, die zwangsläufig einem imperialen Hegemonialanspruch folgt, ist bei Trump keine Ideologie erkennbar, was sein Wirken umso unberechenbarer macht. Die Geschichte der modernen Nationalstaaten ist relativ kurz, wirklich souverän sind ohnehin die wenigsten. Die Geschichte der Imperien ist jedoch lang. Und selbst wenn manche über Jahrtausende reichen, jedes Imperium hat irgendwann seinen Zenit erreicht und ist dann gefallen.

Verjüngung der Führungsriegen tut Not

Es ist zweifelhaft, was nach den alten Männern Putin, Xi Jinping und Trump kommen soll. In China sind bereits die Anzeichen einer beginnenden Krise erkennbar. Der aufgeblähte Immobilienmarkt ist im freien Fall, der Konsum stottert, die Repression steigt. In Russland sorgen zwar der Rüstungsboom und die Erschliessung neuer Märkte für eine gewisse Zufriedenheit bei der Bevölkerung, doch nachhaltig scheint die Entwicklung nicht zu sein. Europa könnte unter den imperialen Gelüsten der Supermächte ins Hintertreffen geraten oder gar weiter zerrieben werden. Im gegebenen Umfeld der Unsicherheiten ist es kaum überraschend, dass Gold als ultimatives Medium der Werterhaltung neue historische Rekordstände erreicht.

Aldous Huxley, der Verfasser von «Schöne neue Welt», trifft auch im digitalen Zeitalter ins Schwarze mit seiner zeitlosen Feststellung: «Der technologische Fortschritt hat uns lediglich wirksamere Mittel zur Verfügung gestellt, um rückwärts zu gehen.»

In diesem Kontext sehr lesenswert die Macro Perspective-Beiträge TrumPutin II «Was machen die Börsen aus der neuen Weltunordnung?“ (Juli 2018) und TrumPutin I «Die neue Welt(un)ordnung und die Kristallkugel Börse» (Nov. 2016).

 

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