Marc E. Possa, SaraSelect: «Nervosität und Volatilität beherrschen jetzt die Märkte»

Warum der Portfoliomanager an der Position Meyer Burger festhält

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Der SaraSelect der VV Vermögensverwaltung AG ist ein reiner Aktienfonds und gehört zur Flagship-Palette der Bank J. Safra Sarasin AG. Der Anlagefonds wurde im Jahr 1996 aufgelegt und investiert in Schweizer Nebenwerte, mit Fokus auf Qualität und Stabilität, und hat deshalb einen hohen Bezug zum Small-Cap-Segment. Mit rund 1.6 Mrd. CHF per Ende Juli 2024 gehört der Fonds zu den Schwergewichten in diesem Bereich. Im Gegensatz zu vielen anderen Small-&-Mid-Cap-Fonds wird ein von der Benchmark unabhängiger Ansatz verfolgt.

Herr Possa, Sie zitieren in Ihrem Juli-Monatsbericht Alberto Moravia mit den Worten: «Wenn die Passion fehlt, fehlt alles. Ohne Leidenschaft ist nichts zu erreichen.» Ist Leidenschaft die richtige Gemütsverfassung für einen Profi an den Finanzmärkten?

Ich denke schon, man muss Leute gerne haben und sich auch für Neues begeistern können, ohne dabei das lang Bewährte über Bord zu werfen. Dies ist ein Balanceakt zwischen dem Progressiv- und dem Konservativ-Sein.

Mit Leidenschaft haben Sie vor zwei Jahren noch ein Investment in den Solarhersteller Meyer Burger propagiert. Was hat Ihrer Meinung nach zum Absturz dieser Aktie geführt, und schlummert in Ihnen ein Restglauben an eine mögliche Erholung?

Ich habe weiter an der Aktie festgehalten, dies aus der Überzeugung, dass wir mit Meyer Burger den absoluten Innovator der PV-Industrie haben, ohne welchen es auch die ganze chinesische Industrie nicht gäbe. Genau diese aber hat die 45 GW Produktion, welche man in USA verkaufen wollte, wegen höheren Zöllen aber nicht konnte, in Europa auf den Markt geworfen.

Ihr Fonds ist ein gutes Beispiel dafür, dass man nicht auf kurzfristige Effekte bei Investments an den Finanzmärkten bauen sollte. Dass man also am Ufer des Flusses sitzen und die Turbulenzen im Wasser mit Ruhe an sich vorbeiziehen lassen sollte. Vor diesem Hintergrund: Haben Sie in den letzten 6 Monaten prägnante Umschichtungen in Ihrem Portfolio vorgenommen?

Ich habe die grossen Rücksetzer in Aktien wie SIG Combibloc oder StadlerRail für Anschlusskäufe oder Neupositionen genutzt. Endlich wurden dank den Rücksetzern gewisse Aktien bei normalisierten Gewinnen wieder interessant.

Nachdem die Märkte extrem volatil auf die nachlassende Konjunktur in den USA reagieren – verringern Sie Ihr Engagement in exportorientierte Titel?

Nein, überhaupt nicht. Die meisten Firmen sind global aufgestellt, weil der Schweizer Binnenmarkt schon immer zu klein war. Über diese Aufstellung kommt auch ein gewisser natürlicher Hedge bzgl. der Währungen. Dazu zählen viele Schweizer Firmen zu den globalen Weltmarktführern, da sie über eine höhere Innovationsrate verfügen, welche ihren Kunden Nutzen stiftet.

Ihre grösste Position ist Also, die Aktie hat im vergangenen Jahr um 20% zugelegt. Sehen Sie hier weiteres Aufwärtspotenzial?

Hier gibt es à la longue noch viel Aufholpotenzial. Die auch wegen KI verkürzten Lebenszyklen von IT-Hardware spielen dem ursprünglichen Box-Mover Also in die Karten. Viel wichtiger ist aber, dass das ganze Ökosystem um die Also herum sich noch viel stärker wird monetarisieren lassen. Ihre Kunden, die europäischen SME Kunden, kann Microsoft aus Effizienzgründen nicht selber angehen. Sie sind auf Partner wie Also angewiesen und werden diese bei allen möglichen Roll-outs tatkräftig unterstützen. Software spielt bei der ganzen Digitalisierung neben der Hardware eine fast noch wichtigere Rolle. Also beherrscht dieses Zusammenspiel und deren Konvergenz und wird massiv davon profitieren, dies in immer mehr Geografien und mit einem immer grösseren Angebot. Damit wird die operative Marge Richtung 3% konvergieren.

Eine weitere grosse Position ist Bachem. Warum kommt dieser Titel nicht vom Fleck bzw. musste in jüngster Vergangenheit sogar stark Federn lassen?

Bachem ist unabhängig des aktuellen Börsenkurses ein absolutes Must in jedem Portfolio. Die Produkte von Bachem sind Peptide, also lange Aminosäureketten, die als Wirkstoffe eben erst entdeckt wurden und in sehr vielen Medikamenten erst Eintritt finden. Bachem ist stark am Investieren, um den riesigen Bedarf der nächsten Jahre bzw. Jahrzehnte decken zu können. Der Markt ist extrem auf kurzfristige Verfehlungen wie höhere Kosten oder  Verspätungen beim neuen Produktionsgebäude K fokussiert, anstatt die gesamte Equity-Story der Bachem verstehen zu wollen.

Welche Titel in Ihrem Portfolio machen Ihnen besonders viel Freude derzeit?

Belimo, Also, Bobst, aber auch Dottikon, VAT, Ypsomed und Skan. Wir haben ja eigentlich nur Überzeugungspositionen, wo wir dann jeweils konsequenterweise stark übergewichtet sind und bleiben, auch wenn der Wind kurzfristig temporär dreht.

Bei welchen Titeln, die Sie halten, sind Sie eher vorsichtig geworden?

Meyer Burger, Gurit und Schweiter sind aktuell eher in einer schwierigeren Situation. Allen drei ist gemeinsam, dass sie zwar zu verschiedenen Graden, aber alle von öffentlichen Entscheidungen und Budgets abhängig sind. Die Windindustrie macht bei Gurit knapp 80% der Umsätze aus, bei Schweiter sind es immer noch 20%, was nicht unerheblich ist. Meyer Burger wurden von der Einführung amerikanischer Zölle auf Solar-Panels aus China insofern stark getroffen, dass 45GW Kapazität anstelle der USA nun auf Europa gedumpt wurden, was die Preise und die Marktstrukturen völlig durcheinanderbrachte, weil auch die europäische Politik nicht auf diese stark vom chinesischen Staat subventionierten Verkäufe  reagierte.

Wie schauen Sie auf den Rest des Jahres? Werden wir weiterhin stark volatile Märkte erleben oder setzt eine Beruhigung ein?

Wir werden nach einer sehr langen Phase von extrem tiefer Volatilität in ein turbulenteres Fahrwasser kommen. Man darf dabei nicht vergessen, dass die Finanzindustrie von Volatilität lebt, dies ist ihr Geschäftsmodell. Es braucht ja immer wieder auch Krisen, um das System wieder zurück in die Realität zu holen.

Herr Possa, vielen Dank für das Gespräch.

 

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