Familiengesellschaften an der Börse: Performen sie wirklich besser?

Was sagen die Auswertungen von Uni St. Gallen und EY dazu?

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Roche Hauptsitz Basel
Der Hauptsitz von Roche in Basel überragt mit seinen zwei Türmen alles – Roche ist das grösste Schweizer Familienunternehmen. Die Performance an der Börse ist allerdings im Vergleich zu anderen Schweizer Familiengesellschaften weniger überragend. Bild: roche.com

Familiengesellschaften sollen besser geführt sein und deshalb, wenn sie börsenkotiert sind, den Aktionären eine bessere Performance bescheren als andere Aktien – so lautet eine am Kapitalmarkt bekannte These, die aber auch oft nicht zutrifft. Seit 2015 untersuchen die Uni St. Gallen und EY alle zwei Jahre die Global 500 der Familiengesellschaften, und das mit erstaunlichen, auf Fakten basierenden Erkenntnissen. Immerhin 16 Schweizer Gesellschaften sind vertreten.

Die Schweiz ist auch mit dem statistischen Blick auf den Global Top 500 Family Business Index eine rühmliche Ausnahme, denn neun der 16 Index-Mitglieder sind börsenkotiert, sieben nicht. In den meisten Ländern sieht das Verhältnis ganz anders aus. So stellt Deutschland zwar 78 der Global Top 500, doch nur 14 davon sind an der Börse. EY sieht zu Recht ein grosses Potenzial für IPOs von Familienunternehmen. Das mag für die USA, Deutschland, Frankreich und den asiatisch-pazifischen Raum zutreffen, doch für die Schweiz eher nicht, zumindest mit Blick auf die nach Jahresumsatz gerankten Global Top 500 der Familienunternehmen. Die sieben nicht kotierten Schweizer Mitglieder des Global Top 500 der Familiengesellschaften sind Tetra-Laval, eigentlich schwedisch, Emil Frey Group, Liebherr International, Firmenich International, AMAG, Omya sowie Endress+Hauser. Diese sind zu 100% in Familienbesitz, lediglich bei Endress+Hauser liegt die Quote mit 96% etwas darunter. Nach allem, was über diese sieben privat gehaltenen grossen Unternehmen mit Domizil Schweiz in Erfahrung zu bringen ist, scheinen Börsenpläne eher unwahrscheinlich.

Gemischte Performance von Familiengesellschaften an der Börse

Dennoch gibt es viele mittelständische Unternehmen in der Schweiz, die durchaus an IPO-Planungen arbeiten, sich jedoch meist bedeckt halten. Gute Beispiele für erfolgreiche Börsengänge von Familiengesellschaften an der SIX sind SKAN und Medartis, aus Anlegersicht weniger gute sind Stadler, Klingelnberg und PolyPeptide. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass gerade in den letzten Jahren zahlreiche Familiengesellschaften den Rückzug von der Börse beschlossen und umgesetzt haben. Beispiele sind u.a. Lalique, Bobst, Datacolor und Von Roll. Als Grund werden oft geringe Liquidität und hohe Kosten genannt. Bei Software One sind sich die verschiedenen Gründungsaktionäre nach dem IPO uneinig geworden. Bisher konnte ein Taking Private unter Beteiligung von Private Equity Investoren vermieden werden. Zufriedenstellend ist die Performance der Aktie jedenfalls nicht.

Starkes Umsatzwachstum der Global 500

Laut der Statistik von Uni St. Gallen und EY wachsen die Top 500 gemessen am Umsatz um den Faktor 1.5 stärker als die Volkswirtschaften der Emerging Markets und fast doppelt so hoch als das BIP der fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Die Global Top 500 generieren über 8 Billionen USD Umsatz und beschäftigen 24.5 Mio. Mitarbeitende weltweit. Fast die Hälfte der Indexmitglieder stammt aus Europa, 30% aus Nordamerika und 16% aus der asiatisch-pazifischen Region. Bemerkenswert ist, dass Indien und Mexiko je 15 Unternehmen beisteuern, Brasilien, Türkei und Dänemark je sieben, Ägypten drei und Japan nur neun. Auch die Zusammensetzung der vertretenen Industrien kann überraschen. Mit 37,4% entfällt mehr als ein Drittel auf den Konsum-Sektor. Fortgeschrittene Produktion und Mobilität folgt mit 28,7%. Zwei Drittel der Top 500 sind über 50 Jahre alt und beachtliche 30,8% sind sogar älter als 100 Jahre.

Kriterien des Global 500 Index

Zu diesen über 100-jährigen Unternehmen im Top 500 Index zählen in der Schweiz Roche, gegründet 1896, sowie Kühne+Nagel International, gegründet 1890. Mit einem Jahresumsatz von 68.7 Mrd. USD liegt Roche international auf Rang 16, Kühne+Nagel mit 35.9 Mrd. USD auf Rang 45. Trotz der Börsenkotierung liegt der Anteil der Gründungsfamilien bei 50,1% respektive 58%. Während Roche originär ein Schweizer Unternehmen ist, verlegte die deutsche Kühne+Nagel nach wechselhafter Geschichte erst 1975 den Hauptsitz in die Schweiz. Die Börsenkotierung an der SIX erfolgte 1994. Zu den Kriterien für die Aufnahme in den Family Business Index zählt, dass die Familiengesellschafter bei börsenkotierten Unternehmen mindestens 32% der Stimmrechte kontrollieren, bei privat gehaltenen wie den oben genannten sieben nicht kotierten Unternehmen müssen es dagegen mindestens 50% sein. Ein weiteres Kriterium ist, dass das Unternehmen mindestens in der zweiten Generation in Familienbesitz ist. Im Fall, dass das Unternehmen in der ersten Generation im Besitz der Familie ist, müssen mindestens zwei Familienmitglieder im Verwaltungsrat oder als Direktoren tätig sein.

Verwaltungsratsaspekte

Mit Gründungsjahr 1807 ist Bucher Industries das älteste Schweizer Unternehmen im Index – und mit 35,2% immer noch im Besitz der Familie Hauser. Der Jahresumsatz beträgt 3.5 Mrd. USD, was Bucher auf Rang 485 platziert. Die Schindler Holding wurde 1874 gegründet und kommt mit einem Jahresumsatz von 12.3 Mrd. USD auf Rang 143 im globalen Family Business Index. Hier liegt der Anteil der Familiengesellschafter Schindler und Bonnard bei 70,4%. Teil der Erhebung ist auch die Erfassung der Anzahl der Verwaltungsratsmitglieder, ebenso der Anteil der dort vertretenen Familienmitglieder und wie viele Verwaltungsratspositionen von Frauen bekleidet werden. Bei Schindler sind es 13 Verwaltungsräte, von denen zwei Familienmitglieder und vier Frauen sind. Bei Bucher sind es sechs Verwaltungsratsmitglieder, darunter eine Frau und zwei Familienvertreter. Diese Attributionen sind stellvertretend für alle Index-Mitglieder. Allerdings gilt nicht, je umsatzstärker, desto grösser der Verwaltungsrat. Roche hat nur 10 Verwaltungsräte, darunter drei Frauen und zwei Familienmitglieder.

Die Schindler Namenaktie hat in den letzten 10 Jahren fast 75% zugelegt. Chart: six-group.com

Frauen im Verwaltungsrat

Die höchste Frauenquote weist übrigens mit fünf von neun Verwaltungsräten die nicht kotierte Liebherr auf, gefolgt von Compagnie Financière Richemont, wo fünf von 16 Verwaltungsräten weiblich sind. Die eigentlich südafrikanische Gesellschaft liegt mit einem Jahresumsatz von 22.3 Mrd. USD im Global 500 Index auf Rang 79. Der Hauptaktionär Rupert hält 51% der Aktien. Kein einziges der 16 Schweizer Index-Mitglieder hat einen weiblichen CEO. Nur bei Liebherr, Swatch und Stadler ist der CEO ein Mitglied der Familie des Hauptaktionärs.

Ranking und Beteiligungsquoten

Stadler kommt mit einem Jahresumsatz von 4 Mrd. USD im globalen Ranking der Familiengesellschaften auf Position 447. Der Hauptaktionär Peter Spuhler hält 41,5% der Anteile. Bei Swatch liegt der Familienanteil der Hayeks bei 42,9%. Der Jahresumsatz lag bei 8 Mrd. USD, was Swatch auf Rang 238 bringt. Fast auf gleicher Höhe liegt Barry Callebaut mit 7.9 Mrd. USD, was Position 240 bedeutet. Der Hauptaktionär Jacobs Holding hält 45,1%. Ähnlich ist die Beteiligungsquote der Familie Keller mit 45% bei der bereits 1865 gegründeten DKSH. Mit einem Jahresumsatz von 12.2 Mrd. USD bekleidet DKSH Rang 145 der Global 500. Das IPO an der SIX erfolgte 2012.

Aktiekurs Stadler Rail
Rund ein Drittel an Wert haben die Aktien der Stadler Rail Group seit dem IPO verloren. Chart: six-group.com

Performance der Familiengesellschaften an der Börse

Das Ranking von Uni St. Gallen und EY bezieht sich auf die Jahresumsätze der Global Top 500 Family Businesses. Das ist plausibel, da die privat gehaltenen Unternehmen ihre Gewinnzahlen nicht publik machen. Für Anleger sind Umsatzzahlen aber nur ein Parameter, und nicht einmal von herausragender Bedeutung. Die Kursverläufe der börsenkotierten Aktien erzählen die eigentliche Geschichte – und die ist nicht immer inspirierend. So liegt trotz der häufigen Erfolgsmeldungen Stadler aus Sicht der Erstzeichner beim IPO 2019 deutlich im Minus. Die ersten Kurse lagen oberhalb von 40 CHF, kurzzeitig wurde die 50-CHF-Marke touchiert, doch seit 2020 ist die Aktie auf Talfahrt. Aktueller Kurs: 27 CHF. Auch die vielen positiven Einschätzungen von Banken und Analysten konnten der Schwerkraft nichts entgegensetzen.

Perspektiven von Swatch und Schindler

Bei Swatch konnte zwar die Namenaktie zwischen 1997 und 2014 von unter 80 CHF auf fast 600 CHF klettern, seitdem jedoch geht die Aktie in Richtung Süden. Der aktuelle Kurs beträgt 179 CHF. Ein Ende des Abwärtstrends zeichnet sich bisher nicht ab. Bei Schindler zeigt sich ein anderes Bild. Die Aktie ist stetig gestiegen und hat sich zwischen 1997 und 2021 verzwanzigfacht. Eine heftige Korrektur führte dann bis Ende 2022 zu einer Kurshalbierung. Zwischenzeitlich hat sich ein neuer Aufwärtstrend etabliert, die zuvor erlittenen Kursverluste wurden gut zur Hälfte wieder aufgeholt.

Trendwende bei Barry Callebaut?

Ähnlich ist die Lage bei Barry Callebaut. In den 20 Jahren bis 2022 hat sich der Kurs nahezu verzwanzigfacht, dann jedoch bis April 2024 halbiert. Zwar liegen die Tiefs hinter der Aktie, doch ein neuer nachhaltiger Aufwärtstrend lässt noch auf sich warten. Grund für den Absturz waren Managementfehler, die der neue CEO nun entschlossen ausbügelt. Er will das Unternehmen erneut auf Erfolgskurs bringen. Das kann allerdings noch dauern.

Richemont profitiert von der Luxusgüterkonjunktur

Bei Richemont dagegen ist der langfristige Aufwärtstrend ungebrochen, wenn auch die Kursentwicklung volatil verläuft. Richemont als lupenreiner Luxusgüterkonzern konnte insbesondere seit Beginn der Covid-Pandemie mit einem überzeugenden Zahlenwerk punkten. Die Dynamik in China lässt zwar durch die anhaltende Wachstumsschwäche nach, dafür belebt sich die Nachfrage in den USA und anderen westlichen Märkten. Wie sonst nur Hèrmes ist Richemont an der Spitze der Luxusgüterproduzenten angesiedelt und damit wenig vom Auf und Ab der Konjunktur betroffen.

Richemont Aktienkurs
Der Aktienkurs von Richemont hat sich in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt. Chart: six-group.com

Roche – gelingt die Trendwende?

Auch bei Roche hat der Trend in den letzten Monaten nach oben gedreht. Die Aktie war nach dem Abklingen der Covid-Pandemie abgerutscht, da die starken Umsätze der Diagnostik-Sparte abgeklungen sind. Rückschläge bei Studien zu neuen Medikamenten steuerten zur Korrektur ebenfalls bei. Dem stehen aber auch Erfolge gegenüber, wie es von dem weltweit führenden Pharma-Konzern auch zu erwarten ist. In Summe hat Roche über die vielen Jahrzehnte zahlreiche Innovationen und Blockbuster hervorgebracht, doch zeitweilig sind auch immer wieder Gegenwinde zu verkraften.

Kühne+Nagel in Pole Position an den Transportmärkten

Bis März 2020 war die Entwicklung der Aktie von Kühne+Nagel positiv, wenngleich eher unspektakulär. Dann jedoch hat sich die Aktie innert 18 Monaten fast verdreifacht. Hintergrund waren die Verwerfungen der Lieferketten und an den internationalen Transportmärkten, die zu extrem hohen Frachtraten und Gewinnen führten. Inzwischen hat sich die Lage einigermassen normalisiert. Der Kurs liegt rund 30% unter dem Hoch.

Bucher – solider Langfrist-Performer

Der langfristige Kursverlauf von Bucher zeigt einen stetigen Aufwärtstrend. Nach dem Knick der letzten Jahre, der von Nachfrageschwächen bei Investitionsgütern und dem höheren Zinsniveau verursacht war, zeigt die Entwicklung zwischenzeitlich wieder nach oben. Die Aktie liegt rund 30% unter dem Hoch von 2021. Bei DKSH oszilliert der Kurs seit dem Börsengang 2012 zwischen 45 CHF und 90 CHF. Die Tendenz bleibt seitwärtsgerichtet.

Fazit

Mögen auch viele Studien belegen, dass Familiengesellschaften an der Börse besser als der breite Markt performen, so zeigen doch viele Einzelbeispiele, dass auch das Gegenteil zutreffen kann. Es kommt eben doch nicht in erster Linie darauf an, dass Familiengesellschafter einen langfristigen Horizont einnehmen, sondern eher darauf, dass die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit getroffen werden. Das können nicht selten externe CEOs besser leisten, weil diese eher emotionslos und mit kühlem analytischen Sachverstand entscheiden. Zudem sind sie in der Regel stark intrinsisch motiviert, was bei Nachfahren aus der zweiten, dritten oder vierten Generation herausragender Unternehmer eher selten der Fall ist. Oft sind sich die Erben auch uneinig, was sich zwangsläufig direkt oder indirekt auf die Qualität der Unternehmensführung auswirkt, sei es, dass falsche Entscheidungen aus den falschen Gründen oder auch keine Entscheidungen getroffen werden, obwohl es notwendig wäre. Und nicht selten leiden auch insbesondere Familiengesellschaften unter dem übermächtigen patriarchalischen Führungsstil, der wenig Raum für Manager und Mitarbeitende bietet, zur positiven Entwicklung des Unternehmens beizutragen. Die Besten gehen dann. Aktien von Familiengesellschaften können langfristige Top-Performer sein, sind es aber nicht in allen Fällen. Wie bei jeder Aktie sind Investoren auf ein gesundes Urteilsvermögen angewiesen, wollen sie eine überdurchschnittliche Performance erzielen.

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