Jungfraubahn: Generationenwechsel bei der grössten Schweizer Bergbahn

Boomender Sommer- und Ausflugstourismus, schwaches Wintersportgeschäft

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Die V-Bahn der Jungfraubahnen mit dem Eiger-Express war das wichtigste Projekt in den vergangenen Jahren. Bild: jungfrau.ch ©DavidBirri

Nur ganz knapp ist die Jungfraubahnen-Gruppe im 1. Halbjahr 2024 an einem neuen Rekordergebnis vorbeigeschrammt. Vor allem gestiegene Kosten führten zu einer geringeren Marge. Mit einem Rekordumsatz von 141.8 Mio. CHF (+7,0%) und einem Reingewinn von 34.5 Mio. CHF kann der im kommenden Jahr abtretende CEO Urs Kessler dennoch sehr zufrieden sein. Ob sich der Erfolgskurs nach der Ära Kessler fortsetzt, ist offen. Zwar hat der Verwaltungsrat Ende August mit Oliver Hammel den Nachfolger bestimmt; wie sich der Wechsel nach 16 Jahren unter der Führung des Berner Oberländers Kessler auf die künftige Unternehmensentwicklung auswirkt, muss sich erst noch zeigen. Denn, wie die Jungfraubahnen in einer Medienmitteilung selbst schreiben: Die Fusstapfen von Urs Kessler, in die Hammel treten wird, sind gross.

Top of Europe lockt jährlich 1 Mio. Besucher an

Höher. Schneller. Weiter. Das könnte auch das Motto des Interlakner Tourismusunternehmens sein. Denn mit wenigen Ausnahmen, wie den Pandemiejahren 2020 bis 2022, ging es bei der Jungfraubahn-Gruppe stets aufwärts. Die Besucherzahlen am Jungfraujoch, das weltweit als Top of Europe vermarktet wird, kletterten zeitweise auf über 1 Million. Mit den Gästezahlen stiegen auch die Umsätze der Jungfraubahn-Gruppe an. Eng verbunden ist der Anstieg mit dem Eintritt von Urs Kessler 1987 in das Unternehmen. Er hat erst als Verkaufsleiter die asiatischen Märkte erschlossen und später als CEO den Aufstieg des Unternehmens entscheidend mitgestaltet. Es ist also auch kein Wunder, dass im 1. Halbjahr 2024, dem letzten vollen Geschäftsjahr unter der Leitung des Berner Oberländers, wieder ein Rekordumsatz von 141.8 Mio. CHF vermeldet werden konnte.

Besucherzahlen Jungfraujoch seit 1912
In der mehr als 100-jährigen Geschichte der Jungfraubahn sind die Gästezahlen auf dem Jungfraujoch auf über 1 Mio. gestiegen. Abb. jungfrau.ch/Investorenpräsentation

Jungfraujoch wieder auf Rekordkurs

Doch zum kräftigen Umsatzanstieg beim Gesamtumsatz hat nicht nur das Flaggschiff Jungfraujoch beigetragen. Hier stiegen die Verkehrserträge im 1. Semester nur um 2,2% auf 56.9 Mio. CHF, die Gästezahlen allerdings um 9,9%, was nur noch 2,2% weniger als im bisherigen Rekordjahr 2019 sind. Die geringe Zunahme des Verkehrsertrags bei einem kräftigen Anstieg der Gästezahlen erklärt das Unternehmen in seinem Halbjahresbericht mit dem Einsatz der «Swiss Half Fare Card», einem Halbtax für internationale Touristen. Insgesamt stieg der Nettoumsatz am Jungfraujoch auf 83.9 Mio. CHF (+3,4%). Auf der Stufe Betriebsergebnis (EBITDA) konnte der Rekordwert des Vorjahres nicht gehalten werden. Obwohl das Jungfraujoch mit 33.8 Mio. CHF mehr als die Hälfte zum Gruppen-EBITDA von fast 62 Mio. CHF beisteuert, ging der Wert in der ersten Jahreshälfte um 5,1% zurück.

Erlebnisberge liefern wichtige Beiträge zum Erfolg

Der wichtigste Treiber der Umsatzentwicklung waren im 1. Halbjahr 2024 die Erlebnisberge, zu denen der Harder in Interlaken, die Schynige Platte in Wilderswil und die First in Grindelwald gehören. Hier wies die Bahn ein fettes Plus von 35,4% auf 17.7 Mio. CHF aus. Der Nettoumsatz der drei Erlebnisberge kletterte auf 22,2 Mio. CHF (+31,5%). Wie der Segmentsberichterstattung zu entnehmen ist, stieg das EBITDA für die Erlebnisberge um 35,2% auf knapp 13.4 Mio. CHF. Die Erlebnisberge haben sich erst in den vergangenen zehn Jahren zu einem wichtigen Standbein der Jungfraubahnen-Gruppe entwickelt. 2004 fusionierte die Firstbahn mit der Jungfraubahn, die später ihr Sommergeschäft immer weiter ausbaute und heute mehr Umsatz im Sommer als im Winter erzielt. Auch die Harderbahn und die Schynige-Platte-Bahn konnten erst dank einer starken Kooperation in der Vermarktung mit der Jungfraubahn ihr volles Potenzial entfalten und erzielen heute hervorragende Margen, wie auch das Halbjahresresultat unterstreicht.

Schwaches Wintersportgeschäft

Weniger gut lief es hingegen im Wintersportgeschäft. Die Anzahl Skiervisits in der Jungfrau Ski Region stagnierte bei 930’000, der Verkehrsertrag nahm sogar um 4,1% auf 24.5 Mio. CHF ab. Mit dem Wintersportgeschäft setzten die Jungfraubahnen im 1. Semester 2024 nur noch 29.6 Mio. CHF um, ein Rückgang von 2,6% gegenüber dem Vorjahr. Begründet wird das schwache Abschneiden u. a. mit Promotionen sowie den unsicheren Wetterbedingungen. Im Wintersportgeschäft verdiente die Jungfraubahn-Gruppe von Januar bis Juni nur noch 9.8 Mio. CHF (-24,4%), dies vor Abschreibungen. Dies ist dennoch mehr als 2019, in dem das Wintersportsegment einen Nettoumsatz von 21.9 Mio. CHF erzielte und ein EBITDA von 5.7 Mio. CHF. Das dürfte nur knapp ausgereicht haben, um die Abschreibungen zu finanzieren. Noch vor der Eröffnung der V-Bahn hatte Urs Kessler versprochen, dass man mit der Eröffnung der V-Bahn wieder in der Champions League der Wintersportbahnen mitspielen wolle und das Segment einen positiven Beitrag zum Gruppenergebnis beisteuern werde.

Mehr Kosten für Waren, Personal und Energie

Dass es der Jungfraubahn-Gruppe im 1. Semester nicht gelungen ist, auch auf Stufe EBITDA an den Rekord des Vorjahres anzuknüpfen, liegt am überproportional höheren Betriebsaufwand. Nicht nur der Warenaufwand (+11,8%), auch die Kosten für Energie (+171,5%) und der Personalaufwand (+10,4%) stiegen kräftig an, was insgesamt zu einem um rund 10 Mio. CHF höheren Betriebsaufwand von 79.8 Mio. CHF führte. Trotz eines leichten Rückgangs um 1,8% erreichte das EBITDA knapp 62 Mio. CHF und eine Marge von 43,7%. Dies stellt für ein Bergbahnunternehmen einen hervorragenden Wert dar. Allerdings hatte die Bahn die Corona-Pandemie auch genutzt, um die Organisation zu durchleuchten und auf Kosteneffizienz zu trimmen. Davon profitierte die Gesellschaft vor allem 2023.

Wichtige Zukunftsprojekte aufgegleist

Obwohl Urs Kessler bereits an der Generalversammlung vom kommenden Jahr das Unternehmen verlassen wird, hat er gemeinsam mit seiner Geschäftsleitung noch wichtige Projekte auf den Weg gebracht. Dazu gehören die rund 100 Mio. CHF teure Erneuerung der Firstbahn, die voraussichtlich ab 2030 direkt ab Grindelwald Bahnhof ins Ski- und Ausflugsgebiet in dem Bergdorf führen wird. Auch hat das Stimmvolk in Lütschental mit grossem Mehr dem Bau einer Solaranlage auf der Alp Hintisberg durch die Jungfraubahn zugestimmt. Ein wichtiges Projekt, das dem Berner Oberländer Tourismusunternehmen künftig neben dem Wasserkraftwerk Lütschental weiteren sauberen Strom liefern soll. Und auch ein Hotelprojekt am Bahnhof Interlaken Ost von den Berner Oberland Bahnen (BOB) ist auf den Weg gebracht worden.

Von DKSH ins Berner Oberland

Diese Projekte wird im kommenden Jahr Oliver Hammel zu Ende führen, der im Juni 2025 das Steuer von Urs Kessler übernimmt. Bisher leitet Hammel für das Handelsunternehmen DKSH den Geschäftsbereich Technologie für die Märkte Thailand, Laos, Kambodscha und Myanmar. Zuvor führte er den Technologiebereich für den Markt China mit Sitz in Shanghai. Der 41-Jährige, der mit einer Chinesin verheiratet ist, verfügt allerdings über keinerlei Erfahrung im Tourismus und ist auch im Berner Oberland nicht verwurzelt. Er wird dann gemeinsam mit dem Verwaltungsrat eine neue Ära für das Tourismusunternehmen einläuten.

Oliver Hammel, neuer CEO der Jungfraubahn
Der 41-jährige Oliver Hammel wird ab Juni 2025 die Leitung der Jungfraubahn-Gruppe übernehmen. Bild: zvg

Allerdings zeichnet sich auch im Verwaltungsrat schon bald ein Generationenwechsel ab: Präsident Heinz Karrer ist 65-jährig und erreicht daher das Pensionsalter. Entscheidend wird daher auch sein, wer Karrers Nachfolge antritt und welche Impulse dann vom neuen CEO und dem verjüngten Verwaltungsrat für die grösste Bergbahngesellschaft der Schweiz gegeben werden.

Fazit

Noch einmal muss Urs Kessler liefern. Er wird auch für 2024 einen neuen Rekord beim Umsatz anstreben. Ob dies auch auf Stufe Unternehmensgewinn gelingt, muss sich erst noch zeigen. Denn die Kostentreiber bleiben auch in der 2. Jahreshälfte bestehen. Die Bewertung der Aktie hatte eine positive Entwicklung teilweise vorweggenommen. Der Kurs stieg im 1. Halbjahr 2024 auf über 200 CHF, korrigierte nach Bekanntgabe des Halbjahresergebnisses allerdings bereits wieder.

Hier zeigt sich einerseits, dass die Investoren nicht ganz glücklich damit waren, dass die Kosten überproportional zum Umsatz gestiegen sind. Andererseits war auch die Wahl des neuen CEO überraschend. Zwar könnte mit dem von aussen kommenden Oliver Hammel ein ganz neues Kapitel für die Jungfraubahn-Gruppe aufgeschlagen werden. Dies wünscht sich offenbar auch der Verwaltungsrat, da er bewusst nicht auf eine interne Lösung setzt. Zudem kann Hammel seine Kenntnisse über die asiatischen Märkte voll in das Unternehmen einbringen. Ob es ihm allerdings auch gelingt, in der Tourismusbranche Fuss zu fassen, muss sich erst noch zeigen. Ebenso fehlt ihm noch das regionale und schweizweite Netzwerk, das in der Branche nötig ist, um Projekte zum Erfolg zu bringen.

Am Schluss dürfte es auch an der Strategie des Verwaltungsrats liegen, wie sich die Jungfraubahn-Gruppe in den kommenden Dekaden entwickelt. Eine Konsolidierungsstrategie in der Region und darüber hinaus wäre eine Option; dies gerade in Zeiten, in denen wieder einmal ausländische Konzerne wie Vail Resorts und Alterra in die Schweiz expandieren. Eine andere Strategie wäre es, direkt in den Wachstumsmärkten Asiens eigene neue Projekte zu entwickeln, so wie es der Flughafen Zürich mit seinen internationalen Projekten in Südamerika und Indien tut. Die Antworten auf diese Fragen werden auch entscheidend dafür sein, welches Potenzial die Aktie in Zukunft noch hat. Hinzu kommen die Herausforderungen, welche mit dem Klimawandel einhergehen und u.a. das Wintersportgeschäft gefährden könnten.

Aktienkurs Jungfraubahn Holding AG
Während der Amtszeit von Urs Kessler als CEO hat sich der Aktienkurs zeitweise mehr als vervierfacht. Chart: six-group.com

Mit einem erwarteten KGV von 15 und einer Dividendenrendite von 3,5% ist die Aktie auf dem aktuell niedrigeren Kursniveau sicherlich nicht zu teuer. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass trotz weiterer anstehender Investitionen, wie z. B. der Erneuerung der Firstbahn, hohe Cashflows generiert und in Form von Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet werden können. Nach der jüngsten Kurskorrektur auf rund 180 CHF ist die Aktie für Anleger trotz des anstehenden Managementwechsels wieder interessanter geworden.

Hinweis in eigener Sache: Am 29. Oktober 2024 findet der Branchentalk Tourismus am Flughafen Zürich statt. Urs Kessler, CEO der Jungfraubahn Holding AG, wird am Investoren-Meeting teilnehmen.

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