Theo Schnider, Verwaltungsratspräsident der Bergbahnen Sörenberg AG (BBS), nimmt kein Blatt vor den Mund. Verletzlich sei man geworden, finanziell stecke man in Schwierigkeiten, ein zermürbender Winter liege hinter dem Unternehmen, beklagt der VRP im Vorwort zum Geschäftsbericht.
Er habe schon an der Generalversammlung im Herbst 2023 davor gewarnt, dass ein erneuter schlechter Winter die Bergbahnen in finanzielle Schwierigkeiten bringen könne. «Was wir uns alle nicht herbeiwünschten, ist mit voller Wucht eingetroffen: 22% weniger Ersteintritte im 5-Jahresschnitt und ein Verlust von 2.4 Mio. CHF.»
Regen und zu warme Wintertemperaturen
Der Grund ist schnell ausgemacht. Begann der Winter 2023/24 noch vielversprechend und ermöglichte mit viel Schnee einen «grossartigen» Saisonstart, folgten schon bald der grosse Regen und viel zu warme Temperaturen.
Immerhin hat die künstliche Beschneiung bestens funktioniert, so der VRP. Die Investitionen in die zusammenhängende Beschneiungsanlage Rothorn bis Dorf seien entscheidend wichtig. Auf dem Rothorn habe es viel Naturschnee und in den Gebieten Dorf und Platz trotz der widrigen Umstände gute Pistenverhältnisse dank Kunstschnee gegeben. «Wir dürfen sogar behaupten, dass wir erstaunlich ‹kunstschnee-sicher› sind», schreibt Schnider.
Keine Sommerreserven wegen Umbau der Luftseilbahn
Auf Sommerreserven konnte das Unternehmen hingegen nicht bauen, wurde doch 2023 die Luftseilbahn auf den höchsten Luzerner Berg fertiggestellt. Der Auftritt der neuen Luftseilbahn Brienzer Rothorn begeistere jetzt Gäste wie Seilbahnfachleute, freut sich Schnider. Sich für die Ausbauvariante «Retrofit» zu entscheiden, also möglichst viel Bausubstanz und bestehendes Wissen mit einfliessen zu lassen, sei absolut richtig gewesen und habe sich gelohnt. Mit dem gezielten Ausbau auf dem Berg, mit neuen sanitären Anlagen, einer leistungsfähigen Küche und einem gemütlichen Gipfelrestaurant erfolge nun auf die Sommersaison 2024 der Abschluss des Projektes «Retrofit».
Einnahmerückgänge in sämtlichen Segmenten
Die Nettoerlöse der Bergbahnen Sörenberg sanken im Berichtsjahr 23/24 (zum 31.05.) um über 10% auf 10.4 Mio. CHF (Vorjahr 11.7 Mio. CHF). Auffallend ist, dass sämtliche Segmente stark zurückgehende Einnahmen verzeichneten, von den Transporteinnahmen über die Erträge aus der Restauration bis hin zu Beherbungs- und Logiserträgen.
Gegensteuer gaben die Sörenberger um CEO René Koller und CFO Otto Jenni, in dem auch die Kosten deutlich nach unten getrieben wurden. So sank der Betriebsaufwand von 4.7 Mio. auf 4.3 Mio. CHF, und dies trotz deutlich höherer Energiekosten. Der Personalaufwand reduzierte sich von 5.6 Mio. CHF auf 5 Mio. CHF.
Fremdkapitalquote steigt stark an
Aber durch deutlich höhere Abschreibungen von 2.3 Mio. CHF (nach 1.9 Mio. im Vorjahr) und einen um mehr als 100% gestiegenen Finanzaufwand von 0.52 Mio. CHF steht unter dem Strich ein Jahresverlust von 2.44 Mio. CHF (Vorjahr -0.74 Mio.). Der massiv höhere Finanzaufwand ist durch die höheren Zinszahlungen für das aufgenommene Fremdkapital sowie durch die Zinszahlungen beim Leasing der Pendelbahn Rothorn zurückzuführen.
Die Investitionen von 22 Mio. CHF in «Retrofit» machen sich dann auch deutlich in der Bilanz bemerkbar. Auf der Aktivseite spiegelt sich dies in einem von 27 Mio. auf 34 Mio. CHF gestiegenen Anlagevermögen wider. Auf der Passivseite ist das Fremdkapital von 17.2 Mio. auf 30.1 Mio. CHF angeschwollen, die Bilanzsumme besteht nun aus 75% Fremdkapital, die Eigenkapitalquote ist von 42% auf 25% zurückgegangen.
Nach zwei verlustreichen, weil schneearmen, Wintern nach der Pandemie und stark gestiegenen Zins- und Energiekosten sowie der zu stemmenden Grossinvestition am Rothorn spricht Theo Schnider von einer Herkulesaufgabe, die auf die Bergbahnen Sörenberg AG zukommt.
Abkehr vom Dynamic Pricing
Mit dem Projekt «New Horizon» hätten der VR und die GL nach einer intensiven Analysearbeit, wo kein Stein auf dem anderen blieb, diverse Lösungsansätze unter dem Motto «Kräfte bündeln» erarbeitet, schreiben die BBS. Im Fokus stehe ein Konzentrationsprozess, um die Kostenbasis zu reduzieren mit gleichzeitiger Vorwärtsstrategie und Stärkung der Kernelemente und Potenziale. Kurzfristig bedeutet dies die Verkleinerung des Winterbetriebs mit Fokus auf die Skigebiete Sörenberg Dorf, Schwand und Brienzer Rothorn.
Ebenfalls hat der Verwaltungsrat entschieden, nach zwei Jahren vom aktuellen Preismodell «Dynamic Pricing» abzusehen und zum Fixpreissystem zurückzukehren. Kundenzufriedenheit habe oberste Priorität, so die BBS. Die Aufgabe des Preismodells «Dynamic Pricing» sei aber keine Abkehr von der Digitalisierung.
Heftige Kundenreaktionen
Apropos Kundenzufriedenheit: In den sozialen Medien und den Kommentaren z.B. des «Entlebucher Anzeigers» macht sich bereits der Frust der Gäste bemerkbar. Vor allem die Schliessung von Rieschli und Ochsenweid stösst manchem sauer auf. «Anstatt Millionen ins Rothorn zu stecken, das für Familien mit Kindern wenig attraktiv ist, hätte man besser die Infrastruktur im Rischli verbessert, um die Schneesicherheit zu erhöhen», meint ein Kommentarschreiber.
Fazit
Dass sich Gäste über den einen oder anderen Einschnitt in «ihrem» Skigebiet ärgern, ist nachvollziehbar, aber eben nicht entscheidend für die weitere Strategie der Betreiber, die längerfristig das Potenzial des von ihnen bearbeiteten Tourismusgebiets im Auge haben müssen. Die klaren Worte, die VRP Schnider im Geschäftsbericht wählt, sind deshalb notwendig, um ein gewisses Mass an Alarmbereitschaft bei der Belegschaft, aber auch bei Aktionären und Gästen auszulösen.
Denn ein Skigebiet in mittlerer Lage, wie es die BBS betreibt, wird wohl in Zukunft noch stärker unter der Erwärmung und dem Ausbleiben des Weissen Goldes «Schnee» zu leiden haben. Es ist deshalb auch richtig, den Fokus stärker auf den Sommerbetrieb zu richten, wie es die BBS mit den Investitionen ins Brienzer Rothorn vormachen. Eine ganze Reihe anderer Bergbahnbetriebe in einer ähnlichen Höhenlage versucht ebenfalls, mit dem Fokus auf den Sommerbetrieb dem Fluch der warmen Winter zu entkommen.
Jetzt hoffen die Betreiber, dass sie mit «Retrofit» den Gipfel des Rothorns deutlich attraktiver gemacht haben und damit zusätzliche Gäste anlocken können. Angesicht einer Investition von 22 Mio. CHF ist jetzt ein starkes Marketing gefragt. Sicher ist es schon mal vernünftig, der Zielgruppe Familien mit der Abkehr vom Dynamic Pricing einen festen Preis anzubieten, der negative Überraschungen ausschliesst.
Für die Aktionäre und Aktionärinnen heisst es jetzt, Geduld aufzubringen. Geduld, weil keine Dividende ausgeschüttet wird und Geduld, um nicht bei schlechten Nachrichten Aktien unter Wert zu verkaufen. Denn der Kurs der auf OTX-X selten gehandelten Aktie ist in diesem Jahr heftig eingebrochen, um über 70%. Allerdings ist anzumerken, dass es sich dabei um einen einzelnen Verkauf im Oktober von 5 Aktien zu 110 CHF handelt, der letzte Preis davor betrug im Februar 2024 noch 340 CHF.
Hinweis in eigener Sache: Am 29. Oktober 2024 findet der Branchentalk Tourismus am Flughafen Zürich statt.