Luxusgüter-Aktien: Neuer Boom?

Top- und Flop-Aktien gehen getrennte Wege

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Der Durchschnittspreis für eine neue Hermès Kelly Bag aus Leder beginnt bei etwa 8’000 CHF und kann je nach Grösse und Material bis zu 80’000 CHF oder mehr gehen. Bild: stock.adobe.com

In den letzten 10 Jahren wurden Luxusgüter in Studien, Analysen und Fachartikeln immer mit dem Hinweis auf China, den dort schnell wachsenden Wohlstand und den unstillbaren Hunger der 1.4 Mrd. Konsumenten auf Luxusgüter aller Art versehen. Inzwischen ist China als Wachstumstreiber in den Köpfen der Anleger assoziativ stark verankert. Doch tatsächlich kommt der grösste Teil der Nachfrage aus den USA, Europa, Japan und vielen Emerging Markets. An den Börsen verläuft die Entwicklung der Luxusgüter-Aktien sehr differenziert.

Es war ein Fehler mancher Unternehmen im Luxusgüter-Segment, ausschliesslich oder hauptsächlich auf China zu setzen. Immerhin handelt es sich um ein Land, das seit mehr als sieben Jahrzehnten von der Kommunistischen Partei gelenkt wird – und Luxus steht auf der Agenda des Politbüros bestimmt nicht weit oben. Tatsächlich ist die Konsumentenstimmung in China eingebrochen, nachdem sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit der Covid-Pandemie stetig verschlechtert haben. Die Wachstumsraten haben sich seitdem halbiert, und ein grosser Teil der potenziellen Käufer von Luxusgütern leidet unter der seit Jahren schwelenden Immobilienkrise, in deren Verlauf die Wiederverkaufswerte der Objekte dramatisch eingebrochen sind. Richtig ist allerdings auch, dass die Klasse der Superreichen in China weiterhin Champagner, Luxusuhren und exklusive Artikel aller Art kauft. Doch ein Massenmarkt, wie bis 2020, ist es nicht mehr. Die meisten westlichen Luxusgüter sind auch in China teurer als in der Schweiz oder in Japan. So kommt es, dass die stark rückläufige Anzahl chinesischer Touristen eher in Zürich oder Tokio Luxusgüter erwirbt, da sie dort weniger kosten als im Heimatland.

China-Lastigkeit fordert Tribut

Manche der börsenkotierten Hersteller von Luxusgütern haben stark auf den chinesischen Markt gesetzt und dort zunächst hohe Wachstumsraten und dann auch hohe Umsatzanteile erreicht. Ein solches Beispiel ist Ermenegildo Zegna. Die Aktie ist seit 2021 an der NYSE kotiert. Der luxuriöse und traditionsreiche italienische Hersteller von edler Bekleidung erzielte sehr hohe Umsatzanteile in China. Der Kurs hat sich in den letzten Monaten fast halbiert. In der Region Greater China sanken die Umsätze im ersten Halbjahr 2024 um 13,2% auf nur noch 266.3 Mio. USD. Diese Entwicklung wurde zwar durch die Zuwächse in den meisten anderen Regionen, vor allem den amerikanischen Ländern, mehr als kompensiert, doch trotz der Umsatzerhöhung um 6,3% auf 960.1 Mio. USD lag das organische Wachstum bei -2,7%, und der operative sowie der ausgewiesene Gewinn litten deutlich.

Gewinnschrumpfung bei Kering

Bei allen an der Börse vertretenen Luxusgüter-Produzenten erzählen die Kursverläufe die eigentliche Geschichte. Zu den Verlierern zählt neben Zegna die französische Kering, deren Aktie im letzten Jahr 44% verlor und auf 5-Jahressicht 49%. Im ersten Halbjahr 2024 sank der Konzernumsatz um 11% auf 9 Mrd. Euro, der Anteil der Region Asien-Pazifik ging um 5 Prozentpunkte auf 32% zurück. Die grösste Marke ist Gucci, die seit einiger Zeit schon mit Problemen ringt. Der Markenumsatz sank im ersten Semester um 20% auf 4.1 Mrd. Euro. Auch die anderen Marken verzeichneten aus verschiedenen Gründen einen Rückgang der Margen. Der Gewinn je Aktie fiel um mehr als die Hälfte auf 7.16 Euro.

Chart Kering
Kursverlauf der Kering-Aktie während der letzten 5 Jahre. Chart (in EUR): boerse.de

Soll ein «Taking Private» den Sinkflug von Swatch stoppen?

Ein weiterer Verlierer im Universum der Luxusgüter-Konzerne ist die Schweizer Swatch, trotz der jüngsten Kurserholung. Im ersten Halbjahr 2024 sank der Umsatz um 14,3% auf 3.5 Mrd. CHF. Ohne die Währungsverluste von 145 Mio. CHF lag der Rückgang bei 10,7%. Swatch hebt im Halbjahresbericht explizit hervor, dass der scharfe Rückgang der Luxusgüter-Nachfrage in China für den Umsatzschwund ursächlich ist. Die Marke Swatch entwickelte sich entgegen dem Trend in China mit einem Wachstum von 10% jedoch positiv. Der Gewinn kollabierte von 686 Mio. CHF auf 204 Mio. CHF. Für das zweite Semester gibt sich CEO Nick Hayek optimistisch und erwartet starkes Wachstum in den USA und Japan. Der chinesische Markt bleibe bis Ende des Jahres schwierig, das Potenzial für weiteres Wachstum sei jedoch intakt. Die Aktie verlor im vergangenen Jahr 20% und auf 5 Jahressicht 18%. Das klingt weniger dramatisch, als es wirklich ist. Das historische Hoch Ende 2013 lag bei fast 600 CHF, das Zwischenhoch von 2018 bei fast 500 CHF. Die Aktie stürzte Ende September 2024 bis auf 149 CHF und stieg dann unter dem wohlgenährten Eindruck eines bevorstehenden «Taking Private» durch die Hauptaktionäre auf rund 180 CHF an. Tatsächlich kaufte die Familie Hayek für etliche Mio. CHF Aktien am Markt. Von den Marktteilnehmern wird darüber spekuliert, ob die Familie ein öffentliches Übernahmeangebot für alle ausstehenden Aktien schultern kann. Die aktuelle Marktkapitalisierung der Kategorie der Inhaberaktien beträgt nur noch 5.6 Mrd. CHF. Am Markt wird geschätzt, dass ein überzeugendes Übernahmeangebot bei mindestens 230 CHF je Aktie liegen müsste.

Italienische Luxusgüter-Produzenten als Übernahmeziele

Weitere Übernahmen liegen in der Luft. Im September erwarb der Branchenprimus LVMH 10% an der Beteiligungsgesellschaft des CEO und Grossaktionärs des italienischen Luxusgüter-Konzerns Moncler, Remo Ruffini, mit der Option, die Beteiligung auf 22% zu erhöhen. Ruffini will mit dem frischen Kapital seinen Anteil am Aktienkapital von bisher 16% erhöhen. Die Moncler-Aktie ist seit 2013 an der Mailänder Börse kotiert und bringt nach dem jüngsten Kurssprung eine Market Cap von 14.8 Mrd. Euro auf die Waage. In den letzten 5 Jahren hat sich der Umsatz auf 3 Mrd. Euro nahezu verdoppelt. Gerade in Italien sind etliche Player noch in Familienbesitz, u.a. Ferragamo, Zegna und Prada unter den börsenkotierten Unternehmen, aber auch privat gehaltene Unternehmen wie Giorgio Armani. Der smarte Einstieg bei Moncler durch LVMH könnte die nächste Runde der Konsolidierung einläuten. Die Prada-Aktie stieg in den letzten 12 Monaten um 22% und in den letzten 5 Jahren um 135%. Die Marktkapitalisierung liegt bei 16.4 Mrd. Euro, das KGV für 2024 wird von der Analystengilde auf durchschnittlich 21 geschätzt.

Langfristig überzeugende Performance von Richemont

Richemont dagegen trennt sich nun von den digitalen Aktivitäten mit Namen YNAP, die jahrelang für Verluste gesorgt haben. Letztes Jahr sollte YNAP an den Onlinehändler Farfetch verkauft werden, doch der wurde übernommen, und der neue Eigner Coupang aus Südkorea winkte ab. Nun übernimmt der Onlinehändler Mytheresa YNAP und beteiligt Richemont im Gegenzug mit 33% am Aktienkapital. Dennoch könnte es bei Richemont diesbezüglich noch zu substanziellen Abschreibungen kommen. Durch die Beendigung der verlustträchtigen Expansion in die direkte digitale Vermarktung im Modesegment sehen die Perspektiven für Richemont besser aus. Die Aktie zählt mit einer 1-Jahresperformance von 23% und einer Kurssteigerung um 115% in den letzten 5 Jahren zur Spitzengruppe im Luxusgüter-Universum. Die Market Cap beträgt 67.7 Mrd. CHF. Hier zeigt sich das Muster, dass die Top-Player der internationalen Luxusgüter-Industrie auch die beste Performance bringen. Wenn auch der Gewinn im Geschäftsjahr zum 30. März 2024 leicht auf 3.7 Mrd. CHF zurückging, so hat er sich doch in den letzten 5 Jahren fast vervierfacht.

Chart Richemont
Richemont verzeichnete in den letzten 5 Jahren eine Kurssteigerung um 115%. Chart (in CHF): six-group.ch

Knick im Aktienkurs von LVMH bietet Einstiegschance

Gemessen an der Market Cap bleibt LVMH mit 328 Mrd. Euro der globale Spitzenwert in der Branche. Noch im April 2023 stieg der Kurs kurzzeitig auf über 900 Euro, fiel aber bis September 2024 auf 600 Euro. Auf aktueller Kursbasis errechnet sich bei einem geschätzten KGV für 2024 von 21 ein Kurssteigerungspotenzial zum Höchststand von fast 40%. Die Performance im letzten Jahr belief sich auf -4%, auf 5 Jahressicht 73%. Im ersten Halbjahr wurde ein organisches Wachstum von 1% erreicht. Der Umsatz lag bei 41.7 Mrd. Euro. Der Gewinn sank um 14% auf 7.3 Mrd. Euro. LVMH ist breit diversifiziert und litt unter der generellen Nachfrageschwäche in China sowie Zurückhaltung der Käufer von Mode, Spirituosen und Lederwaren. Es dürfte sich um eine vorübergehende Delle handeln, da die neue Zinssenkungsrunde die Konjunktur und die Zuversicht der Konsumenten verbessern sollte. Wie und wann sich die Konsumentenstimmung in China verbessern soll, bleibt allerdings schwer zu prognostizieren.

Chart LVMH
Gemessen an der Market Cap bleibt LVMH mit 328 Mrd. Euro der globale Spitzenwert in der Branche. Chart (in EUR): google.com

Hermès mit herausragender 5 Jahresperformance

Operativ besser lief es beim Top-Performer Hermès. Die Aktie stieg in den letzten 12 Monaten um 22% und in den vergangenen 5 Jahren um 236%. Die Market Cap liegt aktuell bei 223 Mrd. Euro. Auf Basis des für 2024 geschätzten Gewinns errechnet sich mit 48 das mit Abstand höchste KGV der Branche. Hermès repräsentiert als Pure Play das absolute «High End» des investierbaren Luxusgüter-Sektors. Kein Konkurrent erzielt höhere Margen und hat eine treuere Kundschaft. Wer mehr als 10’000 Euro für die neueste Handtaschen-Kreation ausgeben kann, ist von Zins- und Konjunkturzyklen nicht betroffen. Und selbst auf diesem Preisniveau können spezielle Kreationen nochmals ein Vielfaches davon kosten. Im ersten Halbjahr stieg der Umsatz um 15% auf 7.5 Mrd. Euro, der operative Gewinn um 7% auf 3.2 Mrd. Euro. Die Aktie liegt mit aktuell 2130 Euro nur wenig unter dem Rekordhoch. Hermès bleibt weiterhin die erste Wahl.

Chart Essilor-Luxottica
In den letzten 5 Jahren stieg die Aktie von Essilor-Luxottica um 60%. Chart (in EUR): google.com

L´Oréal und Essilor-Luxottica

Erwähnenswert bleiben L´Oréal und Essilor-Luxottica, wenn auch Luxusgüter nur für einen Teil der Umsätze sorgen. Die Aktie von L´Oréal veränderte sich per saldo im letzten Jahr nicht, die 5-Jahresperformance beträgt 63%. Auf Basis der aktuellen Market Cap von 211 Mrd. Euro beträgt das für 2024 geschätzte KGV 31. Im zweiten Quartal 2024 legte der Umsatz angetrieben durch die Nachfrage in Nordamerika und Europa um 6,7% auf 10.9 Mrd. Euro zu. Essilor-Luxottica zeigt im letzten Jahr mit 29% die beste Kursentwicklung. Ein Grund ist die Zusammenarbeit mit Meta zur Integration von KI in Brillen. In den letzten 5 Jahren stieg die Aktie um 60%. Bei einer inzwischen auf 98 Mrd. Euro angestiegenen Market Cap errechnet sich ein für 2024 geschätztes KGV von 36. Im ersten Halbjahr stieg der Umsatz um 5% auf 13.3 Mrd. Euro, der Gewinn erreichte 1.8 Mrd. Euro.

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