Daura AG: Der Tokenisierungs-Experte stellt seine Geschäftstätigkeit ein

Der Schweizer Blockchain-Pionier stellt Ende November die Geschäftstätigkeit ein. Ganz überraschend kommt das nicht.

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Das Unternehmen – und mit ihm das Logo – ist bald Geschichte. Der Tokenisierungsexperte muss aufgeben.

Es ist ein Schock – völlig aus heiterem Himmel kommt er jedoch nicht. Schon mehrfach hat schweizeraktien.net darauf hingewiesen, dass die Tokenisierung von Eigenkapital trotz zahlreicher Projekte in der Schweiz einen schweren Stand hat. Nun wirft der Pionier der Branche das Handtuch. Die Daura AG stellt ihre Tätigkeit ein. In einem Brief an die Aktien-Emittenten schreibt das Unternehmen: «Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass digitale Aktien langfristig die bevorzugte Form der Unternehmensanteile sein werden. Dennoch mussten wir feststellen, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis damit nachhaltig Gewinne erzielt werden können. Daher haben wir die schwierige Entscheidung getroffen, unser Service-Angebot zum 30. November 2024 einzustellen.»

«Es ist schizophren, alle sagen, dass die tokenisierte Aktie die Zukunft ist, trotzdem wagt sich kaum jemand vor», sagt Peter Schnürer, CEO von Daura. Das Unternehmen sei seit einigen Monaten auf der Suche nach einem Kapitalgeber. Man habe sich aber schon von Beginn weg den 1. November als Zeitlimit gesetzt. Obwohl Schnürer noch in Verhandlungen ist, habe er nun begonnen, die Emittenten von tokenisierten Aktien zu informieren, damit diese sich auf die Situation einstellen können. Die Aktionäre, also die Besitzer von tokensierten Aktien, sind noch nicht benachrichtigt worden. Bis Ende Oktober sollen alle Nutzer der Daura-Plattform separat in Kenntnis gesetzt werden.

Das Aktienregister für KMU

Daura wurde im Frühling 2018 als Gemeinschaftsunternehmen von Luka Müller, Partner der Anwaltskanzlei MME, und Swisscom gegründet – Swisscom hat ihren Anteil verkauft und ist mittlerweile nicht mehr an Bord. Im Oktober des gleichen Jahres stiess Peter Schnürer als Geschäftsführer zum Blockchain-Start-up. Das Ziel des Unternehmens war es, die Ausgabe von Aktien, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, die nicht börsenkotiert sind, zu vereinfachen. Daura gab das erste Registerwertrecht der Schweiz auf einer Blockchain heraus. Die Gesellschaft bezeichnet sich als «das Schweizer Aktienregister für KMU».

Peter Schnürer CEO daura
Daura-CEO Peter Schnürer sucht einen strategischen Investor – doch die Zeit wird knapp. Bild: zvg

Über die vergangenen Jahre hat Daura rund 100 Unternehmen als Kunden gewonnen. Nicht alle haben tokenisierte Aktien emittiert, einige führen lediglich das Aktienbuch mit der Technologie oder organisieren ihre Generalversammlung regelmässig digital. Was bedeutet das Aus von Daura für Unternehmen, die ihre Anteile auf der Blockchain handelbar gemacht haben? Die Plattform bleibt gemäss Unternehmensangaben bis Ende November wie gewohnt verfügbar. In dieser Zeit bietet Daura den Kunden die Möglichkeit, alle relevanten Informationen in strukturierter Form von der Plattform herunterzuladen und ausserhalb zu verwenden.

Es fehlt der Sekundärmarkt und das Settlement

Das Angebot von Daura – und anderen Tokenisierungs-Anbietern – wurde im breiten Markt nicht angenommen. Nur vereinzelte KMU entschlossen sich dazu, ihr Eigenkapital digitalisieren zu lassen. Es fehlten grosse «Leuchtturm-Projekte». Zudem mangelte es an Teilen für ein effizientes Ökosystem. Zwar stellen die Anbieter einen funktionierenden Primärmarkt zur Verfügung. Es hätte aber auch einen Sekundärmarkt, der ins bestehende Finanzsystem eingegliedert ist, sowie die Integration von digitalen Zahlungsmitteln und ein ebensolches Settlement für eine unmittelbare Erfüllung des Geschäfts benötigt. Zudem gab es keine bereits kotierten Unternehmen, die sich entschieden, auch tokenisierte Aktien zu emittieren. Die Schweizer Börse und der Finanzplatz arbeiten an einer eigenen Lösung. Deshalb blieben auch die wichtigen institutionellen Anleger den tokenisierten Aktien vorerst fern.

Auch die Aktionariat AG, ein weiterer Tokenisierungsspezialist, sieht sich mit Problemen konfronitert. Im Juli kündigte das Unternehmen an, die Zeit für einen strategischen Wandel sei gekommen. Der Tokenisierungs-Anbieter nahm in Management und Strategie Anpassungen vor. Die Aktionariat AG will sich zukünftig darauf konzentrieren, einem Blockchain-affinen Publikum erstklassige technische Tools zur Verfügung zu stellen. «Wir wollen skalierbare Investor Relations für Unternehmen Wirklichkeit werden lassen, die die Vorteile der Blockchain-Technologie verstehen», schreibt das Unternehmen.

Mit Käufern in Verhandlung

Es sei geprüft worden, ob eine Übergabe an einen strategischen Investor möglich sei, der den langfristigen Fortbestand des Unternehmens sichert, schreibt Daura. «Die Gespräche mit einem potenziellen Käufer laufen weiter, konnten jedoch nicht innerhalb nützlicher Frist abgeschlossen werden», heisst es weiter. In der Folge hätten die Aktionäre von Daura einstimmig die Auflösung der Gesellschaft beschlossen. «Während dieser Auflösungsphase werden wir weiterhin intensiv nach einem strategischen Käufer suchen, der die Plattform weiterführen will. Über den Stand der Entwicklungen werden wir Sie regelmässig informieren», heisst es im Schreiben an Unternehmen mit tokenisierten Aktien. Daura hat sich in den vergangenen Monaten verschlankt und besteht eigentlich nur noch aus dem CEO. Die Entwicklungsarbeit wird an externe Programmierer vergeben.

Auch wenn die Daura-Aufgabe ein Rückschlag für die Tokenisierung ist, das Konzept überzeugt weiterhin. Und egal, wer sich durchsetzen wird, die klassische Finanzinfrastruktur wird früher oder später wegen Effizienzgewinnen auf DLT (Digital Ledger Technology) wechseln. Vielleicht, ohne dass es die Aktionäre gross wahrnehmen, weil lediglich im Hintergrund das Abwicklungssystem auf diese disruptive Technologie wechselt. Die Tokensierung von Vermögenswerten und die Abwicklung des Handels über eine Blockchain bedeuten aber einen grundlegenden Paradigmenwechsel. Das geschieht nicht von heute auf morgen. Die Technologie ist nur Mittel zum Zweck.

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