Schon im Vorfeld der US-Wahlen war bekannt, dass Robert Kennedy Jr. im Fall des Wahlsieges von Trump zum Gesundheitsminister nominiert werden würde. Die Aussagen des erklärten Impfgegners und Kritikers der Pharma-Industrie erscheinen zwar skurril, müssen aber von Investoren dennoch ernst genommen werden.
Zu den schwächsten Performern des letzten Monats zählen die durch Covid bekannten Impfstoffhersteller wie Pfizer, Sanofi und Moderna. Die Kursverluste bewegen sich in der Spitze zwischen minus 5% bei Sanofi und minus 20% bei Moderna, wobei sich die Kurse zwischenzeitlich wieder teilweise erholen konnten. Das ergibt schon ein erstes Bild der Antizipation der Marktteilnehmer. Zum vollständigen Bild gehört aber auch, dass andere Vakzin-Titel wie AstraZeneca nach längerer Schwäche inzwischen eine Trendwende vollzogen haben und höher als vor vier Wochen stehen. Auch Biontech konnte nach der kurzzeitigen Kursschwäche per saldo im letzten Monat um 10% zulegen und 35% in den letzten drei Monaten. Die Kurse wurden allerdings von Fortschritten in der Onkologie-Pipeline getrieben.
Trump-Trade im Healthcare-Sektor
Auch in der breiteren Betrachtung des Pharma-Sektors zeigen sich Schwächen. Amgen verlor im letzten Monat 16%. Merck fällt schon seit dem Sommer, die Jahresperformance fällt mit minus 5,4% negativ aus. Bei Merck hat sich seit der Kennedy-Nominierung eigentlich nur der Trend verlängert. Bei Moderna ist das Bild ähnlich, allerdings extremer. Die Aktie hat seit Mai drei Viertel ihres Werts verloren. Die Folgerung drängt sich auf, dass spekulativ und kurzfristig orientierte Marktteilnehmer wie Momentum Investoren, Hedge Funds und Short Seller als Teil des sogenannten «Trump-Trades» schon vor den Wahlen einfach die von der Covid-Ära her in den USA bekanntesten und am breitesten gehaltenen Aktien von Vakzin-Herstellern sowie weitere Pharma-Titel verkauft haben – in der Erwartung, dass andere folgen. Verdienen lässt sich ja auch an fallenden Kursen.
Der Wahlkampf-Deal mit Trump
Der designierte Präsident hatte Robert F. Kennedy Jr. zum Gesundheitsminister nominiert. Es war ein Deal. Denn der Präsidentschaftskandidat Kennedy hatte erst Kamala Harris angeboten, seine Kandidatur zurückzuziehen, wenn er dafür in ihrer Administration Gesundheitsminister werden würde. Sie lehnte ab, was Trump im August initiativ als Chance zu nutzen wusste. Zuvor hatte Trump im Wahlkampf Kennedy noch als «dümmstes Mitglied des Kennedy-Clans» bezeichnet. Jetzt soll «er sich austoben», wie Trump es nennt.
Das Bild Kennedys in der Öffentlichkeit
Kennedy ist eine durchaus schillernde Persönlichkeit in der amerikanischen Politik. Er ist u.a. als Umweltaktivist, Konsument und Befürworter illegaler Substanzen, Impfgegner und Verbreiter von Verschwörungstheorien in Erscheinung getreten. Am eindrücklichsten sind seine Behauptungen, dass Bill Gates bei der Covid-Impfung Chips zur Kontrolle der Menschheit implantieren liess und dass Autismus eine Folge der Impfung wäre.
Motivation und Familienhistorie
Ein kurzer Blick auf die Familiengeschichte kann manches erklären oder zumindest in hellerem Licht erscheinen lassen. Robert Kennedy Jr. ist 1954 als drittes Kind des ehemaligen US-Justizministers und 1968 ermordeten Präsidentschaftskandidaten Robert Kennedy geboren worden. Auch sein Onkel, John F. Kennedy, war 1963 unter immer noch mysteriös erscheinenden Umständen Opfer eines politischen Attentats geworden. Seine Kindheit und Jugend war durch die erlittenen Traumata geprägt. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass er eine tiefe Abneigung gegen den «deep state», seine Institutionen, die personellen Verflechtungen und die konzentrierte Machtfülle staatlicher Stellen entwickelt hat. Daran mag auch die historische Rolle des legendären Grossvaters Joseph Kennedy beteiligt sein. Der war von Präsident Franklin D. Roosevelt nach dubiosen Alkoholgeschäften in der Prohibition-Ära mit der Mafia, massiver Geldwäsche und dem Kauf verfallener Aktien nach dem Börsencrash von 1929 im Jahr 1934 zum ersten Präsidenten der neu geschaffenen Börsenaufsichtsbehörde SEC ernannt worden.
Reform-Agenda
Den bisherigen Aussagen und Ankündigungen von Robert Kennedy Jr., in Abstimmung mit Trump, folgend, sind umfassende Reformen aller beteiligten Institutionen geplant. Dazu zählen auch die für Zulassungen von Arzneimitteln und Nahrungsmitteln zuständige Behörde FDA sowie die Seuchenschutzbehörde CDC. Nach Kennedys Überzeugung sind alle Impfstoffe nicht sicher, darunter auch die bewährte Kombinationsimpfung von Kindern gegen Masern, Mumps, Keuchhusten und Röteln. Während der Covid-Pandemie positionierte sich Kennedy mit der von ihm bis vor kurzem geführten Organisation «Childre’s Health Defence» aggressiv gegen mRNA-basierte Vakzine und propagierte das nachweislich ineffektive Hydroxychloroquine. Die Zulassung für das Covid-Vakzin von BionTech und Pfizer sollte die FDA zurückziehen.
Kriegserklärung Kennedys an die FDA
Insbesondere die FDA war bisher Ziel von Kennedys Initiativen. Die FDA ist nur vordergründig unabhängig. Tatsächlich ist sie aber in vielerlei Hinsicht dem Department of Health and Human Service (HHS), also dem Gesundheitsministerium, unterstellt, das Kennedy führen soll. Er forderte schon im Vorfeld die leitenden Beamten auf, ihre Sachen zu packen. Programmatisch liest sich seine auf den 25. Oktober datierte Ankündigung auf X: «Der Krieg der FDA gegen die Volksgesundheit wird enden. Dies beinhaltet ihre aggressive Unterdrückung von Psychedelica, Peptiden, Stammzellen, Rohmilch, Hyperbarischer Oxygenierung, Chelattherapien, Vitaminen, sauberen Nahrungsmitteln, Nutraceuticals … sowie allem, was die menschliche Gesundheit verbessert und nicht von der Pharma-Industrie patentiert werden kann.» Hieraus wird klar, dass es für Kennedy um nicht weniger als einen fundamentalen Wandel im US-Gesundheitsmarkt geht.
Fall-out an den Börsen
Der amerikanische Healthcare-Markt ist der grösste der Welt mit den höchsten Margen, aber auch den höchsten Forschungsaufwendungen. Es ist somit nicht verwunderlich, dass die Schatten nicht nur auf die amerikanischen Healthcare Player fallen, sondern auch auf international aktive Pharma-Riesen wie Novartis, Roche, Novo Nordisk, GSK. In der Schweiz sticht auch ins Auge, dass Aktien wie Bachem, Ypsomed und SKAN zuletzt schwach tendierten. Der gemeinsame Nenner hier ist, dass die genannten Unternehmen eine führende Rolle bei injizierbaren Arzneimitteln innehaben – Bachem als Produzent von komplexen Vorstoffen für die Life Sciences Industrie, Ypsomed als Hersteller von Pens und Autoinjektoren und SKAN als Hersteller von Isolatoren für die keimfreie Abfüllung von Injectibles. Neue Gen- und Zelltherapien werden überwiegend injiziert. Die genannten Unternehmen profitieren von dem Trend und den damit verbundenen Investitionen, leiden aber aktuell auch unter den Unsicherheiten. Diese erstrecken sich auf den ganzen Sektor. Novartis hat seit Oktober mehr als 10% verloren, wofür auch Gewinnmitnahmen aufgrund der Frankenstärke zumindest Teil der Ursache sein dürften. Lonza und Sandoz dagegen konnten sich zunächst auf hohem Niveau halten, tendieren jedoch seit November schwächer.
FDA im Visier
Es geht nicht nur um Impfstoffe im Besonderen, sondern auch um die Nahrungsmittelindustrie mit ihren zahlreichen Zusatzstoffen, von denen viele gesundheitsschädigend sind, sowie die Prozesse und die Finanzierung. Ein besonderer Dorn in den Augen von Kennedy und Trump ist die Tatsache, dass die Pharma-Industrie über sogenannte «user-fees» im Wesentlichen die Arbeit der FDA finanziert – und dadurch vielfältige Einflussmöglichkeiten hat und diese auch nutzt. Ein Krieg zwischen der mächtigen Industrie und Kennedy und Trump könnte desaströse Folgen nach sich ziehen. Die Zulassung neuer Arzneimittel könnte erheblich verzögert werden, was die Cashflows der betroffenen Pharma-Hersteller in Mitleidenschaft ziehen würde – und somit auch deren Börsenbewertungen. Investitionen und Akquisitionen würden zurückgestellt werden, junge innovative Life Science Unternehmen würden weniger Kapital erhalten, die Forschung und Entwicklung würde teilweise eingestellt werden müssen. Ein Punkt ist auch, dass die bei der FDA Beschäftigten schlechter als in der Privatwirtschaft bezahlt werden und dennoch sehr spezielle Fähigkeiten benötigen. Unsicherheiten und eine Abkehr von den bewährten Vorgehensweisen könnten zu Abgängen führen und, ebenso wie die angekündigten Entlassungen, die ganze Institution aushöhlen.
Bestätigung Kennedys durch den Senat fraglich
Bevor es jedoch zu solch drastischen Verwerfungen des Gesundheitssystems kommen kann, muss Kennedy erst einmal vom Senat bestätigt werden – eine Prozedur, die sich unter Umständen bis zu zwei Jahre hinziehen kann. Auch wenn dort die Republikaner eine Mehrheit haben, ist nicht unbedingt zu erwarten, dass alle oder auch nur die Mehrheit Kennedy im Amt des Gesundheitsministers bestätigen werden. Ebenfalls müssen die Posititionen im staatlichen Gesundheitswesen, die mit wirklicher Exekutivkraft verbunden sind, vom Senat bestätigt werden, beispielsweise der FDA Commissioner. Bedenkt man, dass der aktuelle FDA Commissioner, der untadelige und unspektakuläre Demokrat Robert Califf, 2022 nur mit 50:46 vom Senat bestätigt wurde, erscheint der relativ kontroverse Kennedy mit seinen extremen Positionen weit weniger konsensfähig. Schon während der Amtszeit von Obama war Kennedy als Leiter des Umweltamtes im Gespräch, hatte jedoch keine Aussicht auf Bestätigung des Senats wegen seiner persönlicher Schwächen. Dass er gläubiger Katholik ist, mag auch eine Rolle spielen, denn im politischen US-Establishment spielen immer noch die Protestanten die erste Geige, so anachronistisch das klingen mag. Trumps Wählerstimmen kamen hauptsächlich von Protestanten und Evangelikalen, weniger von Katholiken.
Fazit
Die Kursverluste im Healthcare Universum sind zumeist noch überschaubar und haben sich teilweise in Gegentrends umgekehrt. Die neue Administration wird erst im Januar die Amtsgeschäfte aufnehmen. Bisher handelt es sich also beim Marktgeschehen um Antizipation und zu einem guten Teil auch um Spekulation. Das Kabinett von Trump repräsentiert nach aktuellen Erhebungen ein Vermögen von fast 400 Mrd. USD. Ob diese Milliardärs-Politiker zum Wohl der breiten Bevölkerung und des Landes handeln werden, bleibt abzuwarten. Immerhin müssen die üppigen Steuergeschenke auch finanziert werden. Die Trump-Administration steht offensichtlich für Leistungskürzungen, auch und gerade im Gesundheitswesen. Verminderte Leistungen und Kappungen von Erstattungsbeträgen treffen die Mehrheit der Bevölkerung. Ein anderer Punkt sind Haftungsfragen. Bisher steht die Regierung für vieles gerade, etwa unerwünschte Folgen von Impfungen. Fallen diese weg, ist fraglich, ob sich noch Hersteller finden, die den US-Markt bedienen werden.
Viele Prozesse und Strukturen im US-Gesundheitswesen sind gesetztlich verankert, so auch bei der FDA. Diese können nicht einfach umgekrempelt werden ohne entsprechende Mehrheiten und Gesetzesänderungen. Mit gesundem Menschenverstand betrachtet ist es eher unwahrscheinlich, dass das Wesen des Gesundheitssystems der USA fundamental verändert wird, auch wenn es zu teilweise durchaus sinnvollen Änderungen Anlass gibt. Das grösste Risiko für Investoren besteht einstweilen darin, dass die Unsicherheiten wachsen und sich dies auch im weiteren Kursverlauf der Akteure widerspiegelt.
Daher empfiehlt es sich für Investoren, die weiteren Entwicklungen genau im Auge zu behalten. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass Trump zunächst die schlimmsten disruptiven Kandiaten für die diversen Ämter benennt, nur um damit die Chancen auf Bestätigung durch den Senat für weniger extremistische Persönlichkeiten, die eigentlichen Wunsch-Kandidaten, zu erhöhen. Nicht zuletzt dürfen auch die Macht und die Einflussmöglichkeiten der Pharma-Industrie und ihrer Lobby keinesfalls unterschätzt werden. Die laufende Phase der Unsicherheit könnte bestenfalls gute Einstiegschancen bei innovativen schweizerischen und internationalen Marktführern schaffen. Zyklisch betrachtet sind Healthcare-Aktien derzeit eigentlich erste Wahl. Die historische Performance ist sowohl bei einem «soft landing» als auch bei einem «hard landing» herausragend.