Von Biozucker bis Pektin: Die Schweizer Zucker AG erfindet sich neu – und überzeugt somit als nachhaltiges Unternehmen für die heimische Landwirtschaft. Im Geschäftsjahr 2023/24 stiegen Umsatz und Cashflow vor allem dank höherer Preise deutlich an, obwohl die verarbeitete Rübenmenge rückläufig war.
Das Unternehmen setzt in Sachen Nachhaltigkeit um, statt nur Lippenbekenntnisse zum Thema ESG zu liefern. Zum Beispiel ersetzen Holzkraftwerke in Aarberg und Frauenfeld fossile Energieträger und senken den CO2-Ausstoss. Die Wertschöpfungskette ist auf Regionalität ausgelegt: Kurze Transportwege minimieren den Treibstoffeinsatz und entsprechende Emissionen. Moderne Biotechnologie hilft dem Unternehmen, seinen Einsatz von Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden zu reduzieren. Statt dieser umweltbelastenden Mittel sollen immer resistentere Zuckerrübensorten die zukünftigen Erträge sichern.
Biogasanlagen (netto CO2-Minus und ergo verkäufliche Zertifikate) sowie Solaranlagen unterstreichen das ganzheitliche Engagement für erneuerbare Energien. Bezüglich Wärmenutzung, die in der Schweiz den grössten Anteil am Energieverbrauch hat, setzt die Zucker AG auf Niedertemperatur-Trockner in der Rübenverarbeitung.
Geschäftsjahr 2023/24: erschwerte Bedingungen, sinkender Absatz
Die Zuckerrübensaison 2023 war geprägt von extremen Wetterbedingungen und Pflanzenschutz-Herausforderungen. Während die Aussaat bis April abgeschlossen war, beeinträchtigten Trockenheit, Krankheiten und anhaltender Regen die Ernte erheblich. Insgesamt wurden 201’600 Tonnen Zucker, davon 10’600 Tonnen Biozucker, produziert. Der Absatz sank um 11% auf 223’000 Tonnen, beeinflusst durch Preisvolatilität, konjunkturelle Abschwächung und reduzierte Swissness-Anforderungen. Der Biozuckerabsatz fiel um 6%, und Futtermittelverkäufe gingen entsprechend zurück.
Trotz rückläufiger Verkaufsmenge konnte die Schweizer Zucker AG gemäss einem Aktionärsbrief vom Dezember 2024 ihren Umsatz steigern, dank der höheren Zuckerpreise (CHF 294.7 Mio. bzw. +3%). Das Rübengeld erhöhte sich auf CHF 95.6 Mio. (+10%). Nach Abzug der höheren Abschreibungen und Sonderkosten stieg auch der Gewinn leicht, auf CHF 4.6 Mio., während der Cashflow mit neu CHF 44.1 Mio. deutlich zulegte (Vorjahr CHF 25.2 Mio.). Angaben zur Dividende wurden noch keine gemacht.
Landwirtschaft und Risiken: proaktive Herangehensweise
Die Zuckerproduktion bringt diverse Herausforderungen mit sich. Die wohl grösste ist der schwankende Weltmarktpreis für Zucker. Doch auch extreme Wetterphänomene wie übermässige Trockenheit/Regen sowie Schädlinge gefährden die Anbauflächen und den Ertrag. «Wir führen Versuche durch, auch in höher gelegenen Regionen Zuckerrüben anzubauen, wo es im Sommer z.B. weniger trocken ist», sagt der Kommunikationsverantwortliche Raphael Wild. «Zudem investieren wir Millionenbeträge in die Forschung, um resistentere Sorten zu züchten und klimatische Risiken zu mindern.»
Politisch bleibt der preisliche Mindestgrenzschutz für den einzigen Schweizer Hersteller eine wichtige Stütze. «Diese Massnahmen geben uns Stabilität und Planungssicherheit in einem ansonsten sehr volatilen Markt», betont der neue CEO Oliver Nussli. Der politische Abnahme-Beitrag von 7 CHF pro 100 kg Zucker schützt die Produktion vor billigem Import – und fördert gleichzeitig den nachhaltigen Anbau, mit dem Schweizer Unternehmen im europäischen Vergleich durchaus glänzen können.
Stetige Innovation für mehr Wachstum und höhere Margen
Die Schweizer Zucker AG zeigt, wie vielfältig eine Zuckerrübe genutzt werden kann. Das Zucker-Nebenprodukt Pektin, ein natürlicher Emulgator, ist etwa in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie gefragt. Auch die Alkoholproduktion aus Melasse entwickelt sich. «Unsere Ethanol-Anlage wurde während der Corona-Krise errichtet – ein wichtiger Schritt», sagt Nussli. Mengenmässig sei man zwar dort noch auf Start-up-Niveau, «aber es sind bereits viele tausend Liter pro Jahr». Melassierte Trockenschnitzel (Tierfutter) sind hingegen schon seit Jahren eine wichtige Umsatzquelle.
Der bekannte, perlweisse Zucker bleibt indes Kern des Geschäfts. Seine Rolle gehe jedoch über die reine Süsse hinaus, erklärt der CEO. «Das Produkt verleiht Lebensmitteln auch eine andere Konsistenz, Struktur, Farbe oder längere Haltbarkeit». Am bekanntesten ist dort wohl «Zuckercouleur», also Caramel-Farbe.
Fazit
Die Schweizer Zucker AG kombiniert Tradition und Innovation: Sie punktet mit einer klaren Nachhaltigkeitsstrategie, einer vielfältigen Produktpalette und einer starken regionalen Verankerung. Nach Jahren ohne Dividende bietet das Unternehmen zudem wieder eine Ausschüttung. Im vergangenen Jahr wurden 30 Rappen je Aktie bezahlt, was auf Basis des aktuellen Kurses von 21.50 CHF je Aktie einer Rendite von 1,4% entsprechen würde. Der Aktienkurs zeigt in der Langzeitbetrachtung relative Stabilität. Im vergangenen Jahr war der Kurs getrieben von einer Aktionärsgruppe, die angesichts des hohen Cashbestandes auf höhere Ausschüttungen spekulierte und diese auch an der Generalversammlung forderte. Gemessen an den klassischen Kennzahlen sind die Aktien mit einem Abschlag auf den ausgewiesenen Buchwert von rund 70% (KBV 0.3) – und einem erwarteten Kurs-/Gewinn-Verhältnis von rund 5 – sehr günstig bewertet.
Der Vorstoss in margenstärkere Nebenprodukte, wie Pektin und Biozucker, eröffnet zudem neue Wachstumschancen. Fortschrittliche Energiesparmassnahmen tragen zur Verbesserung der CO2-Bilanz bei – und steigern die Attraktivität des Unternehmens aus ESG-Sicht.
Den Chancen stehen jedoch die Risiken gegenüber: Der Zuckerpreis ist volatil und stark von strategischen Änderungen grosser Produzenten – wie Brasilien oder Indien – abhängig. Der Klimawandel, mit immer häufiger auftretenden extremen Wetterphänomenen, stellt eine ernsthafte Gefahr für die Ernte dar.
Um die Abnahme seines Hauptprodukts braucht sich das Unternehmen aber nie zu sorgen: «Wir müssen keine Werbung für Zucker machen, weil er in der Schweiz gestern wie heute eine breite Abnehmerbasis hat», so Nussli. Immerhin findet er sich in gefühlten 50% aller Lebensmittel, in der einen oder anderen Form. «Wenn Zucker, dann einfach bitte den aus der Schweiz kaufen», appelliert er.
Der Grund ist bei etwas Nachdenken naheliegend: Produkte wie exquisiter Brasilien-Rohrzucker, Ahornsirup aus Kanada oder Agavendicksaft aus Mexico reisen um die halbe Welt, um unsere Produkte zu süssen. Oft keinen Deut gesünder, notabene. Für Anleger bietet die Schweizer Zucker AG darum nicht nur finanzielles Potenzial, sondern auch die Möglichkeit, Teil einer verantwortungsvollen Inland-Produktion zu werden. Beachten sollten Aktionäre allerdings, dass sich rund 40% der Aktien im Besitz der Rübenbauern befinden – und 25% bei den Anbaukantonen. Die Interessen der Hauptaktionäre decken sich daher nicht zwingend mit jenen der unabhängigen Aktionäre.