Die Small- und Mid-Caps, deren Aktien auf OTC-X gehandelt werden, sind nicht zu mehr verpflichtet, als ihren Aktionären den Jahresabschluss zukommen zu lassen. Es gilt das Obligationenrecht. Der Charakter der Berichtspflichten ist also sehr «privat», vor allem im Vergleich zu börsenkotierten Emittenten. Umso erstaunlicher mag die hohe Bereitschaft der Unternehmen der Ausserbörse sein, an den ESG-Umfragen von schweizeraktien.net teilzunehmen und 3×10 Fragen zu Umwelt, Sozialem und Governance zu beantworten.
Die vorliegende 4. ESG-Umfrage von schweizeraktien.net fand zwischen 18. November und 12. Dezember 2024 statt. Dieses Jahr erreichte die Anzahl der Teilnehmer 34. Angeschrieben worden waren 174 Unternehmen, deren Aktien auf OTC-X gehandelt werden. Der Rücklauf beträgt somit 19,5%. Beide Zahlenwerte liegen etwas unter dem Niveau der Vorjahre. Letztes Jahr waren es 49 Teilnehmer, bei der ersten Umfrage 38.
Gründe der rückläufigen Teilnahmequote
Nach Aussage einiger Teilnehmenden der Vorjahre hat sich bei ihnen nichts Wesentliches geändert, weshalb sie den zusätzlichen Aufwand mieden. Bei anderen Nicht-Teilnehmern der diesjährigen Umfrage mögen sich angesichts der schwierigen konjunkturellen Bedingungen andere Prioritäten in den Vordergrund geschoben haben. Und bei wieder anderen kann sich auch ein Gesinnungswandel vollzogen haben, der mit den veränderten Zielsetzungen der neuen Trump-Administration konform geht und auch dem verminderten Enthusiasmus in Sachen Umwelt in Europa entspricht. So ist der «Green Deal» der EU am Ende stark verwässert worden.
Breite Diversifikation der Teilnehmenden nach Branchen
Von den teilnehmenden Unternehmen entfallen 13 auf den Sektor Bergbahnen, Tourismus, Freizeit und je sieben auf Industrie, Energie sowie weitere wie Transport, Nahrungsmittel und Finanzen. Die Branchenindizes auf OTC-X umfassen 87 Valoren aus den Bereichen Bergbahnen, Tourismus, Freizeit, wovon 14,9% teilnahmen, weiterhin 26 Industrieunternehmen von denen 26,9% teilnahmen, sowie 18 Energieunternehmen, bei denen die Teilnahmequote bei 38,9% liegt. Die 4. ESG-Umfrage von schweizeraktien.net ist somit auch dieses Jahr repräsentativ.
Umfragewerte verbessern sich weiter
Die Ergebnisse der diesjährigen Umfrage zeigen, im Gegensatz zum scheinbar vorherrschenden Zeitgeist, im Wesentlichen keinen Rückgang der Bemühungen um nachhaltiges Wirtschaften. Überraschend viele Umfragewerte sind weiterhin angestiegen, wie beispielsweise bei der Frage nach dem zunehmenden Anteil erneuerbarer Energien am Energie-Mix, wie sich dieser in den letzten zwei Jahren entwickelt hat und in den kommenden zwei Jahren entwickeln soll. Hier wurde mit 91,2%, die «Ja» sagten, ein neuer Höchstwert verzeichnet. 2021 bei der ersten Umfrage lag der Vergleichswert noch bei 71,1% und ist seitdem deutlich gestiegen. Das senkt die Energiekosten und leistet gleichzeitig einen Anteil zur Reduzierung der Treibhausgase, die laut der Schweizer Energiestrategie 2050 in den nächsten 25 Jahren auf Null zurückgeführt werden sollen.
Plateaubildung bei vielen Fragen
Bei etlichen Fragen zeigt sich auch eine Plateaubildung. So hat sich das Müllaufkommen bei 67,6% durch Vermeidung von Verpackungen oder Nutzung von Recycling-Material in den vergangenen zwei Jahren vermindert und soll absehbar in den kommenden zwei Jahren weiterhin reduziert werden. 2021 lag der Vergleichswert bei 68,4%, der Höchstwert wurde 2022 mit 81,8% erreicht. Die interessanterweise exakt gleichen Jahreswerte weisen die Antworten zur Messung und Verbesserung der Luftqualität in Büro und Produktion aus.
Governance bleibt verbesserungswürdig
Und bei einigen wenigen Fragen ist die Tendenz auch rückläufig. Ein Beispiel ist die Frage nach der Festlegung der Regelgrenze für die Zugehörigkeitsdauer zum Verwaltungsrat. «Ja» sagen nur 29,4%. Der Wert ist kontinuierlich von 36,8% in 2021 gefallen. Im Bereich Governance besteht, wie schon in den Vorjahren, zweifellos das grösste Potenzial für Verbesserungen. Es gibt aber auch grosse Fortschritte. Bei der Frage, ob Related-Parties-Transaktionen offengelegt und über Identifikation, Prüfung und Genehmigung berichtet wird, sagen dieses Jahr 56,3% der Teilnehmer «Ja». 2021 lag der Vergleichswert bei 42,1% und ist seitdem Jahr für Jahr gestiegen.
Methodik
Resultat der jährlichen Umfrage ist ein Ranking der teilnehmenden Unternehmen, unterteilt in die Transparenznote, die anzeigt, wie viele der 30 Fragen beantwortet wurden, und die qualitative Auswertung der positiven Antworten. Die Transparenznote wird gesondert ausgewiesen und fliesst nicht in das Ranking auf Basis der Beantwortung der 30 Fragen ein. Die qualitative Auswertung führt zu einem Gesamtranking sowie zum jeweiligen Ranking in den Segmenten Umwelt, Soziales und Governance. Diese fallen mitunter recht unterschiedlich aus.
Ranking 2024
Espace Real Estate nimmt mit 27 Ja-Antworten und einem Transparenz-Score von 100% den Top-Spot im Ranking ein. Auf zweiter Position folgt Plaston Holding mit 26 Ja-Antworten und einem Transparenz-Score von ebenfalls 100%. Beide Spitzenreiter hatten auch in den Vorjahren bereits Top-Positionen bekleidet. Auf Position drei kommt Eniwa mit 25 Ja-Antworten, der Transparenz-Score liegt bei 93,3%. Die Top 3 kommen also aus drei verschiedenen Branchen. Rang vier teilen sich mit 24 Ja-Antworten gleich drei Unternehmen: SGV Gruppe, Brauerei Schützengarten sowie Kursaal Bern. Die repräsentieren zwei weitere Branchen.
Qualitative Verbesserung
Die Top 10 werden durch weitere vier Unternehmen mit je 23 Ja-Antworten ergänzt: Metall Zug, EWJR, Weiss+Appetito sowie Bobst. Insgesamt kommen 10 Unternehmen auf 23 oder mehr Ja-Antworten, eine weitere qualitative Verbesserung zum Vorjahr von 9 auf 10 und mehr als eine Verdreifachung zur ersten Umfrage von 2021. Im Segment-Ranking stechen neben den genannten Unternehmen bei Umwelt die Säntis-Schwebebahn und Thermalbad Zurzach hervor, bei Sozialem die Rigi Bahnen und bei Governance aventron und Energie Zürichsee Linth.
Fazit
Auch wenn der mediale und politische Wind die Richtung gedreht zu haben scheint, die KMU der Schweiz erweisen sich angesichts der weiter verbesserten Umfrage-Werte und der fortschreitenden Transparenz als gute «Corporate Citizens», die ihren Teil zur Realisierung der nationalen «Energiestrategie 2050» beitragen. Die Transparenz schafft zudem Bewusstsein bei allen Stakeholdern für notwendige Anpassungen, um den Planeten als habitable Zone für zukünftige Generationen zu erhalten. Die verstärkte Integration der Mitarbeitenden und die verbesserte Kommunikation nach aussen schaffen zudem eine Corporate Identity, die Unternehmen resilienter, fokussierter, effizienter und daher auch profitabler macht. Die aktuelle Umfrage hat weniger Teilnehmer, jedoch aus guten Gründen, die nachvollziehbar sind. Die Kernaussagen bestätigen jedoch die wichtigsten Trends der Vorjahres-Umfragen einer Entwicklung hin zu mehr Transparenz und Verantwortung. Die sind Voraussetzung, um agile Unternehmen durch erforderliche Anpassung auch langlebig zu machen.
Die detaillierten Ergebnisse sowie die verblüffenden Antworten auf Zusatzfragen zum Themenkomplex Nachhaltigkeit, etwa aus Kundensicht oder als Instrument der Rekrutierung, finden Sie in der vollständigen Auswertung, die Sie hier anfordern können.