Ausserbörslicher Aktienmarkt: Kursaal Interlaken und Cham Group waren 2024 die Gewinner

Handelsaktivitäten haben 2024 nochmals kräftig zugelegt – Industriesektor unter Druck

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Der Aktienkurs der Kursaal Interlaken Holding hat sich 2024 mehr als verdoppelt.

Der ausserbörsliche Aktienmarkt wird gerne als Nischensegment bezeichnet. Im letzten Jahr feierte die Berner Kantonalbank (BEKB) das 20-jährige Jubiläum ihrer Handelsplattform OTC-X. Seit dem Bestehen der Plattform ist der Handel wesentlich transparenter geworden. Dass auch das Interesse an den sogenannten «Nichtkotierten» zugenommen hat, belegt der Anstieg der Handelsaktivitäten eindrucksvoll. Binnen der letzten fünf Jahre konnten die Handelsvolumen von 157.9 auf 220.7 Mio. CHF (+39,8%) und die Anzahl Abschlüsse auf OTC-X sogar um 54,2% gesteigert werden.

Auch 2024 haben die Handelsaktivitäten auf der Plattform OTC-X im Vergleich zum Vorjahr nochmals zugenommen. Mit 16’528 Abschlüssen (+25,8%) wurde die höchste Anzahl seit Lancierung der Handelsplattform erzielt. Der Handelsumsatz erreichte den zweithöchsten Wert in der 20-jährigen Geschichte. Zum Erfolg beigetragen haben auch die zwei neuen Listings, Perlen Industrieholding und One Swiss Bank. Bereits 2023 verzeichnete die OTC-X-Plattform mit den Aktien der Bobst Group einen signifikanten Zuwachs, der wesentlich zum Wachstum der Plattform beitrug.


Obwohl sich die Umsätze auf Rekordniveau bewegen, fiel die Gesamtperformance der Aktien auf OTC-X unterdurchschnittlich aus. Während der SPI-Extra-Index mit 1,2% noch knapp im Plus lag, verlor der OTC-X-Liquidity-Index im gleichen Zeitraum sogar 3,6%. Eine Betrachtung der Branchenindizes zeigt, dass insbesondere die Sektoren Nahrungsmittel (-26,4%), Energie (-5,6%) und Industrie (-5,5%) zu den Verlierern gehörten, während es bei Immobilien (+4,7%), Banken (+3,4%) und Bergbahn-Aktien (+3,1%) deutlich besser lief.

Kursaal Interlaken: Veränderungen im VR-Präsidium

Bei den fünf grössten Gewinnern auf OTC-X sind die Gründe für den starken Kursanstieg sehr unterschiedlich. Bisher fristeten die Aktien der Kursaal Interlaken Holding (+144,8% auf 700 CHF) ein Mauerblümchendasein und wurden selten gehandelt. Nachdem das Unternehmen bekannt gab, dass der bisherige CEO der börsenkotierten Jungfraubahn Gruppe, Urs Kessler, im Sommer 2025 das Verwaltungsratspräsidium übernehmen soll, zog der Aktienkurs bei stark steigenden Volumen an. Offenbar erhoffen sich die Aktionäre vom neuen Präsident Impulse für das Veranstaltungsgeschäft und Pläne für den umfangreichen Immobilienbesitz der Gesellschaft. Seit Jahresbeginn 2025 ist der Kurs allerdings wieder etwas rückläufig.

Cham Group: Fusion mit Ina Invest treibt Aktienkurs

Kräftig angezogen hat auch der Aktienkurs des Immobilienunternehmens Cham Group (+44,4% auf 715 CHF). Dies, nachdem weitere Details zur Fusion mit der börsenkotierten Ina Invest bekannt wurden. Nach ersten Bewertungsüberlegungen sollen die Aktionäre der Cham Group einen Anteil von zwei Dritteln an der neuen Gesellschaft besitzen, zu der neben dem Papieri- und Pavatex-Areal in Cham weitere 19 Bauprojekte gehören werden. Nach der Fusion sollen die Aktien der fusionierten Gesellschaft an der SIX gehandelt werden. Mit weiteren Informationen zur Fusion, u.a. auch dem Umtauschverhältnis, ist mit der Bekanntgabe des Jahresergebnisses am 28. Februar zu rechnen. Zwischenzeitlich ist der Kurs weiter auf zuletzt 790 CHF gestiegen.

SSE Holding: Feinchemie-Sparte als Wachstumstreiber

Die Titel des Sprengstoff- und Feinchemieunternehmens SSE Holding (+35,1% auf 5'100 CHF) profitieren weiterhin von der guten Auftragslage bei der Tochter Valsynthese, die sich auf Nischenprodukte spezialisiert hat. Im Geschäft mit zivilen Sprengstoffen setzt das Unternehmen die europäische Expansion fort und erzielt hier erste Effizienzgewinne. Der Aktienkurs hält sich seit Jahresbeginn deutlich über der 5'000-CHF-Grenze.

Suvretta House: Hohe Substanz lockt Aktionäre

Bereits seit mehreren Jahren erklimmt der Aktienkurs des Luxushotel-Unternehmens in St. Moritz neue Höhen. Dabei dürfte der Geschäftsverlauf nur bedingt ein Treiber für den Kursanstieg sein. Interessant ist das Unternehmen vor allem wegen seiner Substanz, darunter grosse bebaute und unbebaute Flächen in und um St. Moritz. Hauptaktionär ist die Familie Candrian, der das Interesse nachgesagt wird, ihren Aktienbesitz stetig auszubauen. Anfang Januar wurden 33'000 CHF für eine Aktie bezahlt. Die Volumina sind allerdings sehr gering. 2024 gingen gerade einmal 19 Aktien (von insgesamt 5'000) über den Tisch.

One Swiss Bank: Fusion mit Privatbank Gonet & Cie verleiht Impulse

Effizienzgewinne erhofft sich die One Swiss Bank (+27,3% auf 4,40 CHF), die eine Fusion mit der Genfer Privatbank Gonet & Cie angekündigt hat. In einem ersten Schritt hat Gonet eine Mehrheitsbeteiligung an der One Swiss Bank übernommen. Für Mitte 2025 ist dann die Fusion der beiden Privatbanken geplant. Der Kurs ist seit Jahresbeginn wieder auf 3,85 CHF gefallen. Mehr Klarheit werden wohl neue Angaben zur Fusion bringen.

Plaston: Hoffnungen auf Turnaround

Zu den weiteren Gewinnern auf OTC-X im Industriesektor gehört der Ostschweizer Kunststoffhersteller Plaston Holding (+25,0% auf 4'000 CHF). Das Unternehmen war im Geschäftsjahr 2023/24 tief in die roten Zahlen gerutscht, musste den Vertrieb einer Tochterfirma in den USA schliessen und ist nun wieder auf dem Weg zur Profitabilität. Der Kursanstieg lässt die Aktionäre auf einen gelungenen Turnaround hoffen. Im neuen Jahr hält sich der Aktienkurs oberhalb von 4'000 CHF.

Patiswiss: Aktie im Sinkflug

Der Kurs der Patiswiss-Aktie hat sich viele Jahre stabil oberhalb der 500-CHF-Grenze gehalten. Mit der Bekanntgabe der Jahreszahlen 2023 begann der Kurszerfall. Das Unternehmen konnte zwar den Umsatz steigern, aber die Profitabilität hat aufgrund hoher Energiekosten gelitten. Zudem verzeichnete Patiswiss im letzten Jahr zwei personelle Veränderungen. Der langjährige CEO Stefan Geller trat zurück. Und auch im Verwaltungsrat kam mit Barbara Steinmann ein neues Mitglied. Gut möglich, dass die Kursveränderungen auch mit dem personellen Wechseln zu tun haben. Seit Jahresbeginn scheint sich der Kurs bei 320 CHF stabilisiert zu haben.

Reishauer: Im Abwärtssog mit der Autoindustrie

Ein Grossteil der Industrietitel führen die Verliererliste an. Insbesondere die Spezialmaschinenbauer Reishauer, der seine Schleif- und andere Maschinen weltweit an Automobilhersteller verkauft, spürt die Transformation zur Elektromobilität. Gerade in Europa hat der tiefe Absatz von Elektrofahrzeugen zu Unsicherheiten und damit zur Zurückhaltung von Investitionen bei den Herstellern geführt. Zwar waren die Auftragsbücher für 2024 noch gut gefüllt. Doch für 2025 zeichnet sich ein Übergangsjahr ab. Hinzu kommt, dass gerade die Projekte im Bereich der Elektromobilität auf die Marge drücken. Mittlerweile scheint die Aktie bei 20'000 CHF einen Boden gefunden zu haben.

Griesser: Schwache Nachfrage in Deutschland verunsichert

Der Storenhersteller Griesser leidet ebenfalls unter einer schwachen Nachfrage vor allem in Deutschland beim Tochterunternehmen Weinor. Die hohen Zinsen im Nachbarland haben zu einem Einbruch der Baukonjunktur geführt, ebenso wie die Unsicherheiten bei den neuen Energiegesetzen. Auch wenn das Unternehmen erste Anzeichen einer Besserung sieht, so geht es für 2025 immer noch von einem «herausfordernden» Jahr aus. 2024 wurden über 2'200 Aktie gehandelt, so viele wie seit fünf Jahren nicht mehr. Zumindest hat sich seit Jahresbeginn der Kursrückgang nicht mehr fortgesetzt, was ein positives Zeichen sein könnte. Allerdings sind die Volumen sehr dünn.

Eniwa, VO Energies: Korrektur nach Boom

Etwas unter Druck geraten sind auch die Energieunternehmen, die im Vorjahr teilweise von den hohen Strompreisen profitieren konnten. Zu den Verlierern gehören neben Eniwa auch die Westschweizer VO Energies. Dabei sehen die Zahlen für Eniwa, gemessen am Jahresabschluss, ganz passabel aus. Vor allem dürfte das Unternehmen angesichts der positiven Entwicklung an den Finanzmärkten wieder von einem guten Finanzergebnis profitieren, das oft einen substanziellen Beitrag zum Gruppenergebnis beisteuert. Der Handel in den Eniwa-Aktien ist allerdings sehr dünn, was darauf zurückzuführen ist, dass sich nur 2,9% der Aktien im Publikumsbesitz befinden. Die Stadt Aarau ist mit 95,4% Hauptaktionär (Stand: Ende 2023).

Perlen Industrieholding: Schwaches Debüt auf OTC-X

Zwar hat das Neulisting der Aktien der Perlen Industrieholding zu einem starken Anstieg der Handelsaktivitäten auf OTC-X beigetragen. Jedoch konnten die Valoren in Bezug auf die Kursperformance 2024 noch nicht überzeugen. Seit dem Listing im Juni 2024 haben die Aktien des Papierherstellers rund 25,0% verloren. Verkäufe von institutionellen Investoren, die im Rahmen des Spin-offs von der börsenkotierten CPH Group Perlen-Aktien erhalten haben und nicht in nicht kotierte Titel investieren dürfen, sind wahrscheinlich ein Grund für den starken Kursrückgang. Auf der anderen Seite sind die Aussichten auf ein sehr schwaches Papiergeschäft bei Perlen Papier im Jahr 2024 ein weiterer Grund für Aktienverkäufe. Investoren, die bei Perlen dabei sind, setzen auf einen Turnaround im Papiergeschäft und vor allem auf den grossen Immobilienbesitz. Seit Jahresbeginn befindet sich die Aktie wieder in einem leichten Aufwärtstrend.

Transparenzhinweis: Ein mit dem Autor verbundenes Unternehmen besitzt Aktien der Kursaal Interlaken Holding.

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