Vekselberg-Effekt: Warum Sulzer, Medmix, Oerlikon und Swiss Steel Kursimpulse bekommen

Beginnendes Tauwetter zwischen USA und Russland lässt Ende der Sanktionen gegen Oligarchen erwarten

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Viktor Vekselberg anlässlich eines Treffens des Trägervereins der Skolkovo Foundation im Dezember 2024. Foto: IMAGO / ITAR-TASS/ Sipa USA

Politik und Börse haben in der Ära Trump 2.0 mehr miteinander zu tun als zuvor. Hunderte von Dekreten für alle Politikbereiche stellen nicht nur die USA auf den Kopf, sondern auch den Rest der Welt. Schon am ersten Arbeitstag hat die neue Generalstaatsanwältin Pam Bondi die Task Force KleptoCapture eingestellt, deren Ziel seit der russischen Invasion in der Ukraine 2022 russische Oligarchen wie Viktor Vekselberg waren. Könnte der Bewertungsabschlag durch den Vekselberg-Malus bei Sulzer, Medmix, Oerlikon und Swiss Steel schon bald der Vergangenheit angehören?

Ziel der Task Force KleptoCapture des US-Justizministeriums war es unter der Biden Administration, die seit 2018 verhängten Sanktionen gegen dem Putin-Regime nahestehende Oligarchen durchzusetzen. Unter anderem wurden Konten von Vekselberg eingefroren, Immobilien und seine Yacht beschlagnahmt. Es war seinerzeit für viele westliche Beobachter verwunderlich, dass Vekselberg überhaupt auf der Sanktionsliste auftauchte, da er weder zu den Mega-Reichen noch zum inneren Oligarchen-Zirkel in Putins Kreml zählt.

Reduzierte Beteiligungsquoten

Um Schaden von den Schweizer Unternehmen abzuwenden, an denen Vekselberg beteiligt ist, waren, wo erforderlich, die Beteiligungsquoten an den börsenkotierten Beteiligungen Sulzer, dem Spin-off Medmix, Oerlikon und Swiss Steel reduziert worden. Dennoch haftete den Aktien spätestens seit 2022 ein Malus an, der sich in Bewertungsabschlägen gegenüber den jeweiligen Branchenvertretern niederschlug.

Aktienkurs Sulzer
Die Sulzer-Aktie befindet sich in der Nähe ihres Allzeithochs. Chart: six-group.ch

Auf und Ab der Sulzer-Aktie

Am besten konnte Sulzer den Malus abschütteln. Noch im November 2021 näherte sich der Kurs der 100-CHF-Marke. Nach Kriegsbeginn in der Ukraine und Verhängung der antirussischen Sanktionen fiel der Kurs auf 55 CHF, erholte sich jedoch danach und bewegt sich zwischenzeitlich bei 142 CHF und damit höher als das bisherige Rekordhoch von 2007 bei 124 CHF. Allerdings läuft auch das Geschäft in den drei Bereichen sehr gut. Im Bericht zum ersten Halbjahr 2024 wurden steigende Auftragseingänge und verbesserte Finanzkennzahlen veröffentlicht. Die Guidance wurde angehoben. Trotz dem erhöhten Kursniveau erscheint die Bewertung mit einem geschätzten KGV 2025 von 17 ausbaufähig. Werden die Sanktionen gegen den Grossaktionär Vekselberg aufgehoben, wie sich anzukündigen scheint, werden Investoren, die bisher Gründe hatten, nicht in Sulzer zu investieren, nun freier entscheiden können, an der Hausse der Aktie zu partizipieren.

Medmix vor Trendwende?

Gemessen am Absturz könnte das Kurspotenzial beim Sulzer Spin-off Medmix sogar noch höher ausfallen. Seit dem IPO im September 2021 ist der Kursverlauf schwach. Das Hoch lag bei 48 CHF, das Tief im Dezember 2024 bei 8 CHF. Allerdings dürfte der Vekselberg-Effekt weniger ausgeprägt sein, da die Beteiligungsquote abgebaut worden war. Der Free-Float von Medmix liegt inzwischen bei 80%. Die zum Zeitpunkt des Börsengangs genannten Finanz-Ziele wurden mehrheitlich nicht erreicht. Zwar ist der Umsatz gewachsen, jedoch schwächer als avisiert. Und die EBITDA-Marge wurde nicht, wie angekündigt, auf 30% ausgeweitet, sondern ist stattdessen kollabiert. Im Zuge der Sanktionen gegen Russland war die Produktion in Polen auf Anordnung der Regierung 2022 eingestellt und dann eine neue Produktion in Spanien aufgebaut worden. Das hat hohe Kosten verursacht. Die seit drei Jahren unveränderte Dividende von 0.50 CHF je Aktie wurde 2022 und 2023 nicht verdient. Nach den Halbjahreszahlen für 2024 wurde die Guidance gekappt. Für 2024 wird keine Gewinnsteigerung erwartet. Besserung soll die «Stabilisierung der Endmärkte» bringen. Anfang des Jahres gab es einen steilen Kursanstieg, nachdem die Investment Boutique Octavian dem zerfallenen Wert eine Kurserholung prognostizierte. Jetzt liegt die Aktie bei über 12 CHF.

Aktienkurs Medmix
Medmix ist seit dem Spin-off von Sulzer an der SIX kotiert. Chart: six-group.com

Oerlikon erfindet sich neu

Bei Oerlikon liegt die Beteiligungsquote Vekselbergs dagegen mit 42,7% deutlich höher. Die langfristige Talfahrt der Aktie hat allerdings wenig mit dem Grossaktionär zu tun. 2007 lag der Kurs bei über 100 CHF, fiel jedoch bis 2009 auf 4 CHF – und hat sich seitdem nur zeitweilig erholen können. Aktuell liegt der Kurs unter 4 CHF. Der Geschäftsverlauf ist seit Jahren schwierig. Im Februar 2024 wurde entschieden, die Sparte Chemiefasern innerhalb der folgenden 36 Monate abzuspalten und sich ganz auf die Oberflächenveredlung zu konzentrieren. Das könnte ein neues Momentum in der Kursentwicklung auslösen. Die Aktie könnte aber auch höhere Aufmerksamkeit geniessen, wenn die Sanktionen gegen den Grossaktionär Vekselberg in absehbarer Zeit aufgehoben werden sollten.

Oerlikon Aktie
Die Oerlikon-Aktie befindet sich auf einem Tiefstkurs. Chart: six-group.com

Namhafte Aktionäre helfen bei Swiss Steel auch nicht

Swiss Steel, vormals Schmolz + Bickenbach, ist ein weiteres Trauerspiel an der Börse, obwohl der Aktionärskreis aus illustren Unternehmerpersönlichkeiten besteht. Der Kurs der Aktie stand 2007 bei über 2700 CHF, jetzt 1.67 CHF. Vor kurzem wurde die Entscheidung getroffen, das Delisting von der SIX zu betreiben und den Aktienhandel zukünftig an der Ausserbörse zu organisieren, bspw. auf OTC-X. Bei Swiss Steel liegt der Free-Float bei 11,3%. Hauptaktionär ist AMAG-Eigentümer Martin Haefner mit fast 66%. Weitere Aktionäre sind Peter Spuhler mit 10% sowie Vekselberg mit annähernd 13%. Bei Swiss Steel dürfte der absehbare Wegfall des Vekselberg-Malus einen eher geringen Effekt haben, da das Unternehmen hauptsächlich darum kämpft, in einer Stahlwelt nicht unterzugehen, die von Giganten mit entsprechenden Skaleneffekten dominiert wird.

Fazit

Während der Präsidentschaft von Biden war insbesondere seit der Ukraine-Invasion Russlands 2022 der Fokus auf die Durchsetzung der anti-russsischen Sanktionen gesetzt worden. Dabei waren auch Putin nahestehende Oligarchen im Visier. In der Schweiz hielt sich die Begeisterung sehr in Grenzen. Gerade Vekselberg wurde als Retter und Investor bei etlichen Schweizer Traditionsunternehmen eher als international agierender Brückenbauer zwischen Ost und West gesehen. Obwohl es unzweifelhaft und zwangsläufig Verflechtungen zu Putin gibt, so unterscheidet sich doch Vekselbergs globales Agieren und sein ausgeprägtes kulturelles Engagement von Putins Prioritäten. Putin sieht sich nach eigenem Bekunden in der autoritären und von imperialer Expansion geprägten Tradition von Iwan dem Schrecklichen, Peter dem Grossen und Katharina der Grossen sowie Stalin. Da Trump und Putin ähnliche Ansichten vertreten und die wechselseitige Wertschätzung unverhohlen zum Ausdruck bringen, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Auflösung der Task Force KleptoCapture nur ein Vorläufer der weiteren Annäherung der beiden Super-Powers ist. Die neuen Prioritäten der USA hat die Generalstaatsanwältin benannt. Der Kampf des Justizministeriums wird fortan auf Drogen-Kartelle und Gang-Kriminalität konzentriert. Das erfordert, so Pam Bondi, «einen fundamentalen Wechsel im Mind-Set und in der Herangehensweise» der Behörde.

Bis sich der Nebel über den Sanktionen der USA gegen Russland und seine Oligarchen lichtet, kann noch Zeit vergehen. Vielleicht spielt es auch eine Rolle, dass Vekselbergs Familie in den USA lebt und der Oligarch schon 2017 persönlich an der ersten Inauguration Trumps zum Präsidenten teilgenommen sowie in der Vergangenheit Geschäfte mit mehreren Trump-Vertrauten getätigt hat. Ob und wie stark sich diese Entwicklung der Entkriminalisierung der russischen Oligarchen dann in den Kursverläufen niederschlägt, bleibt noch offen. Die Chancen, dass mit der Zeit mehr Investoren in die sehr gut laufende Aktie von Sulzer investieren, stehen jedoch gut. Bei den drei anderen Valoren dürften jedoch unternehmensspezifische Herausforderungen respektive, ob und wie gut diese gemeistert werden, die wichtigere Rolle für die weitere Kursentwicklung spielen.

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