
Wo ist die Begeisterung für die Schwarmfinanzierung – das sogenannte Crowdfunding – hin? Vor einigen Jahren war die Zuversicht noch grenzenlos. Musiker, Jungunternehmer, Sportvereine sahen neue Möglichkeiten, ihre Projekte finanzieren zu lassen, bei denen Banken und andere professionelle Kapitalgeber meist abwinkten – oder gar keine Kenntnisse davon bekamen.
Doch der Boom ist verflogen. Das Gesamtvolumen der Finanzierungen über das Internet hat 2023 bereits das zweite Mal in Folge einen Rückgang zu verzeichnen. Abgenommen haben vor allem Immobilienfinanzierungen. Dies zeigt eine Studie der Hochschule Luzern. Das Marktvolumen des Crowdfunding-Marktes betrug 2023 noch 558.7 Mio. CHF und ist damit um 15,6% gegenüber dem Vorjahr geschrumpft, wie der Crowdfunding-Monitor der Hochschule Luzern (HSLU) zeigt.
Crowdlending leidet
«Die Abnahme im Volumen ist grösstenteils auf den Rückgang im Crowdlending, das im Jahr 2023 ein Minus von 20% verzeichnete, zurückzuführen. Die Gründe dafür kennen wir nicht, da wir in diesem Bereich nicht aktiv sind und uns auf Equity Crowdfunding beschränken», erklärt Leandro Davies, Co-Funder und Co-CEO der Crowdinvesting-Plattform Oomnium.
Die Gründe für diese Entwicklungen sind gemäss den Studienautoren vielschichtig. Die höheren Zinsen wirken eher hemmend auf die Kreditnachfrage. In der Schweiz gab es per Ende 2023 insgesamt 36 Crowdfunding-Plattformen. Für die einzelnen Teilbereiche von Crowdfunding sind aber nur wenige Plattformen relevant.

«Wir differenzieren den Begriff Crowdfunding jeweils in unserem Crowdfunding Monitor und unterteilen in die vier Unterkategorien Crowdsupporting, Crowddonating, Crowdinvesting, Crowdlending», sagt Andreas Dietrich, Professor für Banking and Finance an der Hochschule Luzern sowie Leiter des Kompetenzzentrums Financial Services Management am Institut für Finanzdienstleistungen. «Es gibt hier einzelne Bereiche, die noch immer leicht wachsen. Es gibt aber auch gewisse Segmente, die in den vergangenen Jahren wieder an Volumen verloren haben». Insofern kommt es gemäss Dietrich darauf an, auf welchen Aspekt respektive auf welches Segment von Crowdfunding man sich beziehe.
«Wir merken auch im aktuellen Jahr keinen Rückgang im Volumen im Bereich Equity Crowdfunding. Im Gegenteil, aktuell sieht es danach aus, als dass wir im 2025 mehr Kampagnen durchführen werden als noch in den Vorjahren», sagt Leandro Davies. Trotzdem mache Oomnium Dinge anders.
Keine enorm riskanten Projekte
Das Unternehmen erachte gerade bei öffentlichen Finanzierungsrunden, die sich primär an Privatinvestoren richten, eine unabhängige Prüfung des Investitionsangebots, speziell der Unternehmensbewertung, einhergehend mit einer konsequenten Offenlegung der Finanzen als unabdingbar, weshalb das bei Oomnium auch ein Pflichtelement sei. «Ausserdem haben wir unser Angebot um die Möglichkeit erweitert, private Runden über unsere Plattform abzuwickeln. So können wir andere Arten von Unternehmen ansprechen und unserer Investoren-Community ein breiteres Portfolio anbieten, was der Diversifikation dient», so Davies.
«Im Crowdlending ist es tatsächlich so, dass es gegenüber Banken im Schnitt wohl etwas riskantere Firmen sind» antwortet Dietrich auf die Frage, ob Crowdfinancing nicht meist gewählt werde, wenn andere Finanzierungen aussichtslos oder gescheitert sind. Einen Teil dieser Crowd-Finanzierungen würden aber auch Banken finanzieren. Andere würden bei Banken möglicherweise durchfallen. «Insgesamt ist es aber nicht so, dass Crowdfunding-Plattformen enorm riskante Projekte freischalten. Auch sie haben ihre Risikomodelle und sind aus Reputationsgründen auch daran interessiert, nur gute Firmen oder Personen auf ihre Plattformen zu nehmen», fügt der Experte an. «Ausfälle von Konsumkrediten bei Privatpersonen im Crowdfunding-Bereich sind nur leicht höher als bei etablierten Konsumkredit-Anbietern», präzisiert Dietrich.
Vor allem im Konsumgüterbereich
«Crowdfunding findet vor allem im Konsumgüterbereich statt», sagt Stefan Kyora, Mitautor des Venture-Capital-Reports und Chefredaktor startupticker.ch. Er sehe einen nachlassenden Trend beim Crowdfunding, sagt er anlässlich der Präsentation des Venture Capital Reports für 2024. In diesem Report gibt es im zweiten Halbjahr keine Crowdfunding-Aktivität. «Es ist aber so, dass Crowdfunding meist in Grössenordnungen geschieht, die wir in unserem Research nicht erfassen», so Kyora. In der Schweiz hätten sich zwei Anbieter etabliert: Conda.ch und Oomnium.
Das Image des Crowdfunding litt zuletzt auch unter den Pleiten von bekannten Projekten -allen voran Farmy. Der im Jahr 2014 gegründete Online-Shop traf den Zeitgeist. Das Unternehmen spezialisierte sich auf frische Lebensmittel von regionalen Bauern, die am Morgen geerntet und am gleichen Tag ausgeliefert werden. Auch zehn Jahre nach der Gründung schrieb Farmy jedoch weiter Verluste und konnte nicht mehr genügend Kapital beschaffen für die Finanzierung bis zur Gewinnschwelle. Mitte Januar 2025 wird der Online-Hofladen in einem Notverkauf an den Biogrosshändler Pico für lediglich 100’000 CHF veräussert. Für die vielen Crowd-Investoren, die über Jahre Geld eingeschossen haben, bleibt nichts.
Auch Mitte Januar ging das Crowd-Funding Projekt KittyFlap Pleite. Das Zürcher Start-up produzierte eine Katzenklappe, die dank künstlicher Intelligenz erkennen sollte, wenn die Katze mit erlegten Vögeln oder Mäusen das Haus betreten will, um dann die Katzentür zu verriegeln. Die Kunden investierten 500 Franken im Voraus. Doch es kam angeblich zu Entwicklungs- und Lieferverzögerungen. Die wenigen ausgelieferten Exemplare funktionieren nicht wie versprochen, viele Kunden erhielten nie eine KI-Klappe für ihr Geld. Nun ist das Zürcher Start-up bankrott.
Es geht auch positiv
Doch natürlich gibt es auch positive Beispiele, die das Versprechen von Crowdfunding erfüllen: «Es macht Spass! Wir haben viele gute Interaktionen. Wir informieren aktuell ungefähr drei Mal pro Jahr mit News und Updates und sagen auch, wenn wir irgendwo Schwarmsupport brauchen», sagt Kevin Schmid, Gründer und CEO von Outlawz Food und Bakery Bakery. Die Unternehmen produzieren und vertreiben veganen Fleischersatz und ebensolche Backwaren. Die Gruppe hätte mit Hilfe der Community bereits einen neuen Standort gewinnen können. Zudem lasse das Unternehmen die Community mitentscheiden, in welcher Stadt als nächstes eine Filiale eröffnet wird. Auf diese Art seien auch schon Fehler vermieden worden, so Schmid. «Das Interesse ist sehr unterschiedlich, aber auf jeden Fall vorhanden.»
«Wir starten bald eine neue Finanzierungsrunde, wer weiss, vielleicht sogar wieder mit einem Crowdinvest», ergänzt der CEO weiter. Das Unternehmen hätte alle Ziele seit der letzten Runde geschafft. Für die Investoren gibt es gemäss Schmid jetzt und später viele «coole» Vorteile. Die Investoren wüssten, dass ihr Geld in einem Case investiert sei, der versuche zu wachsen und rentabel zu sein, aber auch ebenfalls nachhaltig handle. Langfristig bestünden bei dem konstanten, profitablen Wachstum grosse Renditechancen. «Investorinnen, die über einen gewissen Betrag investieren, erhalten bei uns eine Rabattkarte», fügt Schmid an.
Bei Immobilien ist der Boom vorbei
Manchmal scheitert das Crowdfunding aber bereits im Ansatz. Die ehemalige «Musicstar»- und «Voice of Germany»-Teilnehmerin Katy Winter wollte, Jahre nach ihren TV-Auftritten, ein Album mit eigenen Songs aufnehmen. Um die 32’500 CHF zu beschaffen, wandte sie sich mit einem Crowdfunding an die Fans. Für die Unterstützung hätte es verschiedene Goodies gegeben. Von einer selbstgemalten Aquarell-Dankeskarte über ein Tattoo bis zum Privatkonzert zuhause bot Winter vieles an. Sogar einen eigens geschriebenen Song, der es dann auch aufs Album geschafft hätte, konnte man kaufen. Aber die Finanzierung scheiterte.
«Crowdfunding hat im Kulturbereich, im Sport und ähnlichen Projekten eine wichtige Rolle. Volumenmässig überschaubar, aber es werden viele einzelne Projekte dank Crowdfunding unterstützt. Insofern sind Unterarten wie Crowddonating und Crowdsupporting eine wichtige Ergänzung im Finanzierungsmix», sagt Andreas Dietrich. Crowdinvesting laufe in der Schweiz weniger gut, die Finanzierung von Unternehmen via Crowdinvesting sei hierzulande wenig relevant. Bei Immobilien hat der Boom gemäss HSLU-Professor ebenfalls nachgelassen: «Die Idee von Anbietern wie Crowdhouse ist für gewisse Investoren aber interessant.»
«Es gibt immer wieder Fälle, wo intransparent kommuniziert wird, wo Bewertungen zu hoch angesetzt werden und dies dann zu Verlusten führt», sagt Leandro Davies. Deshalb setze Oomnium auf volle Transparenz seitens Unternehmen und kuratiere bewusst, mit wem das Unternehmen arbeite. Als Plattform mache Oomnium die Investoren darauf aufmerksam, dass direkte Investments in Start-ups nebst grossen Chancen immer auch ein grosses Ausfallrisiko mit sich brächten. Auf die Frage, ob ein ein Crowdfunding zu schnell und zu unprofessionell aufgesetzt werden könne, sagt der Oomnium-Manager: «Nachlässigkeit in der Wahl der Unternehmen im Bezug auf ihre Financials und ihre Chancen auf dem Markt können durchaus zu Problemen führen.»
Sympathie vor Kennzahlen
Crowdlending ermögliche gewissen Privatpersonen oder KMU eine Alternative zu Banken – oder es eröffne die Möglichkeit, einen Kredit zu erhalten, den sie sonst nicht erhalten hätten. «Insofern ist diese weitere Alternative für Finanzierungen zu begrüssen», so Dietrich. Die Ausfälle seien etwas höher als bei Banken – aber aus Sicht dieser Unternehmen sei es gut, dass auch diese Option noch bestehe.
Bei den Beispielen der gescheiterten Projekte zeigen sich einige Probleme der Finanzierungsform. Die Geldgeber engagieren sich aus Sympathie oder ideellen Gründen – meist nicht aufgrund finanzieller Kennzahlen und detaillierter Prüfung des Potenzials. Manchmal bekommt man die Möglichkeiten, das neue Produkt als erster zu bestellen oder auch andere Zusatzleistungen. Doch wenn das Projekt nach einigen Jahren scheitert – ohne Produkt, schaut man in die Röhre und hat bei einem Konkurs keine privilegierte Stellung – d.h. man erhält meistens nichts zurück. Obwohl es doch schien, als sei man Mitglied einer verschworenen Community.