
Für die Clientis Bankengruppe endete das Geschäftsjahr 2024 mit einem Rückgang beim Geschäftserfolg (-7,3%) und Reingewinn (-8,4%) auf 74.6 Mio. bzw. 63.7 Mio. CHF. Grund war der um 4,1% rückläufige Netto-Zinserfolg, dies trotz eines Wachstums bei den Hypotheken um 4,2% auf 11.7 Mia. CHF. Die Zinsmarge verringerte sich um 9 Basispunkte auf 1,06%. Im Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft legten die Banken 7,9% zu. Das Depotvolumen erreichte 3.4 Mrd CHF (+11,6%). Ein Mehrjahresvergleich zeigt allerdings, dass die 14 Clientis Banken 2024 operativ das zweitbeste Ergebnis in der Unternehmensgeschichte erzielen konnten.
Im Interview mit schweizeraktien.net geht CFO Christian Egli auf die Geschäftsentwicklung ein, spricht über die steigenden Anforderungen im Banking sowie die damit verbundenen höheren Kosten und erklärt, wie Clientis Banking Solutions mit seinem modularen Angebot kleine und mittelgrosse Banken angesichts der gestiegenen Anforderungen unterstützt.
Herr Egli, die Clientis Gruppe konnte 2024 abermals wachsen. Die Hypothekarvolumen sind um 4,2% auf über 11 Mia. CHF gestiegen. Was waren die ausschlaggebenden Gründe für das Wachstum?
Wir sind leicht über dem Markt gewachsen, wobei viele Kantonalbanken und Regionalbanken ein Wachstum zwischen 2% bis 6% ausweisen. Der Markt bleibt geprägt durch niedrige Leerstandquoten und eine anhaltend hohe Nachfrage nach Wohnraum. Im lokalen Markt können unsere Banken ihre Stärken besonders ausspielen: Kundennähe und persönliche Beratung.
Bei Ihren 14 Mitgliedsbanken, die in ganz unterschiedlichen Regionen vertreten sind und sich auch in der Grösse deutlich unterscheiden, war die Entwicklung sicherlich nicht ganz homogen. Wie gross sind die Unterschiede beim Wachstum, und wo sehen Sie die Ursachen?
Im Rahmen der konsolidierten Überwachung agieren die 14 Clientis Mitgliedsbanken als eigenständige Institute mit Verantwortung für Vertrieb und Preisgestaltung. Sie operieren in unterschiedlichen Regionen mit variierender Bautätigkeit und Wettbewerbssituation. Gleichzeitig legen sie Wert auf eine ausgewogene Bilanzstruktur, wobei das Eigenkapital das Wachstum begrenzt.
Im Hypothekengeschäft verzeichneten wir ein Wachstum zwischen 1% und 7%. Die beiden Clientis Banken in Schaffhausen sowie die Clientis Bank Thur erzielten dabei das stärkste Wachstum.

Bei den Kundengeldern ist die Clientis Gruppe mit 2,7% weniger stark gewachsen. Konnten die Clientis Banken hier nicht vom Ende der Credit Suisse profitieren wie andere Institute?
Mit einem Wachstum von 2,7% liegen wir im Branchenvergleich im Durchschnitt. Die Kundengelder bei den Clientis Banken – ohne das zentrale Treasury – sind sogar um 3,8% gewachsen. Im Treasury haben wir die institutionellen Kundengelder im Vergleich zum Vorjahr bewusst um 100 Mio. CHF reduziert. Dank des Wachstums um 3,8% bei den Kundengeldern konnten die Clientis Banken das Wachstum der Ausleihungen von 3,7% eigenständig finanzieren. Zudem ist festzuhalten, dass die Kantonalbanken mit Staatsgarantie hier einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber den Regionalbanken haben.
«Kantonalbanken mit Staatsgarantie haben bei Kundengeldern einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber den Regionalbanken»
Gibt es Erfahrungen von Ihren Mitgliedsbanken, wie sich die Zwangsfusion von CS und UBS auf das Geschäfts ausgewirkt hat?
Einige Clientis Banken konnten vereinzelt neue Kunden gewinnen, allerdings in einem wenig nennenswerten Umfang. Bei den Kundengeldern haben – wie bereits erwähnt – vor allem die Kantonalbanken von der Staatsgarantie profitiert. Zudem war das Filialnetz der Credit Suisse stärker auf grössere Städte und Ballungsräume ausgerichtet, während ländliche Regionen weniger im Fokus standen.
Der Deckungsgrad der Ausleihungen durch die Kundengelder ist mit 83,1% eher tief. Wie stellen Ihre 14 Banken die Refinanzierung sicher?
Ein Kundendeckungsgrad von über 80 % ist ein solider Wert. Mit 83,1 % liegen wir im Branchenvergleich im Mittelfeld – als zu tief würde ich das nicht einstufen. Die Clientis Banken verfügen über multiple Refinanzierungsmöglichkeiten. Neben den Kundengeldern nutzen sie Pfandbriefdarlehen und haben den Vorteil, sich jederzeit über das zentrale Treasury der Clientis AG refinanzieren zu können. Die Clientis AG selbst hat Zugang zum Geld- und Kapitalmarkt und verfügt über ein starkes A2-Rating von Moody’s, was einen klaren Vorteil für die Finanzgruppe darstellt.

Die Kennzahlen in der Erfolgsrechnung zeigen, dass neben dem erneuten Druck auf die Zinsmarge auch der Kostendruck weiter zugenommen hat. Die CIR ist auf 55,8% gestiegen ist, hier vor allem auch der Sachaufwand durch Regulierungskosten und die KI gestützte Digitalisierung der Kreditadministration. Was genau ist darunter zu verstehen?
Mit Hypodossier, der KI-gestützten Digitalisierung der Kreditadministration, hoffen wir, eine Antwort auf die steigenden Kosten gefunden zu haben. Wir erwarten signifikante Effizienzgewinne, die es den Banken ermöglichen sollten, das Wachstum bei den Ausleihungen kostenneutral – also ohne zusätzlichen Personalausbau – zu bewältigen.
Wo kam es in den letzten Jahren ausserdem zu Kostensteigerungen?
Die gesamte Branche steht unter steigendem Kostendruck: Investitionen in Digitalisierung und IT-Plattformen treiben die Ausgaben weiter nach oben. Regionalbanken müssen keine FinTechs werden, aber ohne ein digitales Angebot sind sie nicht mehr wettbewerbsfähig. Gleichzeitig investieren wir gezielt in unser Cyberabwehrdispositiv, um den wachsenden Bedrohungen zu begegnen.
«Investitionen in Digitalisierung und IT-Plattformen treiben die Ausgaben weiter nach oben»
Welche Rolle spielen die regulatorischen Anforderungen bei der Entwicklung des Sachaufwands?
Auch die zunehmende Regulierungsdichte führt zu höheren Kosten. Seit etwas mehr als einem Jahr bin ich Finanzchef der Clientis Gruppe und bin erstaunt über die Vielzahl an Regulierungen und gesetzlichen Vorgaben, die selbst Regionalbanken der Kategorie 4 und 5 betreffen. Ich habe den Eindruck, dass das Proportionalitätsprinzip zu wenig berücksichtigt wird. Beispiele dafür sind die neuen Anforderungen an einen Cyberaudit mit 44 Prüfpunkten sowie die vielfältigen Vorgaben im Bereich Nachhaltigkeit.
Über Clientis Banking Solutions bieten Sie diese Dienstleistungen auch Nicht-Clientis-Mitgliedern an. Sie haben bereits bisher ihre Dienstleistungen für andere Institute, die sie Plattformbanken nennen, angeboten. Was ändert sich mit dem neuen Serviceangebot?
In den letzten Jahren haben wir unser Angebot modularisiert und bieten Banken mittlerweile über 70 verschiedene Services an. Diese können individuell auf das jeweilige Geschäftsmodell abgestimmt und bedarfsgerecht bezogen werden.
Unser Serviceangebot entwickeln wir kontinuierlich weiter – auch mit Blick auf eine noch stärkere Modularisierung. Aktuell nutzen 21 Banken unsere Plattform, während 6 weitere Banken einzelne Module davon beziehen.
Um welche Dienstleitungen handelt es sich genau, und welche Kundengruppen haben Sie hier im Visier?
Unser Fokus liegt auf umfassenden Outsourcing-Dienstleistungen für kleinere und mittelgrosse Banken. Dabei bieten wir eine moderne, sichere IT-Plattform, digitale Arbeitsplätze sowie spezialisierte Business-Lösungen in den Bereichen Compliance und Risk Management. Unsere Dienstleistungen sind modular aufgebaut, sodass Banken genau jene Services beziehen können, die sie für ihr individuelles Geschäftsmodell benötigen.
Unsere Zielgruppe sind Banken, die von unserer Effizienz, Skalierbarkeit und Expertise profitieren. Wir entlasten sie gezielt in administrativen und regulatorischen Themen, damit sie sich auf ihr Kerngeschäft und die Kundenbetreuung konzentrieren können.
Wie positionieren Sie sich in dem Umfeld der Outsourcing-Dienstleister?
Unsere Positionierung unterscheidet sich deutlich von anderen Outsourcing-Dienstleistern durch die drei folgenden Punkte. Erstens den Community-Ansatz: Investitionen und strategische Entscheidungen werden gemeinsam mit den Banken getroffen, nicht zentral vorgegeben. Zweitens durch ein flexibles Rundum-Paket: Es sind keine langfristigen Bindungen mehr nötig; unsere Services sind modular und individuell kombinierbar. Und drittens bieten wir mehr als IT-Outsourcing: Wir übernehmen nicht nur den IT-Betrieb, sondern unterstützen auch in Regulatorik, Cybersecurity und operativer Resilienz.
Unser Ziel ist es, Banken nicht nur IT-seitig zu unterstützen, sondern ihnen eine umfassende, zukunftssichere Plattform zu bieten, die den wachsenden regulatorischen Anforderungen gerecht wird und gleichzeitig Kosteneffizienz schafft.
Können Sie Beispiele geben, welche Vorteile Banken aus einer Zusammenarbeit mit Clientis Banking Solutions haben?
Wir gehen die Extrameile für unsere Banken und differenzieren uns durch unseren integralen Ansatz. Regulatorische Vorschriften setzen wir sowohl normativ als auch operativ um.
Ein moderner Arbeitsplatz für Bankmitarbeitende mag selbstverständlich klingen – doch mit unserem Multi-Tenant-Ansatz heben wir uns klar vom Wettbewerb ab. Während Banken mit einem Single-Tenant-Modell das Release-Management und die laufende Überwachung selbst übernehmen müssen, bieten wir diese Leistungen zentral und effizient an.
Gibt es auch Nachteile, wie beispielsweise eine starke Abhängigkeit? Viele Regionalbanken schätzen ihre Unabhängigkeit.
Unsere 21 Banken sind eigenständig und unabhängig. Die Services können modular bezogen werden – ohne langfristige Vertragsbindungen. Investitionsentscheidungen trifft die Community, nicht wir zentral. Dafür gibt es das Innovation Board und das Plattform Management Board, in denen alle Banken vertreten sind und gemeinsam die strategische Richtung festlegen.
«Unsere 21 Banken sind eigenständig und unabhängig»
Zusätzlich haben Banken die Möglichkeit, der Finanzgruppe beizutreten. Dies bringt Vorteile bei der Refinanzierung, Liquiditätssteuerung und der konsolidierten Überwachung gegenüber der Aufsichtsbehörde. Diese Überwachung basiert auf einem Limitensystem, innerhalb dessen die Banken dennoch unabhängig bleiben.
Ein weiterer Vorteil ist das Sicherheits- und Solidaritätsnetz mit einer Beistandspflicht. Auch innerhalb der Finanzgruppe können Banken ihren Marktauftritt eigenständig gestalten – sie sind nicht verpflichtet, den Namen Clientis oder das Branding zu übernehmen. Die Marke Clientis hat einen hohen Wert, auf den wir stolz sind – aber sie ist keine Voraussetzung für eine Mitgliedschaft.
Welche Ziele haben Sie in den kommenden Jahren für den Bereich Banking Solutions, welche für die Clientis AG?
In erster Linie sind wir der führende Outsourcing-Anbieter für kleine und mittelgrosse Banken – und genau so wollen wir uns auch bei weiteren Instituten positionieren. Mittelfristig erhoffen wir uns dadurch zusätzliche Kunden. Allerdings verfolgen wir kein Wachstum um des Wachstums willen. Banken müssen sowohl in unsere Community als auch auf unsere Plattform passen, damit wir Synergien optimal realisieren können. Gleichzeitig sind wir offen, weitere Banken in unsere Finanzgruppe aufzunehmen.
Mit welcher Entwicklung im Retailbanking rechnen Sie für das laufende Geschäftsjahr?
Die Zinsentwicklung bleibt spannend. Nach dem starken Zinsanstieg im Jahr 2023 und dem ebenso rasanten Rückgang im vergangenen Jahr schien es noch vor wenigen Wochen, als würde die SNB den Leitzins auf null senken oder sogar erneut Negativzinsen einführen. Inzwischen ist das Zinsniveau jedoch wieder leicht gestiegen. Geopolitische Spannungen und protektionistische Zölle könnten sich negativ auf die Wirtschaft, das Preisniveau und damit auf die Inflation auswirken.
Wo sehen Sie Herausforderungen?
Der Immobilienmarkt bleibt geprägt von tiefen Leerstandquoten und einer anhaltend hohen Nachfrage nach Wohnraum. Gleichzeitig führt das neue Basel III Regelwerk, das seit diesem Jahr in Kraft ist, zu deutlich höheren Kapitalanforderungen für Baukredite und Kredite für Bauland bei Renditeliegenschaften. Dies könnte die Finanzierungsbereitschaft der Banken in diesem Segment einschränken.
«Die zunehmende Regulierungsdichte wird sich zweifellos auf die Kostenstruktur der Banken auswirken»
Neben Basel III Final sind wir aktuell mit der Umsetzung zahlreicher regulatorischer Vorgaben beschäftigt – darunter das FINMA Cyber-Audit mit 44 Prüfpunkten, das FINMA-Rundschreiben zur operationellen Resilienz sowie die Selbstregulierung im Bereich Greenwashing. Und während wir diese Anforderungen umsetzen, stehen bereits neue Themen an: etwa das FINMA-Rundschreiben zu naturbezogenen Finanzrisiken oder die Einzelkrediterhebung.
Die zunehmende Regulierungsdichte wird sich zweifellos auf die Kostenstruktur der Banken auswirken und sie weiterhin stark fordern.
Herr Egli, wir danken Ihnen für dieses ausführliche Interview.
Die Aktien oder Genossenschaftsanteile von 8 Clientis-Banken werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt.