
Die Zahlen, welche der Branchenverband Hotelleriesuisse für die «NZZ am Sonntag» ausgearbeitet hat, deuten auf einen Luxusboom in den Bergen hin. Gab es im Jahr 2010 in den Schweizer Bergregionen noch 253 Hotels im Vier- und Fünfsternbereich, waren es 13 Jahre später gemäss Zeitungsbericht bereits deren 304. Viele weitere sollen in Planung sein. Die Anzahl Hotelbetriebe im Dreisternbereich und tiefer fiel von 2900 auf 2350. Gleichzeitig stagniert die Anzahl der Hotelübernachtungen in den Alpengebieten: Über alle Kategorien hinweg liegen sie damals wie heute bei etwas über 17 Mio. Logiernächten. Anteilsmässig konnte der Luxusbereich jedoch massiv zulegen. 2010 wurden 4.8 Mio. Übernachtungen in Vier- und Fünfsternhotels gezählt, 2023 waren es über 6.2 Mio.
Doch die vermeintliche Flucht in den Luxus ist auch eine Überlebensstrategie. Das klassische Schweizer Familien- und Mittlestands-Skigebiet steht vor grossen Herausforderungen. Die meisten befinden sich in mittleren und tiefen Lagen. Die Schneefallgrenze steigt jährlich. Exklusive Luxusangebote in den Bergen lassen sich besser verkaufen als Skiferien ohne Schnee oder auf Kunstschneestreifen. Die hohen Kosten in Beschneiung und Personal verteuern die Skiferien im Allgemeinen – nicht nur im gehobenen Bereich. Gemäss dem Freizeitindex des Vergleichsportals Comparis sind Winterferien jüngst deutlich teurer geworden. Gegenüber 2019 kosten Winterferien 10% mehr.
Leichter Trend in Metropolen und in den Bergen
Diese Entwicklungen lassen die Befürchtung aufkommen, dass Ski- und Winterurlaub für Schweizer je länger, je mehr ein unerschwingliches Vergnügen wird. Die Wintersportorte auch jenseits von Luxusdestinationen wie Gstaad, St. Moritz oder Zermatt scheinen sich auf vermögende Gäste aus dem Ausland zu konzentrieren. Dieses Kundensegment dürfte auch den Vorteil haben, dass, wenn eine Weltregion wirtschaftlich oder politisch unter Druck ist, der Gästerückgang von Reisenden aus einem anderen, gerade prosperierenden Land kompensiert wird.
Der Sprecher von HotellerieSuisse, Vinzenz van den Berg, relativiert diesen Eindruck: «Ein genereller, starker Trend in Richtung Vier- und Fünf-Sterne-Hotellerie lässt sich in den Zahlen der vergangenen Jahre nicht eindeutig ablesen. In einzelnen Segmenten – etwa in den Metropolen oder im Berggebiet – gibt es eine leichte Zunahme des 4-Sterne-Anteils, während der 5-Sterne-Bereich nur marginal wächst.» Von einer breiten Strategie zur Kompensation rückläufiger Besucherzahlen könne nicht gesprochen werden. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der Anteil an Schweizer Gästen im Vorkrisenvergleich nach wie vor erhöht sei.
Vielmehr sind es gemäss van den Berg einzelne Betriebe oder Regionen, die sich in diese Richtung entwickelten. Weiter sei die Anzahl Betriebe auch nur eine der Kennzahlen, die in diesem Zusammenhang wichtig seien. «Die Logiernächte und Anzahl Zimmer pro Kategorie spielen ebenfalls eine Rolle, da vor allem ein allgemeiner Trend zu grösseren Betrieben feststellbar ist», erläutert der HotellerieSuisse-Sprecher.
Schweizer Gäste nicht auf dem Rückzug
«Wir beobachten den Trend zur Aufwertung der Berghotellerie, sehen jedoch keine direkte Konkurrenz durch neue Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels, da das Grand Resort Bad Ragaz in seiner Vielfalt einzigartig ist», sagt Alexandra Ellerkamp, Marketingverantwortliche der Grand Resort Bad Ragaz AG. Die Kombination aus der Heilkraft des Thermalwassers, das sowohl im Spa als auch in der öffentlichen Tamina Therme genutzt werde, sowie ein kulinarisches Angebot, das mit insgesamt sechs Michelin-Sternen, einem Grünen Michelin-Stern und 76 GaultMillaut-Punkten unter einem Dach europaweit einmalig sei.
Ergänzt werde das Angebot durch erstklassige Freizeitmöglichkeiten wie zwei Golfplätze und ein Casino. Zudem bietet das Grand Hotel im Bereich Healthy Living ein umfassendes Spektrum an medizinischer Expertise und Gesundheitsprogrammen, während die Clinic Bad Ragaz auf spezialisierte medizinische Versorgung und erstklassige Behandlungen fokussiert ist. «Unsere zentrale Lage inmitten einer beeindruckenden Berglandschaft und in unmittelbarer Nähe zum Walensee stärkt unsere besondere Positionierung zusätzlich», ergänzt die Marketingverantwortliche.
«Der Schweizer Markt war, ist und bleibt für die Beherbergungsbranche ein stabilisierender Faktor und macht momentan rund 55% der Übernachtungen aus», sagt der Sprecher von HotellerieSuisse. Während der Pandemie war der Inlandanteil besonders hoch, langfristig dürfte er sich aber wieder unter dieser Höchstmarke einpendeln. Insgesamt sind gemäss HotellerieSuisse Beherbergungsbetriebe in der Regel breit aufgestellt, um verschiedene Quellmärkte zu bedienen und nicht von einzelnen Gästegruppen abhängig zu sein. «Die Schweizer sind nicht auf dem Rückzug. Das hat vielleicht in den vergangenen Jahren so ausgesehen, weil während und kurz nach Pandemie ausschliesslich nur Schweizer in Schweizer Hotels abgestiegen sind», sagt der Sprecher der Aevis Victoria Gruppe. Dieser Anteil musste wieder sinken. Langfristig sei das aber kein Trend.
Schweizer Grossstädte als Tourismus-Hotspots
Auch im Unterland stellt HotellerieSuisse kleine Umwälzungen fest. In den grossen Städten gibt es gemäss van den Berg eine leichte Verschiebung zugunsten der Vier-Sterne-Kategorie. In den übrigen Städten zeige sich hingegen eine weitgehend konstante Verteilung der Hotelklassifikationen. «Es gibt also punktuelle Entwicklungen, aber kein flächendeckender Trend in Richtung höherer Kategorien», so der Sprecher.
Es hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass die Schweizer Grossstädte zu beliebten Tourismusdestinationen aufgestiegen sind. «Wir beobachten, dass globale Player wie die Mandarin Oriental Hotel Group verstärkt in Zürich investieren. Doch statt dies als Bedrohung zu sehen, betrachten wir es als Chance, neue Zielgruppen in die Stadt zu bringen», sagt Joachim Schweier, Senior Marketing & Communications Manager für die Dolder Hotel AG. Ein gesunder Wettbewerb belebe den Markt, und die Dolder Hotel AG bezeichne sich eher als Marktbegleiter denn als Mitbewerber. Letztlich profitierten Gäste von einem vielfältigen Angebot und hoher Servicequalität – und genau das mache Zürich als Destination noch attraktiver.
Ständige Investitionen
Die in der Schweiz ausserbörslich und an der Börse handelbaren Hotelgruppen bewegen sich alle im oberen Segment der Kategorien. Doch das muss nicht das Ende der Fahnenstange sein. «Das Dolder Grand ist mit der höchsten Auszeichnung 5-Sterne-Superior ausgezeichnet. Dennoch muss kontinuierlich investiert und das Personal geschult werden, um dies zu halten», sagt der Sprecher der Gruppe. Der Fokus liege auf einer kontinuierlichen Weiterentwicklung des Angebots, um den steigenden Erwartungen der Gäste gerecht zu werden.
Dies umfasse unter anderem Investitionen in Design, Servicequalität und Individualisierung des Gästeerlebnisses. Konkret bedeute das beim Dolder Grand, dass in den vergangenen drei Jahren viel in die Bereiche Food & Beverage, Room und Spa investiert wurde. So wurden ein neues Gartenrestaurant, eine neue Bar, ein Omakase-Restaurant und wechselnde Pop-up-Restaurants eröffnet. Zudem würden Foodrunner-Roboter zur Entlastung des Personals eingesetzt.
Auch das Grand Resort Bad Ragaz ist bereits als 5-Sterne-Superior-Hotel klassifiziert, was die höchste Einstufung von HotellerieSuisse darstellt. Ein weiteres Upgrade im Sinne einer Klassifizierung ist somit nicht möglich. «Unser Anspruch geht jedoch weit über die Erhaltung des bestehenden Niveaus hinaus. Durch fortlaufende Investitionen, innovative Konzepte und die stetige Weiterentwicklung unserer Angebote stellen wir sicher, dass wir unseren Gästen nicht nur höchsten Komfort, sondern immer wieder neue, aussergewöhnliche Erlebnisse bieten, die den aktuellen und zukünftigen Bedürfnissen gerecht werden», wirbt die Sprecherin.
Mitarbeitende wollen Abwechslung
Der Sprecher von Aevis Victoria bezeichnet die Mitarbeitenden als entscheidenden Faktor, die den Unterschied ausmachen würden – «die Investitionen in die Mitarbeiter sind entscheidend». Die Aevis Victoria Gruppe biete attraktive Konditionen an, dazu zähle man insbesondere die Möglichkeit, an unterschiedlichen Orten in den führenden Hotels zu arbeiten und Erfahrungen zu sammeln. «Unsere Gruppe kann Anstellungen in Städten wie St. Moritz, Interlaken, Zermatt, Bern oder London – und dank Hotels im Privatbesitz der Eigentümer auch an Orten wie Paris – anbieten». Das würde sehr geschätzt.
Die Aevis Victoria Gruppe verfügt nur über Vier- und Fünf-Sterne-Hotels. «Es besteht wegen des Angebotsmix, den wir bieten wollen, kein Bedarf, Hotels aufzuwerten», sagt der Sprecher. Die Höherstufung von Vier-Sterne-Hotels wäre wegen des Platzbedarfs, der zusätzlich erforderlich ist, auch nicht möglich. Der Sprecher betont, dass das Jahr 2024 für die Gruppe ein Rekordresultat gebracht habe und es im laufenden Jahr gleich weitergehe. So hätten die Hotels in Zermatt, wie die gesamte Destination, ein Rekordjahr erlebt. Das Hotel Alpengold, das ehemalige Goldeneye in Davos, laufe seit der Umpositionierung vom ehemaligen Intercontinental ebenfalls sehr gut. In der Gruppe seien nicht nur die Belegungsraten gestiegen, sondern auch die Durchschnittspreise. Das habe damit zu tun, dass der Trend von Gruppenreisen zu Individualtourismus gehe.
Exklusivität schützt vor Schwankungen
Die Hotelbranche ist anfällig auf konjunkturelle Entwicklungen. Einzelne Betriebe oder Regionen, die sich stark auf bestimmte internationale Märkte fokussieren, können anfälliger auf wirtschaftliche Schwankungen oder Währungseffekte sein. «Die Branche als Ganzes ist jedoch historisch resilient und passt sich durch flexible Preisgestaltung und Angebotsanpassungen an veränderte Marktbedingungen an. Zudem ist die Nachfrage in der Schweiz breit diversifiziert, wodurch kurzfristige Einbrüche in einzelnen Märkten oft kompensiert werden können», sagt der Sprecher von HotellerieSuisse.
Jüngst habe man in den Hotels von Aevis Victoria vor allem eine Zunahme von Reisenden aus den Vereinigten Staaten gesehen. «Die wirtschaftliche Entwicklung oder der Wechselkurs spielen bei der Kundengruppe, die sich solche Hotels leistet, jedoch keine entscheidende Rolle», merkt der Sprecher von Aevis Victoria an. In Bad Ragaz sieht das Resort eine steigende Nachfrage etwa aus Deutschland, den USA und dem Mittleren Osten. «Faktoren wie Sicherheit, Klima und die wirtschaftliche Lage im Heimatland, Wechselkurse und Nachholbedarf wegen Covid-19 beeinflussen das Reiseverhalten sicherlich», sagt Alexandra Ellerkamp. Während wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Währungsschwankungen und geopolitische Entwicklungen die Reiseaktivität in diesen Märkten mitbestimmen, zeige sich, dass das Grand Resort Bad Ragaz durch seine Exklusivität, hohe Servicequalität und erstklassige Angebote auch in anspruchsvollen Zeiten als bevorzugte Destination gewählt werde.
Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
Auch die Luxushotellerie kommt nicht darum herum, die Zielmärkte zu analysieren. «Eine vorausschauende Marktanalyse ermöglicht es uns, gezielte Strategien für verschiedene Zielgruppen und Reisesegmente zu entwickeln. Flexibilität ist dabei entscheidend, um schnell und effizient auf veränderte Rahmenbedingungen wie den Covid-Ausbruch, den Krieg in der Ukraine oder die Wahlen in den USA zu reagieren», sagt der Sprecher der Dolder-Hotel AG. Zudem nutze sein Unternehmen Daten von Schweiz Tourismus und dem Bundesamt für Statistik, um globale Reisetrends und Marktentwicklungen bestmöglich zu analysieren und darauf einzugehen.
Ähnlich äussert sich seine Kollegin vom Grand Resort Bad Ragaz: «Eine vorausschauende Marktanalyse ist von zentraler Bedeutung, um gezielt auf Veränderungen in den Gästeprofilen reagieren zu können. Durch durchdachte Marketingstrategien, enge Partnerschaften mit Reiseveranstaltern und eine flexible Preisgestaltung lassen sich Verschiebungen in der Gästestruktur teilweise steuern.» Die Fähigkeit zur schnellen Anpassung ermöglicht es dem Grand Resort, bei Bedarf auf geopolitische Entwicklungen und Marktveränderungen einzugehen, ohne die langfristige Strategie aus den Augen zu verlieren. Externe Faktoren wie politische Ereignisse oder Flugverbindungen seien jedoch schwer vorhersehbar, weshalb das Unternehmen den Markt kontinuierlich beobachte und die Strategien gegebenenfalls anpasse, um auch in dynamischen Zeiten beständig auf hohem Niveau zu agieren.
Standortvorteil im Winter
Der Klimawandel ist ein Thema, mit dem sich die Destinationen und Beherbergungsbetriebe intensiv auseinandersetzen. Erweiterungen und Anpassungen im Angebot – etwa durch verstärkte Fokussierung auf Wandern, Biken oder Wellness – sind in vielen Destinationen erkennbar. So werden die Zwischensaisons attraktiver, und auch die Sommersaison steigt in der Beliebtheit. Obwohl auch der Branchenverband Schweiz Tourismus diese Transformation aktiv unterstützt, bleibt die Wintersaison der Schwerpunkt. Die Schweiz hat in der Wintersaison einen Standortvorteil, da ihre Skigebiete im Durchschnitt höher liegen als in den Nachbarländern. Das sorgt für vergleichsweise hohe Schneesicherheit.
Das Hotel Suvretta Haus St. Moritz wollte die Fragen des Journalisten nicht, beantworten, weil man die «Privatsphäre der Gäste» wahren wolle. Ebenso wenig ging das Unternehmen auf die Frage ein, ob die Mehrheitsbesitzer, die Familie Candrian, gezielt Aktien der eigenen Gesellschaft aufkaufe. Solche Gerüchte machen angesichts, des seit Jahren steigenden Aktienkurses die Runde. Dies könnte aber auch in der Geschäftstätigkeit begründet liegen, die in den vergangenen Jahren überdurchschnittliche Ergebnisse lieferte. Die Regeln für den Bezug von Covid19-Härtefallgeldern verhindern jedoch, dass den Aktionären vom hohen Gewinn bis zum Spätsommer 2026 etwas ausgeschüttet wird.
Aktien überzeugen nicht
Auch andere Hotel-Gesellschaften zeigten erfreuliche Resultate etwa Aevis Victoria. Die Einnahmen der MRH Switzerland AG, der Hotelbetriebsgesellschaften von Aevis Victoria, legten um 10,5% auf 188.4 Mio. CHF zu. Im Immobilienbereich, der unter anderem Hotels in Zermatt, Zürich, Davos, Interlaken und Flims umfasst, stieg der Portfoliowert um 23 Mio. auf 881.2 Mio. CHF. Zu Beginn des laufenden Jahres ist zudem der Verkauf eines Portfolios von nicht strategischen Vermögenswerten über 100 Mio. CHF eingeleitet worden. Das spiegelt sich aber nicht im Kursverlauf wider, dieser ist über drei Jahre von knapp 20 CHF auf gegen 12 CHF eingebrochen.

Im Jahr 2023 «rettete» der Bäder- und Casino-Betrieb dem Grand Ressort Bad Ragaz das Jahresergebnis und sorgte für einen kleinen Gewinn. Der Hotelbetrieb war mehrere Monate von Renovationsarbeiten beeinträchtigt. 2024 folgte die Sanierung der Therme. Auch der Aktienkurs hätte einer Renovation nötig. Er reduzierte sich von 6000 CHF im Februar 2023 auf aktuell 3600 CHF.

Die Aktien der Dolder Hotel AG bewegen sich in etwa auf dem Stand von vor drei Jahren. Immer wieder wird angeführt, Urs Schwarzenbach, Financier und Besitzer des Zürcher Luxushotels, habe sich mit den Umbauinvestitionen übernommen. Zudem wurde er wegen Steuerhinterziehung im Kunsthandel verurteilt. Die Hotel-Aktien vermögen nicht zu überzeugen, lassen sich jedoch auch nur bedingt untereinander vergleichen, da die Gesellschaften unterschiedliche Stossrichtungen pflegen und teilweise neben der Luxushotellerie noch andere Dienstleistungen anbieten, etwa hochstehende medizinische Betreuungen in Bad Ragaz sowie durch Aevis Victoria – oder Casinos, Therme und Golf, ebenfalls in Bad Ragaz.
