Börsengänge Schweiz/International: IPO-Märkte zwischen Hoffen und Bangen

Börsenunsicherheiten und Kursstürze sorgen für erste IPO-Verschiebungen

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BioVersys: Seng Chin Mah, VRP; Marc Gitzinger, CEO (von links) beim Börsengang an der SIX. Bildquelle: six-group.com

Die Börsen waren zunächst gut ins neue Jahr gestartet, was auch die IPO-Märkte beflügelte. In Europa fanden im ersten Quartal 2025 immerhin 24 Börsengänge mit einem Emissionsertrag von 3.8 Mrd. Euro statt, in Nordamerika sogar 82 mit einem Ertrag von 11.6 Mrd. Euro, so die ZKB in ihrem aktuellen IPO-Newsletter für das 1. Quartal 2025. Mit BioVersys kann auch die SIX einen gelungenen Börsengang verzeichnen.

Noch im Februar hielten sich die US-Indizes in Rekordnähe, an den europäischen Börsen sorgten die deutschen Sondervermögen und neue EU-Investitionsprogramme noch Anfang März für einen Flug in ungeahnte Höhen. Dann jedoch brachen die Märkte ein. Die US-Indizes verloren über 10%, der Rest der Welt folgte nach. Ähnlich wie bei der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine realisierten die Marktteilnehmer erst mit Zeitverzögerung, dass sich die Marktbedingungen gravierend geändert hatten. Auf eine Welt der eskalierenden Zölle, Exportkontrollen und weiterer Handelshemmnisse waren die Marktteilnehmer offensichtlich nicht ausreichend vorbereitet.

Marktsignale

Aktien, US-Bonds und der USD fielen gleichzeitig – ein seltenes Ereignis und ein klares Marktsignal mit Blick auf die Inflationserwartungen und die unrealistischen Hoffnungen auf mehrere Zinssenkungsschritte in den USA. Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA schätzen Ökonomen nun mit 50% ein. Die unkonventionelle Wirtschaftspolitik der Trump Administration scheint nach dem Urteil der Märkte weniger das Ende der Globalisierung als vielmehr das Ende des wirtschaftlichen Populismus herbeizuführen. Die Preise für Importe steigen in den USA schon empfindlich, die Pensionskonten der arbeitenden Bevölkerung sind innert kürzester Zeit um die 10% zusammengeschrumpft.

Einhorn Klarna verschiebt IPO

Die Unsicherheit der Investoren griff schnell auf den sensitiven Primärmarkt über. Angekündigte IPOs wurden serienweise abgesagt oder aufgeschoben. Ein bekannter Börsenkandidat, der den Börsengang angesichts der heraufziehenden Wolken nicht vollzog, ist Klarna. Der schwedische Online-Finanzdienstleister wollte an die Nasdaq und strebte eine Bewertung von 15 Mrd. USD an. Das «Einhorn» sollte ein Eisbrecher werden, denn in den letzten Monaten fehlte es an Mega-IPOs und zugkräftigen innovativen und hochkapitalisierten Tech-Debütanten. Der Online-Ticket-Verkäufer StubHub verschob den Börsengang ebenfalls. Die zunächst gut gelaufenen IPOs CoreWeave und Newsmax fielen um bis zu 20% unter ihre Hochs.

Unspektakuläre Emissionsvolumina

Mit einem Emissionsvolumen von 1.8 Mrd. USD war die Pipeline-Gesellschaft Venture Global das grösste IPO in den USA im ersten Quartal, gefolgt von dem Cloud-Computing Unternehmen CoreWeave mit 1.6 Mrd. USD. In Europa war der Börsengang der schwedischen Asker Healthcare Group an der Börse Stockholm mit umgerechnet 927 Mio. Euro Emissionsvolumen das grösste IPO. Bei BioVersys handelte es sich mit Emissionserlösen von nahe 80 Mio. CHF um ein kleineres IPO. Der Börsengang wurde auf schweizeraktien.net im Februar analysiert. Ende März folgte ein ausführliches Interview mit CEO Marc Gitzinger.

Verteidigungs-Sektor im Fokus

Laut EY verschieben sich die Interessen in den globalen Primärmärkten. Geopolitische Unsicherheiten und wachsende Spannungen haben in allen Regionen zu einer Erhöhung der Budgets für Verteidigung und Sicherheit geführt, insbesondere in den USA, Europa, dem Mittleren Osten sowie Asien inklusive Indien. In den genannten Regionen führe dies zu einer starken Verlagerung der Aktivitäten in den Privat-Sektor. EY ermittelt, dass von den global rund 3400 Verteidigungsunternehmen bereits 300 an der Börse sind. 90 Unternehmen befinden sich in der IPO-Pipeline und 10 davon bereits im Registrierungsprozess. Die meisten Branchenvertreter sind mit Venture Capital finanziert. Die reiferen Unternehmen mit Private Equity-Beteiligung weisen jedoch wesentlich höhere Bewertungen auf. Um das sich abzeichnende Wachstum finanzieren zu können, wird der Sektor verstärkt den Kapitalmarkt in Anspruch nehmen. Die hohen Bewertungen der Verteidigungsunternehmen an den Börsen stellen ein konstruktives Marktumfeld dar.

KI und Primärmarkt

Ein Trend, der sich weiter akzentuiert, ist die Adoption von Künstlicher Intelligenz (KI) durch die Unternehmen. Das schlägt auch auf die IPO-Märkte durch. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass die Integration von KI zu höherer Effizienz und auch Resilienz führt, beispielsweise in der Logistik, im Lieferkettenmanagement oder durch frühere und bessere Diagnosen. Investoren suchen gezielt disruptive Technologien mit grossem Marktpotenzial. Das haben auch die Emittenten verstanden und ihre Narrative in der Equity Story entsprechend gestaltet. EY untersuchte den Zeitraum von Anfang 2024 bis zum ersten Quartal 2025 daraufhin, wie viele der Börsendebütanten in ihren Prospekten und IPO-Filings Referenzen zu KI aufweisen. In den Sektoren Technologie, Medien, Entertainment und Telekom haben 49% der Unternehmen KI-Affinität bewiesen. Im Sektor Healthcare und Life Sciences waren es 45%, im Sektor Financials 41%. Unter 30% blieben Konsum, Industrie, Energie, Bau und Real Estate.

EY Report
Prozentsatz der zwischen 2024 und dem 1. Quartal 2025 an die Börse gehenden Unternehmen, die in ihren Unternehmensmeldungen auf KI verweisen, nach Sektor. EY: IPO Trends Report

Blick nach Fernost

Während die Emissionsvolumina und die Anzahl der Börsengänge in Europa und den USA im ersten Quartal unspektakulär, aber nicht schwach waren, zeigten ferne Börsenplätze wie Indien und Südkorea eine dynamische Entwicklung. Neben Technologie reüssierten auch die Sektoren Bau, Hotellerie und Gastronomie sowie Industrie. Weniger gefragt waren Konsum, Energie und Financials. Laut EY bleiben die Emissionsvolumina gedämpft, während die IPO-Pipelines zunehmend anschwellen.

Exit-Stau der PE-Industrie

Bei der immer dominierender werdenden Private Equity Industrie ist sogar ein regelrechter Exit-Stau aufgelaufen. Das zeigt sich u.a. darin, dass quer durch die Branche sogenannte Continuation Funds aufgelegt werden. Deren Aufgabe besteht einzig darin, Beteiligungen aufzunehmen, die aus Fonds, die geschlossen werden sollen, ausgekehrt werden. Typische PE-Fonds haben Laufzeiten von 5 bis 8 Jahren. Die Laufzeit kann aber auch verlängert werden. Wenn Beteiligungen nicht zu akzeptablen Preisen veräussert werden können, kommen sie in die Continuation Fonds, und die regulären Fonds können zum Ende ihrer maximalen Laufzeit liquidiert werden.

Anzahl IPOs an der SIX seit 2001. Quelle: ZKB, IPO-Newsletter Q1 2025

Ausblick

Die Perspektiven an den IPO-Märkten haben sich im April empfindlich verschlechtert. Steigende Inflationsraten durch die US-Zollpolitik dämpfen die Zinssenkungsfantasie. Die Verwerfungen an allen Finanzmärkten sorgen für Verunsicherung, ebenso die wachsenden Kriegsgefahren für das um Einigkeit ringende Europa. Die Börsen in Indien, Japan, Südkorea und den ASEAN-Ländern florieren trotzdem. Ein Grund ist die starke Performance der Börsenneulinge. In Europa herrscht kein Mangel an angekündigten oder vermuteten IPOs. Die ZKB nennt unter Berufung auf Schweizer Fachmedien u.a. Acrotec und Ammega als mögliche IPO-Kandidaten an der SIX.

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