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Branchentalk Tourismus: Die Branche schaut mit grosser Zuversicht nach vorne

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Kevin Fleck, CFO Flughafen Zürich AG
Kevin Fleck, CFO Flughafen Zürich AG, sprach am Branchentalk Tourismus von schweizeraktien.net. Bild: Boris Baldinger/schweizeraktien.net

Nichts bringt die Emotionen der Touristiker besser auf den Punkt als der Titel des aus den Fünfziger Jahren stammenden Schlagers «Nach em Räge schint d’Sunne», den der Chef der Rigi Bahnen, Frédéric Füssenich, in seiner Ansprache anführt. Er spricht im Rahmen des 10. Branchentalk von schweizeraktien.net am Flughafen Zürich über die «Zukunft des Reisens». Und taucht dafür zunächst in die Vergangenheit.

Krisen, Krisen, immer wieder Krisen hätten den Tourismus getroffen, so Füssenich. Aber der Tourismus habe sich als krisenresistent erwiesen: «Ein Wachstumsmarkt, eine Zukunftsbranche» sei der Tourismus, ruft er ins Publikum.

Ein Highlight des Branchentalk Tourismus: Dominique Gisin, ehemalige Skirennfahrerin und Olympiasiegerin sowie Mitglied des VR der Titlisbahnen, im Gespräch mit der TV-Journalistin Katharina Deuber. Bild: Boris Baldinger/schweizeraktien.net

«Tourismus ist steiler denn je zurückgekommen»

Mit der Zuversicht ist er nicht alleine. Mit Schaudern schaut man auf das Bild der Abflugtafel am Flughafen Zürich vor vier Jahren, die keine 20 Abflüge an einem Tag auflistete. Für Kevin Fleck, CFO der Flughafen Zürich AG, ist die Katastrophe der Pandemie Geschichte, wie es die hervorragenden Geschäftszahlen nicht besser ausdrücken könnten. Sein Kollege Andreas Gerber von der Fluggesellschaft Swiss sekundiert. Das touristische Geschäft sei steiler denn je zurückgekommen. Einen bleibenden Einschnitt sieht er aber im Jet-Geschäftsreiseverkehr, der bei 70% im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten liege.

Ein ikonisches Bild aus dem Jahr 2020. Gerade mal eine Handvoll Abflüge vom Flughafen Zürich an einem Tag. Bild: Flughafen Zürich

Grosse Investitionen am Berg

Auch die anderen Redner an diesem Tag bemühen die Pandemie-Zeiten, um zu verdeutlichen, wie sie diese Krise gestählt hat und welchen Schwung sie aus ihr mitgenommen haben. Urs Kessler, CEO der Jungfraubahnen, hat das Grossprojekt V-Bahn Anfang der 20er Jahre durchgezogen, Norbert Patt von den Titlisbahnen realisiert den Umbau des Gipfels zusammen mit Herzog & de Meuron gegen Widerstände, die ihm vor wenigen Jahren noch entgegenschlugen. Und die BVZ Holding, die die Gornergratbahn und die Matterhorn Gotthard Bahn betreibt, investiert dreistellige Millionensummen in Rollmaterial und einen Tunnel kurz vor Zermatt, wie ihr CEO Egon Gsponer ausführt.

Der Tourismus ist zurück – und wie. Davon zeugen auch die aktuellen Geschäftszahlen. Auch wenn die Anzahl der Besucherinnen und Besucher (noch) nicht wieder auf Vor-Pandemie-Niveau gestiegen ist, so liegen Profitabilität und Rentabilität der Tourismusunternehmen teilweise deutlich darüber. Der Grund ist schlicht: Heute zahlt der Besucher deutlich mehr für seine touristischen Aktivitäten.

Der internationale Tourismus ist zurück

Der internationale Tourismus ist zurück. Das ist für Unternehmen wie die Titlis- und die Jungfraubahnen entscheidend. Urs Kessler und Norbert Patt verwiesen auf ihre starke Verkaufspräsenz in den Fernmärkten USA, Asien, Südamerika und Arabien. Das Bedürfnis nach internationalen Reisen werde weiter steigen, prophezeite Patt.

Patt bemühte sich, das O-Wort nicht in den Mund zu nehmen. Wie auch alle anderen Redner. Es gehe nicht um die Anzahl der Reisenden, Stichwort «Overtourism», sondern um die Flussrichtung der Touristenströme. Und damit auch um ihre zielgerichtete Einhegung. Denn eines ist klar: Die Abhängigkeit von Fernmärkten gerade für Destinationen wie Engelberg, die Jungfrau-Region oder Zermatt wird weiter steigen. Gleichzeitig hat das Schweizer Schneesportgeschäft nur noch kleine Zuwachsraten zu verzeichnen oder stagniert, insbesondere in mittleren Lagen. «Man darf den internationalen Tourismus nicht gegen den Schweizer Tourismus ausspielen», warnte Patt.

Dichtestress durch aktive Lenkung begegnen

Auch Füssenich sprach davon, dem Dichtestress des Massentourismus durch eine aktive Besucherlenkung zu begegnen. Denn 80% der Touristen besuchten nur 10% der Destinationen. Reise-Influencer, Social-Media-Kanäle und KI sind die Treiber hinter dieser Entwicklung. Was allerdings eine weitere Good News für ein Tourismusland wie die Schweiz ist.

Tourismusdestinationen auf der Gewinnerseite

An den richtigen Destinationen das Geschäft zu machen, ist also die halbe Miete. Das zeigt auch eindrücklich das Geschäftsmodell des Hotelunternehmens Aevis Victoria, das 10 Luxushotels unter anderem in Zermatt, Interlaken und Zürich betreibt. Insbesondere die drei Standorte hätten dem Unternehmen in 2023 einen Rekordumsatz beschert, freut sich CEO Fabrice Zumbrunnen. Der Durchschnittspreis von 560 CHF für ein Zimmer pro Nacht in einem Aevis-Victoria-Hotel trägt massgeblich dazu bei.

Titlis Bahnen, Jungfraubahnen, die BVZ Holding, die Flughafen Zürich AG sowie die Aevis Victoria Gruppe stellten den anwesenden rund 80 Besuchern ihre Geschäftsmodelle in einem Investoren- und Analystenmeeting vor. Moderiert wurde das Meeting vom CEO der Serafin Group, Marcel Weiss, sowie dem Portfoliomanager Patrick Hofer. Serafin hält über seine Fonds Positionen in einigen dieser Unternehmen.

Marcel Weiss, CEO der Serafin Gruppe, hier im Bild mit Urs Kessler, moderierte den Investorenanlass zusammen mit seinem Kollegen Patrick Hofer. Bild: Boris Baldinger/schweizeraktien.net

Totgesagtes Gruppenreisegeschäft wieder voll zurück

Um das grosse Bild der Situation des Tourismus in der Schweiz zu komplettieren, bat schweizeraktien.net-Gründer Björn Zern am Ende des Veranstaltungstages zu einer Podiumsdiskussion. Mit dabei: Sylvia Eppailard von Interhome, Karim Twerenbold vom gleichnamigen Reiseunternehmen, Frédéric Füssenich von den Rigi Bahnen und Andreas Gerber von der Swiss.

Die angeregte Podiumsdiskussion über die Zukunft des Reisens beendete den Branchentalk. Bild: Boris Baldinger/schweizeraktien.net

Karim Twerenbold bestätigte die Eindrücke des Tages. Nach Umsatzverlusten von 90% in 2020 hätte das Unternehmen nur überlebt, weil es im Familienbesitz sei und eine entsprechende Resilienz an den Tag gelegt hätte, weil man stets verantwortungsvoll gewirtschaftet hätte. Das totgesagte Gruppenreisegeschäft sei jetzt wieder voll lebendig, allerdings würden die Buchungen mit kürzerem Vorlauf getätigt. Andererseits sei festzustellen, dass sich das Buchungsverhalten auch insofern verändere, dass z.B. die wichtige Zielgruppe der Ü-60-Jährigen vermehrt digital buche. Twerenbold setzt 90% seiner Reisen im Direktvertrieb ab.

Workation als grosser Trend

Davon könne sie nur träumen, sagte Interhome Co-CEO Sylvia Epaillard. Der Ferienhausanbieter Interhome, in Glattbrugg zu Hause, bietet über seine 115 Servicebüros 36’000 Objekte in touristischen Destinationen an, sowohl am Berg als auch am Strand. Das Unternehmen sei aufgrund seines Geschäftsmodells nicht so stark von der Pandemie getroffen worden wie andere Anbieter, so Epaillard. Man profitiere von der «Workation» als grossem Trend, Ferien und Arbeit durchmischten sich immer mehr. Auch Epaillard beobachtet immer kurzfristigere Buchungen.

Nachhaltigkeit bleibt beherrschendes Thema

Das Podium widmete sich dem Thema Nachhaltigkeit. Karim Twerenbold rief dazu auf, dass Reisen wieder Wertigkeit brauche. Es benötige einen «Resonanztourismus», der einen Widerhall sowohl aufseiten des Reisenden wie aufseiten der anbietenden Destinationen finde. Sylvia Epaillard betonte, dass man die Kunden und die Anbieter von Ferienhäusern mit nachhaltigen Massnahmen nicht bestrafen, sondern belohnen sollte. Ihr Unternehmen wolle Anbieter von Ferienhäusern dazu ermutigen, die richtigen Schritte z.B. betreffend Energie zu gehen, wovon sie dann auch wirtschaftlich profitierten.

Es fehle aber immer noch an der Infrastruktur für das energiearme Reisen, monierte Twerenbold. Das ist natürlich auch ein Thema für eine Fluggesellschaft wie die Swiss. Andreas Gerber sagte mit Blick auf die Strategie der Swiss, man wolle vermeiden/reduzieren/ersetzen. «Vermeiden» von Kurzstrecken wie von Lugano nach Zürich, die nicht mehr angeboten werden, «Reduktion» durch eine effizientere Flotte und «Ersetzen», indem man halbsynthetische Treibstoffe einsetze, die heute allerdings noch 3 bis 5x teurer seien als herkömmliches Kerosin.

Auch wenn der Flughafen Zürich fast den ganzen Tag über in dichten Nebel gehüllt war, so schien beim Branchentalk im Veranstaltungsraum auf der Besucherterrasse des Flughafens die Sonne der Zuversicht. Man konnte förmlich all die Steine rumpeln hören, die von den Unternehmensverantwortlichen in den letzten zwei, drei Jahren abgefallen sind. Heute schaut die Branche auf eine sehr vielversprechende Zukunft – bis zur nächsten Krise. Aber man scheint gewappnet.

Impressionen vom Branchentalk

 

 

 

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Branchentalk Tourismus 2024: Tourismusunternehmer und Investoren zu Gast am Flughafen Zürich

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Dominique Gisin im Gespräch mitt Katharina Deuber. Bild: Boris Baldinger/schweizeraktien.net
Dominique Gisin im Gespräch mitt Katharina Deuber. Bild: Boris Baldinger/schweizeraktien.net

Bereits zum 10. Mal lud schweizeraktien.net zum Branchentalk Tourismus ein. Schwerpunktthema war die Zukunft des Reisens. Rund 80 Vertreter von Schweizer Tourismusunternehmen sowie Investoren und Analysten nahmen in diesem Jahr an der Konferenz am Flughafen Zürich teil. Am Vormittag standen Investoren-Präsentationen der fünf börsenkotierten Tourismusunternehmen BVZ Holding, Jungfraubahn, Flughafen Zürich, AEVIS Victoria und Titlisbahnen im Mittelpunkt. Am Nachmittag widmeten sich Referate der Rigi Bahnen und des Ferienhausvermittlers Interhome sowie ein hochkarätig besetztes Podium dem Thema Zukunft des Reisens.

Ein Highlight war nach dem Lunch ein Gespräch mit der ehemaligen Skirennfahrerin Dominique Gisin, das von der erfahrenen TV-Journalistin Katharina Deuber geführt wurde.

Einen ausführlichen Beitrag über den Branchentalk Tourismus 2024 sowie Videointerviews finden Sie in den kommenden Tagen auf schweizeraktien.net. Die Präsentationen der Referierenden können hier heruntergeladen werden.

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Marcel Fritsch, Bellevue AI Health: «AI könnte aus einem offenen Markt einen ‹the-winner-takes-it-all› Markt machen»

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Marcel Fritsch, Bellevue Asset Management
Marcel Fritsch ist seit 2008 bei Bellevue Asset Management tätig. Er ist Leiter Healthcare Fonds & Mandate und Co-lead Portfoliomanager der Fonds Bellevue Medtech & Services, Bellevue Digital Health und Bellevue AI Health. Davor arbeitete er über 3 Jahre als Berater bei Deloitte Touche Tohmatsu mit Fokus auf die Analyse von Geschäftsstrategien, die Beurteilung von Organisationsstrukturen sowie die Bewertung von Unternehmen im Vorfeld von Unternehmenstransaktionen. Marcel Fritsch verfügt über einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre der Universität St. Gallen (HSG). Bild: zvg
Marcel Fritsch, Bellevue Asset Management
Marcel Fritsch ist seit 2008 bei Bellevue Asset Management tätig. Er ist Leiter Healthcare Fonds & Mandate und Co-lead Portfoliomanager der Fonds Bellevue Medtech & Services, Bellevue Digital Health und Bellevue AI Health. Davor arbeitete er über 3 Jahre als Berater bei Deloitte Touche Tohmatsu mit Fokus auf die Analyse von Geschäftsstrategien, die Beurteilung von Organisationsstrukturen sowie die Bewertung von Unternehmen im Vorfeld von Unternehmenstransaktionen. Marcel Fritsch verfügt über einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre der Universität St. Gallen (HSG). Bild: zvg

Vor einem Jahr legte der Schweizer Life Science Spezialist Bellevue Asset Management einen innovativen Publikums-Fonds auf, der auf den wertsteigernden Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen fokussiert. Die Einsatzmöglichkeiten im Healthcare-Sektor sind breit. Die «early adopters» wie Eli Lilly, Stryker und UnitedHealth Group glänzen mit Effizienzsteigerungen und Innovationen, die wesentlich zu deren beflügelter Kursentwicklung beitragen. Im Gespräch mit schweizeraktien.net erläutert Fondsmanager Marcel Fritsch wie die AI-Revolution die Gesundheitswirtschaft re-definiert, wodurch sich die Gewinner der rapiden Entwicklung auszeichnen und worauf Anleger ihre Aufmerksamkeit richten sollten.

Sie haben die Zeichen der Zeit gut erkannt und mit dem Bellevue AI Health Fonds seit der Auflage am 30. November 2023 eine überdurchschnittliche Performance von rund 20% erzielt. Es fällt auf, dass die hoch gewichteten Aktien wie Eli Lilly und Novo Nordisk auch für einen auf Diabetes und Adipositas oder einen auf General Bio-Pharma fokussierten Fonds typisch wären. Worin genau besteht die Verbindung von Artificial Intelligence mit Lilly und Novo Nordisk?

Marcel Fritsch: Die Bottom-up-Aktienselektion und Portfoliokonstruktion im Bellevue AI Health Fonds wird hauptsächlich durch «Conviction» bestimmt. «Conviction» in Bezug auf eine Aktie ist wiederum durch verschiedene Fundamentaldaten wie Managementqualität, Wachstumsprofil, Rentabilität und Bewertung sowie durch den Bellevue AI Affinity Score getrieben. Eli Lilly und Novo Nordisk sind Pharmaunternehmen, die über eine sehr grosse Menge an Daten verfügen und versuchen, die Entwicklung neuer Medikamente mit Generativer Künstlicher Intelligenz, GenAI, zu beschleunigen. Lilly zum Beispiel hat eine Partnerschaft mit XtalPi angekündigt und setzt AI und Robotik zur Erforschung neuer Therapeutika ein. Novo Nordisk ist unter anderem eine Partnerschaft mit Microsoft eingegangen, um die Arzneimittelforschung und -entwicklung mit Hilfe von Big Data und künstlicher Intelligenz zu beschleunigen.

Wodurch zeichnet sich der Bellevue AI Affinity Score aus, der gewissermassen Ihr Investment Universum definiert?

Der proprietäre Bellevue AI Affinity Score bewertet, wie intensiv ein Unternehmen künstliche Intelligenz (AI) nutzt und in entsprechende Ressourcen investiert. Dabei wird gemessen, wie strategisch AI in Geschäftsprozesse wie Forschung, Medikamentenentwicklung oder Patientenversorgung integriert ist. Unternehmen, die signifikante Investitionen in AI-Technologien tätigen und innovative Anwendungen entwickeln, werden höher eingestuft. Der Score berücksichtigt auch das regulatorische Umfeld, da der Gesundheitssektor stark reguliert ist und der klinische Nutzen im Vordergrund steht. Dadurch können wir Unternehmen gezielt auswählen, die durch den Einsatz von AI einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil erzielen und langfristig höhere Renditen erwarten lassen.

Neun der 10 grössten Positionen sind Arzneimittelhersteller, auf die fast 40% des Fondsvolumens entfällt. Heisst das implizit, dass bisher der Grossteil der Wertschöpfung durch KI im Gesundheitssektor bei den forschenden Big Bio-Pharma Unternehmen stattfindet?

Ja, die Wertschöpfung durch KI findet derzeit in hohem Masse bei den Mega und Large Caps wie Eli Lilly, Novo Nordisk und Amgen statt, die führend in der Nutzung von KI für die Medikamentenentwicklung und Diagnostik sind. Diese Unternehmen profitieren stark von der Anwendung von GenAI, die es ihnen ermöglicht, Entwicklungszeiten zu verkürzen und Risiken im Forschungsprozess zu verringern. Grosse Unternehmen verfügen nicht nur über die erforderlichen finanziellen Mittel, um in KI-Technologien zu investieren, sondern sie haben auch Zugang zu den grossen Datenmengen, die für den Erfolg von KI-Anwendungen im Gesundheitswesen entscheidend sind. Auch die regulatorischen Rahmenbedingungen im Gesundheitssektor, die hohe klinische Standards erfordern, machen den Einsatz von KI für diese etablierten Unternehmen besonders attraktiv, da sie den klinischen Nutzen maximieren und Risiken besser steuern können.

«Die Wertschöpfung durch KI findet derzeit in hohem Masse bei den Mega und Large Caps wie Eli Lilly, Novo Nordisk und Amgen statt»

Bitte machen Sie das an für die Leser gut nachvollziehbaren Beispielen fest. Wie setzen beispielsweise Roche und Novartis die KI konkret ein? Die beiden Aktien sind mit jeweils über 3% in Ihrem Fonds gewichtet.

Bei Genentech, das zu Roche gehört, wurden umfangreiche, robuste Datensätze aus jahrzehntelanger Labor- und klinischer Forschung aufgebaut und zum Training leistungsstarker GenAI-Modelle verwendet. Genentech kündigte im November 2023 eine Partnerschaft mit dem amerikanischen Technologieunternehmen Nvidia an. Durch die Zusammenarbeit mit Nvidia steigert Genentech die Leistung seiner GenAI-Modelle durch beschleunigte Rechenleistung und Software von Nvidia, wie BioNeMo, die GenAI-Anwendungen in der Arzneimittelforschung skaliert. Novartis hat gemeinsam mit Microsoft das AI Innovation Lab gegründet. Die beiden Unternehmen arbeiten seit 2019 in der Forschung und Entwicklung zusammen. Ziel ist es, die KI-Fähigkeiten der beiden Unternehmen zu bündeln, um einen Innovationsschub in der Medikamenten- und Therapieentwicklung auszulösen. KI soll das Design von CAR-T-Zellen für die Krebsimmuntherapie optimieren und Behandlungen individueller gestalten.

Die grosse Datenbasis in der Welt der Medizin bietet beste Voraussetzungen für den Einsatz der “learning machines”, z.B.  bei der Differenzialdiagnose in der Onkologie oder beim patent-screening. Wie sieht es in Bereichen aus, die mehr erfordern als den Vergleich bereits bestehender Bilder, analytischer Messwerte und Dokumente? Wo sehen Sie “the next frontier” für den Einsatz von KI bei der Verbesserung der Gesundheitswirtschaft?

Das grosse Potenzial für den Einsatz von KI im Gesundheitssektor liegt in der Weiterentwicklung roboterassistierter Chirurgie, der präzisen Gewebeerkennung und der Erstellung personalisierter Behandlungspläne. Roboterbasierte Chirurgiesysteme wie das neue da Vinci 5 von Intuitive Surgical ermöglichen präzisere und sicherere Operationen mit verbesserten Ergebnissen für die Patienten. Gleichzeitig wird KI zunehmend in der Diagnostik eingesetzt, etwa zur Erkennung von Gewebeanomalien oder zur Unterstützung bei minimalinvasiven Eingriffen. Auch in der personalisierten Medizin eröffnet KI neue Möglichkeiten: Durch die Analyse individueller Patientendaten können massgeschneiderte Behandlungspläne entwickelt werden, die auf die spezifischen Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmt sind.

Eine Ihrer grössten Positionen ist mit 7,4% die amerikanische UnitedHealth Group. Die operiert im Nexus des Healthcare-Sektors und verbessert die Kooperation der diversen Stakeholder wie Patienten, Regierungen, Pharmaindustrie, Versicherungen, etc. Ziel ist die Steigerung von Effizienz und Qualität. Wie hilft die KI dabei genau? Gibt es in Europa vergleichbare Unternehmen? Und wie ist sichergestellt, dass es keine Interessenkonflikte gibt?

UnitedHealth setzt künstliche Intelligenz in über 50 verschiedenen Anwendungsfeldern ein um die Effizienz und Qualität im Gesundheitswesen zu verbessern. Das Unternehmen ist bestrebt, unnötige Behandlungen bereits in der Phase der Vorabgenehmigung zu erkennen und zu verhindern. Ein zweites Anwendungsbeispiel ist die KI-gestützte Suche für Versicherte, die einen Spezialisten (Arzt) suchen, der qualitativ sehr gut, kostengünstig, im UnitedHealth-Netzwerk und in der Nähe des Versicherten ist. Der Versicherte gibt beispielsweise Symptome wie „Kopfschmerzen“ ein und basierend auf der individuellen Krankengeschichte werden die entsprechenden Ärzte aufgelistet.

Über 70% des Portfolios sind in US-Unternehmen investiert. Weitere 12% entfallen auf Mega-Caps aus der Schweiz und Dänemark. Wie kommt es, dass Unternehmen aus traditionell in Medizin und Forschung starken Ländern wie Japan nur mit 4% und Deutschland mit 1% gewichtet sind?

Die geografische Aufteilung des Portfolios ist lediglich das Ergebnis unserer Bottom-up-Aktienauswahl und Portfoliokonstruktion. Für den hohen Anteil an US-Unternehmen im Bellevue AI Health Portfolio gibt es verschiedene Gründe. Die USA investieren pro Jahr etwa sechsmal mehr in die medizinische Grundlagenforschung als die grössten europäischen Länder wie Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich. Von den fünf grössten Risikokapitalmärkten befinden sich vier in den USA: Bay Area, New York City, Boston und Los Angeles. Die Risikokapitalinvestitionen im Gesundheitssektor gehören zu den beiden grössten nach der Softwarebranche. Schliesslich ist die Mehrheit der grossen Gesundheitsunternehmen in den USA ansässig und ebenfalls die führenden KI-Technologieunternehmen wie Nvidia, Microsoft, Qualcomm und Oracle.

Sprechen wir noch kurz über Engagements in sogenannten Schwellenländern, wo aufgrund der IT-Kompetenz auch Indien, Brasilien und afrikanische Länder wie Uganda, Kenia und Ghana überraschend schnell KI-Lösungen für den Gesundheitsmarkt entwickeln. Wie schätzen Sie die Chancen für erfolgreiche KI-Investments in Emerging Markets ein?

Die meisten Unternehmen aus den genannten Schwellenländern haben entweder einen zu niedrigen Bellevue AI Affinity Score oder eine zu geringe Marktkapitalisierung. QuantumPharm (XtalPi) ist ein auf KI und robotergestützte Arzneimittelentwicklung spezialisiertes Unternehmen mit Sitz in Shenzhen, China, in das wir investiert sind.

Bisher standen ja an der Börse im KI-Kontext Mega- und Large-Caps im Fokus der Anleger. Die Bewertungen von Nvidia, Lilly & Co. sind inzwischen jedoch zumindest ambitioniert zu nennen. Welche Chancen sehen Sie für Mid-Caps mit Blick auf Phase II der KI-Revolution im Healthcare-Sektor?

Die meisten Mid-Cap-Unternehmen erfüllen derzeit die Auswahlkriterien für unser Portfolio nicht. Das liegt vor allem daran, dass die Technologie heute noch teuer ist und sich die Mid-Cap-Unternehmen die noch teureren Spezialisten (noch) nicht leisten können. Die Preise und damit die Eintrittsbarrieren werden fallen. Letztlich ist die entscheidende Frage, ob diese Unternehmen über genügend Daten verfügen, um die KI-Modelle auf einem ausreichend hohen Qualitätsniveau zu trainieren.

«Die meisten Mid-Cap-Unternehmen erfüllen derzeit die Auswahlkriterien für unser Portfolio nicht»

Bitte nennen Sie einige Beispiele und Nischen, die sich als besonders vielversprechend erweisen könnten?

Gerne stelle ich Ihnen zwei Beispiele mit jüngsten Produktzulassungen aus den Bereichen robotergestützter Chirurgie und Diabetes-Management vor. Procept BioRobotics hat mit seiner Hydros-Roboterplattform für die Entfernung von Prostatagewebe einen entscheidenden Schritt gemacht. Die Plattform nutzt KI für OP-Planung und verfügt über Einweg-Endoskop-Hardware, was zu schnelleren, sichereren und konsistenteren Ergebnissen führt – unabhängig von der Erfahrung des Chirurgen. Mit 400 bereits installierten Robotern bietet Hydros durch die hohe Integration und vereinfachte Workflows ein enormes Potenzial für die breitere Marktakzeptanz. Dexcom erschliesst mit seiner Produktinnovation ein neues Kundensegment im Bereich Diabetes. Mit dem kürzlich zugelassenen Stelo-Glukosesensor bietet das Unternehmen ein «Wearable» für Diabetiker, die kein Insulin benötigen. Dieser Sensor hilft, den Einfluss von Bewegung und Ernährung auf den Blutzuckerspiegel besser zu verstehen. Dexcom erweitert damit sein Angebot über insulinabhängige Patienten hinaus und bietet Lösungen, die eine breitere Nutzerbasis ansprechen.

Medizintechnik ist in Ihrem Fonds mit 24% hoch gewichtet. Für gute Performance sorgen vor allem die amerikanischen Weltmarktführer Stryker, Boston Scientific und Intuitive Surgical. Was können die besser als ihre europäischen Konkurrenten? Und bietet nicht gerade die KI die Möglichkeit, die Wettbewerbsposition zu verbessern?

Stryker und Boston Scientific haben ihre Finanzkraft genutzt, um sehr gezielte Übernahmen zu tätigen. Stryker kaufte vor einigen Jahren Mako, ein führendes Unternehmen im Bereich der Roboterorthopädie, und investierte dann zwei Jahre in die Verbesserung und Skalierung des Systems, so dass es jetzt eine fast uneinholbare Führung bei der robotergestützten Knie-, Hüft- und Schulterimplantation hat. Boston Scientifc verfügt über einen eigenen Fonds, der Risikokapital in innovative Medizintechnikunternehmen investiert. Dies führte 2020 zur Übernahme von Farapulse, dessen innovativer Ablationskatheter zur schnellen und nebenwirkungsarmen Behandlung von Herzrhythmusstörungen einen wesentlichen Beitrag zum zweistelligen organischen Umsatzwachstum des Unternehmens im Jahr 2024 leistet.

Sie haben dieses Jahr auch in zwei IPOs mit KI-Hintergrund investiert. Was können Sie dazu sagen? Sehen Sie weitere interessante Börsengänge von AI-affinen Unternehmen im Healthcare-Sektor?

Ja, wir haben in diesem Jahr in die IPOs von QuantumPharm und Tempus AI investiert, beide mit starkem KI-Fokus. Beide Unternehmen haben eine bemerkenswerte Entwicklung gezeigt, was unsere Entscheidung bestärkt, in innovative Technologien im Gesundheitswesen zu investieren. Der Markt für Börsengänge, in diesem Bereich, zeigt derzeit eine deutliche Belebung. Investoren haben nach der Dürre der vergangenen Jahre wieder ein stärkeres Interesse. Wir prüfen kontinuierlich neue Möglichkeiten im AI-Healthcare-Sektor, da wir davon ausgehen, dass dieser Bereich weiterhin stark wachsen wird und spannende neue Unternehmen auf den Markt kommen werden.

«Der Markt für Börsengänge, in diesem Bereich, zeigt derzeit eine deutliche Belebung»

In Ihren Publikationen erwähnen Sie Ihr Engagement bei Elevance, einem auf “Exchange Market” Krankenversicherungen spezialisierten Unternehmen, und dass sich deren Perspektiven unter einer Präsidentin Kamala Harris verbessern würden. Können Sie unsere Leser erhellen und den Terminus und die Perspektiven bitte kurz erläutern?

Bei «Exchange Market»-Krankenversicherungen handelt es sich um stark subventionierte Krankenversicherungspläne, die zusätzlich vom demokratischen Präsidenten Joe Biden subventioniert werden. Diese zusätzlichen Subventionen sorgen dafür, dass diese Krankenversicherungen sehr gefragt sind. Die Subventionen sind jedoch bis Ende 2025 befristet und würden von einem republikanischen Präsidenten nicht verlängert werden, was sich negativ auf die Nachfrage auswirken würde. Kamala Harris hingegen hat sich für eine Verlängerung der zusätzlichen Subventionen ausgesprochen.

Einen klaren Nutzen für forschende Arzneimittelunternehmen, Patienten und Kostenträger bringt bereits die durch KI rapide beschleunigte Medikamentenentwicklung. Amgen und Gilead setzen Masstäbe. Ist das auch eine Chance für Unternehmen wie beispielsweise die deutsche Merck, die in den letzten 15 Jahren nur drei Neuzulassungen erreichen konnte?

Eindeutig. Merck KGaA ist Teil unseres Portfolios, und es gibt viel Evidenz für den Einsatz von GenAI.

Wenn Sie fünf bis zehn Jahre weiterdenken, wie wird die KI den Healthcare-Sektor verändert haben, und wie können weitsichtige Investoren daran partizipieren?

Unternehmen, die GenAI als zentralen Bestandteil ihrer Geschäftsstrategie einsetzen und erhebliche Ressourcen in diese Technologie investieren, können sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschaffen. Dies könnte aus einem einst für alle offenen Markt einen „the-winner-takes-it-all“ Markt machen. Für Investoren bedeutet dies, gezielt auf die Gewinner zu setzen und die Verlierer zu meiden, da die Aktienperformance stark auseinanderdriften wird.

Vielen Dank, Herr Fritsch, für die geteilte Expertise. Das wird die Sicht der Leser auf den Einsatz von AI im Healthcare Universum bestimmt erhellen.

Das DAX-Mirakel: Börse hui, Wirtschaft pfui

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Die Wirtschaft in Deutschland tritt bestenfalls auf der Stelle, aber die Kurse an der Börse eilen von Rekord zu Rekord. Bild: stock.adobe.com

Mancher greift sich an den Kopf, und kann es doch nicht fassen. Wie kann das sein, dass schon lange krisenhafte Nachrichten aus Wirtschaft und Unternehmen in Deutschland die Schlagzeilen prägen – und der Leit-Index DAX trotzdem haussiert und Rekordstand auf Rekordstand folgt?

Am 18. Oktober war es wieder einmal soweit: Mit 19’674 Punkten erreichte der deutsche Leitindex DAX einen neuen historischen Rekordstand. Seit dem Zwischentief bei 12’114 Punkten im September 2022 kennt das Börsenbarometer nur eine Richtung: nach oben. Das historische Hoch von Anfang 2022 wurde bereits im Mai 2023 überboten. Im laufenden Jahr beläuft sich die Performance auf gut 16%, in den letzten 12 Monaten auf beachtliche 30,7%! Und auch auf 5-Jahressicht beeindruckt der Anstieg von 51%.

DAX 5 Jahre
Die Entwicklung des DAX während der letzten 5 Jahre. Chart (in EUR): google.com

DAX-Performance im Vergleich

Zum Vergleich: Der französische CAC-40 hat 2024 per saldo 0,5% verloren, die 1-Jahresperformance beträgt eher magere 10%. Der Schweizer SPI erzielte eine 1-Jahresperformance von 19%, der italienische Mibtel von 27%. Das Verblüffende ist, dass nirgends die Wirtschaftsdaten schlechter als in Deutschland sind. Nach zwei Quartalen mit schrumpfendem BIP ist die deutsche Wirtschaft offiziell in einer Rezession! Die BIP-Prognosen für 2025 wurden abgesenkt. Sogar die fragwürdige Auszeichnung als «kranker Mann Europas» geistert durch den Blätterwald, die in der Vergangenheit für Krisenländer wie Italien oder Griechenland reserviert war.

Market Cap und Indexgewichtung

Für den scheinbaren Widerspruch sind mehrere Faktoren verantwortlich. Rein technischer Natur ist die Erweiterung um 10 Titel auf 40 Aktien. Der Performance-Index DAX ist zudem an der Marktkapitalisierung der Bestandteile ausgerichtet. Fällt diese bei einzelnen Aktien, folgt bei periodischen Revirements ein «Down-Grading» in den Mid-Cap Index MDAX oder den Small-Cap Index SDAX. Es rücken dann Aktien von Unternehmen nach, die mit Blick auf Handelsqualität und Marktkapitalisierung gegenüber den Absteigern an Bedeutung gewonnen haben.

Star-Performer SAP

Auch wenn der Leit-Index DAX die grössten Unternehmen des Landes abbilden soll, die Unterschiede sind doch gewaltig. So liegt die Market Cap von SAP mit 254 Mrd. Euro inzwischen höher als die aller deutschen Automobil-Konzerne zusammen! Als stetiger Performer kann SAP also allein die kollektiven Kursverluste von BMW, VW, Mercedes und Porsche überkompensieren. In den letzten 12 Monaten kletterte die SAP-Aktie um 77%.

Chart SAP
Kletterkurs der SAP-Aktie. Chart (in EUR): boerse.de

Die DAX-Gewinner

Andere starke Performer in den letzten 12 Monaten sind Siemens Energy mit 241%, Rheinmetall mit 89% und MTU Aero Engines mit 77%. Auch der Finanz-Sektor ist ein Zugpferd der DAX-Performance. Deutsche Bank stieg um 66%, Commerzbank um 62%, Allianz um 35%, Münchener Rück um 27% und Hannover Rück um 20%. Mit einer Marktkapitalisierung von 141 Mrd. Euro ist Siemens ein Schwergewicht, die Aktie legte um 41% zu. Die Deutsche Telekom kommt auf eine Börsenbewertung von 140 Mrd. Euro, der Kursanstieg im vergangenen Jahr liegt bei 39%.

Bayer ist grösster Verlierer im DAX

Von den 40 Titeln im DAX zeigen 31 eine positive Jahres-Performance. Grösster Verlierer ist Bayer mit einem Kurseinbruch von 38%. Der aktuelle Kurs von unter 26 Euro bewegt sich auf dem tiefsten Niveau seit 2005. Das Hoch war 2015 mit 146 Euro erreicht worden. Da die Marktkapitalisierung auf nur noch 25.3 Mrd. Euro geschrumpft ist, belastet der Kurszerfall der Bayer Aktie die Index-Performance nur wenig. Unter den schlechtesten Performern finden sich vor allem die berühmten Auto-Hersteller mit Verlusten zwischen 5% und 20%. Auch hier ist die Auswirkung auf die Index-Performance beschränkt. BMW kommt noch auf 43 Mrd. Euro, VW auf 19 Mrd. Euro. Ansonsten finden sich die Aktien des Chemieunternehmens Brenntag mit 10% Kursrückgang und des Versorgers RWE mit 12% Kursrückgang unter den Verlierern. Die Market Cap von Brenntag ist 9 Mrd. Euro, die von RWE 23 Mrd. Euro.

Chart Bayer
Der Kursverlauf bei Bayer zeigt gegen Süden. Chart (in EUR): google.com

Automobil- und Chemie-Industrie als Risiko

Bedenkt man die volkswirtschaftliche Bedeutung von Chemieindustrie und Automobilindustrie für Deutschland und auch die weltweite Bekanntheit und Bedeutung von Marken wie Mercedes und BMW, so erklären sich die potenziell gravierenden Auswirkungen auf Beschäftigungslage und Steueraufkommen selbst. Die ersten Tabus sind gebrochen. VW beispielsweise hat die Beschäftigungsgarantie aufgegeben.

Nur 18% Inlandumsatz der DAX-Werte

Ein ganz anderer Punkt, der die starke Performance des deutschen Leit-Index DAX gut erklären kann, ist die Tatsache, dass, trotz aller Krisensignale, Deutschland immer noch der Export-Champion ist. Folglich sind auch im Leitindex vor allem international aktive Unternehmen vertreten. Tatsächlich entfallen bei den 40 DAX-Unternehmen nur 18% der Umsätze auf den Heimatmarkt und entsprechend 82% auf internationale Märkte! Zum Vergleich: Bei der zweiten Liga der Unternehmen im MDAX werden dagegen schon 33% der kollektiven Jahresumsätze im Inland erzielt. Insofern spiegelt sich im DAX, der ohnehin von ausländischen institutionellen Investoren dominiert wird, weniger das Geschäft im Heimatmarkt ab, sondern hauptsächlich die Konjunkturperspektiven in den wichtigsten Nachfrageregionen wie USA, Frankreich, China, Japan und den zahlreichen aufstrebenden Ländern wie Indien und Brasilien wider.

Risiken für den Export-Weltmeister am Horizont

Was traditionell eine Stärke der deutschen Wirtschaft war – die tiefe Einbettung in die globalen Wirtschaftskreisläufe – droht nun zu einem existenziellen Risiko zu werden. Sollte Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt werden, ist mit einer protektionistischen US-Wirtschaftspolitik zu rechnen. Zölle erleben schon jetzt eine verbale Hochkonjunktur. «60% auf alles aus China», so Trump im Wahlkampf. Auf Importe anderer Länder will er pauschal Zölle zwischen 10% und 20% erheben. Wenn auch China der erklärte «Lieblingsgegner» des Kandidaten Trump ist, die hohen deutschen Exportüberschüsse mit den USA waren ihm schon in der ersten Amtszeit ein Dorn im Auge. 2023 beliefen sich die deutschen Exportüberschüsse auf 63.3 Mrd. Euro, im ersten Halbjahr 2024 auf 37.4 Mrd. Euro. In der Konsequenz würden deutsche Exportunternehmen wie BASF oder BMW ihre Produktion in den USA ausbauen, um so ihre Marktstellung zu behaupten – und entsprechend in Europa reduzieren. Als Folge der Erhöhung der US-Zölle könnte der Euro zum USD, so eine aktuelle Einschätzung von Goldman Sachs, um bis zu 10% abwerten, also unter die Parität fallen.

Chart EUR/USD seit 2014: xe.com

Parallelen und Unterschiede bei Leit-Indizes

Gute und passende Vergleiche machen nicht selten das scheinbar Unverständliche plausibel. Die Situation und die Struktur der Konstruktion der Leit-Indizes ist in Deutschland nicht so viel anders als in der Schweiz. Mit den drei Mega-Caps Nestlé, Roche und Novartis und deren hoher Gewichtung sind diese für die Index-Perfomance massgeblich. Ein wesentliche Unterschied ist, dass die Sektoren Nahrungsmittel und Pharma nicht-zyklischer Natur sind, weshalb die Schweizer Leit-Indizes relativ zu denen anderer Länder insbesondere in den Phasen des Konjunkturzyklus gut performen, die nicht von euphorischen Aufschwungtendenzen geprägt sind. Beim Export-Weltmeister Deutschland ist es genau umgekehrt, dort dominieren Exporteure wie Siemens, BASF und Mercedes. Gleich ist jedoch, dass die Umsätze der Index-Schwergewichte hauptsächlich ausserhalb des Heimatlandes erwirtschaftet werden. Und so erklärt sich auch, dass jeweils internationale institutionelle Investoren sowohl die dominierenden Anteilseigner sind wie auch den grössten Teil des Aktienhandels in Zürich und Frankfurt bestreiten.

Fazit

Indexologie ist eine Wissenschaft für sich. Das fängt schon damit an, dass Total Return-Indizes oft mit Kurs-Indizes verglichen werden, was, je nachdem, einen Unterschied von 2% bis 4% auf Jahresbasis macht. Bei solchen unstatthaften Vergleichen werden die Dividenden als Komponente der Gesamtrendite einfach ausgeblendet. Bei 10-Jahresvergleichen ist der Effekt exorbitant. Indizes sind auch nicht für die Ewigkeit konstruiert, sondern werden regelmässig angepasst. Die Kriterien variieren, doch Free-Float, Market Cap und Handelsvolumen spielen eine wichtige Rolle. Leit-Indizes sollen auch die Wirtschaft eines Landes entsprechend den bedeutenden Wirtschaftssektoren abbilden. Dann gibt es noch Phänomene wie den «Survivor Bias». Im ältesten Index der Welt, dem Dow-Jones 30, ist heute kein einziges Unternehmen aus der Anfangszeit mehr vertreten. Die Bedeutung von Stahl, Öl, Automobilen hat abgenommen, dafür sind Hardware und Software, Healthcare, Finanzdienstleistungen und Internet dazugekommen. Von den zahlreichen Unternehmen, die einst bedeutend waren und es heute nicht mehr sind oder die im Bankrott endeten oder übernommen wurden, sprechen heute nur noch Wirtschaftshistoriker.

Die scheinbar überragende Bedeutung der Indizes ist auch eine Erscheinung der jüngeren Vergangenheit. Lange war die Börse ein Markt der Aktien, heute ein Aktienmarkt. Noch in den 1980er Jahren waren Indizes kaum ein Thema für Anleger, heute gibt es für die meisten (passiven) Anleger kein anderes Thema. Es ist das zweifelhafte Verdienst der Produktkreatoren in der Finanzwirtschaft mit ihren stets neuen Themen- und Strategie-Indizes sowie sonstigen Schöpfungen aus der Retorte, dass dies so ist. Gerade zurzeit zeigt sich jedoch ganz offensichtlich an der divergierenden Kursentwicklung  innerhalb der einzelnen Branchen und zwischen den Ländern, dass es für die erfolgreiche Performance der Investments eben doch vor allem darauf ankommt, die besten Aktien auszuwählen und auf Mitläufer zu verzichten.

Auto AG Group: Übernahme der Garage Nepple und Markteintritt von Ford Trucks

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Im Juli übernahm die Auto AG Group die Firma Garage Nepple AG mit 110 Mitarbeitenden und einem Umsatz von über 40 Mio. CHF. Ebenfalls in diesem Sommer gab die kürzlich gegründete BF Import AG, eine Tochtergesellschaft der Auto AG Group, bekannt, dass sie eine zentrale Rolle in der Wachstumsstrategie von Ford Trucks mit deren Markteintritt in der Schweiz übernehmen wird.

Im Video erläutert Marc Ziegler, CEO der Auto AG Group, warum die Übernahme der Garage Nepple perfekt in die Wachstumsstrategie der Rothenburger passt. Pascal Job, Geschäftsführer der BF Import AG, berichtet aus erster Hand, wie die Premiere von Ford Trucks bei Kunden und Interessenten angekommen ist.

 

Griesser Holding: Reif für den Turnaround?

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Die Pergola-Markise von Griesser bietet mit ihrer soliden Pfostenkonstruktion zuverlässigen Sonnenschutz in windigen Lagen. Bild: griesser.ch

Schon seit Mitte 2021 befinden sich die Aktien der ausserbörslich gehandelten Griesser Holding auf Talfahrt. Ab Mitte 2023 hat sich der Absturz sogar noch beschleunigt. Bei Kursen von aktuell 650 CHF hat sich das KUV auf 0.16 und das KBV auf 0.4 ermässigt. Ist die Unterbewertung begründet? schweizeraktien.net hat bei CEO Urs Neuhauser die aktuellen Tendenzen im Geschäftsgang nachgefragt.

Mit der Pandemie kam für einige Branchen auch ein unerwarteter Boom. Schnell war der passende Terminus «Home-Nesting» für das gefunden, wozu die Beschränkung der Freizeit- und Bewegungsmöglichkeiten bei den Konsumenten führte. Ein Profiteur der nicht ganz freiwilligen Verbesserung des privaten Umfelds war die Griesser Holding, der führende Hersteller von Rolladen, Markisen und weiteren Sonnenschutzprodukten. Zwischen 2020 und 2022 stieg die Nachfrage, die Umsätze erhöhten sich von 320 Mio. CHF auf über 360 Mio. CHF. Auch EBITDA und Reingewinn stiegen kräftig. Die Dividende wurde von 15 CHF auf 25 CHF angehoben.

Chart Griesser
Kursverlauf der Griesser-Aktie seit Börsenstart. Chart: otc-x.ch

Sondereffekte und Konjunkturschwäche prägen Jahresabschluss 2023

Um der erhöhten Nachfrage auf längere Sicht Herr zu werden, wurde die traditionell hohe Investitionstätigkeit weiter beschleunigt. Die Fertigungskapazitäten in Sachsen wurden verdoppelt, und auch in Österreich wurden die Produktionskapazitäten erneuert und erweitert. Solche Kraftakte können nicht über Nacht geleistet werden, sondern brauchen Zeit. Der Nachfragerückgang infolge des unerwarteten Beginns des Kriegs in der Ukraine, der Verwerfungen der Lieferketten, der zeitweilig erhöhten Energiepreise sowie des steigenden Zinsniveaus kam zur Unzeit. 2023 war ein Umsatzrückgang von 12,8% auf 324.5 Mio. CHF zu verkraften, und erstmals seit langem war auch mit -2.4 Mio. CHF ein negatives Ergebnis zu verzeichnen. Immerhin blieb das EBITDA, also der operative Gewinn, mit 11.5 Mio. CHF klar im positiven Bereich. Die Investitionen beliefen sich 2023 auf 14 Mio. CHF, die Abschreibungen auf 11.3 Mio. CHF. Für den negativen Gewinnausweis sorgten mehrere Sondereffekte wie Währungsverluste von 6.2 Mio. CHF sowie nicht aktivierbare Investitionen von 4.7 Mio. CHF in CRM- und ERP-Systeme.

Starke Bilanz trotz Investitionskraftakt

Die Phase der intensiven Investitionstätigkeit ist zwischenzeitlich beendet. Sowohl in Sachsen wie in Österreich haben die neuen Werke die Produktion aufgenommen. Stand Ende 2023 war die Eigenkapitalquote mit 70% nur um 1 Prozentpunkt unter derjenigen des Vorjahres. Die Griesser Holding hat also trotz des Investitionskraftaktes zum Ausbau der Produktion die Bilanz stark halten können. Die Produktion wurde nicht nur erweitert, sondern auch modernisiert und effizienter gestaltet. Beispielsweise wird die neue Pulverbeschichtungsanlage im österreichischen Nenzing nahezu vollständig mit selbst erzeugter Solarenergie betrieben. Durch eine Wärmepumpe wird der Energiebedarf um 15% gesenkt. Diese und ähnliche Massnahmen senken die Kosten signifikant. Das ist auch das Ziel der fortgesetzten Initiative zur Digitalisierung der Geschäftsprozesse.

Aktienbewertung wie vor 20 Jahren

Dass die Marktbedingungen auch 2024 nicht einfach sein würden, lag auf der Hand. Doch inzwischen haben sich die Perspektiven durch die erfolgten Zinssenkungen von SNB und EZB sowie die begründeten Aussichten auf weitere Zinssenkungsschritte spürbar verbessert. Das ist aber bisher nicht an der Entwicklung der Aktie abzulesen. Tatsächlich liegt der aktuelle Kurs so tief wie zu Beginn des Aktienhandels 2004, wenn auch nicht auf dem tiefsten damals verzeichneten Niveau von 550 CHF. Die aktuelle Marktkapitalisierung beträgt 52 Mio, CHF, woraus sich ein KUV von 0.16 errechnet. Der Buchwert der Aktie liegt bei 1604 CHF, das KBV beträgt somit 0.4.

Auftragseingänge stabil

Wie ist die aktuelle Lage? Was ist für 2025 zu erwarten? CEO Neuhauser sagt auf Anfrage von schweizeraktien.net, dass «die Auftragseingänge insgesamt auf Vorjahresniveau sind, obwohl die konjunkturelle Abkühlung in Deutschland spürbar ist». Er sagt aber auch, dass «die in Deutschland ansässige Marke Weinor im Vergleich zur Konkurrenz deutlich besser abschneidet». Zur Kostenentwicklung erklärt Neuhauser: «die Materialkosten liegen auf ähnlichem Niveau wie im Vorjahr», und ebenso «bewegt sich der Personalstand auf Vorjahresniveau». Dies sind die beiden grössten Kostenblöcke, und der wichtigste Markt ist Deutschland.

Aussichten hellen sich auf

Im Geschäftsbericht 2023 war die Erwartung zum Ausdruck gebracht worden, dass sich die Nachfrage in der Schweiz Ende 2024 und in der EU ab 2025 beleben wird. Stand Oktober 2024 gibt CEO Neuhauser dazu ein Update: «Insgesamt sehen wir erste Tendenzen in diese Richtung. Gerade aber die Bauindustrie ist nach wie vor geschwächt und erholt sich langsamer als erwartet, sowohl in der Schweiz wie auch im westeuropäischen Raum. Wir rechnen deshalb für 2025 mit einem herausfordernden, aber tendenziell leicht besseren Jahr. Für den kommenden Aufschwung sind wir aber gut aufgestellt.»

Digitalisierung optimiert Kosten

Zu den Effekten der Kostensenkungsprogramme und der Effizienzsteigerungen gibt sich Neuhauser zuversichtlich: «Wir erwarten den höchsten Anteil an Kostenoptimierung und Effizienzsteigerung aus unserem Digitalisierungsprojekt.» Anfang 2024 hat die Griesser Holding ihren Anteil an der deutschen Tochter Weinor, der «Cash-Cow» der letzten Jahre, von 76,5% auf 97,5% erhöht. Die bilanziellen Auswirkungen sind zwar noch nicht final geklärt, doch «in der Erfolgsrechnung werden die ausgewiesenen Erfolge der Minderheiten deutlich abnehmen», so Neuhausers Aussage zu den Auswirkungen der Erhöhung der Beteiligungsquote.

Nachhaltige Innovationen haben positiven Impact

Am Ende entscheiden aber die Kunden. Wie kommen die nachhaltigen Innovationen bei Produkten und Produktionsprozessen bei den Käufern und Händlern an? Dazu erklärt der CEO, dass die neu lancierten Produkte wie das stromunabhängig betriebene Solar-Panel und das nahezu CO2-freie Green Aluminium «einen positiven Impact auf die Nachfrage haben».

Fazit

Wird das Zahlenwerk zyklisch und um die einmaligen Sondereffekte bereinigt, erscheint für 2025 und darüber hinaus ein Bild, das eine verbesserte «normalisierte» Ertragskraft zeigt. Der Jahresabschluss für 2024 dürfte wohl besser als der des Vorjahres ausfallen, aber immer noch Spuren der Konjunkturschwäche und des hohen Investitionsniveaus zeigen. Mit Blick nach vorne erscheint die Aktie auf dem aktuellen Niveau dennoch unterbewertet. Anleger mit längerfristigem Zeithorizont können ein antizyklisches Engagement ins Auge fassen. Ob sie günstig zum Zug kommen werden, ist allerdings offen. Gegenwärtig liegt das tiefste Brief-Angebot, abgesehen von wenigen Stücken zu 680 CHF, mit 999 CHF rund 320 CHF über der Geld-Seite.

Stefan Schulthess, SGV Holding: «Durch Solartreibstoffe können wir die bestehende Technologie weiter nutzen»

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Stefan Schulthess
Stefan Schulthess ist seit 2005 Geschäftsführer der SGV Holding AG und der SGV AG. In den vergangenen Jahren hat er das Thema Nachhaltigkeit in der Unternehmensgruppe stark vorangetrieben. Bild: zvg

In puncto Nachhaltigkeit hat die Luzerner SGV Gruppe in den vergangenen Jahren viele Fortschritte gemacht. Dies zeigt sich nicht nur im Nachhaltigkeitsbericht und der Zusammenarbeit mit Initiativen wie myclimate, sondern gerade auch bei den Massnahmen zur Dekarbonisierung der Schiffsflotte. Seit dem Frühling 2024 fährt beispielsweise das von der SGV AG betriebene Motoschiff Rütli rein elektrisch. Ab Frühling 2026 soll das Motorschiff Saphir mit einem Wasserstoff-Brennstoffzellen Antrieb unterwegs sein. Nun gab das Unternehmen bekannt, dass es als weltweit erste Schifffahrtsgesellschaft einen fünfjährigen Abnahmevertrag für einen Solartreibstoff des ETH-Spinn-offs Synhelion unterzeichnet hat. 100 Tonnen des synthetischen Treibstoffes sollen jährlich zum Antrieb der Dampfschiffe auf dem Vierwaldstättersee verwendet werden. schweizeraktien.net fragte Geschäftsführer Stefan Schulthess, was die Umstellung für die Dampfschiffflotte bedeutet, auf welche anderen emissionsarmen Antriebsarten gesetzt wird und wie das bisherige Geschäftsjahr verlaufen ist.

Synhelion ist bekannt dafür, dass sie Kerosin für Flugzeuge herstellen. Wie kam die SGV dazu, diesen Treibstoff für ihre Dampfschiffe anzufragen?

Stefan Schulthess: Synhelion stellt ein synthetisches Rohöl her, aus dem sich in konventionellen Ölraffinerien alles herstellen lässt, was man auch sonst mit Rohöl herstellt. Also Kerosin, Benzin, Diesel oder Heizöl. Der Einsatz des Solartreibstoffes von Synhelion bei Dampfschiffen drängt sich insofern auf, weil wir dadurch unsere existierende Dampfschifftechnologie und Treibstoffinfrastruktur weiter nutzen können. Wir haben darum schon vor ein paar Jahren den Kontakt zu Synhelion gesucht. Im Strassenverkehr spielt heute die Elektrifizierung eine Schlüsselrolle bei der Reduzierung von CO2-Emissionen. Andere Bereiche der Mobilität sind schwieriger zu elektrifizieren wie eben unsere historischen Dampfschiffe.

Also ist eine Umstellung der Antriebe der Dampfschiffe, die bisher mit Heizöl fahren, gar nicht notwendig?

Wie erwähnt ist eine Anpassung des Antriebes und der Dampferzeugung nicht notwendig. Synhelion produziert einen Solartreibstoff, der fossile Kraftstoffe ersetzt und kompatibel ist mit bestehenden Verbrennungsmotoren oder -maschinen. Gleichzeitig ist der Solartreibstoff von Synhelion CO2-neutral, da er bei der Verbrennung nur so viel CO2 ausstösst, wie für die Herstellung verwendet wurde. Weil die Verfügbarkeit von synthetischen Treibstoffen noch sehr gering ist und die Preise noch sehr hoch sind, suchen wir gleichwohl nach Optimierungen im Bereich Treibstoff- und CO2-Reduktion bei Dampfschiffen.

Wie gestalten sich denn die Kosten des synthetischen Treibstoffs im Vergleich zu bisherigen Treibstoffen wie Diesel oder Heizöl?

Der synthetische Solartreibstoff ist aktuell noch um ein Vielfaches teurer im Vergleich zu fossilen Treibstoffen. Ab 2033 strebt Synhelion Produktionskosten von 1 CHF pro Liter an und wäre dann preislich konkurrenzfähig.

«Ab 2033 strebt Synhelion Produktionskosten von 1 CHF pro Liter an»

Werden die Fahrgäste den Mehraufwand bezahlen müssen?

Wie bei jeder anderen Kostensteigerung auch, werden die Fahrgäste selbstverständlich einen Anteil der Mehrkosten indirekt über höhere Fahrpreise früher oder später mitfinanzieren müssen. Ökologische Nachhaltigkeit ist nicht zum Nulltarif erhältlich; auch bei uns nicht. Mit durchschnittlich 14 Franken pro Fahrtstrecke ist die SGV AG heute alles andere als teuer.

Schon ab Mai 2025 soll das Dampfschiff «Gallia» mit einem Teil nachhaltigem Treibstoff, ab 2027 komplett mit den neuen Treibstoffen fahren. Die SGV hat sich jährlich 100 Tonnen dieses Treibstoffs ab 2027 gesichert. Ist es realistisch, dass diese Menge auch produziert werden kann?

Ja, es ist realistisch. Vor ein paar Wochen hat Synhelion im deutschen Jülich seine erste Anlage eröffnet, welche den ökologischen Treibstoff im kleinen Massstab herstellt, und aktuell plant Synhelion den Bau der ersten kommerziellen Solartreibstoffanlage in Spanien mit einer geplanten Produktionskapazität von 1’000 Tonnen Solartreibstoff pro Jahr ab 2027.

Wie läuft die Finanzierung? Muss die SGV für eine Option auf den Treibstoff zahlen?

Die Finanzierung der Anlagen ist für Synhelion tatsächlich anspruchsvoll. Darum braucht Synhelion Partnerschaften und Abnahmeverträge wie mit der SGV AG und natürlich Investoren. Synhelion hat eine hardwaregetriebene Technologie. Der Bau der Anlage ist sehr teuer, der Betrieb vergleichsweise günstig. Die SGV musste aber für die Option der Treibstofflieferungen nicht im Voraus bezahlen.

Kritiker sagen, synthetische Treibstoffe wie bspw. Synhelion brauchen zu viel Energie für deren Herstellung. Was sagen Sie?    

Die Umwandlung von CO2 und Wasserdampf in flüssigen Treibstoff braucht tatsächlich viel Energie, weshalb diese zwingend erneuerbar sein muss. Die thermische Energie , die für die chemischen Prozesse von Synhelion benötigt wird, stammt von der Sonne. Heliostaten konzentrieren Sonnenstrahlen und wandeln sie in Hochtemperaturprozesswärme um. Die Energiefrage kann Synhelion also gut lösen. Auch Wasser ist leicht verfügbar. Bleibt noch die Kohlenstoffquelle. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen kann das CO2 mit der Technologie «direct air capture» (DAC) direkt aus der Luft gewonnen werden oder man setzt auf biogenes CO2, das aus Bioabfall gewonnen wird. Weil DAC derzeit noch nicht zu einem marktfähigen Preis produzierbar ist, setzt Synhelion aktuell auf biogenes CO2. Die Vision von Synhelion ist aber, DAC zu nutzen, sobald der Preis konkurrenzfähig ist.

Die SGV setzt bei den Antrieben für ihre Schiffe auf Elektrizität, Wasserstoff und nun auf synthetische Treibstoffe. Wo sehen Sie das grösste Potenzial?

Aus heutiger Sicht haben meines Erachtens alle der erwähnten Lösungsansätze je nach Mobilitätsform ihre Berechtigung.

Auf der Strasse wird sich die Elektromobilität durchsetzen, in der Fliegerei aus Gewichts- und Platzgründen eher synthetische Treibstoffe wie bspw. Synhelion, und bei Schiffen sind je nach Distanz, Geschwindigkeit, Schiffsgrösse und Einsatzdauer sowohl Elektromotoren mit Batterien oder Brennstoffzellen und Wasserstoff oder eben der Einsatz von synthetischen oder anderen nicht fossilen Treibstoffen ein Thema.

Die SGV AG hat den Anspruch, den Richtwerten im neuen Bundesgesetz über die Klimaziele Rechnung zu tragen, die verlangen, dass im Sektor Verkehr die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 57% und bis 2050 um 100% vermindert werden.

Kommen wir zur laufenden Geschäftsentwicklung der SGV Gruppe. Sie haben Anfang Jahr in einem Interview gesagt, dass die Fernmärkte 2024 nochmals zulegen werden, sich die inländische Nachfrage auf einem hohen Niveau stabilisiert. Ist dieses Szenario eingetreten?

Ja, dieses Szenario ist eingetreten. Die SGV AG, also der Schifffahrtsbereich unserer Gruppe, erwartet trotz teilweiser schwieriger meteorologischer Rahmenbedingungen bis Ende Jahr mit rund 3 Millionen Gäste gleich viele Gäste wie im letzten Jahr. Im Gegensatz zu anderen Schifffahrtsgesellschaften profitierten wir vom boomenden Städtetourismus in Luzern und von den ausländischen Gästen, die ihre Reisen wetterunabhängig durchführten. Mit 66% sind Schweizer Gäste auf dem Vierwaldstättersee aber weiterhin die wichtigste Kundengruppe.

2023 hat die SGV AG einen Rekordumsatz erzielt. Wie ist der Ausblick auf das Gesamtjahr in der Schifffahrt …

Auf Umsatzebene werden wir das Rekordergebnis bei der Schifffahrt egalisieren können. Der Verkehrsertrag wird mit rund 42 Mio. CHF voraussichtlich sogar leicht höher ausfallen als im Jahr 2023. Auf Stufe EBITDA werden wir infolge leicht höherer Personal- und Unterhaltskosten das letztjährige Betriebsergebnis jedoch nicht übertreffen.

«Auf Umsatzebene werden wir das Rekordergebnis bei der Schifffahrt egalisieren können»

und bei der Tavolago AG?

Für das laufende Jahr rechnet die Tavolago AG in der Gastronomie mit einem Gesamtumsatz von rund 33 Mio. CHF. Dies ist im Vergleich zum Vorjahr ein leichter Rückgang, der vor allem auf die Schliessung eines Restaurants zurückzuführen ist. Trotz des etwas tieferen Umsatzes wird das Betriebsergebnis auf Stufe EBITDA der Tavolago AG ähnlich hoch wie im guten Vorjahr ausfallen.

2023 war der Ergebnisbeitrag der Shiptec AG negativ. Hat sich die Situation mittlerweile geändert, und konnte man sich mit dem Kunden in Lausanne einigen?

Ja, bei der Shiptec AG hat sich die Situation im laufenden Jahr aufgehellt. Im Sommer 2024 konnte die zweite der beiden Personenfähren an den Kunden CGN SA übergeben werden und die von Ihnen angesprochene Konfliktlösung der strittigen Punkte und deren Kostenfolge konnte zwischenzeitlich zwischen der Shiptec AG und der CGN SA aussergerichtlich bereinigt werden.

Herr Schulthess, ganz herzlichen Dank für das aufschlussreiche Interview.

Die Aktien der SGV Holding AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden 265 CHF für eine Aktie bezahlt.

 

Aktienkurs SGV
Seit Jahresbeginn bewegen sich die Titel der SGV Holding AG in einem Band zwischen 250 und 300 CHF. Chart: otc-x.ch

Schweizer Industrie-Aktien: Gemischte Signale und divergierende Performance

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Das Schiffsantriebssystem Azipod von ABB verringert den Treibstoffverbrauch und ist eines von vielen innovativen Produkten des ABB-Konzerns, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Bild: global.abb/
Das Schiffsantriebssystem Azipod von ABB verringert den Treibstoffverbrauch und ist eines von vielen innovativen Produkten des ABB-Konzerns, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Bild: global.abb

Die Serie der überraschenden Unternehmensergebnisse aus der Schweizer Industrie reisst nicht ab. In einigen Fällen sind sie positiv, in anderen gemischt, doch meistens sind sie enttäuschend und führen zu Kursabstürzen. Im Kursgeschehen zeigen sich Muster, die für Anleger aufschlussreich sind und helfen Verluste zu vermeiden und Chancen zu identifizieren.

Zinssenkungen sind zwar generell gut für die Aktienbörse, trotzdem ist die Gleichung nicht ganz so einfach, denn viele Variablen beeinflussen die einzelnen Unternehmen und Wirtschaftssektoren. Das zeigt sich deutlich im unterschiedlichen Geschäftsverlauf und Ausblick der rapportierenden Unternehmen. Zulieferer von Fertigungsindustrien wie Automobil und Landwirtschaftsmaschinen spüren die anhaltende Zurückhaltung der Endkunden. Ein aktuelles Beispiel ist der Hersteller von Maschinen zur Blechbearbeitung Bystronic, wo Auftragseingänge und Umsätze in den ersten neun Monaten des Jahres um 25,3% respektive 28,3% weiter fielen. 500 Stellen werden abgebaut. Die Aktie verlor seit Anfang Jahr 31% und in den letzten drei Jahren 75%.

Komax im Schatten der kriselnden Automobilindustrie

Ähnlich sieht es beim Kabelbaum-Spezialisten Komax aus. Die Krise der Autobauer schlägt durch, da die Auftraggeber immer zurückhaltender bei Investitionsentscheidungen werden. Der Auftragsbestand ist abgeschmolzen, im Juni wurde Kurzarbeit eingeführt. Standorte werden geschlossen und die Kosten gesenkt, nicht zuletzt durch einen aktiven Personalabbau. Seit Anfang Jahr fiel die Aktie um 41% und liegt nun um zwei Drittel unter den Höchstkursen. Bei beiden Unternehmen gibt es auch Lichtblicke, doch die kompensieren nicht für den breiten Nachfragerückgang.

Kapazitätsauslastung auf Krisenniveau

Ein tieferer Blick auf die Hintergründe offenbart eine mittlerweile tiefe Kapazitätsauslastung der Schweizer Industrie von 79% im ersten Quartal des laufenden Jahres. Noch 2022 bewegte sich die Kapazitätsauslastung bei 84% bis 85%. Das liegt auf der Höhe des langfristigen Durchschnittswertes zwischen 1967 und 2024 von 83,4%. Tiefere Werte als 79% wurden nur in den Krisenjahren 1975, 2009 und 2020 verzeichnet. Das zeigt, dass es sich nicht nur um einen zyklischen Abschwung der Nachfrage handelt, sondern um ein strukturelles Problem.

Kapazitätsauslastung Schweizer Industrie
Die Kapazitätsauslastung der Schweizer Industrie befindet sich auf einem Tiefststand. Abb. tradingeconomics.com

Überkapazitäten und Gewinnschwund

Überkapazitäten wie in der Automobilindustrie können durch einen starken Rebound der Nachfrage im besten Fall schnell verschwinden, doch Über-Investment, das durch inflationierte Erwartungen gespeist wird und an der tatsächlichen Nachfrage vorbei geht, führt zwangsläufig zu Krisen. Die Kosten der herstellenden Unternehmen bleiben hoch und sind nur begrenzt absenkbar. Wenn die Nachfrage schwach bleibt, schwindet auch die Profitabilität schnell, denn die Fixkosten verteilen sich auf immer weniger Stückzahlen und erhöhen so die Gewinnschwelle. In aller Regel kann nur der aktive und entschlossene Kapazitätsabbau die Profitabilität wieder herstellen. Deshalb sind Stilllegungen von Fabriken oder Fertigungslinien derzeit so oft in den Schlagzeilen. Immerhin, die Entscheidungen dazu fallen den Unternehmenslenkern zwar bestimmt nicht leicht, sind aber gleichzeitig ein Signal, dass sie den Ursprung der Problematik verstehen und sich entschlossen in Richtung gesunder ausgeglichener Marktverhältnisse bewegen. Auch wenn es dauern kann, bis sich die erwünschten Ergebnisse zeigen, der eingeschlagene Weg führt meist über kurz oder lang zu einem erneuten Erstarken der Profitabilität.

Zuversicht in der Schweizer Wirtschaft nimmt spürbar zu

Der volkswirtschaftliche Datenkranz und die Prognosen für 2025 begründen durchaus den Optimismus für die Industrie. Das Wirtschaftswachstum dürfte sich auf annualisierter Basis bei rund 1,8% bewegen, die Inflationsrate bei knapp über 1%. Sowohl beim Konsumentenvertrauen als auch bei der Zuversicht der Unternehmen zeichnet sich schon seit dem Ende des dritten Quartals 2024 eine sukzessive Verbesserung ab. Im September 2024 stieg das KOF Economic Barometer überraschend auf 105.5. Erwartet worden waren 102. Das ist der höchste Wert seit dem Tief von 87.2 im September 2022 und dokumentiert die sich stetig verbessernde Stimmung der Wirtschaft, vor allem im Sektor Manufacturing.

KOF Konjunkturbarometer
Das Konjunkturbarometer des KOF der ETH Zürich signalisiert einen Aufschwung. Abb. KOF/ tradingeconomics.com

Kommt die Rieter-Aktie jetzt in Fahrt?

Im zweiten Quartal 2024 stieg die Industrieproduktion in der Schweiz um 7,3%, das ist einer der besten Werte der letzten fünf Jahre. Diese landesweiten Zahlen lassen sich jedoch nicht pauschal auf einzelne Segmente oder Unternehmen übertragen. In manchen Industriezweigen herrscht schon seit Jahren Zurückhaltung bei Investitionen. Ein Beispiel ist Rieter in der Textilmaschinenindustrie. Im ersten Halbjahr 2024 ging der Umsatz um 43% auf 421 Mio. CHF zurück. Der Nettogewinn schrumpfte auf 1.7 Mio. CHF zusammen. Der hohe Auftragseingang in den Boomzeiten hatte zu einem starken Auftragsbestand geführt, doch der ist inzwischen weitgehend abgearbeitet, weshalb die Umsätze zuletzt abgestürzt sind. Die neu entwickelten Textilmaschinen von Rieter sind effizienter und bieten viele neue Features wie die Verarbeitungsfähigkeit von Recyclingfasern. Erste Zeichen eines neuen Investitionszyklus sind erkennbar. Der Auftragseingang im ersten Semester nahm um beachtliche 24% auf 403.4 Mio. CHF zu, getragen von Bestellungen von neuen Maschinen. Die Aktie nahm in den letzten Tagen die Hürde von 100 CHF. Das Tief lag vor kurzem bei 80 CHF, das historische Hoch im Jahr 2007 bei 691 CHF. Noch 2021 wurden in der Spitze 240 CHF bezahlt.

Chart Rieter
Die Aktien von Rieter befinden sich in einem Tief. Chart: six-group.com

Oerlikon plant Spin-off der Textilmaschinen-Sparte

Oerlikon entschied bereits Anfang Jahr, die Textilmaschinensparte mit Namen «Polymer Processing» innerhalb von 12 bis 36 Monaten abzuspalten. Dies könnte auch als Spin-off geschehen, da potenzielle Kaufinteressenten derzeit nicht gerade Schlange stehen. Die jahrelange Krise in der Textilindustrie hatte zu dramatischen Umsatzrückgängen geführt, die auch von den anderen Aktivitäten nicht kompensiert werden können. Zukünftig will sich Oerlikon auf Oberflächentechnologien konzentrieren. Der Aktienkurs ist nur noch ein Schatten seiner vormaligen Grösse. 2007 wurden Kurse über 100 CHF verzeichnet, 2018 immerhin 17 CHF, jetzt gerade noch 4 CHF. Das absolute Tief lag bei 3.40 CHF um die letzte Jahreswende.

Auch die Aktien von Oerlikon gehören zu den negativen Performern unter den Schweizer Industrietiteln. Chart: six-group.com

Erfolg der CPH Spin-off-Transaktion lässt auf sich warten

CPH, ein weiterer Mischkonzern mit langer Tradition, hat die Papieraktivitäten mit unternehmenseigenen Immobilien angereichert und im Juni des Jahres als Spin-off abgespalten. Die Valoren werden seitdem auf OTC-X gehandelt. Im aktuellen Interview mit schweizeraktien.net gewährt Peter Schildknecht, der Vorsitzende der Gruppenleitung der Perlen Industrieholding, Einblicke zum Geschäftsverlauf und der Strategie. Das Kalkül von CPH war, dass sich ohne die zyklische Papiersparte die Bewertung der beiden stetig wachsenden Sparten Pharma-Verpackungen und Spezialchemie erhöhen würde. Tatsächlich hat sich jedoch die aufsummierte Bewertung der beiden Unternehmensteile bis heute kaum verändert. Vor der Transaktion lag der Kurs bei 92 CHF, jetzt sind es etwas mehr als 20 CHF für Perlen Industrieholding + 70 CHF für CPH. Und die Liquidität hat sich nicht, wie erwünscht, erhöht, sondern blieb quasi unverändert.

ABB auf Klettertour

Wenn auch die meisten Industrietitel mehr oder weniger angeschlagen sind, es gibt auch Segmente, die prima laufen. Zu den besten Performern zählen die Gewinner der Elektrifizierung. Unter den Large Caps ragt ABB mit einer 5-Jahresperformance von 175% hervor. Im laufenden Jahr stieg die Aktie um 33%. Zwischen 2009 und 2020 galt die Aktie als langweilig und als 20 CHF-Aktie, weil der Kurs tatsächlich über ein Jahrzehnt lang seitwärts an der 20-CHF-Linie entlanglief. Dann jedoch hatten die vom Management installierten Effizienzprogramme und der neue Investitionsgüterboom durch Automatisierung, Industrieroboter und vor allem mit dem Ausbau und der Erneuerung der Energierzeugungskapazitäten zu einem veritablen Boom geführt. Schon bei 35 CHF und 40 CHF waren erste kritische Stimmen zum Höhenflug zu hören, doch jeder Rückschlag lockte neue Käufer an. Im dritten Quartal 2024, dem ersten unter dem neuen CEO Morten Wierod, stiegen Umsatz und Auftragseingang trotz des hohen Niveaus nochmals um je 2%. Das EBITA-Ergebnis nahm um 12% auf 1.55 Mrd. USD zu, die Marge erhöhte sich um 1.6 Prozentpunkte auf 19%. Der neue CEO hält sie für weiterhin steigerbar.

ABB Aktienkurs
Einer der Top-Performer unter den Industrietiteln war die ABB-Aktie. Chart: six-group.com

R&S Group brilliert mit Jahresperformance von 117%

Unter den Small Caps überzeugt der Transformatorenhersteller R&S Group mit einer Jahresperformance von bisher 117%. Die Aktie wurde anlässlich der Übernahme der irischen Kyte Powertech im September auf schweizeraktien.net auf den Prüfstand gestellt. Nach der Übernahme dürften die Gewinne 2025 überproportional ansteigen. Inzwischen haben auch die Banken den zunächst lange übersehenen Titel für sich entdeckt. Die Kursziele reichen bis 27 CHF.

Stadler-Rail-Aktie enttäuscht

Zu den wichtigsten Segmenten der Elektrifizierung zählt die Bahnindustrie. Und obwohl Stadler Rail einer von nur vier Komplettanbietern ist und zum Ende des ersten Semesters 2024 über einen Auftragsbestand von 26.8 Mrd. CHF verfügt, die Profitabilität ist mit einer EBIT-Marge von 2,2% stark verbesserungswürdig. Trotz nahezu täglicher neuer Bestellungen kommt die Aktie nicht aus ihrem anhaltenden Abwärtstrend heraus. Der Kurs hat sich auf 26 CHF gegenüber den Höchstkursen halbiert.

Stadler Rail Aktie
Das IPO von Stadler Rail war für die Aktionäre bisher eine Enttschäuschung. Chart: six-group.com

Sulzer im Höhenflug

Ganz anders sieht das bei Sulzer aus. Die Aktie des Flow-Management-Unternehmens kennt kein Halten und hat zwischenzeitlich das historische Hoch von 2007 deutlich überboten. Seit den Tiefs von 2020 bei 35 CHF hat sich der Kurs zwischenzeitlich vervierfacht. Unter dem Management von Suzanne Thoma hat sich das Wachstumstempo mehr als verdoppelt, und die Profitabilität hat sich markant verbessert. Im ersten Halbjahr 2024 nahm der Umsatz um 10,5% zu, der operative Gewinn stieg um 25,9%, und die Marge kletterte auf 11,4%. Die Guidance wurde angehoben.

Sulzer Aktienkurs
Die Sulzer-Aktie hat einen sehr guten Lauf. Chart: six-group.com

Fazit

Im Industrie-Sektor der Schweiz gehen in der gegenwärtigen Phase der globalen Konjunkturzyklen die Performancezahlen weit auseinander. Das Wunderbare an Aktien ist eben, dass jede für sich ihren eigenen Verlauf nimmt, je nach dem entsprechenden Subsegment und darüber hinaus auch der Qualität des Managements. Es ist kein Zufall, dass Sulzer und ABB zu den besten Performern zählen und andere Industrietitel eben nicht. Beide Aktien sind seit November 2021 Bestandteil der Dividendenstrategie von schweizeraktien.net.

Hinweis in eigener Sache: Nach der der erfolgsreichen Lancierung des Branchentalk Industrie 2024 findet im kommenden Jahr am 27. Mai 2025 wieder ein Branchentalk Industrie statt. Bitte merken Sie sich das Datum heute schon vor.

Immobilien: Preise für Renditeliegenschaften ziehen wieder an

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Mehrfamilienhäuser Luzern
Mehrfamilienhäuser in der Schweiz, wie hier in Luzern, sind wieder etwas teurer geworden. Bild: stock.adobe.com
Nach einer kurzen Seitwärtsbewegung kommt wieder Bewegung in die Preise von Renditeliegenschaften. Chart: iazi.ch

Im Schweizer Immobilienmarkt kommt wieder mehr Bewegung auf. Waren es bisher vor allem die Preise für selbstgenutztes Wohneigentum, die weiterhin aufwärts zeigten, so zeichnet sich nun eine dynamischere Entwicklung bei den Renditeliegenschaften ab. Gemäss dem quartalsweise erhobenen SWX IAZI Investment Real Estate Price Index sind die Preise für Mehrfamilienhäuser im 3. Quartal 2024 wieder gestiegen.

Noch in den ersten zwei Quartalen des laufenden Jahres habe sich der Markt für Mietliegenschaften mit Wohn- und gemischter Nutzung, basierend auf Handänderungen am freien Markt, seitwärts bewegt, heisst es in einer Medienmitteilung. Auf Jahresbasis resultiere eine Wachstumsrate von 2,6%.

Niedrige Leitzinsen und Zuwanderung sorgen für Dynamik

Mehrfamilienhäuser Luzern
Mehrfamilienhäuser in der Schweiz, wie hier in Luzern, sind wieder etwas teurer geworden. Bild: stock.adobe.com

Die wieder anziehende Dynamik komme nicht unerwartet, denn fundamentale Faktoren wie das Zinsumfeld und die Zuwanderung begünstigten die Attraktivität von Immobilien-Direktanlagen, heisst es weiter. IAZI verweist dabei auf die drei Leitzinssenkungen der SNB in diesem Jahr, darunter die letzte Ende September. «Sinkende Zinsen wirken sich in der Regel preistreibend auf Immobilienanlagen aus, weil Investoren im Gegensatz zu vergleichbaren Alternativanlagen wie Obligationen keine Renditeabstriche in Kauf nehmen müssen», erklärt IAZI. Hinzu komme, dass die Beschaffung von Fremdkapital dank sinkender Hypothekarzinsen günstiger sei. Allerdings weist IAZI in der Medienmitteilung auch auf die Auswirkungen des Basel-III-Standards hin, der per 2025 in Kraft treten soll. «Hypothekarinstitute müssen Liegenschaftstransaktionen mit hoher Belehnungsquote künftig mit erheblich mehr Eigenmitteln absichern, was die mancherorts bereits ins Stocken geratene Kreditvergabe zusätzlich verteuert», so das IAZI. Zu den Auswirkungen dieser Massnahmen auf die Immobilienpreise gibt das Beratungsunternehmen noch keine Einschätzung ab.

Wohneigentum weiterhin gefragt

Weiterhin dynamisch bleibt auch die Entwicklung der Nachfrage nach selbstgenutztem Wohneigentum. Im 3. Quartal 2024 weist der SWX IAZI Private Real Estate Price Index eine Zunahme von 0,8% auf. Die Zunahme gehe vor allem auf ein Plus von 1,0% bei den Eigentumswohnungen zurück, während Einfamilienhäuser mit +0,7% einen etwas geringeren Preisanstieg ausweisen. In den vergangenen zwölf Monaten sind die Wohneigentumspreise gemäss den IAZI-Daten um 3,8% gestiegen. «Solange die Bevölkerung beziehungsweise deren Bedarf nach Wohnraum wächst und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stabil bleiben, dürfte sich an der steigenden Preistendenz wenig ändern», schreibt das Beratungsunternehmen in seiner Medienmitteilung. Denn trotz unerwartet kräftiger Bautätigkeit im vergangenen Jahr halte die Ausweitung des Flächenangebots nicht Schritt. IAZI verweist dabei auf den erneuten Rückgang der Leerwohnungsziffer auf 1,1%. Im vergangenen Jahr sei der schweizweite Wohnungsbestand unter Berücksichtigung von Neubau, Umbau und Abbruch netto um rund 50’000 Einheiten gewachsen.

Daura AG: Der Tokenisierungs-Experte stellt seine Geschäftstätigkeit ein

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Das Unternehmen – und mit ihm das Logo – ist bald Geschichte. Der Tokenisierungsexperte muss aufgeben.

Es ist ein Schock – völlig aus heiterem Himmel kommt er jedoch nicht. Schon mehrfach hat schweizeraktien.net darauf hingewiesen, dass die Tokenisierung von Eigenkapital trotz zahlreicher Projekte in der Schweiz einen schweren Stand hat. Nun wirft der Pionier der Branche das Handtuch. Die Daura AG stellt ihre Tätigkeit ein. In einem Brief an die Aktien-Emittenten schreibt das Unternehmen: «Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass digitale Aktien langfristig die bevorzugte Form der Unternehmensanteile sein werden. Dennoch mussten wir feststellen, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis damit nachhaltig Gewinne erzielt werden können. Daher haben wir die schwierige Entscheidung getroffen, unser Service-Angebot zum 30. November 2024 einzustellen.»

«Es ist schizophren, alle sagen, dass die tokenisierte Aktie die Zukunft ist, trotzdem wagt sich kaum jemand vor», sagt Peter Schnürer, CEO von Daura. Das Unternehmen sei seit einigen Monaten auf der Suche nach einem Kapitalgeber. Man habe sich aber schon von Beginn weg den 1. November als Zeitlimit gesetzt. Obwohl Schnürer noch in Verhandlungen ist, habe er nun begonnen, die Emittenten von tokenisierten Aktien zu informieren, damit diese sich auf die Situation einstellen können. Die Aktionäre, also die Besitzer von tokensierten Aktien, sind noch nicht benachrichtigt worden. Bis Ende Oktober sollen alle Nutzer der Daura-Plattform separat in Kenntnis gesetzt werden.

Das Aktienregister für KMU

Daura wurde im Frühling 2018 als Gemeinschaftsunternehmen von Luka Müller, Partner der Anwaltskanzlei MME, und Swisscom gegründet – Swisscom hat ihren Anteil verkauft und ist mittlerweile nicht mehr an Bord. Im Oktober des gleichen Jahres stiess Peter Schnürer als Geschäftsführer zum Blockchain-Start-up. Das Ziel des Unternehmens war es, die Ausgabe von Aktien, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, die nicht börsenkotiert sind, zu vereinfachen. Daura gab das erste Registerwertrecht der Schweiz auf einer Blockchain heraus. Die Gesellschaft bezeichnet sich als «das Schweizer Aktienregister für KMU».

Peter Schnürer CEO daura
Daura-CEO Peter Schnürer sucht einen strategischen Investor – doch die Zeit wird knapp. Bild: zvg

Über die vergangenen Jahre hat Daura rund 100 Unternehmen als Kunden gewonnen. Nicht alle haben tokenisierte Aktien emittiert, einige führen lediglich das Aktienbuch mit der Technologie oder organisieren ihre Generalversammlung regelmässig digital. Was bedeutet das Aus von Daura für Unternehmen, die ihre Anteile auf der Blockchain handelbar gemacht haben? Die Plattform bleibt gemäss Unternehmensangaben bis Ende November wie gewohnt verfügbar. In dieser Zeit bietet Daura den Kunden die Möglichkeit, alle relevanten Informationen in strukturierter Form von der Plattform herunterzuladen und ausserhalb zu verwenden.

Es fehlt der Sekundärmarkt und das Settlement

Das Angebot von Daura – und anderen Tokenisierungs-Anbietern – wurde im breiten Markt nicht angenommen. Nur vereinzelte KMU entschlossen sich dazu, ihr Eigenkapital digitalisieren zu lassen. Es fehlten grosse «Leuchtturm-Projekte». Zudem mangelte es an Teilen für ein effizientes Ökosystem. Zwar stellen die Anbieter einen funktionierenden Primärmarkt zur Verfügung. Es hätte aber auch einen Sekundärmarkt, der ins bestehende Finanzsystem eingegliedert ist, sowie die Integration von digitalen Zahlungsmitteln und ein ebensolches Settlement für eine unmittelbare Erfüllung des Geschäfts benötigt. Zudem gab es keine bereits kotierten Unternehmen, die sich entschieden, auch tokenisierte Aktien zu emittieren. Die Schweizer Börse und der Finanzplatz arbeiten an einer eigenen Lösung. Deshalb blieben auch die wichtigen institutionellen Anleger den tokenisierten Aktien vorerst fern.

Auch die Aktionariat AG, ein weiterer Tokenisierungsspezialist, sieht sich mit Problemen konfronitert. Im Juli kündigte das Unternehmen an, die Zeit für einen strategischen Wandel sei gekommen. Der Tokenisierungs-Anbieter nahm in Management und Strategie Anpassungen vor. Die Aktionariat AG will sich zukünftig darauf konzentrieren, einem Blockchain-affinen Publikum erstklassige technische Tools zur Verfügung zu stellen. «Wir wollen skalierbare Investor Relations für Unternehmen Wirklichkeit werden lassen, die die Vorteile der Blockchain-Technologie verstehen», schreibt das Unternehmen.

Mit Käufern in Verhandlung

Es sei geprüft worden, ob eine Übergabe an einen strategischen Investor möglich sei, der den langfristigen Fortbestand des Unternehmens sichert, schreibt Daura. «Die Gespräche mit einem potenziellen Käufer laufen weiter, konnten jedoch nicht innerhalb nützlicher Frist abgeschlossen werden», heisst es weiter. In der Folge hätten die Aktionäre von Daura einstimmig die Auflösung der Gesellschaft beschlossen. «Während dieser Auflösungsphase werden wir weiterhin intensiv nach einem strategischen Käufer suchen, der die Plattform weiterführen will. Über den Stand der Entwicklungen werden wir Sie regelmässig informieren», heisst es im Schreiben an Unternehmen mit tokenisierten Aktien. Daura hat sich in den vergangenen Monaten verschlankt und besteht eigentlich nur noch aus dem CEO. Die Entwicklungsarbeit wird an externe Programmierer vergeben.

Auch wenn die Daura-Aufgabe ein Rückschlag für die Tokenisierung ist, das Konzept überzeugt weiterhin. Und egal, wer sich durchsetzen wird, die klassische Finanzinfrastruktur wird früher oder später wegen Effizienzgewinnen auf DLT (Digital Ledger Technology) wechseln. Vielleicht, ohne dass es die Aktionäre gross wahrnehmen, weil lediglich im Hintergrund das Abwicklungssystem auf diese disruptive Technologie wechselt. Die Tokensierung von Vermögenswerten und die Abwicklung des Handels über eine Blockchain bedeuten aber einen grundlegenden Paradigmenwechsel. Das geschieht nicht von heute auf morgen. Die Technologie ist nur Mittel zum Zweck.

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