Start Blog Seite 402

Macro Perspective: Brexit Fall-out – Ahnungslos ins Desaster

0
Wohin steuern die britischen Inseln – ist May eine neue eiserne Lady? Quelle: hungertv.com
Wohin steuern die britischen Inseln – ist May eine neue eiserne Lady? Quelle: hungertv.com
Wohin steuern die britischen Inseln – ist May eine neue eiserne Lady? Quelle: hungertv.com

„Ich muss hervorheben … dass die Britische Nation einzigartig ist in dieser Hinsicht. Es ist das einzige Volk, das es mag, gesagt zu bekommen, wie schlecht die Dinge wirklich stehen, das es mag, dass ihnen das Schlechteste mitgeteilt wird, und dass es in der Zukunft sehr wahrscheinlich noch viel schlimmer kommt und sie sich auf weitere Rückschläge vorbereiten müssen.“ Sir Winston Churchill (1874-1965) Historiker, Literat und Staatsmann in einer Rede vor dem Parlament 1941.

Wenn es ein eindrückliches Beispiel dafür gibt, dass sich die Masse täuscht und wohl auch getäuscht sein will, dann ist es das für viele überraschende Votum der Briten, der EU den Rücken zu kehren. Dabei war es gar nicht so schwierig das Ergebnis in der Macro Perpective zu prognostizieren – mit ein wenig Kenntnis der Geschichte und der richtigen Interpretation der politischen Massenpsychologie, wie sie sich unter dem zunehmenden ökonomischen Druck täglich deutlicher offenbart.

Der Leser soll hier nicht mit den langweiligen, immer vom gleichen Tunnelblick geleiteten und eindimensionalen Erklärungen gepeinigt werden, die von Medien und Politikern nach dem Brexit-Entscheid zum Besten gegeben werden. Vielmehr sollen die vielfältigen Reaktionen der Ahnungslosen und die finanzökonomischen Implikationen analysiert und evaluiert werden, um so weiterhin ein möglichst klares Bild des zu Erwartenden zu gewinnen. Und Börsenverluste zu vermeiden, wie es mit der in der Macro Perspective im Oktober und im April angeratenen Konzentration auf Gold, USD und lang laufende US-Staatsanleihen auch angesichts des Brexit-Debakels gelungen ist.

Entwicklung des Goldpreises seit Januar 2015 in US Dollar. Quelle: Ariva.de
Entwicklung des Goldpreises seit Januar 2015 in US Dollar. Quelle: Ariva.de

Splendid Isolation in Action

Alles beginnt mit einem tieferen Verständnis der Briten, ihrem Selbstverständnis, der dem Inselvolk eigenen historischen Wahrheiten und der gesellschaftlichen Werte, die eben andere sind als auf dem Kontinent. Als Inselvolk und ehemalige Weltmacht ist das „British Empire“ in der Neuzeit nur mit Japan vergleichbar. Beide tendieren über die Jahrhunderte dazu, sich entweder extrem expansionistisch zu verhalten oder, in Zeiten der globalen Unsicherheit, sich in Isolation zu begeben, die Häfen für Fremde zu schliessen und sich abzuschotten, auch um ihre kulturelle Identität gegen fremde Einflüsse zu schützen. Im Fall der Briten sind auch beide Weltkriege und die zur Verteidigung der Demokratie abgeforderten Opfer wohl stärker im nationalen (Un-)Bewusstsein verankert als auf dem Kontinent. Dazu kommt, dass die moderne Demokratie ihren Ursprung in Britannien hat und eine Bevormundung durch nicht gewählte Repräsentanten wie in der EU damit nicht in Einklang zu bringen ist. Die „animal spirits“, die den von den Briten erfundenen Kapitalismus erst zu dem machen, was er ist, werden von der EU mit Verordnungen, Erlassen und Vorschriften erstickt, worauf ein grosser Teil der Briten das Zurückfallen ihres Landes im globalen Wettbewerb, durchaus zu Recht, zurückführt.

Britische Vordenker der Moderne

Ein weiterer Punkt, der gemeinhin übersehen wird, ist, dass alle wesentlichen Innovationen und politischen Bewegungen und Neuerungen der Moderne ihren Ursprung auf den britischen Inseln haben. Die Stärke der Angelsachsen ist ihr Verständnis für die Marktkräfte und die Marktorientierung, was auch mit der Aufklärung und dem geistigen Erbe von Adam Smith (Der Wohlstand der Nationen), John Locke, David Hume u.a. zu tun haben mag. Von der industriellen Revolution über die transatlantische Verkabelung und dem „Big Bang“ bis hin zur digitalen Revolution – die Briten erkennen die Zeichen der Zeit und sind global betrachtet, noch vor den Amerikanern, die eigentlichen Trendsetter.

Pioniere vs. Nachahmer

Als Thatcher Ende der 70er-Jahre die globale Privatisierungswelle bei Staatsbetrieben einleitete, gelang es, aus den Briten ein Volk von Aktionären zu machen, weil die „ersten“ immer auch in den Genuss der Pionierprofite kommen. Jahre und Jahrzehnte später folgte weltweit Privatisierung um Privatisierung, bald gab es so viele Telekom- und Versorger-Aktien, dass diese nur noch unterdurchschnittlich bewertet wurden, während BT, BP und British Gas als „Erste“ weit besser abgeschnitten hatten. Ökonomisch betrachtet können deutsche Gründlichkeit und romanische Grandeur Europa nicht die Impulse geben, die neues Wachstum generieren, neue Geschäftsmodelle, Finanzinnovationen oder marktorientierte Konzepte hervorbringen. Das zeigt die Malaise in Südeuropa oder im Automobilland Deutschland. Europa verliert sehr viel mehr als die Briten.

Individuum vs. Staat

Was die Kontinentaleuropäer seit der Entstehung der zahlreichen Nationalstaaten auf der doch gedrängten kleinen Landmasse mit all den Kriegen nie verstanden haben, vielleicht mit Ausnahme der Schweiz, ist, dass die Leistungsträger zwar gerne einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten, aber dass der nicht dauerhaft grösser als der eigene Anteil sein darf. Staatsquoten von deutlich über 50%, oft 75% und mehr führen eben zu Verweigerung, Steuerhinterziehung und Auswanderung in leistungsfreundlichere Länder. Das wissen die Briten, weshalb Steuersenkungen nach dem Brexit das erste Thema war, worüber zur Steigerung der zukünftigen Attraktivität in breitem Konsens laut nachgedacht wurde. Die Amerikanische Revolution, die in der Loslösung der Kolonie vom britischen Mutterland gipfelte, war bekanntlich wegen einer Tee-Steuer ausgebrochen, der berühmten Boston Tea Party. Mag sein, dass einige Briten in die EU auswandern, doch weit dramatischer ist das Abwandern der Gehirne aus den Ländern der EU, z.B. jährlich 140 000 kompetente Deutsche, wie jüngst in der NZZ aufgeklärt wurde. Noch schlimmer ist es in den südeuropäischen Ländern, die geistig ausbluten und weiter überaltern.

Veränderung der Marktkapitalisierung von 20 grossen Banken seit Anfang 2016.
Veränderung der Marktkapitalisierung von 20 grossen Banken seit Anfang 2016. Quelle: marketwatch.com

Irrelevanz von Polling

Zu den bemerkenswerte Aspekten des Brexit zählt auch, dass Polling, Wetten u.ä., entgegen den Erwartungen, keinerlei Relevanz haben. Hier gilt Churchills Erkenntnis, dass er nur Statistiken glaubt, die er selbst gefälscht hat. Die im Vorfeld des Referendums vielfach gepriesene „hohe wissenschaftliche Qualität“ der Wählerumfragen führte u.a. dazu, dass sich auch weite Teile der professionellen Anleger nicht weiter um den Brexit kümmerten, weil er nach ihrer von den Umfragen gespeisten Ansicht eh nicht kommen würde. Die brachialen Kursverluste bei Aktien und die beachtlichen Turbulenzen an den Devisenmärkten erwischten daher den Grossteil der Profis auf dem falschen Fuss. Milliardäre wie Bill Gates, Fonds und Vermögensverwalter verloren rund um den Globus Milliarden allein an den zwei Tagen nach dem Brexit-Votum 3’000 Mrd. USD. USD, CHF und Yen schossen in die Höhe, während der Euro und das GBP verloren. Gold und Silber erhielten einen kräftigen Schub und die Rendite 10-jähriger US Staatsanleihen sank rutschartig auf 1,35%. Auffällig und vielleicht schon vergessen waren die südeuropäischen Börsen in Mailand und Madrid die grössten Verlierer. Die italienische Bankenkrise, vor der in der Macro Perspective schon mehrfach gewarnt wurde, ist wieder virulent geworden. Bankaktien sind global auf neue Tiefstände gefallen, insbesondere in UK, Italien, Deutschland und der Schweiz. Seit Jahresanfang haben die grössten 20 Banken bereits 465 Mrd. USD an Marktwert verloren.

Unbeabsichtigte Konsequenzen des Brexit

Nach der Panik folgte wenig überraschend zunächst eine technische Erholung, doch dann traten sukzessive die zweiten Reaktionen auf. Erst zwei, inzwischen sechs grosse britische Immobilienfonds nahmen Abwertungen vor, erst um 4%, dann um 17%, und setzten angesichts der massiven Anteilsverkäufe die Rückzahlungen zunächst aus. Es geht um ein Volumen von rund 15 Mrd. GBP. Kern dieses Phänomens ist die Befürchtung, dass die Banken London den Rücken kehren – Paris, Dublin und Frankfurt positionieren sich bereits als Nachfolger – weil der Austritt aus der EU auch den Verlust des sogenannten „Passports“ für in UK domizilierte Banken bedeutet, d.h., die Lizenz, Finanzprodukte nach der Zulassung in London in der ganzen EU vertreiben zu dürfen, fällt weg, womit die betroffenen Banken eine neue Heimat innerhalb der EU suchen müssen. Der Ton zwischen den Briten, die ja nur eine demokratische Entscheidung durchgeführt haben, und der beleidigten EU hat sich sichtlich verschärft, „Out is out“ sagt Juncker und übt sich in blasierter Hochnäsigkeit. Dabei sind die Briten selbst genauso überfordert, da sie keinerlei Szenarioplanung vorgenommen hatten. Jetzt hagelte es Rücktritte – der Premier Cameron, der Leave-Kampagne-Führer Johnson sowie Farage von der UKIP-Partei, und weitere werden folgen. Immerhin ist mit Theresa May inzwischen schon der neue Premier gefunden. Wer geglaubt hat, dass damit alles vorbei ist, täuscht sich. Die Schotten, die mehrheitlich in der EU bleiben wollen, werden sich in einem neuen Referendum loslösen. Vielleicht auch Nordirland. Das dürfte Sezessionsbestrebungen in Katalonien und anderswo Auftrieb geben. Über 40 solche Initiativen gibt es inzwischen schon in der EU. Der Brexit ist ein fundamentaler Riss im europäischen Gebäude, der weitere Risse auslöst. Am Ende sollte die Vernunft die Überhand gewinnen und den Briten keine schlechtere Lösung mit der EU bringen, als die Schweiz und Norwegen sie haben. Allerdings scheint es im Moment, als ob die EU Muskeln zeigen will und die Bedingungen auch für die Schweiz schwieriger geworden sind. Wohl auch, um ein Signal an die Briten und die weiteren Sezessionskräfte zu senden.

Impact auf Japan

Doch die Wellen reichen noch viel weiter. Angesichts der gravierenden Unsicherheiten haben viele international operierende Investoren ihre carry-trades aufgelöst. Das bedeutet den Verkauf der angeschafften internationalen Finanzaktiva und die massive Tilgung von primär Yen-Krediten mit der Folge, dass die Politik von Premier Abe konterkariert wird. Anstatt mit Infinite QE den Yen zu schwächen und Inflation zu erzeugen, legte dieser gegen den schon starken USD seit Jahresanfang von 120 auf 100 Yen pro USD zu. Keine Chance, den globalen Marktkräften etwas entgegenzusetzen. Die Notenbankpolitik der BoJ erscheint inzwischen als zahnlos.

… und China

Auch China gehört zu den Leidtragenden, denn der an den USD gekoppelte Yuan macht den Höhenflug mit und verschlechtert somit die Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Exportmärkten. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass China den Yuan weiter gegen den USD abwerten wird, was nicht ohne Folgen für den Abwertungswettlauf der Emerging Market Währungen bleiben wird. Bereits jetzt steht der Yuan auf dem tiefsten Niveau zum USD seit 2010. Die Entwicklung ist bereits unter dem Schlagwort „exportierte Deflation“ zum globalen Politikum erster Ordnung mutiert. Die gigantischen Überkapazitäten in China überschwemmen die Weltmärkte mit Produkten nahezu aller Kategorien. Protektionistische Massnahmen und Strafzölle drohen den Welthandel nachhaltig zu schwächen. Der Welthandel ist erstmals seit sehr langer Zeit wieder rückläufig!

Die Briten und die Welt

Das Ganze kann und sollte aber auch soziologisch betrachtet werden, denn was sich in dem Brexit-Votum der Mehrheit der Briten ausdrückt, ist trotz der britischen Besonderheiten durchaus repräsentativ für die Kräfte, die auch auf dem Kontinent und in den USA wirken. Gemeint ist der massenhafte Aufstieg populistischer Parteien und Bewegungen, die zwar keine Lösungen und Rezepte für die Herausforderungen der Zeit haben, aber für einen grossen Teil der gesellschaftlichen Verlierer ein Sammelbecken darstellen, um ihre Wut und Frustration lautstark in der Masse auszuagieren. Denn kennzeichnend für die „Masse“ ist, dass die Menschen ihre persönliche Verantwortung aufgeben und sich von den Gefühlen der Menge anstecken lassen. So werden die Gefühle aufgewühlt und die Personen zu tendenziell irrationalem Verhalten verleitet, so Gustave Le Bon in dem 1895 veröffentlichten Werk „Die Psychologie der Massen“. Die Gewalt steigt, der Ausbruch eines neuen Rassenkrieges in den USA ist ein aktuelles Beispiel. Und wie ein übles Echo der Geschichte sind die „Schuldigen“ an der subjektiven Misere schnell ausgemacht. Für Trump sind es Mexikaner und Muslime, für die Nationalisten sind es Einwanderer und Flüchtlinge, für Ewiggestrige die Juden und Homosexuellen. Also die klassischen Aussenseiter, die schon immer als Projektionsleinwand herhalten mussten. Es war William Shakespeare, der diese Dramen im Kaufmann von Venedig, Othello und anderen Werken herausarbeitete und die tragische Problematik ins gesellschaftliche Bewusstsein führte. Es wäre heute Aufgabe der Medien und Politiker, der Wissenschaftler und Künstler, die destruktiven Mechanismen der Massenpsychologie nicht zu unterstützen und nutzen, sondern vielmehr ihnen entschieden entgegenzuwirken. Doch dafür mangelt es wohl an Entschlossenheit und historischer Bildung. Ein gutes Beispiel für die kollektive Amnesie ist die verhunzte Wahl zum Staatspräsidenten in Österreich, die nun, ein einmaliger Vorgang in der EU, wiederholt werden muss. Es ist schon bemerkenswert, dass grob die Hälfte der Österreicher die Partei gewählt hat, die dafür verantwortlich ist, dass der Schuldenberg von 20 Mrd. Euro – fast 5 000 Euro pro Steuerzahler – bei der Hypo Alpe Adria entstanden ist, was nun im Rahmen der Abwicklung ihnen aufgeladen wird. Das erinnert stark an den Esel, der noch I-A sagt, wenn man ihm Lasten auflädt, entsprechend Nietzsches Zarathustra-Philosophie.

Ton verschärft sich

Unter der zivilisierten Oberfläche tritt auch bei den Briten indes vermehrt ans Tageslicht, was als typisch britische nastyness bezeichnet werden kann. So sagte die Kandidatin Leadsom über ihre Konkurrentin May, dass diese nicht als Premier geeignet sei, weil sie keine Kinder habe! Dafür war sie dann in der Kritik, denn das Argument ist wenig stichhaltig und sagte mehr über sie selbst als über May, wobei die Presse durch falsche Akzentuierung auch eine Schlagzeile produziert hat – mit der Folge, dass nun May die Premierministerin ist. Während in Kontinentaleuropa die Xenophobie sich hauptsächlich auf die Kriegsflüchtlinge aus Afrika und Nah-Ost konzentriert, sind bei den Briten vor allem Polen und Rumänen die Zielscheibe. In typisch britischem Understatement werden EU-Bürger aus Ost- und Südosteuropa gefragt, ob sie denn schon gepackt hätten. Bis vor kurzem waren die Klempner, Elektriker und Bauarbeiter noch gern gelitten, denn die Qualität ihrer Arbeit ist derjenigen der rar gewordenen britischen Berufsvertreter oft überlegen, und günstiger sind sie dazu.

Gewinner und Verlierer

Was sich bei einer Detailbetrachtung des britischen Wählerverhaltes klar zeigt, ist, dass nur London, Schottland und Nordirland mehrheitlich für „Remain“ gestimmt haben. Die Verlierer der Globalisierung in den anderen Städten und die ländliche Bevölkerung haben mit knapper Mehrheit ihrer Stimme Gehör verschafft. Darin drückt sich ein Nein zur Globalisierung und auch ein Nein zu einer zweigeteilten Gesellschaft aus, in der die Eliten und der Finanzsektor fast alles haben und der Rest fast nichts.

Entwicklung des Wachstums des Welthandels. Quelle: www.project-syndicate.org
Entwicklung des Wachstums des Exportvolumens. Quelle: www.project-syndicate.org

Inflation der Brexit-Erklärungen a posteriori

Unter den zahllosen Äusserungen und Kommentaren zum Brexit stechen wirklich nur wenige heraus und bringen dem Leser einen Mehrwert. Dazu zählt Joseph Stiglitz, der unmissverständlich sagt, dass die vergangenen Jahrzehnte gut für die 1% an der Spitze der Gesellschaft waren, aber nicht für Arbeiter und Angestellte, deren Reallöhne stagnieren oder sogar rückläufig sind. Die fühlen sich bedroht durch billigere Arbeitskräfte wie Immigranten und die Austeritätsmassnahmen, die ihren Lebensstandard schmälern. Noch deutlicher wird Nouriel Rubini, der abgesehen von den britischen Spezifika auch eine breite Unzufriedenheit mit und Protest gegen Globalisierung, Freihandel, Marktorientierung, Arbeitsmigration, supranationale Institutionen und technologischen Wandel diagnostiziert. Die Bruchstellen sind nach seiner Evaluierung Reich/Arm, Gewinner/Verlierer der Globalisierung, Gebildete/Ungebildete, Jung/Alt und Städtisch/Ländlich. Carmen Reinhardt weist auf die langfristig negativen Folgen für den Handel und die zunehmend verflochtene Weltwirtschaft hin und vergleicht die Folgen mit dem Ende der letzten Globalisierungswelle durch den Ersten Weltkrieg. Seit dem Ende der Napoleonischen Kriege hatten die Briten mit der Finanzmetropole London die Globalisierung vorangetrieben. Der inzwischen 90-jährige Alan Greenspan sagte, dass die Reaktionen der Märkte auf den Brexit „das Schlimmste sind, das er gesehen hat, seit er im öffentlichen Dienst ist“. Auch er diagnostiziert, dass die Reallöhne nirgendwohin gehen und dies ein fundamentales Ungleichgewicht darstellt. Der Brexit sei nur die Spitze des Eisbergs. Weitere durchaus intelligente Betrachtungen zum Brexit, den Ursachen und Folgen finden sich hier und hier, insgesamt 628 Expertenbeiträge.

Was bedeutet das alles? Ist es schon vorbei – business as usual? Wohl kaum, die Folgen sind weitreichend und kaum absehbar, weil es zahlreiche unbeabsichtigte Konsequenzen gibt, die mit der politischen Verlagerung der Kräfte, der Kriegssituation in Nah-Ost, der terroristischen Bedrohung, der Überschuldung und der wirtschaftlichen Malaise in komplexen Wechselwirkungen stehen. So gesehen passt Churchills Aussage von 1942 auch für den Brexit: „Nun, dies ist nicht das Ende, es ist nicht einmal der Anfang vom Ende, aber es ist, vielleicht, das Ende vom Anfang“.

Titlisbahnen: Wegfall von Wohnungsverkäufen und schwaches Gruppenreisegeschäft drücken auf Semesterergebnis

0
Im Dezember 2015 nahm der Titlis Xpress den Betrieb auf. Quelle: Titlisbahnen
Im Dezember 2015 nahm der Titlis Xpress den Betrieb auf. Quelle: Titlisbahnen
Im Dezember 2015 nahm der Titlis Xpress den Betrieb auf. Quelle: Titlisbahnen

Die Bergbahnen Engelberg-Trübsee-Titlis AG (Titlisbahnen) mussten im ersten Semester des per 31. Oktober 2016 endenden Geschäftsjahres 2015/16 im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang der konsolidierten Einnahmen um 21.6% verbuchen. Massgeblich verantwortlich für das deutliche Minus war der Wegfall von Erträgen aus Wohnungsverkäufen, die im Vorjahr letztmalig einen Beitrag von 6.7 Mio. CHF zu den Konzerneinkünften beisteuerten. Sorgen bereitet der Gesellschaft gemäss dem Semesterbericht die Situation in den Übersee-Märkten, vor allem in China. Neben den verschärften Visa-Bestimmungen für den Euroraum haben auch die Anschläge in Paris und Brüssel sowie die wirtschaftliche Situation zu einem massiven Einbruch in diesem Gästesegment geführt. Als aussergewöhnlich bezeichnet die Gesellschaft den Start in die Wintersaison 2015/16. Bis zur Eröffnung der neuen Gondelbahn Titlis Xpress am 12. Dezember 2015 mussten alle Besucher mit der 100-jährigen Standseilbahn transportiert werden. Mit der Eröffnung der neuen Bahn mutierte das Berghotel Trübsee zum Angelpunkt des gesamten Titlisgebiets. Gemeinsam mit den erneuerten und erweiterten Restaurationsanlagen führte dies zu einem substanziellen Plus der Umsätze des Berghotels.

Tageskartenverkauf legt zu

Die Titlisbahnen konnten trotz der ungünstigen Witterungsbedingungen und den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Anzahl der Wintersportgäste im Winter 2015/16 um 1.1% steigern. Bei den Tageskarten erzielte die Gesellschaft sogar ein Plus von 11%. Als wichtigen Grund des Anstiegs sieht die Unternehmung den neuen Titlis Xpress, der die Zufriedenheit der Besucher deutlich erhöhte und die Wartezeiten an der Talstation massiv verkürzte. Allerdings gingen die Verkäufe der Mehrtageskarten zurück, was als Folge des schwachen Euros angesehen wird. Wegen der sehr milden Temperaturen konnte zudem die Schlittelbahn von der Gerschalp nach Engelberg nur an sehr wenigen Tagen geöffnet werden, was zu einem Einbruch der Anzahl Schlittler um rund zwei Drittel führte. Insgesamt sanken die Verkehrserträge im Vergleich zum Vorjahr um 6.2% auf 20.7 Mio. CHF. Analog gingen auch die Restaurationseinnahmen um 2.8% auf 7.1 Mio. CHF zurück. Die Erträge aus Beherbergung und den Handelswaren sanken um 0.1 Mio. CHF auf 2.3 Mio. CHF. Deutlich tiefer fielen die übrigen Erträge mit 2.2 Mio. CHF  (Vorjahr: 9.5 Mio. CHF) aus, was massgeblich auf den Wegfall der Wohnungsverkäufe zurückgeht. Auf der Kostenseite verharrte der Warenaufwand auf dem Vorjahresniveau von 2.4 Mio. CHF, während der Personalaufwand um 1.5% auf 12.1 Mio. CHF anstieg. Das Plus lässt sich auf die zusätzlichen Stellen für den Bau der neuen Bahn zurückführen. Aus demselben Grund stieg auch der sonstige Betriebsaufwand um 7.7% auf 7.7 Mio. CHF an. Unter dem Strich führte dies zu einem um gut 50% tieferen Betriebsgewinn vor Abschreibungen (EBITDA) von 9.2 Mio. CHF. Investitionsbedingt stiegen die Sachabschreibungen von 4.3 Mio. CHF im Vorjahr auf 5.8 Mio. CHF an, was zu einem Einbruch des EBIT um 76.1% auf 3.4 Mio. CHF führte. Positiv auf das Nettoergebnis wirkte sich der um 1.4 Mio. CHF auf 0.6 Mio. CHF gesunkene Steueraufwand aus. Dennoch fiel der Reingewinn mit 2.9 Mio. CHF um 76% tiefer aus als im Vorjahr.

Rekordwerte des Vorjahres werden nicht erreicht

Für den Geschäftsverlauf des Sommers 2016 zeigt sich die Gesellschaft verhalten optimistisch. Zwar werde es nicht gelingen, an die Rekordwerte des Vorjahres anzuknüpfen. Aber es werde dennoch ein gutes Jahresergebnis, welches über dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre liegt, erwartet. Weiterhin angespannt bleibt die Situation auf dem chinesischen Markt. Dem steht eine solide Entwicklung der für die Titlisbahnen anderen wichtigen Quellenmärkte gegenüber. In den Monaten Mai und Juni lagen die Ersteintritte um 11% hinter den Rekordwerten des Vorjahres zurück. Für die kommende Wintersaison plant die Gesellschaft erstmals, die Bahnen von Engelberg bis zum Stand bereits im November durchgehend zu betreiben. So sollen zusätzliche Skierdays generiert werden. Dank der Investitionen in die Beschneiung, die neue Bahn und die Restaurants konnte die Bahn ihre Marktposition im Wintergeschäft stärken. Weiterhin schwierig bleiben wird jedoch auch der europäische Markt. Dank der Stammgäste blickt die Unternehmung dennoch zuversichtlich auf die Wintersaison 2016/17.

Die Geschäftszahlen der Titlisbahnen fallen zumindest auf den zweiten Blick erfreulich aus. Der starke Rückgang der Umsätze und des Gewinns geht vor allem auf den Wegfall der Gewinne aus Wohnungsverkäufen zurück, was vom Unternehmen wiederholt kommuniziert wurde und somit keine negative Überraschung darstellt. Keinesfalls schwach fallen die Margen des ordentlichen Geschäfts aus, obwohl diese im Berichtszeitraum durch die Kosten der Investitionen in die neue Bahn und den Ausbau des Restaurants Trübsee belastet wurden. Trotz der hohen Investitionen verfügte die Gesellschaft per 30. April 2016 über eine bilanzielle Eigenmittelquote von 79%, ein nicht nur im Branchenvergleich sehr guter Wert.

Die Aktien der Titlisbahnen sind an der SIX Swiss Exchange kotiert. Auf der Basis des letztbezahlten Kurses von 360 CHF weisen die Titel eine zumindest im Vergleich zum Gros der Bergbahnen, die keine Ausschüttungen machen, attraktive Dividendenrendite von 2.2% auf. Auch wenn  für das Gesamtjahr mit einem deutlich unter den Vorjahreswerten liegendem Ergebnis zu rechnen ist, sollte eine Kürzung der Dividende nicht zu erwarten sein. Die Gesellschaft verfügt über genügend Mittel, um die Ausschüttungen in der bisherigen Höhe beizubehalten. Diese werden allerdings zukünftig nicht mehr durch Wohnungsverkäufe finanziert werden können, sondern aus dem laufenden betrieblichen Cashflow oder den Reserven ausgerichtet. Ebenfalls für Ausschüttungen in Frage kommen die Mieterträge aus den Wohnungen, welche die Unternehmung nicht verkauft hat.

Hypothekarbank Lenzburg: Finstar-Software lässt Erträge im ersten Semester ansteigen – Zinsdifferenzgeschäft bleibt schwierig

0
Marianne Wildi, CEO, Hypothekarbank Lenzburg an der Generalversammlung 2016.
Marianne Wildi, CEO, Hypothekarbank Lenzburg an der Generalversammlung 2016.
Marianne Wildi, CEO, an der Generalversammlung 2016 der Hypothekarbank Lenzburg .

Die Hypothekarbank Lenzburg AG (Hypi) konnte den Gesamtertrag im ersten Semester 2016 dank eines Anstiegs der zinsindifferenten Erträge um 6.8% auf 35.4 Mio. CHF ausweiten. Wie das Unternehmen in einer Medienmitteilung zum Semesterabschluss schreibt, haben die Erträge aus Lizenzen und Serviceleistungen für die von der Hypi entwickelten Bankensoftware Finstar mit zum Wachstum beigetragen. Das Berichtssemester war zudem durch den Ausbau des digitalen Angebots gekennzeichnet. So setzt sich die Regionalbank intensiv mit der digitalen Veränderung auseinander und hat im ersten Semester ein Finanztool, das zudem als Mobile App erhältlich ist, lanciert. Dieses Tool erlaubt es dem Kunden, einen Überblick über alle seine Konti und Transaktionen in Echtzeit zu erhalten und seine Ausgaben zu planen. Zudem bietet die Hypi mit Twint ein digitales Portemonnaie an, welches dem Kunden erlaubt, Einkäufe mit dem Smartphone zu bezahlen. Im Gegensatz zu den Systemen anderer Anbieter ist Twint unabhängig vom Mobilfunknetzbetreiber und funktioniert in jedem Handynetz. Transaktionen sind nur möglich, wenn der Kunde vorher das Twint-Konto mit einem von ihm gewählten Betrag aufgeladen hat. Auch vor dem Firmenkundengeschäft macht die Digitalisierung des Angebots nicht halt. So wurde im März das System hypicash.ch lanciert, welches es Firmenkunden erlaubt, ihre Rechnungen online vorfinanzieren zu lassen. Im laufenden zweiten Semester wird dieses System um ein Planungstool ergänzt werden. Ausserdem wird gemeinsam mit Lebensraum Lenzburg Seetal eine regionale Crowdfunding-Plattform gegründet.

Software Finstar lässt Erträge ansteigen

Im ersten Semester 2016 erhöhte sich der Anteil des zinsindifferenten Geschäfts an den Gesamterträgen von 20% auf 26%. Der Grossteil des Anstiegs basiert auf dem um 1.3 Mio. CHF auf 2.2 Mio. CHF gewachsenen übrigen Geschäftserfolg. In den darin enthaltenen anderen ordentlichen Ertrag, welcher um 0.7 Mio. CHF auf 1.5 Mio. CHF gewachsen ist, fliessen auch die Mehrerträge aus Finstar ein. Ebenfalls positiv wirkte sich der Wegfall von Wertberichtigungen, die 2015 im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Rechnungslegungsvorschriften entstanden sind, aus. So fiel der übrige ordentliche Aufwand um 1 Mio. CHF. Zeitgleich sank jedoch auch der Erfolg aus der Veräusserung von Finanzanlagen um 0.4 Mio. CHF. Im Vorjahr hat die Hypi einen Teil der Finanzanlagen zu guten Konditionen verkauft. Ein deutliches Plus von 0.6 Mio. CHF verzeichnete das Handelsgeschäft. Dies ist auf den Wegfall von Faktoren zurückzuführen, die das Geschäfts im Vorjahr nach der Aufgabe des Euro-Mindestkurses belasteten.

Weiterhin Haupteinnahmequelle bleibt das Zinsdifferenzgeschäft, in welchem die Hypi in einem schwierigen Geschäftsumfeld einen leichten Rückgang des Nettoerfolgs um 0.8% auf 26.2 Mio. CHF verzeichnete. Dass der Erfolg aus dem Zinsengeschäft fast gehalten werden konnte, lässt sich gemäss dem Semesterbericht auf eine Volumenausweitung zurückführen. So stiegen die Ausleihungen um 2.7% auf 3.9 Mrd. CHF an. Der Hauptteil des Anstiegs geht auf die Finanzierung von selbst genutzten Liegenschaften zurück, während die Geschäftskunden nur verhalten Kredite nachfragten, obschon diese gemäss dem Semesterbericht noch über entsprechende Kreditlinien verfügen. Aktuell seien die Kreditlinien wegen der allgemeinen Konjunkturunsicherheit nur unterdurchschnittlich ausgelastet.

Auf der Kostenseite spürte die Hypi den Ausbau der Aktivitäten, die eine Aufstockung des Personalbestands mit sich brachten. So erhöhten sich die Personalausgaben um 0.7 Mio. CHF auf 14.2 Mio. CHF. Dies führte trotz einem leichten Rückgang des Sachaufwands zu einem um 3.4% höheren Gesamtaufwand von 20 Mio. CHF. Nach Wertberichtigungen und Veränderungen von Rückstellungen in der Höhe von 3 Mio. CHF (Vorjahr: 2.85 Mio. CHF) resultierte ein Geschäftserfolg von 12.4 Mio. CHF, was gegenüber dem Vorjahr einem Plus von 5.1% entspricht. Positiv auf den Reingewinn wirkten sich die um 0.3 Mio. CHF gesunkenen Steuern aus, während der Wegfall von ausserordentlichen Erträgen in der Höhe von 0.7 Mio. CHF das Ergebnis belastete. Unter dem Strich resultierte so ein Gewinnplus von 2.5% auf 9.9 Mio. CHF.

Anhaltender Konkurrenzdruck im Zinsgeschäft

Im laufenden zweiten Semester rechnet die Hypi mit einem weiterhin anhaltenden Druck auf die Zinsmarge. Der Konkurrenzkampf im Hypothekargeschäft sei nach wie vor beträchtlich. Ein Unsicherheitsfaktor stellt die Entscheidung Grossbritanniens, aus der Europäischen Union auszutreten, dar. Dies hat bereits zu deutlichen Reaktionen an den Finanzmärkten geführt. Die genauen Auswirkungen können momentan jedoch noch nicht abgeschätzt werden. Gemäss dem Semesterbericht ist allerdings mit einer hohen Volatilität an den Finanzmärkten im Allgemeinen und den Zinsen im Besonderen zu rechnen. Das solide Geschäftsmodell der Hypi erlaubt es, diese Herausforderungen zu meistern. Dank der soliden Finanzierung kann laufend in neue Produkte investiert werden. Mit den IT-Dienstleistungen, welche anderen Banken und Finanzdienstleistern angeboten werden, können die Erträge breiter abgestützt und das zinsindifferente Geschäft weiter gestärkt werden.

Die Semesterzahlen der Hypi fallen positiv aus. Wie bereits in der Vergangenheit entwickelte sich das Zinsdifferenzgeschäft wenig spektakulär. Allerdings profitierte die Hypi von der Bankensoftware Finstar, die zusätzliche Erträge generiert. Diesen Mehreinnahmen stehen tiefe zusätzliche Kosten gegenüber. Allerdings wird der Semesterabschluss durch einen deutlichen Anstieg der Personalkosten belastet, welcher auf den Ausbau des Angebots im digitalen Bereich zurückgeht. Ohne diese Investitionen wäre das Ergebnis nochmals besser ausgefallen. Dennoch sind diese Aufwendungen angesichts der stetigen Veränderung des Kundenverhaltens keinesfalls fehl am Platz, wenngleich zumindest kurz- bis mittelfristig wenig zusätzliche Erträge zu erwarten sind.

Die Aktien der Hypi sind an der SIX Swiss Exchange kotiert.  Auf Basis des letztbezahlten Kurses von 4’180 CHF weisen die Aktien eine nicht nur im aktuellen Tiefzinsumfeld attraktive Dividendenrendite von 2.6% auf. Zudem notieren die Wertpapiere mit einem rund 30%igen Abschlag gegenüber dem ausgewiesenen Eigenkapital per 30. Juni 2016. Sofern es im zweiten Semester gelingt, ein ähnliches Resultat wie im ersten Halbjahr zu erzielen, werden die Aktien derzeit auf der Basis des Geschäftserfolgs (vormals Zwischengewinn) mit einem KGV von 12 bewertet. Dies ist als nicht zu teuer anzusehen. Angesichts des nach wie vor schwierigen Umfelds für Regionalbanken, das von einer stetigen Zunahme der regulatorischen Anforderungen und einem anhaltenden Zinsmargendruck geprägt ist, sind keine markanten Kursanstiege der Hypi-Aktie zu erwarten. Zudem können die Auswirkungen des Brexit derzeit nicht abgeschätzt werden. Das Papier dürfte sich von diesen Effekten allerdings eher unbeeindruckt zeigen. Ähnlich wie in den vergangenen Jahren sollte sich die Aktie als wertstabil erweisen und eignet sich für Anleger mit einem Faible für Substanzwerte. Zudem bietet die Hypi ihren Anteilseignern eine attraktive Barrendite an, was das Papier als Ersatz für eine Anlage in Obligationen als geeignet erscheinen lässt.

OTC-Musterdepot: WWZ neu im Depot, Zur Rose – Investor steigt ein, die Aktie schiesst ab

2
Zur Rose Frauenfeld
Bild: zvg

Wesentlich stärker zeigte sich im aktuellen allgemeinen Krisenumfeld das OTC-Musterdepot von schweizeraktien.net. Die zehn Titel im Portfolio brachten im abgelaufenen Monat ein Plus von 2.6 Prozentpunkten. Seit dem Start Anfang 2015 liefert das OTC-Musterdepot damit bereits ein Plus von 27.6%. Bei einem minimalen Zuwachs des BEKB Liquidity Index von 0.9% im selben Zeitraum ergibt sich daraus eine Outperformance des Depots zum Schweizerischen Leitindex von 26.7 Prozentpunkten.

Soc. Suisse des Explosifs – über den Erwartungen

Eine ganze Reihe von Titeln verzeichnete dabei Kurssteigerungen. Bernexpo stagnierte zwar auf den ersten Blick nur, doch wegen der inzwischen ausgezahlten Dividende von 15 CHF ergab sich auch beim Messeveranstalter im Juni ein Kursplus von rund 2%.

Mit einem Kursgewinn von 2.2% ging es auch mit der Aktie von Soc. Suisse des Explosifs in den letzten vier Wochen leicht nach oben. Wie wir schon berichtet hatten, konnte der Sprengstoff-Experte seine Erwartungen im vergangenen Jahr übertreffen. Der deutliche Rückgang bei den Betriebskosten um 17.4% auf 68.8 Mio. CHF brachte dabei trotz eines Umsatzminus von 3.8% auf 84.8 Mio. CHF einen Anstieg beim operativen Gewinn um 13.7% auf 3.1 Mio. CHF. Per Saldo stieg dadurch der Jahresüberschuss um rund 50% auf 2.5 Mio. CHF. Wegen der hohen Substanz und des erwarteten Turnarounds in der Chemiesparte im nächsten Jahr bietet die Aktie mittelfristig noch einiges Potenzial.

Menzi Muck – schönes Ergebnis, schlechte Transparenz

Deutlich stärker gestiegen ist allerdings die Aktie von Menzi Muck. Der Kurs des Maschinenbauers kletterte in den letzten Wochen um 7.1%. Zwar zeigt die Kurstendenz beim Maschinenbauer aus Kriessern schon seit Anfang 2016 eindeutig nach oben – das Plus in den ersten sechs Monaten liegt bei 15.4% – doch das Handelsvolumen ist eher gering. Im ersten Halbjahr wurden ausserbörslich auf OTC-X der Berner Kantonalbank (BEKB) lediglich 15 Stück im Volumen von rund 100’000 CHF gehandelt.

Die Transparenz der Gesellschaft ist allerdings wenig vorbildlich. Trotz eines vor kurzem neu gestalteten Internetauftritts finden Anleger nur spärliche Informationen zur Aktie.

Kongress + Kursaal Bern – keine Dividende, wir nehmen die Aktie aus dem Depot…

Kursverlierer im Juni war die Aktie von Kongress + Kursaal Bern. Der Titel büsste in den letzten  Wochen um 5% an Wert ein. Das wundert nicht sonderlich, fiel doch jetzt die Dividende aus. Anstatt einer Zahlung soll der von 2.3 auf 3.3 Mio. CHF gestiegene Jahresgewinn für den Ausbau des Geschäfts verwendet werden. Die Mittel sollen dabei in die Räumlichkeiten der schon bald bezugsbereiten Sopra-Räumlichkeiten fliessen.

Dort will der Kongress + Kursaal künftig in 30 Räumen für bis zu 1500 Personen Platz für Veranstaltungen zur Verfügung stellen. Der Dividendenausfall schmeckt den Anlegern weniger – auch uns bereitet das keine Freude. Wir nehmen die Aktie trotz der Expansionsmassnahmen aus dem Depot.

… und setzen nun auf WWZ Wasserwerke Zug

An deren Stelle rückt nun WWZ Wasserwerke Zug. Mit einer Marktkapitalisierung von 690 Mio. CHF zählt der Versorger zu den Schwergewichten im ausserbörslichen Aktienhandel der BEKB. Die Wasserwerke Zug decken nicht nur die klassischen Versorgerbereiche Wasser, Strom und Erdgas ab, sondern sind auch im Geschäftsfeld Kommunikation aktiv. WWZ ist als Versorger in der gesamte Wertschöpfungskette unterwegs: vom Betrieb von Kraftwerken und Wassergewinnungsanlagen bis hin zu den entsprechenden Verteilanlagen, den Netzdienstleistungen und dem Energietransport.

Als Versorger ist das Unternehmen in einem stark fragmentierten Heimatmarkt vor allem auf die Region fokussiert und besitzt dort aber wegen der hohen Eintrittsbarrieren – das  sind vor allem die Leitungsnetze – eine starke Marktstellung. In der Kommunikationssparte konnte WWZ durch Zukäufe und den Ausbau der Netzlänge in den letzten Jahren stark wachsen und wurde so zum zweitgrössten Kabelnetzbetreiber der Schweiz. Entsprechend ist inzwischen auch das Telekommunikationssegment mit einem Umsatzanteil von rund 25% hinter der Sparte Elektrizität mit einem Anteil an den Erträgen von rund 45% das zweitgrösste Geschäftsfeld bei WWZ. Daneben entfallen etwa 4% der Umsätze auf Wasser, rund 12% auf Gas und etwa 1% auf Wärme und Energieerzeugung.

WWZ – keine Wertberichtigung, Gewinn steigt…

Die breite Aufstellung von WWZ als Versorger und Kabelnetzbetreiber gewährleistet stabile und gut planbare Umsätze. Einziger Wermutstropfen ist der Anteil an der börsenkotierten Alpiq Holding. Die Aktie des Versorgers aus Olten lieferte in den letzten Jahren eine Berg- und Talfahrt, und so kam es bei WWZ beispielsweise 2013 und 2014 zu hohen Wertberichtigungen, welche die Bilanz verhagelten und das Finanzergebnis in den roten Bereich drückten.

2015 allerdings blieben die WWZ-Aktionäre von solchen Berichtigungen verschont. Bei einem leichten Umsatzminus von WWZ von 0.8% auf 235.5 Mio. CHF im vergangenen Jahr führten allerdings Investitionen im Bereich Telekommunikation sowie ein tieferer Strom- und Gasverkaufspreis zu einem Rückgang beim operativen Ergebnis um 17.0% auf 48.4 Mio. CHF. Wegen des Entfalls der Belastungen aus dem Alpiq-Anteil – 2014 mussten dort noch 15.5 Mio. CHF wertberichtigt werden – drehte das Finanzergebnis von WWZ von -6.8 auf +7.3 Mio. CHF und brachte so einen Anstieg beim Jahresüberschuss um 12.4% auf 43.0 Mio. CHF. Das Ergebnis kletterte dadurch von 764 auf 860 CHF je Aktie.

… und auch die Dividende wurde erhöht

Anleger wurden im April mit einer Erhöhung der Dividende von 300 auf 330 CHF belohnt, und der Buchwert von WWZ stieg per Ende 2015 auf 15’305 CHF. Bei WWZ sind zwar nicht die ganz grossen Kurssprünge zu erwarten, doch angesichts des breit gefächerten stabilen Geschäftsmodells, der hohen Dividende und des Discounts zum Buchwert sind die Risiken vergleichsweise gering.

Kurse zumindest im Bereich des Eigenkapitals könnten bald drin sein. Sollten in diesem Jahr keine hohen Investitionen mehr wie 2015 anfallen und auch Alpiq keine Belastung bringen, wären auch Gewinne zwischen etwa 900 und 1000 CHF je Aktie denkbar.

Zur Rose – erfolgreiche Investorensuche

Steil nach oben ging es in den letzten Wochen mit der Aktie von Zur Rose. Die Online-Apotheke machte einen Sprung um 20% und das bei für einen OTC-Titel ungewöhnlich hohen Handelsumsätzen in nur einem Monat von annähernd 500’000 CHF. Auslöser des Schubs war die erfolgreiche Investorensuche. Die Beteiligungsgesellschaft Corisol Holding will sich im Rahmen einer zweistufigen Kapitalerhöhung an Zur Rose beteiligen. Der erste Schritt umfasst eine Tranche im Volumen von 20 Mio. CHF zu einem Ausgabepreis von 40 CHF je Aktie entsprechend 500’000 Aktien.

Bei Erreichen von vordefinierten Meilensteinen der Unternehmensentwicklung will der Investor dann weitere Mittel zwischen 18 und 24 Mio. CHF bereitstellen. Durch den Mittelzufluss ist Zur Rose wie bereits zur Jahreswende angekündigt in der Lage, weitere Wachstumsschritte umzusetzen. Das Ende der Fahnenstange dürfte da noch nicht erreicht sein.

schweizeraktien.net Musterdepot OTC
Valoren Unternehmen Kaufkurs aktueller Kurs Stück in CHF Performance
1110034 Bernexpo Holding 396 450 25 11250 13,6%
151948 Biella 3900 4150 2 8300 6,4%
161329 Wasserwerke Zug 13800 13800 1 13800 0,0%
1792366 Menzi Muck AG 6050 7500 2 15000 24,0%
199228 Parkresort Rheinfelden 655 1100 15 16500 67,9%
251331 Soc. Suisse des Explosifs 3100 2800 3 8400 -9,7%
1474512 Thurella AG 90 100 110 11000 11,1%
496018 Weleda 2950 3050 4 12200 3,4%
4261528 Zur Rose 23 32 430 13760 39,1%
12651797 Neue Zürcher Zeitung 5350 5975 2 11950 11,7%
Cash 7616
Performance gesamt 129776 27,6%
BEKB Liquidity Index 965,6 973,94 0,9%
Start: 6.1.15, Start fiktiv mit 101’673 CHF; Stand: 5.7.16

Rigi Bahnen: Details zu Kapitalerhöhung veröffentlicht, 7.50 CHF pro neue Aktie – Bezugsverhältnis 2:1

0
Ziel der Rigi Bahnen: Rigi Kulm, hoch über dem Vierwaldstättersee. Bild: www.rigi.ch
Ziel der Rigi Bahnen: Rigi Kulm, hoch über dem Vierwaldstättersee. Bild: www.rigi.ch
Ziel der Rigi Bahnen: Rigi Kulm, hoch über dem Vierwaldstättersee. Bild: www.rigi.ch

Die seit mehreren Monaten angekündigte Kapitalerhöhung der Rigi Bahnen AG wird nun umgesetzt. Wie das Unternehmen seinen Aktionären mitteilte, werden im Zeitraum vom 6. Juli bis 6. September 1.2 Mio. neue Aktien (zu nominal 5 CHF) den bisherigen Aktionären zum Bezug angeboten. Der Preis pro Aktie liegt bei 7.50 CHF, was den zuletzt auf OTC-X gezahlten Kursen entspricht. Das Bezugsverhältnis entspricht 2:1, d.h. für zwei alte Aktien kann der Rigi Bahnen-Aktionär eine neue Aktie zum Preis von 7.50 CHF erwerben. Sollten binnen der zweimonatigen Zeichnungsfrist nicht alle Aktien gezeichnet werden, gibt es eine Nachfrist bis zum 30. September. Ein Bezugsrechtshandel ist nicht geplant. Wie dem Emissionsprospekt zu entnehmen ist, behält sich der Verwaltungsrat vor, sofern die Bezugsrechte nicht voll ausgeübt werden, die Aktien durch Festübernahme an einen oder mehrere grössere Investoren abzugeben.

9 Mio. CHF frische Mittel

Bei vollständiger Zeichnung werden der Rigi Bahnen AG durch die Kapitalerhöhung 9 Mio. CHF an frischen Mitteln zufliessen. Diese sollen verwendet werden, um die vom Bahnunternehmen definierte Strategie 2015 bis 2019 umsetzen zu können, welche unter dem Credo «vom Bahn- Betrieb zum Tourismus-Unternehmen» steht. Konkret wird das neue Kapital für Projekte wie die Modernisierung der Luftseilbahn Weggis – Rigi Kaltbad, die Neugestaltung der Ankunft auf Rigi Kulm mit Stationsgebäude, Gastronomie und Shop sowie weitere neue Angebote und Strategieprojekte verwendet. Ausserdem werde ein Teilersatz des Rollmaterials in den kommenden Jahren durchgeführt.

2015 war Rekordjahr

Im Geschäftsjahr 2015 erzielte die Rigi Bahnen AG mit einem Gesamtertrag (Nettoerlös) von 21.3 Mio. CHF (+17.1%) und einem operativen Gewinn auf Stufe EBITDA 5.7 Mio. CHF (+28.8%) ein Rekordergebnis (siehe auch Blog-Beitrag vom 29.03.). Die Aktionäre konnten zum ersten Mal auch die Ausschüttung einer Bardividende von 0.10 CHF wählen, statt der bisher üblichen Naturaldividende. Nach Angaben der Gesellschaft an der Generalversammlung Ende Mai sei der Start ins neue Jahr nicht berauschend gewesen. Allerdings zeigte sich der Verwaltungsrat zuversichtlich, auch im laufenden Jahr ein gutes Jahresergebnis erzielen zu können.

Auf Basis der nun bekannt gewordenen Zahlen ist das Unternehmen – nach vollständiger Zeichnung der Aktien – mit einer Marktkapitalisierung von 27 Mio. CHF bewertet. Dies entspricht knapp dem 5fachen EBITDA aus dem sehr guten Geschäftsjahr 2015 und dem 20fachen des 2015 ausgewiesenen Gewinns. Dieser war allerdings durch Sonderfaktoren belastet, so dass der effektiv erzielte Gewinn höher sein dürfte. Mit einer Dividendenrendite von 1.3% – eine gleichbleibende Ausschüttung vorausgesetzt – ist diese vergleichbar mit anderen Bahnen wie z.B. der Pilatus Bahn, liegt allerdings unter der Rendite der Jungfrau- oder Schilthornbahnen. Insgesamt erscheint der Preis für die neuen Aktien fair. Allerdings müssen Investoren, welche auf diesem Niveau einsteigen, einen längeren Anlagehorizont mitbringen. Auf die Verantwortlichen bei den Rigi Bahnen wartet trotz der jüngsten Erfolge noch einige Arbeit, um das Niveau zu halten und auch steigern zu können. Zu berücksichtigen gilt es auch, dass in einigen Jahren im Zusammenhang mit weiteren Investitionen eine erneute Kapitalerhöhung nicht auszuschliessen ist.

Repower: Kapitalerhöhung bringt 170.8 Mio. CHF, Publikumsaktionäre verlieren relativ an Bedeutung – Neuordnung im Aktionariat abgeschlossen

0
Lago di Poschiavo (Quelle: www.lagobianco.repower.com)
Lago di Poschiavo (Quelle: www.lagobianco.repower.com)

Wie das Energieunternehmen Repower AG am 4. Juli 2016 nach Handelsschluss in einer Medienmitteilung publiziert hat, fliessen der Gesellschaft durch die Kapitalerhöhung kurzfristig 170.8 Mio. CHF (Bruttoerlös) an frischen Mitteln zu. Damit kann die Kapitalbasis signifikant gestärkt werden. Die Bezugsfrist endete am 4. Juli 2016 um 12.00 Uhr. Die buchmässige Lieferung der neuen Aktien gegen Bezahlung des Bezugspreises ist für den 7. Juli 2016 vorgesehen.

Die Publikumsaktionäre haben sich mit CHF 20.8 Mio. an der Kapitalerhöhung beteiligt. Zusammen mit den vorab bekannten Zeichnungszusagen der beiden neuen Ankeraktionäre Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) und UBS Clean Energy Infrastructure KGK (UBS-CEIS) über 90 Mio. CHF bzw. CHF 60 Mio. CHF ergibt dies den Bruttoerlös von 170.8 Mio. CHF.

Gewichtiges Unternehmen im ausserbörslichen Handel

Das Aktienkapital von Repower erhöht sich mit der Kapitalerhöhung von 3’408’115 CHF um 3’972’913 CHF auf 7’381’028 CHF und ist neu in 7’381’028 Namenaktien mit einem Nennwert von je 1.00 CHF eingeteilt. In der Medienmitteilung verweist Repower auch darauf, dass die Gesellschaft nach Vollzug der Kapitalerhöhung „mit einer Marktkapitalisierung von rund 317 Mio. CHF auf Basis des heutigen Schlusskurses (OTC-X-Schlusskurs vom 4. Juli 2016 von 43 CHF, entsprechend dem Bezugskurs) (…) zu den grössten ausserbörslich gehandelten Unternehmen der Schweiz“ gehört.

Die Kapitalerhöhung zielte – in Abhängigkeit der Ausübung von Bezugsechten durch die Publikumsaktionäre – auf einen Bruttoemissionserlös zwischen 150 Mio. CHF und ca. 201 Mio. CHF. Für 150 Mio. CHF lagen Zeichnungszusagen der neuen Ankeraktionäre EKZ und UBS vor.

Mit einem Bruttoemissionserlös von knapp 171 Mio. CHF liegt Repower nun – nicht überraschend – inmitten dieser Range, wenn auch näher am unteren Ende als am oberen Ende. Dies liegt daran, dass die Publikumsaktionäre überwiegend auf die Ausübung ihrer Bezugsrechte verzichtet und nur in geringerem Umfang als theoretisch möglich frisches Geld ins Unternehmen eingeschossen haben.

Vor der Kapitalerhöhung hielten die Publikumsaktionäre 847’265 Aktien oder 24.86% am Unternehmen. Hätten alle Publikumsaktionäre im Verhältnis 5:7 neue Aktien bezogen und ihre Bezugsrechte ausgeübt, so wären weitere 1’186’171 Aktien in den Besitz der Publikumsaktionäre gelangt – insgesamt also gut 2 Mio. Aktien oder 25.16% des Aktienkapitals (vgl. Tabelle in unserem Beitrag vom 24. Juni 2016, „Szenario 2„)

Nach Kapitalerhöhung halten die Publikumsaktionäre aber nur noch 18.04% an der Repower und sie haben neue Namenaktien im Umfang von 20.8 Mio. CHF gezeichnet. Theoretisch hätten sie jedoch für etwa 51 Mio. CHF (max. 1’186’171 neue Aktien x 43 CHF) neue Aktien beziehen können. Die effektive Zeichnung aus dem Publikum – entsprechend der Bezugsquote – liegt also bei etwas mehr als 40% der möglichen Zeichnungssumme. Oder anders: fast 60% der auf das Publikum über das Bezugsrecht theoretisch entfallenden neuen Aktien wurden nicht bezogen. Diese Bezugsrechte sind verfallen.

Auch der Kanton Graubünden und die Axpo Holding AG haben mit Vollzug der Kapitalerhöhung prozentual an Gewicht verloren. Hielt der Kanton zuvor noch 47.62%, so sind es neu nach Kapitalerhöhung nur noch 21.99%. Bei der Axpo Holding AG reduziert sich der Stimmrechtsanteil neu auf nur noch 12.71% nach zuvor 27.52%.

Das Repower-Aktionariat stellt sich nach der Kapitalerhöhung wie folgt dar:

  Anzahl Aktien und Stimmrechte (%) vor Kapitalerhöhung
 

Nach Kapitalerhöhung 07-2016

   
Kanton Graubünden

47,62%

21,99%

Axpo Holding AG

27,52%

12,71%

Publikumsaktionäre

24,86%

18,04%

EKZ

28,36%

UBS-CEIS

18,90%

Anzahl Aktien

3.408.115

7.381.028

 

100%

100%

Offenbar fehlte – vermutlich auch begünstigt durch die hohen Kursverluste der vergangenen Jahre und manche Enttäuschungen – im Publikum mehrheitlich das Vertrauen der bisherigen Aktionäre in den Erfolg der neuen Strategie. Zumindest hielten sich die Publikumsaktionäre mit (Voll-)Zeichnungen zurück und machten von ihrem Bezugsrecht ungeachtet des optisch niedrigen Kurses – gerade im Vergleich mit der Vergangenheit – nur teilweise Gebrauch. Mehr Vertrauen zeigten die neuen Ankeraktionäre EKZ und UBS-CEIS, aber diese mussten auch nicht die Kursverluste der Vergangenheit erleiden und können vergleichsweise unbefangen in einer neuen „Stunde Null“ starten. Sie stossen erst jetzt im Rahmen der anstehenden Transformation ins Aktionariat hinzu.

Nun liegt es an der teilweise erneuerten Repower-Verwaltung, wieder Vertrauen im Kapitalmarkt aufzubauen und auch das Vertrauen der Zeichner der Kapitalerhöhung nicht zu enttäuschen. Jeder Neuanfang birgt auch seine Chancen – und diese gilt es nun zum Vorteil des Unternehmens und seiner Aktionäre zu nutzen. Es dürfte interessant sein, die weiteren operativen Schritte der Repower AG und auch die Kursentwicklung der „vergrösserten“ Gesellschaft auf OTC-X weiterhin aufmerksam zu verfolgen.

Transparenzhinweis: Dem Autoren nahestehende Personen sind Aktionäre der Gesellschaft.

Générale Beaulieu: Sonderfaktoren bescheren in 2015 einen Verlust von 3.1 Mio. CHF, Dividende auf 100 CHF reduziert – Guter Start ins 2016

0
Die Clinique Beaulieu liegt an attraktiver Lage am Stadtrand von Genf. Quelle: Holger Geissler, Schweizeraktien.net
Die Clinique Beaulieu liegt an attraktiver Lage am Stadtrand von Genf. Quelle: Holger Geissler, Schweizeraktien.net
Die Clinique Beaulieu liegt an attraktiver Lage am Stadtrand von Genf. Bild: Holger Geissler, Schweizeraktien.net

Die Générale Beaulieu Holding SA (Beaulieu) rutschte im 2015 in die Verlustzone ab. Wie die Aktionäre an der Generalversammlung (GV) am 30. Juni in Genf erfuhren, sind zahlreiche ausserordentliche Faktoren für die roten Zahlen verantwortlich. Eine wichtige Rolle spielte hierbei der Aufbau eines exklusiven Anti-Aging-Zentrums, das im Mai 2015 eröffnet wurde. Mit diesem Projekt wollte die Geschäftsleitung zusätzliches Wachstum generieren. Statt die hohen Erwartungen zu erfüllen, machte sich rasch Ernüchterung bereit. Vor allem der erhoffte Zustrom ausländischer zahlungskräftiger Patienten blieb deutlich hinter den Zielen zurück. So entschied sich die Gruppe, diese Aktivitäten wieder aufzugeben. Dies waren allerdings nicht die einzigen Faktoren, welche die Erfolgsrechnung im Berichtsjahr belasteten. Auch wurden in der Vergangenheit verschiedene Leasingverträge über medizinische Gerätschaften zu unvorteilhaften Konditionen abgeschlossen. Hierbei handelte es sich zum grossen Teil um ältere Verträge, deren Abschlüsse bis in Jahr 2003 zurückreichen. Dies wurde, wie die Aktionäre auf Nachfrage erfuhren, erst im vergangenen Jahr entdeckt. Die Anpassung der Verträge respektive der Kauf einzelner Apparate durch die Gesellschaft führte zu weiteren ausserordentlichen Kosten. Verschiedene langjährige Aktionäre machten ihrer Enttäuschung Luft und sprachen von einer traurigen Situation, in der sich die einst florierende Klinik mittlerweile befinde. Wenig Freude auszulösen vermochte auch der Rücktritt des Geschäftsführers der Gruppe, dem wenig später die Demission des Verwaltungsratspräsidenten (VRP) Andreas von Planta folgte. Ein Zusammenhang zwischen den beiden Abgängen bestehe nicht, erklärte die Beaulieu. Mit Cédric Alfonso, dem bisherigen Finanzchef der Gruppe, konnte ein neuer Direktor gefunden werden. Das Amt des VRP wird der an der GV neu gewählte François Dieux übernehmen. Mit der neuen Equipe will die Beaulieu wieder auf den Erfolgspfad zurückkehren und positive Zahlen schreiben. Um dies zu erleichtern, wurden sämtliche negativen Faktoren der Jahresrechnung 2015 belastet.

Gehaltene Umsätze in schwachem Umfeld

Die Beaulieu konnte im Geschäftsjahr 2015 die Einnahmen gegenüber dem Vorjahr auf Konzernstufe leicht um 0.3% auf 92 Mio. CHF steigern. Zuzulegen vermochte die Gesellschaft im Bereich der medizinischen Nebenleistungen, die um 4.2% auf 19.8 Mio. CHF stiegen. Hierin enthalten sind insbesondere die Einkünfte aus der neuen Tagesklinik und des erweiterten Röntgenzentrums. Die ambulante Klinik konnte im ersten vollen Geschäftsjahr Einkünfte von 1.15 Mio. CHF erzielen. Das Röntgenzentrum erhöhte die Umsätze um 7% – trotz der durch das Tarifsystem Tarmed festgelegten um 8% niedrigeren Tarife. Ein leichtes Umsatzminus von 0.8% auf 69.5 Mio. CHF verbuchte der Klinikbetrieb. Ein leichtes Plus von 0.1 Mio. CHF auf 2.7 Mio. CHF konnten die Mieteinkünfte vorweisen.

Tabula rasa in der Erfolgsrechnung

Die betrieblichen Kosten stiegen um 5% respektive plus 4 Mio. CHF auf 84.6 Mio. CHF an. Der Grossteil der Mehraufwendungen geht auf das Konto der Ärztehonorare, die um 34.6% respektive 2.3 Mio. CHF auf 9.1 Mio. CHF zulegten. In diesem Anstieg mit enthalten sind Ausgaben von knapp 1.6 Mio. CHF für das Anti-Aging-Zentrum, aber auch die Aufwendungen für die neue Tagesklinik. Deutlich höher fielen mit 3.8 Mio. CHF nach 2.2 Mio. CHF im Vorjahr die Leasingkosten aus. In dieser Position sind einmalige Aufwendungen von rund 1.7 Mio. CHF im Zusammenhang mit der Anpassung der Verträge enthalten. Die übrigen betrieblichen Kosten verharrten trotz des Ausbaus der Tagesklinik und des Röntgenzentrums auf dem Niveau des Vorjahres von knapp 72 Mio. CHF. Diese Entwicklung spiegelt die von der Geschäftsleitung eingeleiteten Kostensenkungsmassnahmen, die im zweiten Semester erfolgswirksam wurden, wider. Im Ergebnis musste die Beaulieu dennoch einen Rückgang des Betriebsgewinns vor Abschreibungen (EBITDA) um einen Drittel auf 7.4 Mio. CHF verbuchen. Die Sachabschreibungen erhöhten sich um 3.2 Mio. CHF auf 9 Mio. CHF. Neben den investitionsbedingt höheren Abschreibungen für die Maschinen führten ausserordentliche Abschreibungen auf die medizinischen Apparate, die auf die Anpassung der Leasingverträge zurückgehen, zu dem starken Anstieg. Dies führten zu einem Betriebsverlust (EBIT) von minus 1.6 Mio. CHF nach einem positiven EBIT von 5.3 Mio. CHF im Vorjahr. Weiterhin wurde das Ergebnis durch einmalige Kosten in Höhe von 1.6 Mio. CHF nach 0.3 Mio. CHF im Vorjahr belastet. So resultierte unter dem Strich ein Reinverlust in Höhe von 3.1 Mio. CHF nach einem Gewinn von 4.4 Mio. CHF im Vorjahr. Die Aktionäre erhalten trotz des Verlustausweises eine Dividende von 100 CHF pro Aktie. Im Vorjahr betrug die Ausschüttung noch 400 CHF.

Guter Jahresauftakt

Erstmalig legte die Bealieu den Aktionären die Geschäftsentwicklung des laufenden Jahres in konkreten Zahlen dar. In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres wurden Umsätze von 31.1 Mio. CHF (Vorjahr: 30.7 Mio. CHF) erzielt. Dabei konnte Beaulieu in allen Geschäftsfeldern zulegen. Im Klinikbereich stiegen die Einnahmen um 1.2% auf 23.5 Mio. CHF an, die zusätzlichen medizinischen Aktivitäten verzeichneten ein Plus von 0.6% auf 6.6 Mio. CHF, und die Mieteinnahmen legten um 1.7% auf knapp 1 Mio. CHF zu. Gleichzeitig fielen die Betriebskosten um 7.4% auf 25.4 Mio. CHF. Hieraus resultierte ein EBITDA von 5.7 Mio. CHF, was gegenüber 2015 einem deutlichen Plus von 72.1% entspricht. Für das Gesamtjahr werden unter der Annahme einer den ersten vier Monaten entsprechenden Geschäftsentwicklung Umsätze von 92.56 Mio. CHF bei einem EBITDA von 13.9 Mio. CHF erwartet. Der um Sondereffekte korrigierte Vorjahreswert lag bei 12.2 Mio. CHF. Die Geschäftsleitung liess weiter durchblicken, dass die Höhe der Ausschüttungen wieder an diejenige der früheren Jahre anknüpfen könnte.

Kooperationspartner gesucht

Die Beaulieu möchte auch weiterhin eigenständig bleiben. So wurde denn auch eine Übernahmeofferte von Genolier, die zur börsenkotierten AEVIS-Gruppe gehört, im Januar 2016 definitiv abgelehnt. Allerdings erfuhren die Aktionäre an der GV auch, dass die Gesellschaft nach Kooperationsmöglichkeiten sucht. Ein vollständiger Alleingang ist angesichts des schwierigen Marktumfelds nicht mehr möglich, erklärte der VR gegenüber den Aktionären an der GV. Dies habe auch die jüngste Entwicklung gezeigt. In welcher Form eine mögliche Kooperation erfolgen wird, ist noch offen. Die Möglichkeiten würden derzeit evaluiert, liess die Gesellschaft ihre Aktionäre wissen. Aus Vertraulichkeitsgründen könnten keine Details über die laufenden Verhandlungen bekannt gegeben werden. Die Aktionäre sollen zeitnah über das Ergebnis informiert werden. An diesen Zusagen hegten mehrere Aktionäre Zweifel und verwiesen hierbei auf die Nachrichten über den Weggang des Direktors, worüber sie aus der Presse erfuhren. In der Woche der Generalversammlung erfuhren die Anteilseigner wiederum über die Presse, dass der Vermögensverwalter Albin Kistler, der ein Aktienpaket von ca. 30% an der Beaulieu hält, sein Paket an die Besitzer der Privatklinik Grangettes, die in der Nähe der Beaulieu liegt, verkaufen wollte. Die beiden Kliniken sind über ein Joint Venture im Bereich der Nuklearmedizin, an dem beide Häuser je 50% halten, verbunden. Zudem wurden in der Vergangenheit bereits Gespräche über einen Zusammenschluss der beiden Häuser geführt, die allerdings im letzten Jahr abgebrochen wurden. Der VR der Beaulieu erklärte, die Besitzer der Klinik Grangettes nicht ins Aktienregister einzutragen und habe eine entsprechende Entscheidung den Betroffenen auch mitgeteilt.

Die Beaulieu-Klinik befindet sich in einem rauen Fahrwasser. Neben eigenen Fehlentscheiden, welche der Gesellschaft Kosten in Millionenhöhe verursachten, leidet die Gruppe auch unter den Marktbedingungen. Zumindest kritisch hinterfragt werden muss auch die Informationspolitik gegenüber den eigenen Aktionären, die wichtige Ereignisse aus der Presse erfahren mussten. Dies veranlasste denn auch einige langjährige Aktionäre zu Kritik im Rahmen der GV. Es kann in diesem Zusammenhang indessen dem VR zugute gehalten werden, dass er offen Fehler einräumte und sich nicht hinter irgendwelchen leeren Aussagen verschanzte. Beide Positionen zeigen auf, dass im Fall der Beaulieu auf der einen Seite die Aktionäre an ihrem Unternehmen interessiert sind und auch Kritik äussern und auf der anderen Seite aber auch der Verwaltungsrat sich seiner Fehler nicht nur bewusst ist, sondern diese auch offen zugibt. Dies ist ein bislang selten zu beobachtendes Modell des konstruktiven Umgangs der Aktionäre mit Fehlern des Verwaltungsrats. Es bleibt zu hoffen, dass diese Ansätze zu einer verbesserten Informationspolitik des VR der Beaulieu gegenüber den Anteilseignern führt und wichtige strategische Entscheide zukünftig genauer unter die Lupe genommen werden. Die Kosten des Anti-Aging-Zentrums sollten dem VR ebenso wie die ungünstigen Leasingverträge, welche die Rechnung über Jahre hinweg belasteten, eine Lehre sein.

Die Geschäftszahlen der Gesellschaft für 2015 fallen zumindest auf den zweiten Blick, d.h. ohne die ausserordentlichen Faktoren, welche zu einem Verlustausweis führten, gut aus. So hätte ohne die Sonderkosten ein Jahresgewinn von 4.1 Mio. CHF, was gegenüber dem Vorjahr einem Minus von gut 6% entspricht, resultiert. Angesichts des harzigen Umfelds und der Investition in die Tagesklinik sowie dem Ausbau der Röntgenabteilung ist dieses Resultat als gut zu qualifizieren. Als grundsolide angesehen werden können zudem die Bilanzkennzahlen der Gesellschaft mit einer Eigenmittelquote von fast 74%.

Die Aktien der Gesellschaft werden auf der ausserbörslichen Handelsplattform OTC-X der Berner Kantonalbank (BEKB) gehandelt. Zuletzt wurden Kurse von 14’250 CHF für das Papier gezahlt, woraus sich eine sehr tiefe Dividendenrendite von 0.7% für das Geschäftsjahr 2015 ermitteln lässt. Für die Bewertung der Papiere muss beachtet werden, dass das Aktienkapital in zwei Kategorien unterteilt ist. Die auf OTC-X gehandelten Titel verfügen über einen Nennwert von 50 CHF (5’800 Aktien) und sind gegenüber den nicht handelbaren Namenaktien mit einem Nennwert von 1’300 CHF (1’700 Aktien) nicht privilegiert. Lediglich im Fall einer (nicht absehbaren) Liquidation der Gesellschaft erhalten die Besitzer aller Aktienkategorien zuerst den Nennwert ausbezahlt. Die verbleibenden wesentlich höheren Werte werden auf alle Aktien im gleichen Umfang aufgeteilt. Wir betrachten daher eine Bewertung der Beaulieu anhand der Gesamtzahl der Aktien (unabhängig von deren Nennwerten) von 7’500 Titeln als sinnvoll. Damit ist Beaulieu aktuell mit knapp 107 Mio. CHF bewertet. Aus diesen Zahlen lässt sich für das Jahr 2015 bei ausgewiesenen Eigenmitteln von knapp 82.7 Mio. CHF ein Buchwert von 11’000 CHF pro Titel ermitteln. Dieser Wert dürfte allerdings den Substanzwert der Gesellschaft nur zu einem geringen Teil widerspiegeln. Besonders in den Immobilien der Gesellschaft an sehr attraktiver Lage in Genf dürften nicht unerhebliche stille Reserven schlummern.

Die bisherigen Zahlen des laufenden Jahres lassen ein deutlich positives Ergebnis für das Gesamtjahr erwarten. Sofern nicht weitere ausserordentliche Faktoren die Rechnung belasten oder weitere teure Expansionsversuche lanciert werden, was sich aktuell nicht abzeichnet, sollte ein Gewinn in der Grössenordnung von 4 Mio. CHF für das Jahr 2016 erzielt werden. Dies entspricht rund 530 CHF pro Aktie, woraus sich ein allerdings nicht günstiges KGV von 27 ermitteln lässt. Als eher geeignet zur Bewertung betrachten wir das EBITDA, das auf der Basis der Unternehmensprognosen einem Betrag von 1’850 CHF pro Aktie entspricht, woraus sich ein Kurs/EBITDA-Verhältnis von knapp 8 ermitteln lässt, was als angemessen betrachtet werden kann. Deutlich höher ausfallen sollte die Ausschüttung für das laufende Jahr. Wie hoch die Dividendenzahlung ausfällt, lässt sich derzeit allerdings noch nicht abschätzen.

SPI Musterdepot: Huber+Suhner und Looser Holding – stark im Geschäft, Burckhardt Compression steht vor dem Schub

0
Huber+Suhner AG. Bild: zvg
Huber+Suhner AG. Bild: zvg
Bei Huber+Suhner laufen die Geschäfte rund. Bild: zvg

Runter rauf, runter rauf – eine Schaukelbörse der anderen Art. Der Börsenmonat Juni hatte es in sich und wer schwache Nerven hatte flog aus dem Aktienmarkt. Infolge Brexit-Angst rauschte der SMI im Gleichschritt mit vielen anderen internationalen Aktienmärkten nämlich in der zweiten Juni-Woche in den Keller um dann schon einige Tage später nach dem Abflauen der Brexit-Sorgen wieder abzuheben. Dann brachte das Exit-Votum der Briten schon eine Woche später den erneuten Kurseinbruch und aber ebenfalls eine schnelle Erholung. Per Saldo lag das Minus am Schweizer Aktienmarkt in den letzten vier Wochen zwar nur bei rund 2.0%, doch die Volatilität war hoch. Mit 31.3% erreichte der VSMI, der die Schwankungsbreite der Schweizer Blue Chips widergibt, einen der höchsten Levels seit dem Krisenjahr 2011.

Dass in diesem Umfeld auch die Titel im SPI-Musterdepot von schweizeraktien.net nicht ruhig blieben, wundert nicht. Mit einer Monats-Volatilität von 45.4% zeigt derzeit beispielsweise die Aktie von Burckhardt Compression weit überdurchschnittlich hohe Kursausschläge. Die mittelfristige Einjahres-Vola des Maschinenbauers liegt dagegen nur bei 31.6%.

Burckhardt Compression – Gewinnmitnahmen im schwachen Börsenumfeld…

Während es im SMI im Juni allerdings ein Auf und Ab gab, rutschte die Aktie des Konzerns aus Winterthur nach Vorlage der 2015er-Zahlen und des Ausblicks für 2016 nur nach unten. Zwar fiel die Präsentation der Daten ausgerechnet auch noch mit der allgemeinen Brexit-Kursschwäche zusammen, doch der Titel verbucht dann per Saldo ein Monatsminus von 16.8%. Da der Wert im Vorfeld der Jahreszahlen Ende Mai noch stark nach oben gegangen war, liegen hier aber eher Gewinnmitnahmen vor als Horrormeldungen. Zusammen mit dem SMI ging auch die Performance des Musterdepots leicht zurück. Seit Start im Januar 2015 beträgt das Plus des Depots aber immerhin noch 16.4%. Der SMI verliert seither dagegen -11.2%. Daraus errechnet sich eine Outperformance des SPI-Musterdepots von schweizeraktien.net in 18 Monaten von 27.6 Prozentpunkten.

So steigerte der Hersteller von Kolbenkompressoren seinen Umsatz im vergangenen Jahr um 2.9% auf 487.2 Mio. CHF und auch die Gewinnentwicklung war wenig aufregend. Das Ergebnis je Aktie fiel leicht von 16.93 auf 16.34 CHF. Mit einem 18er-KGV auf Basis 2015 wäre die Aktie in etwa fair bewertet. Doch die guten Perspektiven sind da derzeit nicht mehr im Kurs enthalten. Zwar ist in diesem Jahr wegen der Wachstumsinvestitionen und des Umbaus der Organisationsstruktur des Unternehmens mit einem Rückgang der operativen Marge von 15.0 auf akquisitionsbereinigte 11 bis 13% zu rechnen.

… die guten Perspektiven sind nicht im Kurs drin

Doch der Umsatz dürfte kräftig steigen. So entwickeln sich die Absatzmärkte laut Firmenangaben weiterhin positiv und dann wurde im März ein Anteil von 60% am führenden chinesischen Hersteller von Kolbenkompressoren Shenyang Yuanda Compressor erworben. Die Chinesen erzielen immerhin einen Umsatz von 110 Mio. CHF und wegen der Konsolidierung der neuen Tochter dürften die Erlöse bei Burckhardt Compression in diesem Jahr bei über 550 Mio. CHF liegen. Mit dem Zukauf baut der Kolbenhersteller nicht nur seine Marktstellung aus, sondern erhält auch Zugang zu lokalen Zulieferern.

Positiv dürfte sich auch der Einstieg beim US-Spezialisten für Gasverdichtung Arkos Field Services mit 40% im Dezember auswirken. Arkos Field erzielt einen Umsatz von rund 75 Mio. USD und verschafft Burckhardt Compression einen verstärkten Zugang zum amerikanischen Markt für Servicedienstleistungen mit der grössten installierten Basis von Kolbenkompressoren weltweit. Nach den Integrationsmassnahmen für Shenyang Yuanda Compressor und den Umbaubelastungen ist bei Burckhard Compression ab 2017 mit einem Schub zu rechnen. Die Gewinnspanne ohne die chinesische Tochter soll dann auch wieder bei 14 bis 16% liegen. Wie der Kursverlauf der Aktie zeigt, konnte Burckhard Compression in den letzten Jahren schon wiederholt von der psychologischen Marke von 300 CHF nach oben abheben. Nach dem Kursrückgang im Juni ist der Titel jetzt charttechnisch und fundamental ein klarer Kauf.

Carlo Gavazzi zahlt erneut 12 CHF Dividende

Trotz allgemeiner Brexit-Sorgen kam es dagegen bei der Aktie von Carlo Gavazzi Ende Juni zu kräftigen Kurssteigerungen um fast 10%. Wie von uns beim letzten Update erwartet, löste nun die Präsentation der Jahreszahlen einen Schub aus und brachte der Aktie einen Sprung über den Widerstandsbereich um 225 CHF. Immerhin konnte der Hersteller von elektronischen Bauteilen seinen Umsatz und auch das operative Ergebnis trotz der negativen Währungseffekte infolge Frankenstärke in etwa stabil halten. So lag der Umsatz des Konzerns aus Steinhausen im abgelaufenen Geschäftsjahr 2015/16 mit 130.2 Mio. CHF nur leicht unter dem Vorjahreswert von 137.2 Mio. CHF. Währungsbereinigt ergab sich ein Umsatzplus von 0.5%.

Die operative Marge konnte sogar von 10.8 auf 11.0% gesteigert werden und so fiel das Ergebnis vor Zinsen und Steuern lediglich von 14.8 auf 14.4 Mio. CHF. Der Nettogewinn rutschte dann allerdings doch vor allem wegen negativer Währungsfolgen und des Entfalls eines positiven Währungseffekts im Vorjahreszeitraum von zusammen 1.7 Mio. CHF von 12.3 auf 9.6 Mio. CHF. Besonders erfreulich: Nach der Generalversammlung am 26. Juli erwartet die Aktionäre erneut eine Dividende von 12.0 CHF. Da Carlo Gavazzi in seiner Branche moderates Wachstum erwartet und den internationalen Vertrieb stärken will ist auch für 2016/17 mit der Zahlung einer ähnlich hohen Dividende zu rechnen. Eine nachhaltige Rendite von 5.3% ist einfach ein klares Kaufargument für die Aktie!

Huber+Suhner – da läuft ein starkes Halbjahr

Entgegen dem negativen Markttrend zeigte sich die Aktie Huber+Suhner in den letzten Wochen von ihrer starken Seite und schaffte ein Kursplus im Juni von rund 10%. Auslöser für den Schub waren vorläufige Eckdaten über den Geschäftsgang im ersten Halbjahr. So spricht der Anbieter von elektronischen und optischen Verbindungslösungen von einem sehr erfreulichen Verlauf der ersten sechs Monate und rechnet mit einem Umsatzanstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von mehr als 5%.

Bei einer operativen Marge über dem mittelfristigen Zielband von 6 bis 9% wird gleichzeitig auch ein markant höherer Konzerngewinn angekündigt. Anleger warten schon sehr gespannt auf die Vorlage der kompletten Daten auf der Medien- und Analystenkonferenz am 30. August. Die Aktie konnte infolge der positiven Nachricht den zähen Widerstand im Bereich von 50/51 CHF überspringen und stösst jetzt angetrieben von der Zahlenphantasie möglicherweise rasch in die Zone zwischen 55 und 60 CHF vor.

Looser Holding – die Aktie könnte nach oben ausbrechen

Schöne Kurssteigerungen um rund 10% gab es auch bei Looser Holding. Nachdem der Spezialist für Beschichtungen, Industriedienstleistungen und Türen seinen Umsatz im ersten Quartal bereits um 6.1% und die Gewinnspanne vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 10.4 auf 11.2% steigern konnte und für 2016 ein deutliches Wachstum angekündigt hat, warten Börsianer nun gespannt auf den 16. August. Dann nämlich legt die Industrieholding ihre Halbjahreszahlen fort. Nachdem der Titel nun die psychologische 50-CHF-Marke überspringen konnte und auch die obere Begrenzungslinie des Abwärtstrends erreicht hat, könnten jetzt ganz schnell 55 CHF drin sein.

Musterdepot SPI “schweizeraktien.net”
Valoren Unternehmen Kaufkurs Kurs aktuell Ziel Stück in CHF Performance
1478650 Valiant Holding 82,55 93,65 135,00 135 12.642,75 13.4%
236106 Starrag 46,00 44,40 60,00 200 8.880,00 -3.5%
3038073 Huber+Suhner 41,90 52,50 54,50 285 14.962,50 25.3%
1056796 Flughafen Zürich 137,40 172,20 180,00 75 12.915,00 25.3%
2553602 Burckhardt Compression 385,00 302,00 490,00 26 7.852,00 -21.6%
367144 Rieter 161,50 199,40 225,00 62 12.362,80 23.5%
1100359 Carlo Gavazzi 228,20 227,30 275,00 44 10.001,20 -0.4%
2620586 Looser Holding 63,70 55,75 85,00 156 8.697,00 -12.5%
1226836 Kudelski 12,85 19,35 22,50 780 15.093,00 50.6%
1075492 Schweiter 826,50 929,50 995,00 10 9.295,00 12.5%
Cash 3.712,64
Performance gesamt 116.413,89 16.4%
SMI 9105.70 8085.21 -11.2%
Start: 9.1.15, Start fiktiv mit 100’000 CHF; Stand: 1.7.16

 

Im Brennpunkt: Ist der Eigenmietwert eine Zeitbombe für den Schweizer Immobilien- und Hypothekenmarkt?

0
Bringt die Abschaffung des Eigenmietwertes die Immobilienblase zum Platzen? Bild: fotolia.de
Bringt die Abschaffung des Eigenmietwertes die Immobilienblase zum Platzen? Bild: fotolia.de
Bringt die Abschaffung des Eigenmietwertes die Immobilienblase zum Platzen? Bild: fotolia.de

Immobilienbesitzer in der Schweiz leben in der besten aller Welten. Die Preise steigen seit Jahren, und Hypotheken sind günstig wie noch nie. Auch ausländische Käufer sind insbesondere im Luxussegment stark engagiert, auch wenn die Lex Koller und die Abschaffung der Pauschalbesteuerung hier bremsend wirken. Zuletzt sorgte die Brexit-Panik für neue Impulse – ein erstarkender Franken und ein neuerlicher signifikanter Rückgang der Hypothekenzinsen.

Für viele Anleger und Selbstnutzer sind Immobilien in einem stabilen Land wie der Schweiz die sicherste Anlage überhaupt. Immobilien stellen den mit Abstand grössten Anteil am Vermögen der meisten Schweizer. Dass sie auch auf dem erhöhten Preisniveau als sicherste und ertragreichste Anlageform gelten, ist für viele Eigentümer eine gesicherte Tatsache, fast sogar eine „Naturgesetz“. Der angeführte Beweis: Die Preise sind seit mehr als einem Jahrzehnt nur noch gestiegen!

Immobilienmärkte und Finanzmarktstabilität

Genau darin liegt jedoch ein erhebliches Risiko für die Finanzmarktstabilität des Landes. Das jedenfalls haben OECD und IWF schon verschiedentlich in ihren Länderberichten angemahnt. Auch in der Schweiz hat der mit dem Immobilienerwerb verbundene Verschuldungsanreiz in Form der steuerlichen Regelungen rund um den „Eigenmietwert“ nun wieder in den öffentlichen Diskurs Eingang gefunden. Der Bundesrat nahm am 10. Juni 2016 Kenntnis von dem Bericht der Arbeitsgruppe, an der u.a. auch Vertreter der SNB beteiligt waren, zum Thema „private Verschuldungsanreize im Steuerbereich.“

Hypothekarvolumen der privaten Haushalte in Prozent des BIP, 2013, Quelle: OECD
Hypothekarvolumen der privaten Haushalte in Prozent des BIP, 2013, Quelle: OECD

Hohe Verschuldung der Privathaushalte

Das Kernproblem ist, dass die durchschnittliche Verschuldung der Schweizer Haushalte die höchste der Welt ist! Daraus können insbesondere nach der zu erwartenden Trendwende im Zinszyklus und dann wahrscheinlichen Preiskorrekturen am Immobilienmarkt beträchtliche Risiken für Banken, den Finanzplatz und die Volkswirtschaft als Ganzes entstehen, darüber hinaus aufgrund der Spill-over-Effekte, wie sie zuletzt eindrücklich der Brexit-Entscheid ausgelöst hat, auch global.

Zinsniveau und Schuldentragfähigkeit

Reinvermögen pro Erwachsenen in Tausend USD, 2015, Quelle: Credit Suisse (2015). Bemerkung: Daten beruhen auf dem aktuellen Wechselkurs (keine Kaufkraftbereinigung).
Reinvermögen pro Erwachsenen in tausend USD, 2015, Quelle: Credit Suisse (2015). Bemerkung: Daten beruhen auf dem aktuellen Wechselkurs (keine Kaufkraftbereinigung).

Halb so schlimm, könnte man sagen, denn den Krediten stehen ja weit höhere Vermögenswerte gegenüber. Und angesichts von Hypothekenzinsen von teilweise unter 1% bis 1,5% im zehnjährigen Bereich: Was soll da schon passieren? Auf aktuellem Zinsniveau ist die Schuldentragfähigkeit der Wohnungseigentümer auch kaum gefährdet. Doch als in den 90er-Jahren die Zinsen rapide angestiegen und die Immobilienpreise gefallen waren, hat dies nicht nur viele Hypothekennehmer überfordert, sondern auch viele Banken. Die besonders betroffenen Regionalbanken fingen die Krise über zahlreiche Fusionen auf, den Kantonalbanken mussten teilweise die Steuerzahler unter die Arme greifen. Auch damals hatte keiner mit einer solchen Entwicklung gerechnet.

Niedrige Wohneigentumsquote

Belehnung und Tragbarkeit: Neue Hypothekarkredite für selbstgenutztes Wohneigentum
Belehnung und Tragbarkeit: neue Hypothekarkredite für selbstgenutztes Wohneigentum.

Heute müssen jedoch die mit der Finanzmarktstabilität Betrauten jegliche Ungleichgewichte und Überhitzungen im Auge behalten und Fehlentwicklungen vorausschauend erkennen und möglichst vermeiden. 93% der Verschuldung der Schweizer Privathaushalte entfällt auf Hypotheken, 85% davon auf Wohneigentum, insgesamt eine Summe von 630 Mrd. CHF. Da die Wohneigentumsquote in der Schweiz, für viele vielleicht überraschend, im europäischen Vergleich mit 37,5% eher niedrig ist, konzentriert sich die Hypothekenverschuldung entsprechend ungleich unter den Schweizern. Würde der Hypothekenzins auf 5% ansteigen und die übliche 80%-Finanzierung bei neuen Wohneigentümern refinanziert werden, müssten 40% von ihnen einen „substanziellen Anteil des Einkommens für Zinszahlungen aufwenden“, so die Experten der Arbeitsgruppe. Darunter würde auch die Volkswirtschaft als Ganzes leiden, denn diese Mittel wären dem Konsum und der privaten Altersvorsorge nachhaltig entzogen.

Der UBS Real Estate Bubble Index zeigt an, dass sich die Immobilienpreise in einer Risikozpne befinden. Quelle: UBS
Der UBS Real Estate Bubble Index zeigt an, dass sich die Immobilienpreise in einer Risikozone befinden. Quelle: UBS

Preisboom und Zinswende

Seit 2010 sind die Immobilienpreise in der Schweiz laut OECD um 20% gestiegen, das Hypothekenvolumen sogar um 28% nach den Berechnungen der SNB. Die Schweizer Nationalbank beobachtet die Entwicklungen auf dem Hypothekar- und Immobilienmarkt weiterhin aufmerksam, laut Medienmitteilung vom 16. Juni. Denn die SNB hat mit gleichem Datum auch die bedingte Inflationsprognose für 2016 vor allem wegen dem wieder gestiegenen Ölpreis von -0,8% noch im März auf nun -0,4% revidiert, auch die Prognose für 2017 wurde um 0,2% auf jetzt 0,3% angehoben. Die SNB erwartet, dass sich die moderate Erholung der Weltwirtschaft in den kommenden Quartalen fortsetzt. Dies könnte die kommende Zinswende ankündigen, womit oben beschriebenes Szenario schnell Realität werden kann.

Gefahr von Verwerfungen an den Finanzmärkten

070216_1414_ImBrennpunk5.pngDoch das war vor dem Brexit, mit dem kaum jemand gerechnet hat. Die langfristigen Konsequenzen sind gegenwärtig schwer einzuschätzen, doch das Urteil der Anleger war eindeutig. In den zwei Börsentagen nach dem Entscheid verloren die Aktienbörsen weltweit um 3 Billionen USD an Marktwert. Das Pfund stürzte – und der Franken setzte erwartungsgemäss zu einem neuen Höhenflug an. Die Unsicherheiten haben dramatisch zugenommen. Auch das kann zu Verwerfungen im Zinsgefüge führen, wobei es für die Schweiz aufgrund der internationalen Kapitalströme eher darauf hinaus laufen könnte, dass der abschreckende Negativzins verschärft wird. Bereits jetzt weisen 82% des ausstehenden Volumens an Schweizer Staatsanleihen eine negative Verzinsung auf, weltweit an der Spitze vor Japan mit 72,5% und Deutschland mit 67,3% (siehe oben stehende Abbildung).

Experten empfehlen Systemwechsel

Die eingesetzte Arbeitsgruppe folgte den Empfehlungen der Expertengruppe unter Vorsitz von Prof. Aymo Brunetti zur Weiterentwicklung der Finanzmarktstrategie, welche 2014 die Untersuchung der privaten Verschuldungsanreize nahelegte Die Arbeitsgruppe empfiehlt in dem aussagekräftigen, Ende Januar 2016 veröffentlichten Bericht bzw. den im März veröffentlichten Empfehlungen einen Systemwechsel mit dem Ziel, die Verschuldungsanreize zu reduzieren. Demnach soll der Eigenmietwert nicht mehr besteuert werden, im Gegenzug sollen dann Schuldzinsen und Unterhaltskosten nicht mehr abzugsfähig sein. Ein Aspekt wäre auch die damit verbundene Vereinfachung des Steuersystems. Alternativ werden ein „Benchmark“-Modell sowie eine „Korrektur Schuldzinsabzug“-Variante diskutiert. Das Thema ist nicht einfach und auch ein Politikum, weshalb vergangene Initiativen im Bundesrat oder bei Volksabstimmungen gescheitert sind. „Der Bundesrat verzichtet deshalb im Moment darauf, von sich aus einen Systemwechsel bei der Eigenmietwertbesteuerung vorzuschlagen“, heisst es dazu lapidar in der Veröffentlichung von Bundesrat und Eidgenössischem Finanzdepartment vom 10. Juni 2016. Das Thema dürfte den Schweizern somit fürs Erste erhalten bleiben. Der Interessenausgleich zwischen verschuldeten Wohneigentümern und allen anderen ist so leicht wohl nicht herzustellen. Bewegung in die Sache könnte nun die vom Hauseigentümerverband (HEV) und ihrem Präsidenten, SVP-Nationalrat Hans Egloff, lancierte Petition „Eigenmietwert abschaffen“ kommen. Egloff und der HEV setzen sich schon länger für die Abschaffung des Eigenmietwertes ein.

Die Zeitbombe

Je länger die „beste aller Welten“ mit steigenden Immobilienpreisen und rekordniedrigen Hypothekenzinsen anhält, desto grösser werden die Ungleichgewichte, die bei einem allfälligen zyklischen Umschwung Verwerfungen auslösen. Viele der Risiken sind wegen der „trunkenen“ Party-Stimmung bei Wohneigentümern, Kaufinteressenten, Hypothekarbanken, Medien und Beratern aus dem Bewusstsein verdrängt worden, z.B. die Altersarmut, die auch durch die hohe Verschuldung der Pensionäre für ihr Wohneigentum entsteht. So wurde und wird in der Schweiz im Gegensatz zu allen vergleichbaren Ländern auch der Wohneigentumserwerb von 60-Jährigen noch mit Hypotheken finanziert. Bei einer nur geringfügigen Verschlechterung der Konditionen werden nicht wenige Haushalte nicht mehr in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Solche Risiken lauern auch in den Bilanzen der involvierten Banken. Denn was vielen der Käufer nicht klar ist, das ist die Finanzmathematik. Ein nur geringfügiger Anstieg der Hypothekenzinsen auf z.B. 3% oder 4% würde die freien Cashflows der eng kalkulierenden Wohneigentümer, die mit 1% rechnen, mehrfach überfordern, während ein Anstieg von einem „normalen“ Zinsniveau ausgehend immer nur 30% oder vielleicht 70% ausmachen würde, was gerade noch verkraftbar scheint. Das sind die Risiken unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, weshalb sie aufgrund der kognitiven Dissonanzen der Marktteilnehmer besonders gefährlich sind. Die Verantwortung liegt bei denen, die die Finanzmathematik beherrschen (sollten).

Sonotel Ouchy: Ausstieg aus dem Hotelgeschäft abgeschlossen, künftiger Fokus auf Finanzanlagen – Erstmals Dividende von 50 CHF

0
Nurt noch die Erinnerung an das Sonotel Ouchy bleibt den Aktionären. Quelle: zvg
Nurt noch die Erinnerung an das Sonotel Ouchy bleibt den Aktionären. Quelle: zvg
Sonotel Ouchy. Quelle:  www.moevenpick.com

Die Sonotel Ouchy SA hat mit dem Verkauf des Baurechts für das Hotelgrundstück in Lausanne-Ouchy den Ausstieg aus dem Hotelgeschäft besiegelt. Wie die Aktionäre der Gesellschaft an der letztmalig im Sonotel stattfindenden GV vom 29. Juni erfuhren, wird die Sonotel künftig als Anlagevehikel agieren. Genauere Details zur Anlagestrategie konnte der Verwaltungsrat noch nicht mitteilen. Vorderhand wird die Gesellschaft Aktienengagements mit dem Fokus auf eine hohe Dividendenrendite tätigen. Aktuell besteht das Portfolio aus den drei an der Börse kotierten Titeln Royal Dutch, Fortum und Swiss Re. Denkbar sei es zukünftig auch, Sachwerte wie etwa Immobilien zu kaufen, erläuterte VR-Präsident Manfred Karl. Allerdings bestehe derzeit ein Verkäufermarkt, und es würden sehr hohe Preise gefordert und auch bezahlt, was den Erwerb von Liegenschaften aktuell uninteressant mache.

Weitere Informationen über die zukünftige Anlagestrategie, ausser derjenigen, dass sich bietende Anlageopportunitäten genutzt werden sollen und dies angesichts der guten Liquiditätslage der Gesellschaft kein Problem darstelle, erhielten die Anteilseigner nicht. Nicht geplant ist eine Liquidation der Gesellschaft. Diese wird in jedem Fall weiter bestehen bleiben. Die Kleinaktionäre sollen auch nicht aus dem Aktionariat gedrängt werden. Karl erklärte, mit den freien Aktionären gut leben zu können. Angesichts der klaren Mehrheitsverhältnisse – die Familie von Finck (u.a. von Roll, Mövenpick) dürfte rund 75% der Aktien der Sonotel besitzen – sind allerdings die Chancen der Kleinaktionäre, ihre Interessen durchzusetzen, begrenzt. Deutlich wurde dies etwa bei der Abstimmung über die Dividendenzahlung. Von Kleinaktionärsseite wurde die Höhe der Ausschüttung von 50 CHF pro Aktie als zu niedrig empfunden, weswegen der Grossteil der an der Versammlung anwesenden Aktionäre den Antrag des Verwaltungsrats auf eine Ausschüttung in Höhe von 50 CHF ablehnte. Mit den Stimmen des Mehrheitsaktionärs wurde dennoch die Auszahlung in Höhe von 50 CHF beschlossen.

Baurechtsverkauf führt zu Gewinn von 38.5 Mio. CHF nach Steuern

Das prägende Ereignis des Geschäftsjahres 2015 war die Veräusserung des Baurechts für das Hotelgrundstück des Sonotel Ouchy zum Preis von 74 Mio. CHF zuzüglich Mehrwertsteuer. Aus der am 31. März 2015 beurkundeten Transaktion erzielte die Firma einen Gewinn vor Steuern in Höhe von 48.7 Mio. CHF. Nach Steuern verblieb ein Gewinn in Höhe von 38.5 Mio. CHF. In der Erfolgsrechnung des Jahres 2015 finden sich noch letztmalig Liegenschaftserträge aus dem Hotel für die ersten drei Monate in Höhe von 1.2 Mio. CHF nach 5 Mio. CHF im Vorjahr. Diesen Einnahmen steht der Liegenschaftsaufwand von 0.3 Mio. CHF im 2015 nach knapp 1 Mio. CHF im Vorjahr gegenüber. Diese Positionen werden zukünftig wegfallen. Hingegen werden auch weiterhin Finanzaufwendungen, die im 2015 bei 0.2 Mio. CHF lagen, in den Kosten enthalten sein. Diese dürften vor allem auf die Zinszahlungen für einen Festkredit in Höhe von 6.5 Mio. CHF, den die Gesellschaft nach dem Verkauf der Liegenschaft abgeschlossen hat, bestehen. Dieser Kredit resultiert aus einer Umfinanzierung der nicht amortisierten Hypotheken von 15 Mio. CHF, mit denen die Liegenschaft belastet war. Wie dem Geschäftsbericht entnommen werden kann, ist der aktuelle Kredit mittels einer Bargeldhinterlegung besichert. Der Zinssatz und die Laufzeit entsprechen der früheren Hypothek.

Erfolgreiche Börsentransaktionen mit Swiss Re-Aktien

Im Jahr 2015 gelang es der Gesellschaft, einen Gewinn vor Steuern in Höhe von 1.65 Mio. CHF aus dem Verkauf eines Aktienpakets von Swiss Re Aktien über die Börse zu erzielen. Die im September 2015 zu einem Kurs von gut 82 CHF erworbenen Titel konnten im November zu Kursen von gut 96 CHF veräussert werden. Die Gesellschaft habe sich entschieden, diese hohen Gewinne zu realisieren. Die entsprechenden Gewinne sind in den Finanzerträgen, die für 2015 knapp 2 Mio. CHF betrugen, enthalten.

Insgesamt erzielte die Sonotel nach marginalen Honoraren für den Verwaltungsrat und Verwaltungsaufwendungen von gesamthaft 0.1 Mio. CHF einen Reingewinn von 39.3 Mio. CHF nach 2.2 Mio. CHF im Vorjahr. Diese Werte können indessen ebensowenig miteinander verglichen werden wie die Steuerbelastung, die für 2015 bei 11.3 Mio. CHF nach 0.5 Mio. CHF im Vorjahr lag. Die Aktionäre erhalten für das Geschäftsjahr 2015 erstmalig nach einer sehr langen Durststrecke wieder eine Barausschüttung in Höhe von 50 CHF pro Aktie.

Firmensitz wird ins steuergünstige Cham verlegt

An der GV beschlossen die Aktionäre mit den Stimmen des Mehrheitsaktionärs die Verlegung des Firmensitzes nach Cham im Kanton Zug. Wie der VR auf Nachfrage von Aktionären mitteilte, wird die GV zukünftig auch in der Umgebung von Cham und nicht mehr im Sonotel Ouchy stattfinden. Der Geschäftsgang des laufenden Jahres sei positiv, teilte der VRP weiter mit. Es konnten trotz Brexit und den Verwerfungen an den Finanzmärkten stille Reserven auf dem Anlagevermögen aufgebaut werden. Sämtliche Aktien, die sich im Portfolio befinden, weisen eine Dividendenrendite im Bereich zwischen 4.5% und 6% auf. Zum Portfolio gehören die Titel Royal Dutch, Fortum und Swiss Re, die nach dem Verkauf Ende letzten Jahres wieder erworben wurden. Aus den Dividendenerträgen sollen ansehnliche Cashflows realisiert werden, die es der Sonotel erlauben, ihren Aktionären eine Dividende auszurichten. Für das laufende Jahr sei die Ausschüttung bereits gesichert, liess der VR durchblicken.

Die Sonotel Ouchy SA behält nach der Veräusserung des Baurechts lediglich noch den Namen als Erinnerung an den traditionsreichen Hotelbetrieb. Mit der Verlegung des Firmensitzes in den Kanton Zug, der sich auf die Steuerbelastung der Gesellschaft in Zukunft sehr positiv auswirken dürfte, wurde die Ära Sonotel beendet. Die Gesellschaft ist zu einem reinen Finanzanlagevehikel mutiert. Bis zum aktuellen Zeitpunkt ist keine klare Strategie für die Zukunft ersichtlich. Zumindest die derzeitige Fokussierung auf dividendenstarke Papiere sichert gute Erträge. Allerdings ist die Gesellschaft so auch von den Finanzmärkten und deren Entwicklung abhängig. Mit der geringen Anzahl von nur drei Werten im Depot ist die Abhängigkeit von der Kursentwicklung der Firmen sehr hoch, und ein mögliches Problem bei einer der Gesellschaften kann den Wert des Portfolios erheblich negativ beeinflussen.

Die Aktien der Sonotel werden auf der ausserbörslichen Handelsplattform OTC-X der BEKB gehandelt. Auf der Basis des letztbezahlten Kurses von 2’850 CHF weisen die Aktien einen Abschlag von rund 15% gegenüber dem Buchwert per 31.12.2015 auf. Die Ausschüttungsrendite für 2015 liegt bei auch im aktuellen Tiefzinsumfeld wenig attraktiven 1.75%. Ob die Ausschüttungen zukünftig höher ausfallen werden, ist ebenso offen wie die zukünftige Firmenstrategie. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Familie von Finck als Hauptaktionärin an einer soliden Wertentwicklung interessiert ist. Inwieweit die freien Aktionäre daran partizipieren können, ist unsicher. Ein von Minderheitsaktionären erhofftes Übernahmeangebot zu einem attraktiven Preis erscheint wenig wahrscheinlich. Die Gesellschaft hat keine Probleme mit den freien Aktionären, und die Erstellung eines jährlichen Berichts und die Durchführung einer GV sind für sie nach Aussagen des VRP kein grosser Aufwand. Dies kann unserer Ansicht nach dahingehend interpretiert werden, dass den Aktionären keine Offerte unterbreitet wird.

Verkaufswillige Anteilseigner, die sich mit der neuen Strategie nicht anfreunden können, dürften es schwer haben, die nur selten gehandelten Papiere zu einem fairen Preis verkaufen zu können. Ein Verkauf auf dem Niveau des aktuellen Geldkurses von 2’000 CHF ist allerdings nicht sinnvoll. Selbst wenn der Wert der Beteiligungen im Portfolio einen Kurstaucher verbucht, dürfte dieser nicht so hoch ausfallen wie der Abschlag gegenüber dem inneren Wert, der gemäss den Aussagen der Gesellschaft derzeit noch höher ist als der im Geschäftsbericht für 2015 ausgewiesene Wert. Zudem betrachten wir es als nicht unwahrscheinlich, dass die Dividende zukünftig höher ausfallen könnte. Gut vorstellbar ist ein Wert von 100 CHF pro Aktie, woraus sich eine attraktive Rendite von 3.5% ermitteln lässt. Kaum mehr im bisherigen Rahmen mit einem sehr guten Mittagessen stattfinden dürfte die GV der Gesellschaft, so dass die Naturaldividende künftig eher bescheiden ausfallen könnte. Die Aktien eignen sich somit nur für diejenigen Anleger als Investment, die einen Teil ihres Vermögens von der durch die Familie von Finck beherrschten Sonotel verwalten lassen möchten. Ausstiegswilligen Anteilseignern ist aktuell zu Geduld zu raten, was im ausserbörslichen Umfeld keinesfalls ungewöhnlich ist. Oftmals werden die Aktien deutlich unterhalb des inneren Werts gehandelt, der allerdings in den seltensten Fällen so klar ermittelt werden kann wie bei der Sonotel. Einzig offen ist derzeit der Wert der Beteiligung an der Swiss Re, während die Kurswerte der beiden übrigen Beteiligungen tagesaktuell überprüft werden können. Daher erscheint es zumindest nicht unmöglich, dass sich der Kurs der Sonotel-Aktien an den inneren Wert zumindest annähert. Deutlich tiefere Kurse könnten Schnäppchenjäger auf den Plan rufen, respektive auch von der Familie von Finck genutzt werden, um den Anteil zu Preisen, die deutlich unter den Marktwerten liegen, aufzustocken. Für die Beteiligung an der Gesellschaft spricht zudem die sehr tiefe Kostenstruktur. Sofern die Kosten zukünftig nicht erheblich ansteigen, was sich derzeit nicht abzeichnet, ist die Verwaltung des Gesellschaftsvermögens sehr günstig. Die Kosten einer Verwaltung durch einen Anlagefonds, der am ehesten als Alternative für diejenigen Anleger, die ihr Vermögen nicht selbst verwalten wollen, in Betracht kommt, fallen deutlich höher aus.

GV-Termine und Veranstaltungen